Letzte Briefe Friedrich Weißlers an seine Frau Johanna vor seiner Einlieferung ins KZ Sachsenhausen (Februar 1937): „Arme Frau, arme Mutter, arme Kinder! Gott wird Euch trösten, ich kann es nicht. Lest Psalm 27. Ich habe wunderbare Ruhe u. Kraft geschenkt erhalten. Denn ich weiß, dass der Herr auch dort täglich mir helfen wird, wie Er es bisher hier so wunderbar getan hat. Auch ist es mir eine Erlösung, aus der Öde u. Ungewissheit hier befreit zu werden. Dort werde ich doch wenigstens eine tägl. Arbeit haben. Und der Schatz der Lieder u. Gottesworte bleibt mir innerlich. […] Gott schütze Euch u. mich auch weiterhin so gnädig.“

Letzte Briefe an seine Frau Johanna

Friedrich Weißler, jüdischstämmiger Jurist (1891-1937), wurde 1936 Leiter der Kanzlei der Bekennenden Kirche in Berlin. Im Zusamenhang mit der Veröffentlichung der Denkschrift der Bekennenden Kirche an Adolf Hitler wurde er am 7. Oktober 1936 von der Gestapo verhaftet und im Polizeigefängnis Alexanderplatz in Berlin inhaftiert. Am 11. Februar 1937 wurde Weißler ins KZ Sachsenhausen eingeliefert und dort sechs Tage lang von der SS-Wachmannschaft grausam misshandelt und schließlich in der Nacht vom 18. auf den 19. Februar 1937 ermordet. Hier Weißlers letzte Briefe vor der Einlieferung nach Sachsenhausen:

Dienstag, den 9. Februar 1937

Meine Liebe!

»Fürchte Dich nicht, glaube nur!« Dies Wort Luk 8, 50 aus der Lesung des 28. I. begleitet mich seitdem u. stärkt mich ungemein. Wirklich: Wenn wir glauben, dass Gott der liebe Vater ist, der uns hilft, wovor sollten wir uns fürchten?

Bei Westwind höre ich auch Turmuhren schlagen, was namentlich nachts sehr angenehm ist (obwohl ich ganz gut schlafe). Jetzt bei Ostwind ist wieder alles still. Auch Musik höre ich öfter, nämlich die Polizeikapelle, die hier irgendwo übt. Sie spielen die üblichen Biergartensachen, Märsche, Potpourris, viel Wagner, sogar Parsifal! Immerhin besser als nichts.

Dem Brief angefügt ist ein eigener Text auf das Kirchenlied »Jesus meine Zuversicht«:

Nur dem Vater gilt es traun,
Stillehalten seinem Willen.
Er wird Zeit und Weg erschaun,
dein Verlangen zu erfüllen.
Mach den eig’nen Willen still.
Gott führt selber dich ans Ziel!

10. Februar 1937

Meine liebe Frau.

Gestern schrieb ich Dir ausführlich u. begann mit Luk 8, 50: »Fürchte Dich nicht, glaube nur.« Ich bitte Gott, dass Er Dich den gestrigen Brief vor dem heutigen erhalten lässt. Denn es gilt jetzt dies Wort zu beherzigen u. sich Kraft dazu von oben zu erbitten. – Ich komme nun doch noch ins Lager! Wann, wohin und auf wie lange, ist unbekannt. Es kann schon heute oder morgen sein, es kann auch noch 1 bis 2 Wochen dauern. Gestern wurden wir auf Lagerfähigkeit untersucht. Mein Herz fand der Arzt bei allerdings flüchtiger Untersuchung gesund. Schwere körperliche Arbeit käme für mich nicht in Betracht, sagte er, nur Büroarbeit. Auch meine Rheuma-Anfälligkeit soll berücksichtigt werden. Ich hoffe deswegen, dort die Erlaubnis zu erhalten, meine Unterhemden weiter zu tragen. Sonst wird man ja dort nichts Eigenes tragen dürfen. Auch meine Bücher kann ich natürlich nicht mitnehmen. (Das griech. N.T. versuche ich mitzunehmen. Die Decke muß ich zurücklassen.) […]
Arme Frau, arme Mutter, arme Kinder! Gott wird Euch trösten, ich kann es nicht. Lest Ps. 27. Ich habe wunderbare Ruhe u. Kraft geschenkt erhalten. Denn ich weiß, dass der Herr auch dort täglich mir helfen wird, wie Er es bisher hier so wunderbar getan hat. Auch ist es mir eine Erlösung, aus der Öde u. Ungewissheit hier befreit zu werden. Dort werde ich doch wenigstens eine tägl. Arbeit haben. Und der Schatz der Lieder u. Gottesworte bleibt mir innerlich. […] Gott schütze Euch u. mich auch weiterhin so gnädig.
Euer Vati.
PS: Den blauen Rock möchte ich nun doch behalten; ich brauche ihn ja nur noch zur Reise. Beide Katzenfelle bleiben natürlich unentbehrlich.

Quelle: Manfred Gailus, Friedrich Weißler. Ein Jurist und bekennender Christ im Widerstand gegen Hitler, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2016, S. 261-263.

Hier der Text als pdf.

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