Ermittlungssache gegen Georg Maus (1888-1945)
Als Georg Maus als Religionslehrer in Idar-Oberstein die Feindesliebe nach Matthäus 5,44 im Hinblick auf Engländer vertrat, wurde er er von Schülern denunziert und am 16. Mai 1944 im Unterricht verhaftet und zunächst in Koblenz verhört. Aufgrund der staatsanwaltlichen Untersuchung wurde er wegen Wehrkraftzersetzung angeklagt. Die Verhandlung gegen Maus fand vor dem Volksgerichtshof in Berlin statt. Dort wurde er am 23. November 1944 zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Beim Gefangenentransport von Berlin ins KZ Dachau verstarb er am 16. Februar 1945 an Unterernährung und Auszehrung bei Hochstadt am Main:
Herrn
Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof
in
Berlin
Betrifft: Ermittlungssache gegen Georg Maus
wegen Wehrkraftzersetzung.
Anlagen: 1 Heft
1 Schriftstück.
Die Vorgänge werden vorgelegt, weil auch der Verdacht der Wehrkraftzersetzung gegeben ist.
Der Beschuldigte ist seit Oktober 1943 als Studienrat an der Staatl. Oberschule in Idar-Oberstein beschäftigt. Vorher war er und zwar seit 1936 als Studienrat an der Staatl. Oberschule in Wuppertal tätig. Dort wurde er durch den Terrorangriff auf Wuppertal im Juni 1943 total fliegergeschädigt. Nach dem Angriff stand der Beschuldigte vor seinem zerstörten Haus und rief unter anderem laut folgendes:
»Das können wir den Herren verdanken. Das können wir Hitler verdanken. So etwas muß man als Weltkriegsoffizier mitmachen und sich bieten lassen!«
An der Staatl. Oberschule in Idar-Oberstein ist der Beschuldigte damit betraut, den evgl. Religionsunterricht zu erteilen. Zu seinen Schülern gehören hauptsächlich Jungen und Mädchen im Alter von 13 bis 15 Jahren. Ende 1943 erläuterte der Beschuldigte in der Religionsstunde den Bibeltext, man müsse auch seine Feinde lieben [vgl. Mt 5,44]. Hierbei erklärte er nach den Bekundungen der Zeugen Schley und Thiem den Schülern, sie müßten also auch die Engländer lieben. Die Engländer seien auch Germanen, deshalb soll man sie nicht hassen, sondern lieben.
Am 2. 5. [19]44 äußerte der Beschuldigte während des Religionsunterrichtes, er müsse nach Koblenz, weil er in einer Religionsstunde ausgeführt habe, man müsse die Engländer lieben. Hierbei bemerkte er nach den Bekundungen der Zeuginnen Scherpner und Antes ausdrücklich, die Kinder müßten die Engländer lieben. Selbst als ihm aus der Klasse vorgehalten wurde, daß die englischen Flieger unsere Städte zerstörten und dabei Frauen und Kinder ermordeten, erklärte der Beschuldigte, wie die Zeuginnen übereinstimmend aussagen, man müsse trotzdem die Engländer lieben, es sei unsere Pflicht, die Engländer zu lieben, denn hassen dürfe man sie nicht. Hierdurch entstand in der Klasse eine erhebliche Beunruhigung und Empörung der Schülerinnen.
Im Herbst 1943 erzählte der Beschuldigte nach der Darstellung des Zeugen Schmidt den Kindern eine Geschichte über den Nationalsozialismus. Hierbei führte er aus, einem Mann sei eine hohe Stelle in der Partei unter der Bedingung angeboten worden, daß er aus der Kirche austrete. Der Mann habe sich aber geweigert, aus der Kirche auszutreten und infolge dessen die Stelle nicht bekommen.
Wie der Zeuge Schmidt weiter bekundet, äußerte der Beschuldigte in einer anderen Religionsstunde, unsere Zeit stehe im Zeichen der Feigheit, nur die Soldaten, die an Gott glaubten, seien noch tapfer. Auf den Vorhalt der Kinder, daß auch aus der Kirche ausgetretene Soldaten tapfer seien und hohe Auszeichnungen erhalten hätten, bemerkte der Beschuldigte weiter, es würde sich in Deutschland einer vor dem anderen ducken, keiner wage mehr, offen die Wahrheit zu sagen.
Nach den Aussagen der Zeugen Keller, Schley und Fuchs kritisierte der Beschuldigte in der Religionsstunde auch die Maßnahmen der deutschen Regierung gegen die Juden. Er erklärte hierzu, es sei nicht richtig von Deutschland gewesen, die Juden zum Lande hinauszujagen, die Juden arbeiteten doch auch. Man hätte sie besser auf ein Stück Land zusammengetrieben und ihnen das Geld abgenommen. Man hätte sie auch anders bestrafen können.
Die Bekundungen der Zeugin Messinger sind außer Betracht gelassen worden, da sie nach ihrer eigenen Angabe Bl. 10R die Unwahrheit gesagt hat. Infolgedessen konnten die hierzu in Verbindung stehenden Aussagen des Schülers Klaus Wild und des Georg Otto Wild ebenfalls keine Berücksichtigung finden.
Der Beschuldigte gibt die Äußerungen, die er im Zusammenhang mit dem Thema Feindesliebe getan hat, ferner die Erzählung über den Nationalsozialismus sowie die Kritik der Maßnahmen gegen die Juden im wesentlichen zu, will aber nicht die Absicht gehabt haben, die Kinder in staatsfeindlichem Sinne zu beeinflussen.
Gegen den Beschuldigten hat das Amtsgericht Koblenz am 6. 6. 1944 Haftbefehl erlassen. Er befindet sich im Gefängnis in Koblenz.
Eilige Maßnahmen des Ermittlungsrichters beim Volksgerichtshof sind nicht erforderlich.
In Vertretung
[Unterschrift]
Staatsanwalt.