Eine treue Vermahnung an alle Christen, sich vor Aufruhr und Empörung zu hüten (1522)
Von Martin Luther
Jesus.
Allen Christen, die diesen Brief lesen oder hören, möge Gott Gnade und Frieden gewähren. Amen.
Durch Gottes Gnade ist in diesem Jahr das selige Licht der christlichen Wahrheit, das zuvor durch den Papst und seine Anhänger unterdrückt wurde, wieder aufgegangen. Dadurch wurden ihre vielfältigen schädlichen und schändlichen Verführungen, ihre üblen Taten und Tyrannei öffentlich aufgedeckt und bloßgestellt. Es scheint, als würde dies zu Aufruhr führen und dass Priester, Mönche, Bischöfe und der gesamte geistliche Stand erschlagen und vertrieben werden könnten, wenn sie sich nicht ernsthaft und merklich bessern. Denn das gemeine Volk, das sich über seine erlittenen Schäden an Gut, Leib und Seele zutiefst empört fühlt und über alle Maßen von ihnen ungerecht behandelt wurde, kann und will das nicht länger ertragen und hat einen berechtigten Grund, mit Fäusten und Keulen zuzuschlagen, wie der Bauer Hans droht.
Auch wenn ich es nicht ungern höre, dass die Geistlichen in solcher Angst und Sorge sind, weil sie dadurch vielleicht innehalten und ihre wütende Tyrannei mildern könnten – und möge Gott dafür sorgen, dass diese Angst und Sorge noch größer wird –, so bin ich doch sicher und mache mir keine Sorgen über zukünftige Aufstände oder Empörungen, die durch diese Ursache ausgelöst werden und den gesamten Haufen überfallen könnten. Denn ich kann und darf nicht daran zweifeln, dass Gott an seinem Wort festhalten wird und viel eher Himmel und Erde vergehen lassen würde, als dass auch nur ein einziges Jota oder Buchstabe davon verloren geht, wie er selbst sagt in Matthäus 5 und 24. Deshalb lasse ich sie drohen und sich fürchten, wer mag und will, damit sich die Schrift erfüllt, die von solchen geistlichen Übeltätern in Psalm 36 sagt: „Ihre Bosheit ist offenbar geworden, dass man sie feindet.“ Ebenso Psalm 14: „Sie fürchten sich, wo keine Furcht ist.“ Und Sprüche 28: „Die Gottlosen fliehen, obwohl sie niemand verfolgt.“ Und 3. Mose 26: „Es soll sie auch ein rauschendes Blatt erschrecken.“ Und 5. Mose 28: „Gott wird dir ein erschrockenes Herz geben, dass dein Leben vor dir schwebt. Morgens wirst du sagen: ‚Wollte Gott, ich hätte den Abend überlebt!‘ und abends wirst du sagen: ‚Wollte Gott, ich hätte den Morgen überlebt!‘“ Solche Schrecken und Furcht gibt die Schrift allen Feinden Gottes zum Anfang ihrer Verdammnis. Darum ist es nur gerecht und erfreut mich sehr, dass solche Plage die Papisten heimsucht, die die göttliche Wahrheit verfolgen und verdammen. Es wird noch schlimmer kommen.
Und um noch mehr zu sagen: Wenn ich zehn Leben hätte und bei Gott so viel Gnade erlangen könnte, dass er sie mit diesem körperlichen Tod oder Aufruhr bestraft, so würde ich alle diese Leben aus tiefstem Herzen gerne dafür opfern. Ach, lieber Gott, es ist nicht eine so milde Strafe vor der Tür, es ist ein unsagbarer Ernst und Zorn, dessen kein Ende ist, der bereits über sie begonnen hat. Der Himmel ist eisern, die Erde ist aus Erz. Es hilft kein Bitten mehr. Der Zorn ist, wie Paulus von den Juden sagt, endgültig über sie gekommen. Es geht nicht um einen Aufruhr vor Gott – wollte Gott, dass wir, obwohl diesem Haufen nicht zu helfen ist, doch einige herausreißen und vor dem schrecklichen Schlund und Rachen retten könnten. Die Schrift gibt dem Papst und den Seinen ein ganz anderes Ende als den körperlichen Tod und Aufruhr. Daniel 8 spricht: „Er soll ohne Hand zerbrochen werden“, das heißt, nicht mit dem Schwert und körperlicher Gewalt. Und Paulus sagt im 2. Thessalonicher 2 über ihn: „Unser Herr Jesus wird ihn töten mit dem Geist seines Mundes und wird ihn vernichten durch das Erscheinen seiner Ankunft.“ Die Maler stellen Christus auf dem Regenbogen dar, dass ihm eine Rute und ein Schwert aus dem Mund geht, was aus Jesaja 11 genommen ist, wo es heißt: „Er wird die Erde schlagen mit der Rute seines Mundes und mit dem Geist seiner Lippen wird er die Gottlosen töten.“ Dass die Maler eine blühende Rute malen, ist jedoch nicht korrekt. Es sollte ein Stab oder eine Stange sein, und sowohl die Stange als auch das Schwert sollten nur auf einer Seite die Verdammten treffen. Ebenso Psalm 10: „Zerschmettere den Arm des Gottlosen, erforsche seine Bosheit, so wird sein gottloses Wesen nicht mehr bestehen.“
Aus diesen Worten lernen wir, dass das antichristliche Regiment des Papstes auf diese Weise zerstört werden wird. Nämlich dadurch, dass das Wort Christi, welches der Geist, die Rute und das Schwert seines Mundes ist, seine Bosheit, Betrügerei, Schurkerei und Tyrannei aufdecken und vor aller Welt bloßstellen wird. Denn Lügen und Verführungen werden allein dadurch zerstört, dass sie aufgedeckt und erkannt werden. Sobald die Lügen erkannt werden, bedarf es keines weiteren Schlages mehr, sie vergehen und verschwinden von selbst mit all ihrer Schande. Das meint auch Psalm 10: „Suche nur seine Bosheit, so ist sein gottloses Wesen schon dahin.“ Es bedarf nichts weiter als des Erkennens und Offenlegens.
Nun ist das Wesen des Papstes mit seinen Stiften, Klöstern, Hochschulen, Gesetzen und Lehren nichts als Lüge, durch nichts als Lügen aufgebaut. Er hat die Welt nur mit Schein und äußerer Gestalt betrogen, verführt, unterdrückt und an Leib, Gut und Seele geschädigt. Darum bedarf es nichts weiter als des Erkennens und Offenlegens, und dann wird das Papsttum mit den Priestern und Mönchen in aller Schande und Schmach dahinsinken. Denn kein Mensch ist so töricht, dass er den offenkundigen Lügen und Falschheiten folgen und sie nicht hassen würde.
Wenn nun diese Enthüllung der päpstlichen Bosheit geschieht und der Geist des Mundes Christi weht, sodass der Papst mit seinen Lügen keinen Wert mehr hat und völlig verachtet wird, dann wird mit einem Schlag der Jüngste Tag kommen, und wie Paulus sagt, wird Christus den Papst schließlich durch sein Kommen vernichten. In diesem Prozess ist es das Traurige, dass der Papst und seine Anhänger verhärtet sind und dies nicht glauben, sondern auslachen, um das Wort des Paulus zu erfüllen: „Wenn sie sagen: ‚Friede und Sicherheit‘, dann wird plötzlich Verderben über sie kommen.“
Wie ich nun gesagt habe, bin ich mir sicher, dass das Papsttum und der geistliche Stand nicht durch Menschenhand oder Aufruhr zerstört werden, sondern dass ihre Bosheit so groß ist, dass keine Strafe ausreichend ist außer der göttliche Zorn selbst ohne jedes Mittel. Deshalb habe ich mich nie dazu hinreißen lassen, denen zu widerstehen, die mit der Hand oder mit Knüppeln vorgehen. Ich weiß wohl, dass es nicht dazu kommen wird, auch wenn einige angegriffen werden; es wird jedoch nicht zu einem allgemeinen Angriff kommen. Es sind doch zuvor schon viele Priester ohne Aufruhr oder Empörung erschlagen worden, als man sich noch vor ihrem Bann fürchtete und der Zorn Gottes noch nicht begonnen hatte. Doch nun, da er begonnen hat und man sich nicht mehr vor ihnen fürchtet, sollen sie sich grundlos fürchten, so wie sie uns bisher mit ihrem falschen Bann vorgeblich in Angst versetzt und in unserer Furcht einen guten stolzen Willen gehabt haben.
Obwohl es jedoch nicht zu einem Angriff kommen wird und mir nicht nötig ist, solchen zu wehren, muss ich doch auch die Herzen ein wenig unterweisen. Und zunächst überlasse ich es den weltlichen Obrigkeiten und dem Adel, die dies aus Pflicht ihrer ordentlichen Gewalt tun sollten, jeder Fürst und Herr in seinem Land. Denn was durch ordentliche Gewalt geschieht, ist nicht als Aufruhr zu betrachten. Aber nun lassen sie alles geschehen, einer hindert den anderen, einige helfen und rechtfertigen sogar die Sache des Antichristen. Gott wird sie schon finden und ihnen nach ihrer Gewalt und Macht geben, um ihre Untertanen an Leib, Gut und Seele zu retten oder ins Verderben zu führen. Aber dem einfachen Mann soll sein Gemüt beruhigt und ihm gesagt werden, dass er sich zurückhalten und auch nicht in Gedanken oder Worten zum Aufruhr neigen soll und ohne den Befehl der Obrigkeit oder der Gewalt nichts unternehmen soll.
Zum ersten, wie gesagt, es wird doch nicht zu Taten kommen. Und es sind nur leere Worte und Gedanken, was darüber geredet und gedacht wird. Denn wie wir gehört haben, will und wird Gott selbst der Vollstrecker sein, und sie sind solcher milden Strafe ganz und gar nicht würdig. Auch sehen wir, wie die Fürsten und Herren so uneins sind und sich gar nicht darum kümmern, als wollten sie der Sache helfen, was alles von Gott so gefügt und bestimmt wird, damit er allein strafen und seinen Zorn über sie ausschütten kann. Obwohl die Fürsten und Herren, wie gesagt, damit nicht entschuldigt sind. Sie sollten das Ihre dazu tun und mit dem Schwert, das sie tragen, wehren, so viel sie können, um den Zorn Gottes wenigstens teilweise abzuwenden und zu lindern. So wie Mose in Exodus 32 dreitausend vom Volk erschlagen ließ, damit der Zorn Gottes vom Volk abgewendet würde, wie es auch von Elia und Phinehas in der Schrift heißt, nicht dass man jetzt die Priester töten sollte, was nicht nötig ist, sondern nur mit Worten zu ermahnen und mit Gewalt zurückzuhalten, was sie gegen das Evangelium unternehmen. Man kann ihnen mit Worten und Briefen mehr als genug tun, sodass es weder Schlagen noch Stechen bedarf.
Zum anderen, auch wenn es möglich wäre, dass ein Aufruhr geschähe und Gott sie so gnädig strafen wollte, so ist dies doch kein nützlicher Weg und bringt auch nie die Besserung, die man damit sucht. Denn Aufruhr hat keinen Verstand und trifft gemeinhin mehr die Unschuldigen als die Schuldigen. Darum ist auch kein Aufruhr rechtens, wie berechtigt die Sache auch immer sein mag. Und es folgt immer mehr Schaden als Besserung daraus. Damit erfüllt sich das Sprichwort: „Aus Übel wird schlimmeres Übel.“ Deshalb ist die Obrigkeit und das Schwert eingesetzt, um die Bösen zu strafen und die Frommen zu schützen, damit Aufruhr verhindert wird, wie Paulus sagt in Römer 13 und 1. Petrus 2. Aber wenn erst einmal alle („Herr Omnes“) aufstehen, dann kann keiner mehr den Unterschied zwischen Böse und Fromm erkennen und halten, es trifft wahllos, wie es trifft, und es kann nicht ohne großes, schreckliches Unrecht geschehen. Darum achte auf die Obrigkeit, solange sie nicht greift und befiehlt, so halte du still mit Hand, Mund und Herz und mische dich nicht ein. Kannst du aber die Obrigkeit bewegen, dass sie eingreift und befiehlt, so magst du es tun; will sie nicht, so sollst du auch nicht wollen. Wenn du aber fortfährst, bist du schon ungerecht und viel schlimmer als der andere Teil. Ich halte und werde immer halten zu dem Teil, der Aufruhr erleidet, wie unrecht die Sache auch immer sei, und gegen den Teil sein, der Aufruhr macht, wie recht die Sache auch immer sei, weil Aufruhr nicht ohne unschuldiges Blut oder Schaden geschehen kann.
Zum Dritten ist der Aufruhr von Gott verboten, wie er durch Moses sagt: „Was recht ist, sollst du gerecht ausführen.“ Ebenso: „Die Rache ist mein, ich will vergelten.“ Daraus stammt das wahre Sprichwort: „Wer zurückschlägt, der handelt unrecht.“ Und: „Niemand kann sein eigener Richter sein.“ Nun ist Aufruhr nichts anderes als Selbstjustiz und Rache, was Gott nicht dulden kann. Deshalb ist es unmöglich, dass Aufruhr die Sache nicht immer schlimmer macht, weil er gegen Gott ist und Gott nicht mit ihm ist.
Zum Vierten ist in diesem Fall der Aufruhr eine besondere Eingebung des Teufels. Denn während er sieht, dass das helle Licht der Wahrheit seine Götzen, den Papst und die Papisten, in aller Welt aufdeckt und er ihnen in keiner Weise begegnen kann, da ihm das Glänzen in die Augen geschlagen wurde und er geblendet ist, bleibt ihm nichts anderes übrig, als Lügen zu verbreiten und das Lächerlichste von allem darzustellen. So sehr, dass er sogar vergessen hat, wie er früher den Anschein und das Glänzen gewendet hat, wie die Lügenmäuler des Papstes, Eck, Emser und ihresgleichen in ihren Bullen und Schriften aufzeigen. Er stachelt vielmehr zum Aufruhr an durch diejenigen, die sich zum Evangelium bekennen, um zu versuchen, unsere Lehre zu verunglimpfen, als sei sie vom Teufel und nicht von Gott, wie einige schon auf der Kanzel prahlen, ausgehend von dem Spiel, das er in Erfurt mit den Priestern begann. Aber es wird ihm, wenn Gott will, nicht gelingen. Wir müssen seine Verachtung ertragen. Doch er wird auch etwas ertragen müssen, das ihm reichlich vergolten wird. Wer meine Lehre recht liest und versteht, wird keinen Aufruhr machen. Sie haben es nicht von mir gelernt. Dass aber einige dies tun und sich unseres Namens rühmen, was können wir dagegen tun? Wie viel tun die Papisten im Namen Christi, das nicht nur von Christus verboten wurde, sondern auch Christus selbst zerstört hat? Sollen wir unseren Chor so rein halten, dass nicht einmal Petrus unter uns strauchelt, während unter den Papisten nur Judas und Judas‘ Tücke zu finden sind, und sie wollen dennoch nicht, dass ihre Lehre dem Teufel zugerechnet wird? Aber wie ich sage, der Teufel sucht nur nach Gründen, diese Lehre zu schmähen, so gut er kann. Könnte er etwas Schlimmeres tun, so würde er es auch tun. Er ist müde geworden und muss sich damit zufriedengeben, wenn Gott will, indem er solche lahmen, schwachen und trägen Pläne ausführt. Der Aufruhr wird ihm nicht gelingen, wie er es gerne hätte.
Darum bitte ich, wer sich des christlichen Namens rühmen will, halte sich an das, was Paulus im zweiten Brief an die Korinther sagt: „Gebt den Widersachern keinen Anlass, unsere Lehre zu lästern.“ Denn wir sehen, wie die Papisten darauf aus sind, den Balken in ihren eigenen Augen stehen zu lassen und mit aller Kraft suchen und scharren, ob sie einen kleinen Splitter in unseren Augen finden können. Wir sollen ihnen keinen Anlass geben, da sie fast nichts Gutes an sich haben. Aber wo bei uns keiner nur Geist und Engel ist, soll alles, was wir tun, unrecht sein. Da freuen sie sich, da hüpfen sie, da singen sie, als hätten sie den ganzen Sieg errungen. Darum sollen wir uns hüten, ihnen Gründe für ihre Lästerungen zu liefern, mit denen sie voll und ganz gespickt sind, nicht um ihretwillen, denn sie müssen ohnehin lästern und ihren Mund sprechen lassen, was ihr Herz erfüllt, sollten sie es auch mit Lügen erreichen, wie wir sehen, dass sie es tun. Sondern um des heiligen Evangeliums willen, damit wir seine Schmach bewahren und ihnen den Mund stopfen (wie es Petrus lehrt), damit sie uns mit keiner Wahrheit beschmutzen können, so weit es uns möglich ist. Denn was sie Böses über uns sagen können, ziehen sie sogleich auf die Lehre und so muss das heilige Wort Gottes unsere Schande tragen, woraus wir alle Ehre haben. Aber sie wollen, dass ihre Lehre unbeschadet bleibt, obwohl sie nichts als Schande wirken, das edle, zarte, gerechte Volk.
Sprichst du aber: „Was sollen wir denn tun, wenn die Obrigkeit nicht handeln will? Sollen wir es noch länger dulden und ihren Mutwillen stärken?“ Antwort: Nein, du sollst nichts tun. Drei Dinge sollst du dazu tun: Erstens, du sollst deine Sünde erkennen, mit der Gottes strenge Gerechtigkeit ein solches antichristliches Regiment über dich gebracht hat, wie es der heilige Paulus im zweiten Brief an die Thessalonicher voraussagt: „Gott wird ihnen irrige Lehren und ein Regiment zusenden, weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, damit sie selig werden.“ Es ist allein unsere Schuld, alles, was der Papst mit den Seinen an unserem Gut, Leib und Seele getan hat. Darum musst du zuerst die Sünde bekennen und ablegen, ehe du der Strafe und Plage entkommen willst, sonst wirst du wieder ins Unglück geraten, und der Stein, den du gen Himmel wirfst, wird dir auf den Kopf fallen. Zweitens, du sollst demütig beten gegen das päpstliche Regiment, wie es der neunte Psalm tut und lehrt: „Steh auf, Herr Gott, und erhebe deine Hand, vergiss nicht deiner Armen. Warum lästert der Gottlose dich, Herr Gott, und sagt, du fragst nicht danach? Du siehst und erkennst seine Mühe und seinen Grimm, damit du ihn in deine Hände gibst. Dem Armen ist es dir überlassen, dem Weisen wirst du helfen, zerschmettere den Arm des Gottlosen, suche seine Bosheit, so wird sein gottloses Wesen nicht mehr sein.“
Das Dritte, dass du deinen Mund zum Mund des Geistes Christi werden lässt, von dem Paulus oben sagt: „Unser Herr Jesus wird ihn mit dem Hauch seines Mundes töten.“ Dies tun wir, indem wir mutig fortfahren, wie begonnen wurde, die Schurkerei und Betrügerei des Papstes und der Papisten unter die Leute zu bringen, durch Reden und Schreiben, bis er in aller Welt bloßgestellt, erkannt und beschämt wird. Denn man muss ihn zuerst mit Worten töten; der Mund Christi muss es tun, damit wird er aus den Herzen der Menschen gerissen, seine Lügen erkannt und verachtet. Wenn er aber aus den Herzen ist, dass seine Dinge nichts mehr gelten, dann ist er schon vernichtet. Damit kann man ihm besser raten als mit hundert Aufständen. Mit Gewalt werden wir ihm nichts abbrechen, ja, ihn sogar noch stärken, wie es bisher vielen ergangen ist. Aber mit dem Licht der Wahrheit, wenn man ihn gegen Christus und seine Lehre gegen das Evangelium hält, da, da fällt er und wird zunichte ohne alle Mühe und Arbeit. Sieh mein Tun an: Habe ich nicht dem Papst, den Bischöfen, Priestern und Mönchen allein mit dem Mund, ohne jeden Schwertschlag, mehr abgebrochen als alle Kaiser, Könige und Fürsten bisher mit all ihrer Macht abgebrochen haben? Warum das? Weil Daniel sagt, dieser König soll ohne Hand zerstört werden, und Paulus, er soll mit dem Mund Christi zerstört werden. Nun mag ich und jeder, der Christi Wort redet, sich rühmen, dass sein Mund Christi Mund sei. Ich bin gewiss, dass mein Wort nicht mein, sondern Christi Wort ist, also muss mein Mund auch der sein, dessen Wort er redet.
Darum brauchst du keinen körperlichen Aufruhr zu wünschen. Christus selbst hat schon einen begonnen mit seinem Mund, der dem Papst allzu schwer sein wird, diesem lasst uns folgen und fortfahren. Es ist nicht unser Werk, was jetzt in der Welt geschieht. Es ist nicht möglich, dass ein Mensch allein ein solches Werk beginnen und führen sollte. Es ist auch ohne mein Bedacht und Ratschläge so weit gekommen. Es soll auch ohne meinen Rat gut hinausgehen, und die Pforten der Hölle sollen es nicht hindern. Ein anderer treibt die Sache, den die Papisten nicht sehen und uns die Schuld geben. Sie werden es aber bald erkennen. Der Teufel hat sich lange Zeit vor diesem Jahr gefürchtet und den Braten von weitem gerochen, hat auch viele Prophezeiungen dagegen ergehen lassen, von denen einige auf mich deuteten, dass ich mich oft über seine große Schalkheit wunderte. Er hätte mich auch oft gerne getötet, jetzt möchte er gerne, dass ein körperlicher Aufruhr entstehe, damit dieser geistliche Aufruhr zu Schanden und gehindert werde. Aber es wird ihm nicht helfen, wenn Gott will. Er muss ohne Hand und nur mit dem Mund zerstört werden, da hilft nichts anderes.
Sieh nun, treibe und hilf das heilige Evangelium zu treiben, lehre, rede, schreibe und predige, wie Menschengebote nichts sind, weise und rate, dass niemand Priester, Mönch oder Nonne werde, und wer darin ist, herausgehe. Gib nicht mehr Geld für Ablassbriefe, Kerzen, Glocken, Tafeln oder Kirchen, sondern sage, dass ein christliches Leben im Glauben und in der Liebe besteht, und lasst uns das noch zwei Jahre treiben, dann wirst du wohl sehen, wo Papst, Bischof, Kardinal, Priester, Mönch, Nonne, Glocken, Türme, Messe, Vigilien, Kutten, Kappen, Platten, Regeln, Statuten und das ganze Schwarm- und Gewürm des päpstlichen Regiments bleiben werden – wie Rauch werden sie verschwinden! Wenn wir das aber nicht lehren und solche Wahrheit nicht unter die Leute bringen, dass ihnen solche Dinge aus dem Herzen genommen werden, dann wird der Papst wohl bei uns bleiben, auch wenn wir tausend Aufstände gegen ihn beginnen. Sieh, was hat allein dieses eine Jahr bewirkt, in dem wir solche Wahrheit getrieben und geschrieben haben, wie ist den Papisten das Deckchen so kurz und schmal geworden! Die Ablasshändler klagen, sie müssen fast verhungern. Was wird geschehen, wenn dieser Mund Christi noch zwei Jahre mit seinem Geist dreschen wird? Solches Spiel wollte der Teufel gerne mit einem körperlichen Aufruhr hindern. Aber lasst uns weise sein, Gott danken für sein heiliges Wort und diesen seligen Aufruhr, und unseren Mund frisch dazugeben.
Es ist offenbar geworden die Unwissenheit der Papisten. Es ist offenbar geworden ihre Heuchelei. Es ist offenbar geworden ihre falschen Lügen in ihren Gesetzen und Ordnungen. Es ist offenbar geworden ihre falsche Tyrannei des Banns. Kurz gesagt, es ist alles aufgedeckt, womit sie bisher die Welt verzaubert, erschreckt und verführt haben. Man sieht, dass es alles Gaukelwerk gewesen ist. Nichts mehr ist bei ihnen, das man fürchten muss, außer nur noch ein klein wenig weltlicher Gewalt. Aber da der Schein dahin ist und sie sich nur noch mit bloßer Gewalt schützen müssen, ist es nicht möglich, dass es lange bestehen wird. Auch was dem Mund Christi übrigbleibt, das wird sein Kommen vernichten, wie Paulus sagt. Darum lasst uns frisch anhalten, das Wort recht zu treiben, die Menschengebote auszutreiben. So tötet Christus durch uns das Papsttum. Es singt schon „Eli Eli“, es ist getroffen. Bald wird es heißen: „Expiravit“ (er ist gestorben).
Aber bei diesem Vorgehen muss ich einige erneut ermahnen, die dem heiligen Evangelium großen Schaden und schlechte Nachrede zufügen. Es gibt einige, die, sobald sie ein oder zwei Blätter gelesen oder eine Predigt gehört haben, sofort alles wissen und nichts anderes tun, als sich über andere zu erheben und ihnen vorzuhalten, dass sie nicht evangelisch seien, obwohl es manchmal schlichte, einfältige Leute sind, die wohl die Wahrheit lernen könnten, wenn man sie ihnen erklären würde. Das habe ich auch niemandem gelehrt, und der heilige Paulus hat es streng verboten. Sie tun es nur, weil sie etwas Neues wissen und als gute Lutheraner erscheinen wollen. Aber sie missbrauchen das heilige Evangelium für ihren eigenen Eigensinn. Damit wirst du das Evangelium niemals in die Herzen treiben. Du wirst die Menschen eher abschrecken und musst schwer Rechenschaft ablegen, dass du sie so von der Wahrheit vertrieben hast. Nicht so, du Narr, höre und lass dir sagen.
Zunächst bitte ich, dass man meinen Namen schweigt und sich nicht Lutherisch, sondern Christen nennt. Was ist Luther? Die Lehre ist doch nicht meine. Ich bin auch für niemanden gekreuzigt worden. Der heilige Paulus wollte es nicht dulden, dass sich die Christen Paulisch oder Petrisch nennen sollten, sondern Christen. Wie käme ich, ein armer, stinkender Madensack, dazu, dass man die Kinder Christi mit meinem heillosen Namen nennen sollte? Nicht so, liebe Freunde, lasst uns die parteilichen Namen tilgen und uns Christen nennen, deren Lehre wir haben. Die Papisten haben zu Recht einen parteilichen Namen, weil sie sich nicht an der Lehre und dem Namen Christi genügen lassen und auch Päpstlich sein wollen, so lasst sie päpstlich sein, denn ihr Meister ist. Ich bin und will niemandes Meister sein. Ich habe mit der Gemeinde die eine gemeinsame Lehre Christi, der allein unser Meister ist (Matthäus 23,8).
Zum anderen, wenn du das Evangelium christlich handeln willst, musst du auf die Person achten, mit der du redest. Diese sind zweierlei: Zunächst gibt es einige, die verhärtet sind, die nicht hören wollen und dazu andere mit ihrem Lügenmaul verführen und vergiften, wie der Papst, Eck, Emser, einige unserer Bischöfe, Priester und Mönche. Mit diesen sollst du nichts verhandeln, sondern dich an den Spruch Christi in Matthäus 7 halten: „Ihr sollt das Heilige nicht den Hunden geben, noch eure Perlen vor die Säue werfen, damit sie diese nicht mit Füßen treten und sich umdrehen und euch zerreißen.“ Lasst sie Hunde und Säue bleiben. Es ist doch verloren. Ebenso Salomo: „Wo keiner ist, der dir zuhört, sollst du dein Wort nicht ausgießen.“ Wenn du aber siehst, dass diese Lügner ihre Lügen und ihr Gift auch in andere Menschen schütten, dann sollst du sie getrost frontal angreifen und gegen sie kämpfen, wie Paulus den Elymas in Apostelgeschichte 13 mit harten, scharfen Worten schalt, und wie Christus die Pharisäer „Otterngezücht“ nannte. Das sollst du nicht um ihretwillen tun, denn sie hören nicht, sondern um derer willen, die sie vergiften. So befiehlt Paulus dem Titus, er solle solche unnützen Schwätzer und Seelenverführer hart zurechtweisen.
Zum anderen gibt es einige, die solche Dinge zuvor nicht gehört haben und gerne lernen möchten, wenn man es ihnen sagt, oder die so schwach sind, dass sie es nicht leicht fassen können. Diese soll man nicht überrumpeln oder überrennen, sondern sie freundlich und sanft belehren, Grund und Ursache erklären, und wenn sie es nicht gleich verstehen, eine Zeit lang Geduld mit ihnen haben. Davon spricht Paulus in Römer 15: „Den Schwachen im Glauben sollt ihr annehmen.“ Ebenso Petrus in 1. Petrus 3: „Ihr sollt jederzeit bereit sein zur Antwort einem jeden, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, mit Sanftmut und Furcht.“ Da siehst du, dass wir mit Sanftmut und Gottesfurcht unseren Glauben erklären sollen, wenn es jemand begehrt oder braucht. Wenn du nun vor diesen Leuten deine große Kunst zeigen willst, und so kurz daherfährst, und vorbringst, wie sie nicht recht beten, fasten, Messe halten und willst Fleisch, Eier und dieses und jenes am Freitag essen, und dabei nicht mit Sanftmut und Furcht die Ursache und den Grund nennst, so kann ein solch einfältiges Herz dich nicht anders sehen, als dass du ein stolzer, frecher, frevelhafter Mensch bist, was dann auch wahr ist, und meint, man solle nicht beten, nicht Gutes tun, die Messe sei nichts, und dergleichen. Solch ein Irrtum und Anstoß bist du schuld und Ursache, wodurch es dann kommt, dass sie übel über das heilige Evangelium urteilen und meinen, man habe dir ungeheure Dinge gelehrt. Was nützt dir nun solch eine Beleidigung deines Nächsten und das Hindernis des Evangeliums? Du hast deinen Eigensinn gestillt, und so sprechen sie: „Ich will in meinem Glauben bleiben“, und verschließen ihr Herz der rechten Wahrheit.
Wenn du aber mit Furcht und Sanftmut (wie es der heilige Petrus lehrt) die Gründe erklärst und so sprichst: „Lieber Mensch, Fasten, Eier, Fleisch oder Fisch essen ist eine Sache, von der das Heil nicht abhängt. Es kann sowohl gut als auch schlecht gemacht und weggelassen werden. Allein der Glaube macht selig, etc.“, wie es hier zu sagen ist. „Ebenso wäre die Messe gut, wenn sie richtig gehalten würde, etc.“: Auf diese Weise kämen sie hinzu, hörten zu und lernten am Ende, was du kannst. Aber nun bist du so frech, erhebst dich, weil du etwas weißt, das sie nicht wissen, handelst wie der Pharisäer im Evangelium und lässt durch deinen Übermut erkennen, dass sie nicht auch das wissen, was du weißt. Du fällst in das Urteil des heiligen Paulus im Römerbrief Kapitel 14: „Du wandelst nicht mehr nach der Liebe“, verachtest deinen Nächsten, dem du doch mit Furcht und Sanftmut dienen solltest.
Beachte ein Gleichnis: Wenn dein Bruder mit einem Strick um den Hals gefährlich von seinem Feind gebunden wäre, und du Narr würdest zornig auf den Strick und den Feind, liefen hin und rissen den Strick mit großem Ernst zu dir oder stachen mit einem Messer danach, so würdest du wohl deinen Bruder erwürgen oder erstechen und mehr Schaden anrichten als der Strick und der Feind. Wenn du ihm aber helfen willst, musst du folgendermaßen vorgehen: Den Feind kannst du hart genug bestrafen oder schlagen, aber mit dem Strick musst du sanft und vorsichtig umgehen, bis du ihn von seinem Hals entfernt hast, damit du deinen Bruder nicht erwürgst.
Ebenso darfst du die Lügner und verhärteten Tyrannen hart angreifen und frei gegen ihre Lehre und Werke vorgehen, denn sie wollen nicht hören. Aber mit den Einfältigen, die von ihnen mit den Stricken solcher Lehren gefährlich gebunden sind, musst du ganz anders umgehen: mit Furcht und Sanftmut die Lehre erklären, Grund und Ursache darlegen, und sie so mit der Zeit befreien. So handelte der heilige Paulus, als er allen Juden zum Trotz nicht wollte, dass Titus beschnitten wird, aber doch Timotheus beschnitt. Siehe, so musst du die Hunde und Säue anders behandeln als die Menschen, die Wölfe und Löwen anders als die schwachen Schafe. Den Wölfen kannst du nicht zu hart sein, den schwachen Schafen nicht zu weich.
Wir müssen uns jetzt so verhalten, als lebten wir unter den Heiden, da wir unter den Papisten leben. Ja, sie sind wohl siebenfache Heiden. Deshalb sollen wir, wie es der heilige Petrus lehrt, einen guten Wandel unter den Heiden führen, damit sie uns nichts Böses mit Wahrheit nachsagen können, wie sie es gern würden. Sie hören es sehr gern, wenn du dich dieser Lehre rühmst und den schwachen Herzen Ärgernis bereitest, damit sie die ganze Lehre als ärgerlich und schädlich beschreien können, weil sie ihr sonst nichts anhaben können und eingestehen müssen, dass sie wahr ist. Gott gebe uns allen, dass wir auch so leben, wie wir lehren, und die Worte auch in die Tat umsetzen. Viele von uns sagen „Herr, Herr“ und loben die Lehre, aber das Tun und Folgen bleibt aus. Das ist genug zur neuen Ermahnung, um Aufruhr und Ärgernis zu vermeiden, damit nicht durch uns selbst das heilige Gotteswort entheiligt wird. Amen.
WA 8, 676-687.