Kirsten Huxel über Jonathan Edwards‘ A Treatise Concerning Religious Affections (1756): „Die Affekte des Gnadenstandes zeichnen sich für Edwards da­durch aus, dass sie in einer geistgewirkten Er­leuchtung des Herzens, einer neu­en spirituellen Einsicht, Gotteser­kenntnis und -liebe gründen, mit einem vollständigen Wandel der menschlichen Natur einhergehen, einen christusförmigen Charakter hervorbringen und sich in christlicher Praxis manifestieren.“

A Treatise Concerning Religious Affections, In Three Parts (amer.; Abhandlung über religiöse Affekte, in drei Teilen), Jonathan Ed­wards; EA Boston (Mass.) 1746.

Von Kirsten Huxel

In dieser Schrift aus der Zeit der ersten großen amerikanischen Er­weckungsbewegung hat Edwards seine umfassendste Darstellung der Na­tur der wahren evang. Religion vorgetragen.

Um die von ihm mit ausgelöste Erweckungsbewe­gung gegen innere Rückschläge und Kritik von außen zu sichern, sieht sich Edwards veranlasst, Anzeichen zu benennen, anhand derer die Glaubenden die übernatürlichen Wirkungen des göttlichen Gna­denhandelns erkennen und somit die echten von den unechten Er­fahrungen der Heiligung zu unter­scheiden verstehen. In Teil 1 wird hierfür eine an Locke geschulte, biblisch begründete, an Vernunft und Erfahrung ausgewiesene Psy­chologie der Religion entwickelt. Deren These lautet: Wahre Reli­gion besteht größtenteils aus be­stimmten Affektzuständen, die als durch Gottes Geist affizierte und auf göttliche Gegenstände gerich­tete Neigungen des Willens den Ursprung allen Handelns der Hei­ligen bilden. Die weitere Aufgabe besteht für Edwards darin, im Gegenüber zum Rationalismus einerseits und zu einem falsch verstandenen en­thusiastischen Emotionalismus an­dererseits diejenigen religiösen Af­fektzustände zu identifizieren, die für den christl. Gnadenstand cha­rakteristisch sind. In Teil 2 werden zunächst solche Momente des Af­fektlebens benannt, die nicht als sichere Anzeichen des Gnaden­standes gelten können. Edwards weist auf, dass weder der Grad der Hef­tigkeit und Unwillkürlichkeit noch ein äußerlich frommes Er­scheinungsbild die Echtheit religi­öser Erfahrungen verbürgen. Nicht auf das Auftreten einzelner exzeptioneller, aber flüchtiger Er­fahrungen, auch nicht auf eine be­stimmte Erfahrungsabfolge gemäß eines vorgegebenen Bekehrungs­schemas könne sich die Selbster­forschung des Gewissens verlassen, sondern allein auf solche Struktur­merkmale des Affektlebens, wie sie in Teil 3 beschrieben werden: Die Affekte des Gnadenstandes zeichnen sich für Edwards da­durch aus, dass sie in einer geistgewirkten Er­leuchtung des Herzens, einer neu­en spirituellen Einsicht, Gotteser­kenntnis und -liebe gründen, mit einem vollständigen Wandel der menschlichen Natur einhergehen, einen christusförmigen Charakter hervorbringen und sich in christl. Praxis manifestieren. Reformier­ter Tradition entsprechend wer­den von Edwards dabei die Werke als Hauptkennzeichen des Gnaden­standes — als die quasi experimen­tellen Prüfsteine der wahren Er­fahrungsreligion (experimental religion) — betrachtet.

Die Schrift gilt als eines der bedeutendsten Werke des amerikanischen Puri­tanismus. Sie ist im 20. Jh. in den USA zum einen von der evang. Theologie (Neoorthodoxie) wie­der entdeckt, zum anderen auf­grund ihres erfahrungstheologi­schen Ansatzes als eines der ersten Dokumente der empirischen Psy­chologie gewürdigt worden.

Ausg.: The Works of Jonathan Edwards, hg. von P. Miller/J. Edwards Smith, Band 2, New Ha­ven (Conn.) 1959.

Lit.: R. W. Jenson, America’s Theologian. A Recommendation of Jonathan Edwards, NY 1988. – C. Schröder, Glaubens­wahrnehmung u. Selbsterkenntnis: Jonathan Edwards theologia experimentalis, Gö. 1998.

Quelle: Michael Eckert u.a. (Hrsg.), Lexikon der theologischen Werke, Stuttgart: Kröner, 2003, S. 754f.

Hier der Text als pdf.

Hinterlasse einen Kommentar