Von Karl Rahner
Die Herausgeber dieses Heftes, J. B, Metz und E. Schillebeeckx, haben mich bedrängt, ich solle zu diesem Heft so etwas wie ein Schlußwort schreiben. Aber ich weiß nicht, wie ich diesem Wunsch nachkommen soll. In den gegenwärtigen Auseinandersetzungen in der Christologie kann man noch keine Schlußbilanz ziehen, selbst wenn eine solche überhaupt einmal möglich wäre. So etwas ist erst recht in ein paar Seiten am Ende eines kleinen Heftes nicht möglich. Schließlich weiß ich wirklich nicht, ob es mir selber in der Christologie noch möglich ist, etwas zu sagen, was ich nicht schon längst gesagt habe. Wie soll ich also dem Wunsch meiner Freunde nachkommen? Ich ziehe kein Fazit dieses Heftes, ich sage nur ein paar Dinge, die mir mehr am Herzen als an der rationalen Vernunft liegen.
1.
Zunächst meine ich, daß auch heute ein katholischer Theologe nicht an den klassischen Formulierungen der katholischen Theologie vorbeigehen soll. Ein Dogma und seine traditionelle und kirchenamtliche Formulierung sind zwar nicht einfach dasselbe. Aber mindestens einmal im Fall der Christologie ist auch die traditionelle Formulierung des Dogmas nicht so überholbar, daß wir jetzt einfach auf sie verzichten könnten. Wir können nicht zu eigenen Formulierungen so gelangen, daß wir auf der Ebene der Verkündigung und der Aussage unseres eigenen persönlichen Glaubens gar nichts mehr mit der alten Formulierung zu tun haben bzw. diese höchstens noch als Aussage betrachten, die allein in die vergangene, wenn auch so für den reflektierenden Theologen normative Geschichte des Glaubensverständnisses gehört.
Seien wir Theologen von heute doch nüchtern und selbstkritisch uns selber gegenüber, seien wir solche, die aus der Geschichte des Glaubens nicht nur meinen, gelernt zu haben, sondern auch immer noch lernen wollen! Wie könnten wir dann einfach die alten christologischen Formulierungen zugunsten unserer eigenen Neuformulierungen beiseite lassen wollen? Selbst einmal angenommen, es gebe dafür in der Zukunft einmal durch epochale Sprachwandlungen eine Legitimation, die christologische Wirklichkeit ganz anders auszusagen (und in der Verkündigung noch ganz anders), dann ist sachlich und geistessoziologisch diese Zukunft gewiß noch nicht gekommen. Wer aber als Theologe meint, ein Vorreiter für die Kirche in diese Zukunft hinein sein zu müssen, der gebe acht, daß er den Zusammenhang mit dem nachfolgenden Gros der Gläubigen und auch der Bischöfe nicht verliert. Diese Sorge nämlich gehört auch zu einer wirklich katholischen Theologie wesentlich dazu, auch wenn dann das Tempo des Marsches in die Zukunft des Glaubens für Ungeduldige etwas langsamer ist.
Allerdings muß ebenso gesehen werden, daß auch die heiligsten und bleibenden Formulierungen des Glaubens erklärt werden müssen, daß zu ihnen also unweigerlich andere Aussagen hinzutreten müssen, auch wenn diese selber sehr verschiedene Grade der Verbindlichkeit haben. (Johannes Paul II. insistiert auf dem Wort «Transsubstantiation» in der Eucharistielehre. Aber ich armer Theologe muß doch fragen und sagen, was mit dem Wort «Substanz des Brotes» und mit «Wesensverwandlung» hier wirklich gemeint ist, weil man sich da vieles denken kann, was nicht richtig ist und einem modernen Physiker von heute mit Recht als unsinnig erscheint.) Wenn man aber die dogmatisch verbindlichen Sätze erklärt, wenn man sich nicht einbildet, solche Erklärungen seien einfach und klar oder könnten nicht in die Irre laufen, wenn man dabei nicht nur ein klein wenig, sondern nach Kräften möglichst weit denkt, dann kommt man gerade von den alten Formulierungen her und im Gehorsam gegen sie unter Umständen zu Aussagen in der Christologie, die viele verwundern werden, die bisher in beruhigter Gewohnheit die alten Formeln hörten und meinten, verstanden zu haben, was sie sagen. (Es gibt doch vom Dogma der wahren Menschheit Jesu her, wie es immer verkündigt wurde, Einsichten, z. B. über die geschichtliche Bedingtheit des Bewußtseins Jesu und über die Möglichkeiten auch einer religiösen Entwicklung dieses Bewußtseins, Einsichten, die früher von den Erklärern dieses Dogmas übersehen oder sogar geleugnet wurden.)
Der katholische Dogmatiker sollte also immer auch (nicht nur!) von den alten Formulierungen der Christologie her die neuen Einsichten zu gewinnen suchen, die für seine heutige Christologie in einem positiven Verhältnis zur heutigen Mentalität (samt kritischer Exegese usw.) wichtig und unerläßlich scheinen. Er kann auch so seine neuen Formulierungen erreichen, und sie brauchen die alten nicht zu beseitigen und brauchen nicht gewonnen zu werden durch eine bloß negative Kritk oder Abschaffung der klassischen Formulierungen der Christologie. Wie sich dann bei einer solchen Koexistenz von alten und (durchaus notwendigen und legitimen) neuen Formulierungen das konkrete Glaubensbewußtsein der Kirche entwickeln wird hinsichtlich der genaueren «Dosierung» der alten und neuen Aussagen im Glaubensbewußtsein des normalen Christen und der kirchenamtlichen Verkündigung, das läßt sich natürlich nicht genau programmieren und kann getrost der künftigen Glaubensgeschichte überlassen werden.
Es ist aber selbstverständlich, daß auch in der Christologie die Geschichte nicht zu Ende ist und die wahre Orthodoxie nicht in einer bloßen (verzweifelt eigensinnigen) Repetition der alten christologischen Formulierungen besteht, die in der Geschichte geworden sind und auch weiterhin in der Geschichte bleiben, aber gerade darum von uns nicht einfach mit Stillschweigen übergangen werden dürfen, als hätten sie für uns keine normative Bedeutung mehr. Ein Exeget soll seine Exegese und Bibeltheologie betreiben und als solcher sonst nichts. Aber ich habe kein Verständnis für einen katholischen Exegeten, bei dem man nicht merken kann, daß er vom Konzil von Chalkedon schon einmal etwas gehört hat. Man muß die Vergangenheit in echter Weise mitnehmen, will man der Christologie eine Zukunft erobern. Man soll in Rom wahrhaftig über die Reinheit der Christologie wachen und den normativen Charakter der alten kirchenamtlichen Christologie betonen. Aber wenn dies so geschähe, daß man dabei eigentlich kein Bedürfnis nach neuen christologischen Formulierungen erkennen könnte, dann wäre das ein Verrat an der Aufgabe der Verkündigung von morgen.
Man kann dem Satz des Johannes-Prologs mit der Festigkeit des Glaubens zustimmen, der bis zur Todesbereitschaft absolut ist, man wird diesen Satz immer als einen der Ausgangspunkte der eigenen Theologie gültig und lebendig sein lassen, man wird entschlossen und fröhlich sich von der hellen Finsternis der Offenbarung Gottes überwältigen lassen und kein schlauer Rationalist sein wollen, aber man darf auch so erzittern im Grunde des Geistes und Herzens, wenn man liest: «Und das Wort ist Fleisch geworden», und darf sich fragen, was das eigentlich und was es nicht heißt, wenn man gleichzeitig die Unbegreiflichkeit und Unermeßlichkeit des Gottes eines ungeheuerlichen Kosmos denkt, wenn man ebenso glaubend daran festhält, daß dieser Gott in sich unveränderlich ist und bleibt, daß er über alles, was außer ihm ist und gedacht werden kann (also auch über Jesu geschaffene Wirklichkeit), unaussprechlich erhaben ist, daß Jesu menschliche Seele als eine solche in Anbetung aus einem unendlichen Abstand der Kreatürlichkeit auf die auch für sie bleibende Unbegreiflichkeit Gottes blickt. Bei all dem bleibt es wahr, daß das Wort Fleisch geworden ist.
Aber ich weigere mich, in dem Augenblick, da ich diesen Satz des Glaubens denke, die anderen Sätze des Glaubens zu vergessen, um es mir leichter zu machen. Darum muß immer neu gefragt werden, was die Christologie eigentlich sagen will und was nicht, auch wenn für dieses Fragen die klassische Christologie immer neu einer der Ausgangspunkte bleiben muß. Die neueren Angebote in der heutigen Christologie in allen Kirchen brauchen bei diesen neuen Aussagen nicht immer glücklich zu sein. Aber man sollte sie mit Respekt und Liebe prüfen und nicht zu schnell in einer dann letztlich steril bleibenden Orthodoxie sich über sie erhaben dünken. Wenn vor einiger Zeit ein Professor in Rom seine Vorlesung mit der Feststellung begann, Schillebeeckx’ Christologie sei häretisch und darum werde er über sie nicht reden, dann verurteilt sich eine solche Christologie selber dazu, bei den Menschen von heute ungehört zu bleiben und nur noch die Binnenideologie einer immer kleiner werdenden Gruppe zu sein.
2.
Jede Christologie von heute muß auch eine «Aufstiegschristologie» sein. Es kommt nicht auf das Wort an. Aber eine katholische Theologie, die an der Notwendigkeit und Bedeutsamkeit einer Fundamentaltheologie festhält, die die Geschichte ernst nimmt als Ort der Offenbarung, die heute unweigerlich eine intensivere Perichorese von Fundamentaltheologie und Dogmatik verwirklichen muß, muß bei dem konkreten Jesus von Nazaret der Geschichte anfangen. Bei diesem Anfang sind die Nachrichten der Geschichte über Jesus nicht zunächst als dogmatische, in Offenbarung inspirierte Sätze zu lesen. Denn für einen normal-sachlichen Aufbau der Theologie geht der Glaube an Jesus der Überzeugung von der Kirche, ihrem Lehramt und der Inspiration des Neuen Testamentes voraus. Man braucht ein gewisses gegenseitiges Bedingungsverhältnis aller Momente des einen christlichen Glaubens nicht zu bestreiten, das ändert aber letztlich doch nichts daran, daß Jesus von der Kirche und der Schrift überzeugt und fundamental nicht umgekehrt. Bei einer solchen Aufstiegschristologie sind durchaus berechtigterweise Satze über die Bedeutung Jesu «für uns» (die natürlich eine Wirklichkeit «an sich» aussagen) zuerst zu sagen, weil eine Aussage über ein reines «an sich», deren Bedeutung für uns erst hinterdrein expliziert wird, mindestens einmal vom Menschen von heute nicht angehört wird und nicht ankommt. Das «propter nos» des Credos darf ruhig am Anfang gesagt werden. Wenn dies richtig geschieht, stellt sich von selbst heraus, daß, was höchst anthropozentrisch zu sein scheint, einen Menschen meint, der nur zu sich selber findet, wenn er sich in die Unbegreiflichkeit Gottes hinein aufgibt. Am Anfang der Christologie steht die Frage: Was bedeutet er für uns» und dann die Frage, wer er sein müsse, um diese Bedeutung für uns zu haben.
Man kann diese Bedeutung sicher auf die verschiedenste Weise aussagen, und danach wird gewiß auch der Nachweis dieser Bedeutung auf verschiedene Weise zu führen sein. Immer aber von der Begegnung mit dem geschichtlichen Jesus her und mit dem (selber «transzendental» als berechtigt und notwendig erwiesenen) Mut, alle die unvermeidlichen Schwierigkeiten durchzustehen, die mit der Herkunft einer absoluten Entscheidung von einer geschichtlichen Wirklichkeit her gegeben sind. Alle solchen Nachweise der absoluten Bedeutung Jesu für uns werden, als jeweils und unvermeidlich endliche im Expliziten eines solchen Nachweises, das eine deutlich machen, das andere nur undeutlich aussagen, das dritte vielleicht übersehen und vergessen. Die konkreten Konturen solcher Nachweise werden verschieden sein, je nach den Menschen, den Kulturen, Epochen. Es wäre nicht löblich, sondern beschwerlich und alarmierend, wenn diese Nachweise in der Kirche zu uniform ausfallen würden.
3.
Unter dem Vorbehalt der strengen Geltung eines solchen notwendigen Pluralismus der Zugangswege und der Aspekte der Bedeutung Jesu für uns möchte ich aber doch zu sagen wagen, daß diese Zugangswege und Aspekte (beides in einem) doch unvermeidlich zwei fundamentale Einsichten bedeuten, wobei es mir letztlich gleichgültig ist, ob mit deren Hervorhebung «meine» Christologie charakterisiert ist oder jede orthodoxe Christologie überhaupt.
3.1. Erstens muß mir Jesus durch seine Wirklichkeit und durch sein Wort erscheinen als der unüberholbare Zugang zu der Unmittelbarkeit Gottes in sich selbst, und zwar nicht nur als Zugang zu dieser Unmittelbarkeit als Idee und Möglichkeit, sondern als von sich selbst her siegreiche Verheißung der Verwirklichung dieser Unmittelbarkeit. Ich versuche, das eben Gesagte etwas zu verdeutlichen, wobei die Frage dahingestellt bleibe, wie weit das als Forderung einer absoluten Religion Aufgestellte nur erst an ihm selber abgelesen werden kann oder die Idee davon auch sonst verständlich ist und nur noch deren Verwirklichung gerade durch und an Jesus erkannt werden muß.
Die absolute und grundsätzlich unüberbietbare Unmittelbarkeit zu Gott, wie sie sich in der visio beatifica vollendet, ist die Voraussetzung für eine wirkliche Universalität einer Religion. Ohne eine solche kann eine Religion nur regional, partikulär, völkisch, kulturell begrenzt usw. sein, weil sie es ja nur mit einem endlichen Heils gut zu tun haben kann, neben dem es per definitionem andere gibt. Diese Nähe kann als Gott in sich selber engagierende nur als Gnade aus der liebenden Freiheit Gottes heraus verstanden werden. Als solche ist sie denkbar entweder im Modus eines gewissermaßen neutralen Angebotes an die Freiheit des Menschen oder im Modus des von Gott her kommenden tatsächlichen Sieges dieses Angebotes, das sich in und durch die Freiheit des Menschen von sich selber her durchsetzt (oder natürlich — theoretisch – im Modus der Ablehnung von selten des Menschen als einer endgültigen Katastrophe der Menschheitsgeschichte).
In Jesus (und letztlich nur so) erfahren wir (durch sein Leben und sein Wort), daß die Geschichte des Angebotes einer unüberholbaren und absoluten Selbstmitteilung Gottes an die Menschheit in die Phase eingetreten ist (die man mit Recht sowohl als Endphase der Freiheitsgeschichte der Menschheit wie auch als deren erst eigentlichen Beginn interpretieren kann), in der der von Gott her und nicht bloß aposteriorisch durch die Faktizität der Freiheit des Menschen bewirkte Sieg dieses Selbstangebotes an die Menschheit unwiderruflich geworden ist. Jesus ist die essentiell absolut unbegrenzte und existentiell in eine eschatologische Unwiderruflichkeit eingetretene Selbstzusage Gottes an die Menschheit.
Es ist hier nun nicht die Aufgabe, diese Interpretation Jesu geschichtlich zu verifizieren. Sie ist aber darin gegeben, daß Jesus die Ankunft des Reiches Gottes durch sich, seine Botschaft und sein Werk proklamiert, wenn man versteht, daß das Reich Gottes, soll es wirklich endgültig und mehr als ein irdisches Reich sein, mit Gott an sich selber identisch sein und das Schema eines Verhältnisses sprengen muß, in dem Gott nur der Schöpfer und Garant einer von ihm verschiedenen Welt mit ihren Möglichkeiten und Zielen ist. Unter der selbstverständlichen Voraussetzung, daß Heilsgeschichte so ist, daß sie Wirklichkeit auch durch Wort und als Wort, das sich als Wirklichkeit ereignet, ist, wage ich zu sagen: Die Aussage, daß Jesus das irreversible Zusagewort des Gottes ist, der sich selbst und nicht eine von ihm geschaffene Wirklichkeit als Inhalt und Ziel der Geschichte mitteilt, ist der Sache nach deckungsgleich mit der klassischen Aussage der Christologie über die «hypostatische Union». Das soll hier nun nicht genauer dargetan werden. Aber wenn diese Deckungsgleichheit wirklich gegeben ist (wovon ich überzeugt bin), dann ist eine «orthodoxe» christologische Aussage möglich, die einerseits von vornherein eine «Christologie für uns» bedeutet, andererseits aber neben der klassischen christologischen Formulierung steht und so eine kritische Instanz gegen mögliche (besonders monophysitische, auch heute noch virulente) Mißverständnisse der klassischen Christologie bedeutet, wenn natürlich auch umgekehrt ein solches kritisches Verhältnis von der klassischen Christologie zu der eben angebotenen Formulierung besteht.
3.2 Wir müssen aber zweitens in einem Punkt das bisher Gesagte präzisieren und vertiefen. Wenn Jesus die siegreiche Selbstzusage Gottes in der Geschichte sein soll, dann ist die geschichtliche Gegebenheit und Erscheinung dieses Sieges nur denkbar, wenn dieser Sieg als unwiderrufliche Annahme dieses göttlichen Selbstangebotes in Jesus erscheint. Diese geschichtlich erscheinende definitive und unwiderrufliche Annahme der göttlichen Selbstzusage kann aber nur als durch das geschehend gedacht werden, was wir christlich Jesu Tod und Auferstehung nennen. Eine Theologie der Freiheit könnte zeigen, daß (wie immer auch verschieden der konkrete Vollzug der Freiheit auf ihre Endgültigkeit durch «Tod» hindurchgedacht werden mag) der Tod das Ereignis der Endgültigwerdung der Freiheitsentscheidung ist und nur er. Auch wenn die konkrete Weise des Sterbens Jesu durchaus auch wesentlich zur Heilsgeschichte gehören mag, fundamental ist Jesu Tod heilsgeschichtlich darum von Bedeutung, weil er die Endgültigkeit der Annahme des Selbstangebotes Gottes an Jesus (und in ihm an die Menschheit) ist. Natürlich müßte an sich hier oder an einem andern Punkt unserer Überlegungen verständlicher gemacht werden, warum und wie Jesus und sein Schicksal in einer unlösbaren Solidarität mit der Menschheit steht, so daß die Selbstzusage Gottes an ihn und seine Annahme dieser Selbstzusage durch ihn in seinem Tod wirklich die göttliche Selbstzusage an die Menschheit überhaupt ist. Aber dies ist hier nicht mehr möglich.
All das Gesagte bedeutet nur ein paar sehr vereinzelte und dürftige Andeutungen für eine Christologie, wie sie heute sein müßte. Es wäre unendlich mehr zu sagen. Es würde nicht schaden, wenn eine heutige Christologie die Thematik eines Teilhard de Chardin deutlicher und klarer aufgreifen würde, auch wenn bei ihm nicht gerade besonders klar wird, welcher Zusammenhang verständlicher und orthodoxer Art besteht zwischen Jesus von Nazaret und dem kosmischen Christus, dem Punkt Omega der Weltevolution.
Eine solche Christologie von heute und morgen müßte aber vor allem auch viel mehr als bisher über das ganz persönliche liebende Verhältnis des einzelnen Menschen zu Jesus von Nazaret sagen. Dieses könnte vielleicht sehr einfach und doch radikal so beschrieben werden, daß die ganze klassische Christologie eigentlich darin schon enthalten ist, so daß dann diese klassische Christologie ihre Befremdlichkeit verliert, die sie doch auch oft für den Christen von unbedingter Gläubigkeit heute hat. Wenn dieses Verhältnis des einzelnen zu Jesus von vornherein und deutlich verstanden würde als ein Mitsterben mit Jesus (in absoluter Hoffnung) in die Unbegreiflichkeit des ewigen Gottes hinein, dann würde die Christologie (angesichts der übrigen Weltreligionen und des sonstigen Menschheitsverlangens nach Gott) nicht mehr den Eindruck machen, mit ihr sei doch nur eine partikuläre Religion möglich, die nicht die aller Menschen sein könne.
Concilium 18 (1982), 212-216.