Sind Pfarrerinnen und Pfarrer etwa auch „symbolische Kapitalisten“
Das ist wohl eine Ansage, das Buch des amerikanischen Soziologen Musa al-Gharbi mit dem Titel „We Have Never Been Woke. The Cultural Contradictions of a New Elite“ jüngst im Oktober bei Princeton University Press erschienen. In der Verlagsankündigung heißt es dazu: „How a new “woke” elite uses the language of social justice to gain more power and status—without helping the marginalized and disadvantaged.“ Im aktuellen ZEITmagazin vom 12. Dezember ist dazu al-Gharbi von Alard von Kittlitz im Interview „Woke“ (exklusiv für Abonnenten) befragt worden. Al-Gharbi stellt dabei eine neue ökonomische Klasse vor, die sogenannten „symbolischen Kapitalisten“, die er wie folgt charakterisiert:
„Ein symbolischer Kapitalist ist ein Mensch, der sein Geld mit dem Kopf verdient, der mit Ideen, Abstraktionen, Symbolen und Rhetorik handelt, anstatt physische Waren und Dienstleistungen für Menschen bereitzustellen. Wir reden über Menschen, die in Bereichen wie Medien, Bildung, Kunst, Unterhaltung, in der Finanzbranche, im Tech-Sektor, in der Wissenschaft und so weiter. Wir verdienen unser Geld im Wesentlichen mit dem, was wir wissen, oder durch unsere Position in Netzwerken.
Symbolische Kapitalisten beziehen viel mehr Lohn als die allermeisten Arbeiter und Dienstleister. Sie haben ungleich mehr berufliche Autonomie. Unsere Berufe bieten Freiheit, sozialen Status, Prestige. Wie rechtfertigen wir das? Indem wir laut behaupten: ‚Das alles ist nicht um unserer selbst willen! Wenn ihr uns diese Privilegien gebt, ist das für jeden besser, besonders für die Geringsten unter uns, besonders für die Ausgegrenzten und Benachteiligten!‘
Viele unserer Berufe wurden von Anfang an damit legitimiert, dass sie dem Gemeinwohl dienen und den Schwachen helfen. Der Journalismus hat sich von Anfang an dadurch definiert, dass er der Macht die Wahrheit sagt, eine Stimme für die Stimmlosen ist und Korruption und dergleichen aufdeckt. Professoren verlangen von sich selbst, stets der Wahrheit zu folgen, wohin sie auch immer führt, ohne Rücksicht auf politische oder wirtschaftliche Interessen und so weiter, um so dem Gemeinwohl zu dienen.
Wer gut darin ist, sich als wirksamer Anwalt der Ausgegrenzten und Benachteiligten zu präsentieren oder als Vertreter der richtigen Werte, wird als besonders würdig für Status und Macht angesehen. Auf der anderen Seite ist es schon lange so, dass man seine Position verlieren kann, wenn man die gerade falschen Überzeugungen vertritt oder wenn man als schädlich oder verderblich für das Gemeinwohl dargestellt werden kann. Dann ist man womöglich seine Position, seinen Job, seinen Status los.“
Die Frage stellt sich mir persönlich: Sind Pfarrerinnen und Pfarrer etwas auch „symbolische Kapitalist*innen“ im Sinne Musa al-Gharbis?