Martin Luthers Predigt zur Einweihung der Torgauer Schlosskirche am 5. Oktober 1544: „Auch ihr sollt gleichzeitig den Sprengwedel und das Rauch­fass anfassen, damit dieses neue Haus darauf ausgerichtet wird, dass nichts ande­res darin geschehe, als dass unser lieber Herr Jesus selbst mit uns rede durch sein heiliges Wort, und wir umgekehrt mit ihm reden durch Gebet und Lobgesang, da­mit es recht und christlich eingeweiht und gesegnet werde.“

Predigt zur Einweihung der Torgauer Schlosskirche am 5. Oktober 1544

Von Martin Luther

Und es begab sich, daß er kam in ein Haus eines Obersten der Pharisäer an einem Sabbat, das Brot zu essen; und sie lauerten ihm auf. Und siehe, da war ein Mensch vor ihm, der war wassersüchtig. Und Jesus hob an und sagte zu den Schriftgelehrten und Pharisäern und sprach: Ists recht, am Sabbat zu heilen oder nicht? Sie aber schwiegen stille. Und er faßte ihn an und heilte ihn und ließ ihn gehen. Und er sprach zu ihnen: Welcher ist unter euch, dem sein Sohn oder sein Ochse in den Brunnen fällt, und der nicht alsbald ihn herauszieht am Sabbattage? Und sie konnten ihm darauf nicht Antwort geben. (Lukas 14,1-6)

Meine lieben Freunde, wir wollen jetzt dies neue Haus einsegnen und unserem Herrn Jesus Christus weihen. Das gebührt nicht mir allein, sondern ihr sollt auch zugleich mit angreifen, auf daß dieses neue Haus dahin gerichtet werde, daß nichts anderes darin geschehe, als daß unser lieber Herr selbst mit uns rede durch sein heiliges Wort und wir umgekehrt mit ihm reden durch unser Gebet und Lobgesang. Damit es recht und christlich eingeweihet und gesegnet werde nach Gottes Befehl und Willen, wollen wir deshalb anfangen, Gottes Wort zu hören.

Unser Evangelium hält uns eine Disputation vor, die Christus mit den Juden über den Sabbat halten muß. Nun gehört dies Stück vom Sabbat in den Katechismus, da man im dritten Gebot sagt: »Du sollst den Feiertag heiligen.« Dies war den Juden ein besonders ernstes Gebot und für einen besonders bestimmten Tag, nämlich den Sonnabend, zu halten auferlegt. Es war ihnen kein Scherz um den Sabbat. Deshalb verdrießt es sie, daß Christus eben am Sabbat die Kranken gesundmacht, und sie beschuldigen ihn, als halte er den Sabbat nicht.

Wir aber wissen, wie der Sabbat zu halten sei, denn wir haben es von unserem Herrn, dem Sohn Gottes, gelernt. Es ist wahr, daß dem jüdischen Volke zur damaligen Zeit der besondere Tag des Sabbats bestimmt war. Aber wir, die wir im Reich unseres Herrn Christus sind, sind nicht daran gebunden, sondern wir sind alle Priester (wie 1. Petr. 2, 9 geschrieben steht), daß wir alle zu aller Zeit und an allen Orten Gottes Wort und Werk verkündigen sollen. Und aus allen Personen, Geschlechtern und Ständen sollen besonders die zum Predigtamt berufen werden, welche die Gnade und ein Verständnis der Schrift haben, andere zu lehren. Christus selbst sagt (Mark. 2, 27 f.): »Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht, und nicht der Mensch um des Sabbats willen. So ist des Menschen Sohn ein Herr auch über den Sabbat.« So sind auch alle, die an Christus glauben, ebenso Herren des Sabbats. Wir haben die Freiheit, wenn uns der Sabbat oder auch der Sonntag nicht gefällt, so können wir den Montag oder einen anderen Tag in der Woche nehmen und einen Sonntag daraus machen. Doch so, daß es ordentlich dabei zugehe und es ein Tag oder eine Zeit sei, die uns allen gelegen ist, und daß es nicht in eines jeden Gewalt stehe, für sich etwas Besonderes zu machen in den Dingen, welche die ganze Gemeinde oder sogar die ganze Kirche angehen.

Weil nun aber der Sonntag ganz allgemein als unser Feiertag angenommen ist, so bleibe es so, nur daß wir Herren darüber seien und nicht er über uns. Hier sollen wir zusammenkommen, um Gottes Wort zu hören und ihn miteinander anzurufen, in aller Not zu ihm zu beten und ihm für empfangene Wohltaten zu danken. Kann es nicht unter einem Dach oder in einer Kirche geschehen, so geschehe es auf einem freien Platz unter dem Himmel, oder wo Raum dazu ist, aber doch so, daß es eine ordentliche, allgemeine, öffentliche Versammlung sei, weil man nicht für jeden einen besonderen Ort bestellen kann und auch nicht in heimliche Winkel gehen soll, auf daß man sich dort verstecke.

Da ist der Vorteil dabei, wenn die Christen so zusammenkommen, daß das Gebet noch einmal so stark gehet wie sonst. Man kann und soll zwar überall an allen Orten und zu allen Stunden beten. Aber das Gebet ist nirgendwann so kräftig und stark, als wenn die ganze Gemeinde einträchtig miteinander betet. Lerne hier von Christus, was das rechte Verständnis des Sabbats sei und wie man den Unterschied zwischen dem äußerlichen Gebrauch des Sabbats, was Zeit, Stunde oder Ort anbetrifft, und den notwendigen Werken der Liebe festhalten soll. Die will Gott zu jeder Zeit, zu allen Stunden und an allen Orten, wo es die Not erfordert, gehalten haben, auf daß man wisse, daß der Mensch des Sabbats Herr sei und ihn nach seiner oder seines Nächsten Bedürfnis gebrauchen kann.

Von diesem Unterschied wissen die Heuchler nichts und können nichts davon wissen, weil sie allein das äußerliche Werk, den Tag zu feiern, in diesem Gebot ansehen und für nötig halten. Zwar halten sie es selbst nicht, wenn es ihnen von Nutzen oder nötig ist, sie wollen z.B. ihren Ochsen und ihren Esel nicht ungetränkt lassen, aber ihres Nächsten Not achten sie gar nicht. Da wollen sie das Gebot so streng halten, daß sie keinem die Hand reichen, wenn sie auch sehen, daß er ihrer Hilfe bedürfe.

Wir wissen aber durch Gottes Gnade, wie dies Gebot vom Sabbat zu verstehen ist: nicht ganz müßig sitzen und nichts tun, wie es unsere tollen Heiligen träumen, sondern als erstes Gottes Wort rein und heilig predigen. Zum zweiten, daß wir Gottes Wort, das wir gehört haben, in unser Herz schließen, daß es in uns Kraft und Frucht bringen möge und daß wir uns öffentlich dazu bekennen, daß es wahr sei, und daran festhalten in Leben und Tod. Zum dritten, wenn wir Gottes Wort gehört haben, daß wir auch ein Opfer zu Gott hinaufbringen, nämlich daß wir ihn miteinander anrufen und zu ihm beten, daß wir ihn loben und ihm mit Freuden danken für alle seine Wohltaten, zeitliche und ewige, und alle Wunderwerke, die er bei seiner Kirche tut. Alles, was in solcher Versammlung der ganzen Gemeinde oder Kirche geschieht, ist ein eitel heilig, göttlich Geschäft und Werk und ein heiliger Sabbat, mit dem Gott recht und heilig gedient und allen Menschen geholfen wird.

Denn daß ich predige, wenn wir zum Gottesdienst zusammenkommen, das ist nicht mein Werk noch Tun, sondern geschieht um eurer aller willen und im Namen der ganzen Kirche. Es muß nur einer sein, der da redet und auf Anordnung und mit Zustimmung der anderen das Wort führet, die sich jedoch damit, daß sie die Predigt hören, auch zu dem Wort bekennen und so auch andere lehren. Wenn ein Kind getauft wird, so tut das nicht nur der Pfarrer, sondern auch die Paten als Zeugen, ja die ganze Kirche wirkt daran mit. Denn die Taufe ebenso wie das Wort und Christus selbst ist ein Gemeingut aller Christen. Sie beten, singen, predigen, taufen, danken alle miteinander, und nichts ist hier, was einer für sich allein habe oder tue, sondern was ein jeder hat, das ist auch des anderen.

Das heißt recht den Sabbat heiligen und Gott recht zu unserer Seligkeit dienen. Und damit wird auch dem Nächsten gedient, denn durch die Lehre und das Gebet, welches der höchste Dienst und Wohltat ist, wird ihm auf ewig geholfen. Aber vergiß nicht, daß du ihm auch in seiner leiblichen Not helfest, und zwar überall da, wo du siehest, daß er deiner Hilfe bedarf. Denn das hat Gott auch geboten, und dies Gebot soll nicht allein außerhalb des Sabbats, sondern zu aller Zeit und Stunde, d.h. auch am Sabbat gehalten werden. In dem Gebot: »Du sollst den Feiertag heiligen« sind die Werke der Liebe und der anderen Gebote nicht verboten. Wenn ich meinen Nächsten in Not und Gefahr seines Leibes und Lebens sehe, darf ich nicht an ihm vorübergehen, wie der Priester und Levit im Gleichnis vom barmherzigen Samariter, und ihn liegen und verderben lassen. Denn dann werde ich unter dem Vorgeben, den Sabbat reinzuhalten, ein Mörder an meinem Bruder. Sondern ich soll ihm dienen und helfen, wie der Samariter getan hat.

Das sei jetzt genug gesagt von dem Evangelium zur Einweihung dieses Hauses. Und da ihr es nun, liebe Freunde, mit dem rechten Weihwasser des Wortes Gottes habt besprengen helfen, so greift nun auch mit mir an das Räucherfaß, das ist, zum Gebet, und laßt uns Gott anrufen und zu ihm beten: zuerst für seine heilige Kirche, daß er sein heiliges Wort bei uns erhalten und allenthalben ausbreiten wolle, daß er auch dieses Haus rein erhalte, wie es jetzt eingeweihet ist, in der Heiligung durch Gottes Wort, daß es nicht durch den Teufel entheiligt oder verunreinigt werde mit seiner Lüge und falschen Lehre.

Laßt uns danach beten auch für alles Regiment und allgemeinen Frieden in deutschen Landen, daß Gott auch den gnädiglich erhalten und stärken wolle. Laßt uns beten auch für unsere Obrigkeit, alle Stände, hohe und niedere, daß sie alle Gottes Wort ehren, Gott dafür danken, ihrem Amt gut vorstehen, treu und gehorsam seien und dem Nächsten christliche Liebe erzeigen. Denn das will Gott von uns allen haben, und das ist das rechte Werk der Christen, daß man um das alles ernstlich bitte, Amen.

WA 49, 588-604, 613f.

Quelle: Luther Deutsch. Die Werke Luthers in Auswahl, hrsg v. Kurt Aland, Bd. 8: Die Predigten, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1991, S. 440-444.

Hier die Predigt als pdf.

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