Von Peter Wust
1937 erkrankte der Münsteraner Philosophieprofessor Peter Wust (1884-1940) an Gaumenkrebs. Im Februar 1939 muss er krankheitshalber mit seinen Vorlesungen aufhören. Wenige Monate vor seinem Tod – er starb nach einem schweren Leiden am 3. April 1940 in Münster – schrieb er folgendes Abschiedswort an seinen Schüler:
Münster, den 18. Dezember 1939
Meine lieben Schüler!
Bereits am 16. Februar dieses Jahres habe ich mich nach der Morgenvorlesung von Ihnen auf dem Katheder verabschiedet. Eine dunkle Ahnung sagte mir damals, dass es das letzte Mal gewesen sei, wo ich zu ihnen sprechen durfte. Es kamen dann die schweren Leiden und die tiefen Dunkelheiten der mir von Gott geschenkten Krankheit. […] Noch lebe ich hier ganz im Advent, und vorab also müssen Sie, meine lieben Schüler und Schülerinnen, für mich um Kraft und Beharrlichkeit bitten. Denn ich bin ganz Opfer des Leidens, wie es der ewige Vater für mich bestimmt hat. Aber freilich, ich finde es manchmal besonders beglückend, daß meine eigene Adventszeit dieses Mal so schön mit der allgemeinen Adventszeit der Kirche zusammenfällt. […] Ich bin dem lieben Gott in meiner Leidenszeit für zwei Dinge besonders dankbar. Erstens, dafür. Daß er mir immer deutlicher in meinem Leben die Wahrheit dessen, was es um Christus ist, hat sichtbar werden lassen. 2. Daß er mir auf dem Katheder in den neuen Jahren meiner Münster Lehrtätigkeit die Kraft und die große Gnade verliehen hat, diese Wahrheit auch in aller Öffentlichkeit zu bekennen. Dieses Bekenntnis war, ich weiß es, oft sehr schwer, weil es gefahrvoll war. […] Lesen Sie nach, was Seuse im Büchlein von der „göttlichen Weisheit“ über den Adel des zeitlichen Leidens sagt […].
Wenn Sie mich nun noch fragen würden, ob ich nicht einen Zauberschlüssel kenne, der einem das letzte Tor zur Weisheit des Lebens erschließen könne, dann würde ich Ihnen antworten: Jawohl, und zwar ist dieser Zauberschlüssel nicht das Denken, wie Sie es von einem Philosophen vielleicht erwarten möchten, sondern das Gebet.
Das Gebet als letzte Hingabe macht still, kindlich und objektiv. Ein Mensch wächst für mich in dem Maße immer tiefer hinein in den Raum der Menschlichkeit, wie er zu beten imstande ist, wofern nur das rechte Beten gemeint ist. Das Gebet kennzeichnet die letzte Demut des Geistes. Die großen Dinge des Daseins werden nur den betenden Geistern geschenkt. Beten lernen aber kann man am besten im Leiden. Damit aber will ich mein „Schlußwort“ schließen, meine lieben Schüler und Schülerinnen. Vielleicht darf ich noch einmal mit Ihnen in dieser Welt Weihnachten feiern. Beten Sie also in diesen kommenden Tagen noch einmal in ganz besonderer Weise für mich. Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Zukunft.
Und nun grüße ich Sie herzlichst noch einmal mit einem kindlich frohen: Auf Wiedersehen!
Ihr ergebenster
Peter Wust