* 5. Juni 1888 in Bottendorf
16. Februar 1945 in Hochstadt/Mai
Von Siegfried Hermle
Georg Maus wurde als ältestes Kind von Pfarrer Anton Maus und dessen Ehefrau Philipine geborene Engelhard im oberhessischen Bottendorf geboren. Nach einem sehr guten Abitur studierte er Theologie in Marburg, Göttingen sowie an der Theologischen Hochschule in Bethel. Da er auch im zweiten Anlauf das Examen nicht schaffte, wechselte er zum Lehramtsstudium mit den Fächern Theologie, Deutsch und Geschichte. Unterbrochen wurde sein Studium durch den Wehr- und anschließenden vierjährigen Kriegsdienst. 1920 legte er in Kiel erfolgreich die Lehramtsprüfung für Höhere Schulen ab. Nachdem er 33-jährig 1921 auch die pädagogische Prüfung bestanden hatte, unterrichtete er elf Jahre lang an verschiedenen Schultypen in Braunfels, Betzdorf, Köln-Mülheim, Wetzlar, Koblenz und Düsseldorf. 1936 erhielt er endlich eine feste Anstellung am Hindenburg-Realgymnasium in Wuppertal.
1937 verlor er seine ihm 1921 angetraute Frau Elisabeth, die ihm auf dem Sterbebett das Versprechen abnahm, ihre Schwester Waltraut zu heiraten. Sie wurde seinen drei Kindern eine verständnisvolle Mutter.
Die konservative Grundhaltung Maus’ zeigte sich darin, dass er bis 1933 Mitglied der DNVP war. Allerdings trat er nicht der NSDAP bei, sondern wurde 1933 lediglich Mitglied des NS-Lehrerbundes. Bald schon entwickelte sich eine Distanz zum Regime. Maus hatte in Düsseldorf Kontakt zu Hellmut Lauffs gefunden, dessen Vetter in Wuppertal Pfarrer war. Ausgiebig tauschten sie sich über Predigten von Bekenntnispfarrern oder über Rosenbergs »Mythus des 20. Jahrhunderts« aus; auch besprachen sie theologische Grundsatzfragen wie die Zwei-Reiche-Lehre Luthers. Als die Deutschen Christen im November 1933 in der Sportpalastkundgebung in Berlin ihren wahren Charakter offenbarten, zog Maus für sich die Konsequenzen: Im November 1934 unterschrieb er als einer der ersten in Düsseldorf-Benrath die »Mitgliedskarte« der Bekennenden Kirche. Das Wort Gottes war ihm unbedingte Richtschnur seines Lebens. Dass Maus auch auf Distanz zum NS-Regime selbst ging, zeigte sich daran, dass er 1939 den NS-Lehrerbund verließ.
In Wuppertal herrschte ein Klima, in dem sich Maus sehr wohl fühlte. Als der Religionsunterricht nicht mehr erteilt wurde, bot Maus einer Gruppe von Jungen an, diesen bei sich zu Hause durchzuführen. Hier besprachen sie nicht nur die Geschichte der Kirche, sondern Maus wappnete die Jungen auch vor den Werbekommandos der Waffen-SS. Gemeinsam spielten sie durch, welche Antworten zu geben waren, um einer Unterschrift zu entgehen.
Einen ersten Zusammenstoß mit der Gestapo hatte Georg Maus im Juni 1943. Sein Freund Lauffs erinnerte sich, dass Maus nach einem Phosphorangriff auf Wuppertal, der auch den Stadtteil Elberfeld, in dem Maus wohnte, schwer heimgesucht hatte, seinem Zorn Ausdruck verlieh: »Diese Feuersbrunst ist das rechte Zeichen für das Dritte Reich. Aus den höllischen Flammen ist es gekommen und in Flammen wird es untergehen. Dies schreckliche Feuer ist Gottes Gericht über unsere angeblich so fromme Stadt« (Loscher/Hahn, Ich habe nicht verleugnet, 31). Ein Gestapo-Mann hörte dies und schlug Maus nieder. Der Vorfall hatte keine weiteren Folgen, da nach einer Verordnung parteifeindliche Äußerungen innerhalb von 48 Stunden nach Luftangriffen zwar notiert, aber nicht weiter verfolgt werden sollten.
Nachdem er und seine Familie bei einem Luftangriff alles verloren hatten und auch das Gymnasium, an dem er unterrichtete, zerstört worden war, versetzte ihn die Schulverwaltung im September 1943 nach Idar-Oberstein. Maus, der unfreundlich empfangen worden war – der stellvertretende Direktor Oberstudienrat Dr. Fritz Cullmann beschied ihm: »Wir können Sie hier ja eigentlich nicht gebrauchen.« (ebd., 32) –, verbarg im Unterricht seine christliche Haltung keineswegs, so dass es immer wieder zu kritischen Situationen kam.
Im Frühjahr 1944 behandelte Maus im Religionsunterricht der Unterstufe eine Missionsgeschichte und wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass durch die Anerkennung des Gebotes der Feindesliebe Jesu Blutrache und Stammesfehden zwischen primitiven Völkern eingeschränkt wurden. In einer sich anschließenden Diskussion fragte eine Schülerin, ob das Gebot der Feindesliebe auch im Blick auf die Engländer gelte, die deutsche Städte bombardierten, wo doch Joseph Goebbels gesagt habe, man müsse sie hassen. Ohne Zögern verwies Maus darauf, dass Jesus Christus dies geboten habe: »Auch Dr. Goebbels kann Jesu Gebot nicht aufheben!« (ebd., 34). Im April 1944 kam es zur Anzeige gegen Maus beim Oberpräsidenten der Rheinprovinz, und die Behörde ersuchte bereits am 5. April den zuständigen Direktor in Idar-Oberstein, von Maus eine Stellungnahme einzuholen. In seiner Äußerung bescheinigte der Rektor Maus, ein »bibelgläubiger Christ« zu sein; er empfinde »in der Weltanschauung des Nationalsozialismus eine ihm fremde Welt.« (ebd., 35). Er habe ihn angewiesen, »sich künftighin derartiger Äußerungen zu enthalten.« Doch trotz dieser beschwichtigenden Stellungnahme wurde Maus am 16. Mai 1944 mitten im Unterricht von zwei Gestapo-Beamten verhaftet und, ohne seine Familie noch sehen zu dürfen, zunächst auf das Stadthaus in Idar-Oberstein zu einem ersten Verhör gebracht. Mit Wirkung vom 17. Mai wurde er vom Dienst suspendiert. Gleichzeitig begann die Vernehmung seiner Schülerinnen und Schüler. Maus selbst kam nach Koblenz in Untersuchungshaft.
Im September 1944 änderte sich die Lage grundlegend, als Koblenz von fortwährenden schweren Bombenangriffen heimgesucht wurde. Auch das Gefängnis wurde am 6. November 1944 nahezu völlig zerstört. Georg Maus erlitt dabei eine schwere Verwundung und zog sich eine Blutvergiftung zu. Außerdem war sein Körper durch eine 1942 durchgeführte Magenoperation noch immer geschwächt. Schließlich wurde entschieden, ihn nicht vor ein Sondergericht in Koblenz zu stellen, sondern vor den Volksgerichtshof in Berlin.
Wegen Wehrkraftzersetzung wurde Maus am 23. November 1944 zu zwei Jahren Gefängnis unter Anrechnung von sechs Monaten Untersuchungshaft und zur Übernahme der Kosten des Verfahrens verurteilt. Konkret hieß es in der Urteilsbegründung: »Der Angeklagte Georg Maus hat als Religionslehrer vor seinen Schülern im Zusammenhang mit dem Bibelwort: ›Liebet Eure Feinde‹ Anschauungen vertreten, die, wie er sich sagen mußte und gesagt hat, geeignet waren, die staatspolitische Einstellung und Entwicklung der Kinder zu gefährden.« (ebd., 65).
Dass sich alliierte Truppen unaufhaltsam Berlin näherten, ließ viele Gefangene, so auch den körperlich sehr geschwächten Maus, trotz ihrer Leiden durchhalten. Am 7. Februar 1945 begann der Abtransport der Inhaftierten, zunächst in Frachtkähnen auf der Elbe, danach in Güterwagen mit je sechzig bis fünfundsechzig Mann. Ziel sollte das KZ Dachau sein. Auf der Höhe von Plauen im Vogtland verstarb Maus in der Nacht vom 14. zum 15. Februar 1945. In Hochstadt/Main wurde der Leichnam aus dem Zug ausgeladen und lag wohl zunächst etwa fünf Tage an einem Bahndamm, ehe er auf dem Friedhof beigesetzt wurde. 1960 wurden die Überreste von Maus in die KZ-Ehrenstätte Flossenbürg umgebettet.
Heute erinnert in Idar-Oberstein eine kurze Straße, die seinen Namen trägt, an den mutigen, fest zu seinem Glauben stehenden Pädagogen.
Literatur
Siegfried Hermle, Georg Maus. URL: https://de.evangelischer-widerstand.de/#/menschen/Maus (zuletzt abgerufen am 23.4.2018).
Sigrid Lekebusch, »Auch Dr. Goebbels kann Jesu Gebot nicht aufheben.« Der Leidensweg des Lehrers Georg Maus. In: Sie schwammen gegen den Strom. Widersetzlichkeit und Verfolgung rheinischer Protestanten im »Dritten Reich«, hg. v. Günther van Norden/Klaus Schmidt. Köln 22007, 144-147.
Klaus Loscher/Udo Hahn, Ich habe nicht verleugnet. Georg Maus: Leben und Wirken eines Religionslehrers im Dritten Reich. Wuppertal 1987.
Quelle: Zwischen Bekenntnis und Ideologie. 100 Lebensbilder des rheinischen Protestantismus im 20. Jahrhundert, herausgegeben von Thomas Martin Schneider, Joachim Conrad, Stefan Flesch, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2018, S. 128-131.