Karl Rahner, Christologie heute (1982): „Wenn Jesus die siegreiche Selbstzusage Gottes in der Geschichte sein soll, dann ist die geschichtli­che Gegebenheit und Erscheinung dieses Sieges nur denkbar, wenn dieser Sieg als unwiderrufli­che Annahme dieses göttlichen Selbstangebotes in Jesus erscheint. Diese geschichtlich erschei­nende definitive und unwiderrufliche Annahme der göttlichen Selbstzusage kann aber nur als durch das geschehend gedacht werden, was wir christlich Jesu Tod und Auferstehung nennen.“

Christologie heute

Von Karl Rahner

Die Herausgeber dieses Heftes, J. B, Metz und E. Schillebeeckx, haben mich bedrängt, ich solle zu diesem Heft so etwas wie ein Schlußwort schreiben. Aber ich weiß nicht, wie ich diesem Wunsch nachkommen soll. In den gegenwärti­gen Auseinandersetzungen in der Christologie kann man noch keine Schlußbilanz ziehen, selbst wenn eine solche überhaupt einmal möglich wä­re. So etwas ist erst recht in ein paar Seiten am Ende eines kleinen Heftes nicht möglich. Schließlich weiß ich wirklich nicht, ob es mir selber in der Christologie noch möglich ist, etwas zu sagen, was ich nicht schon längst gesagt habe. Wie soll ich also dem Wunsch meiner Freunde nachkommen? Ich ziehe kein Fazit dieses Heftes, ich sage nur ein paar Dinge, die mir mehr am Herzen als an der rationalen Vernunft liegen.

1.

Zunächst meine ich, daß auch heute ein katholi­scher Theologe nicht an den klassischen Formu­lierungen der katholischen Theologie vorbeige­hen soll. Ein Dogma und seine traditionelle und kirchenamtliche Formulierung sind zwar nicht einfach dasselbe. Aber mindestens einmal im Fall der Christologie ist auch die traditionelle Formu­lierung des Dogmas nicht so überholbar, daß wir jetzt einfach auf sie verzichten könnten. Wir können nicht zu eigenen Formulierungen so gelangen, daß wir auf der Ebene der Verkündi­gung und der Aussage unseres eigenen persönli­chen Glaubens gar nichts mehr mit der alten Formulierung zu tun haben bzw. diese höchstens noch als Aussage betrachten, die allein in die vergangene, wenn auch so für den reflektieren­den Theologen normative Geschichte des Glau­bensverständnisses gehört.

Seien wir Theologen von heute doch nüchtern und selbstkritisch uns selber gegenüber, seien wir solche, die aus der Geschichte des Glaubens nicht nur meinen, gelernt zu haben, sondern auch immer noch lernen wollen! Wie könnten wir dann einfach die alten christologischen For­mulierungen zugunsten unserer eigenen Neufor­mulierungen beiseite lassen wollen? Selbst ein­mal angenommen, es gebe dafür in der Zukunft einmal durch epochale Sprachwandlungen eine Legitimation, die christologische Wirklichkeit ganz anders auszusagen (und in der Verkündi­gung noch ganz anders), dann ist sachlich und geistessoziologisch diese Zukunft gewiß noch nicht gekommen. Wer aber als Theologe meint, ein Vorreiter für die Kirche in diese Zukunft hinein sein zu müssen, der gebe acht, daß er den Zusammenhang mit dem nachfolgenden Gros der Gläubigen und auch der Bischöfe nicht ver­liert. Diese Sorge nämlich gehört auch zu einer wirklich katholischen Theologie wesentlich da­zu, auch wenn dann das Tempo des Marsches in die Zukunft des Glaubens für Ungeduldige etwas langsamer ist.

Allerdings muß ebenso gesehen werden, daß auch die heiligsten und bleibenden Formulierun­gen des Glaubens erklärt werden müssen, daß zu ihnen also unweigerlich andere Aussagen hinzu­treten müssen, auch wenn diese selber sehr ver­schiedene Grade der Verbindlichkeit haben. (Jo­hannes Paul II. insistiert auf dem Wort «Trans­substantiation» in der Eucharistielehre. Aber ich armer Theologe muß doch fragen und sagen, was mit dem Wort «Substanz des Brotes» und mit «Wesensverwandlung» hier wirklich gemeint ist, weil man sich da vieles denken kann, was nicht richtig ist und einem modernen Physiker von heute mit Recht als unsinnig erscheint.) Wenn man aber die dogmatisch verbindlichen Sätze erklärt, wenn man sich nicht einbildet, solche Erklärungen seien einfach und klar oder könnten nicht in die Irre laufen, wenn man dabei nicht nur ein klein wenig, sondern nach Kräften möglichst weit denkt, dann kommt man gerade von den alten Formulierungen her und im Gehorsam gegen sie unter Umständen zu Aussagen in der Christologie, die viele verwundern werden, die bisher in beruhigter Gewohnheit die alten For­meln hörten und meinten, verstanden zu haben, was sie sagen. (Es gibt doch vom Dogma der wahren Menschheit Jesu her, wie es immer ver­kündigt wurde, Einsichten, z. B. über die ge­schichtliche Bedingtheit des Bewußtseins Jesu und über die Möglichkeiten auch einer religiösen Entwicklung dieses Bewußtseins, Einsichten, die früher von den Erklärern dieses Dogmas überse­hen oder sogar geleugnet wurden.)

Der katholische Dogmatiker sollte also immer auch (nicht nur!) von den alten Formulierungen der Christologie her die neuen Einsichten zu gewinnen suchen, die für seine heutige Christo­logie in einem positiven Verhältnis zur heutigen Mentalität (samt kritischer Exegese usw.) wich­tig und unerläßlich scheinen. Er kann auch so seine neuen Formulierungen erreichen, und sie brauchen die alten nicht zu beseitigen und brau­chen nicht gewonnen zu werden durch eine bloß negative Kritk oder Abschaffung der klassischen Formulierungen der Christologie. Wie sich dann bei einer solchen Koexistenz von alten und (durchaus notwendigen und legitimen) neuen Formulierungen das konkrete Glaubensbewußtsein der Kirche entwickeln wird hinsicht­lich der genaueren «Dosierung» der alten und neuen Aussagen im Glaubensbewußtsein des normalen Christen und der kirchenamtlichen Verkündigung, das läßt sich natürlich nicht ge­nau programmieren und kann getrost der künfti­gen Glaubensgeschichte überlassen werden.

Es ist aber selbstverständlich, daß auch in der Christologie die Geschichte nicht zu Ende ist und die wahre Orthodoxie nicht in einer bloßen (verzweifelt eigensinnigen) Repetition der alten christologischen Formulierungen besteht, die in der Geschichte geworden sind und auch weiter­hin in der Geschichte bleiben, aber gerade darum von uns nicht einfach mit Stillschweigen über­gangen werden dürfen, als hätten sie für uns keine normative Bedeutung mehr. Ein Exeget soll seine Exegese und Bibeltheologie betreiben und als solcher sonst nichts. Aber ich habe kein Verständnis für einen katholischen Exegeten, bei dem man nicht merken kann, daß er vom Konzil von Chalkedon schon einmal etwas gehört hat. Man muß die Vergangenheit in echter Weise mitnehmen, will man der Christologie eine Zu­kunft erobern. Man soll in Rom wahrhaftig über die Reinheit der Christologie wachen und den normativen Charakter der alten kirchenamtli­chen Christologie betonen. Aber wenn dies so geschähe, daß man dabei eigentlich kein Bedürf­nis nach neuen christologischen Formulierungen erkennen könnte, dann wäre das ein Verrat an der Aufgabe der Verkündigung von morgen.

Man kann dem Satz des Johannes-Prologs mit der Festigkeit des Glaubens zustimmen, der bis zur Todesbereitschaft absolut ist, man wird die­sen Satz immer als einen der Ausgangspunkte der eigenen Theologie gültig und lebendig sein las­sen, man wird entschlossen und fröhlich sich von der hellen Finsternis der Offenbarung Gottes überwältigen lassen und kein schlauer Rationalist sein wollen, aber man darf auch so erzittern im Grunde des Geistes und Herzens, wenn man liest: «Und das Wort ist Fleisch geworden», und darf sich fragen, was das eigentlich und was es nicht heißt, wenn man gleichzeitig die Unbe­greiflichkeit und Unermeßlichkeit des Gottes eines ungeheuerlichen Kosmos denkt, wenn man ebenso glaubend daran festhält, daß dieser Gott in sich unveränderlich ist und bleibt, daß er über alles, was außer ihm ist und gedacht werden kann (also auch über Jesu geschaffene Wirklichkeit), unaussprechlich erhaben ist, daß Jesu menschli­che Seele als eine solche in Anbetung aus einem unendlichen Abstand der Kreatürlichkeit auf die auch für sie bleibende Unbegreiflichkeit Gottes blickt. Bei all dem bleibt es wahr, daß das Wort Fleisch geworden ist.

Aber ich weigere mich, in dem Augenblick, da ich diesen Satz des Glaubens denke, die anderen Sätze des Glaubens zu vergessen, um es mir leichter zu machen. Darum muß immer neu gefragt werden, was die Christologie eigentlich sagen will und was nicht, auch wenn für dieses Fragen die klassische Christologie immer neu einer der Ausgangspunkte bleiben muß. Die neueren Angebote in der heutigen Christologie in allen Kirchen brauchen bei diesen neuen Aus­sagen nicht immer glücklich zu sein. Aber man sollte sie mit Respekt und Liebe prüfen und nicht zu schnell in einer dann letztlich steril bleibenden Orthodoxie sich über sie erhaben dünken. Wenn vor einiger Zeit ein Professor in Rom seine Vorlesung mit der Feststellung begann, Schillebeeckx’ Christologie sei häretisch und darum werde er über sie nicht reden, dann verurteilt sich eine solche Christologie selber dazu, bei den Menschen von heute ungehört zu bleiben und nur noch die Binnenideologie einer immer klei­ner werdenden Gruppe zu sein.

2.

Jede Christologie von heute muß auch eine «Auf­stiegschristologie» sein. Es kommt nicht auf das Wort an. Aber eine katholische Theologie, die an der Notwendigkeit und Bedeutsamkeit einer Fundamentaltheologie festhält, die die Ge­schichte ernst nimmt als Ort der Offenbarung, die heute unweigerlich eine intensivere Perichorese von Fundamentaltheologie und Dogmatik verwirklichen muß, muß bei dem konkreten Jesus von Nazaret der Geschichte anfangen. Bei diesem Anfang sind die Nachrichten der Ge­schichte über Jesus nicht zunächst als dogmati­sche, in Offenbarung inspirierte Sätze zu lesen. Denn für einen normal-sachlichen Aufbau der Theologie geht der Glaube an Jesus der Überzeu­gung von der Kirche, ihrem Lehramt und der Inspiration des Neuen Testamentes voraus. Man braucht ein gewisses gegenseitiges Bedingungs­verhältnis aller Momente des einen christlichen Glaubens nicht zu bestreiten, das ändert aber letztlich doch nichts daran, daß Jesus von der Kirche und der Schrift überzeugt und fundamen­tal nicht umgekehrt. Bei einer solchen Aufstiegschristologie sind durchaus berechtigterweise Satze über die Bedeutung Jesu «für uns» (die natürlich eine Wirklichkeit «an sich» aussagen) zuerst zu sagen, weil eine Aussage über ein reines «an sich», deren Bedeutung für uns erst hinter­drein expliziert wird, mindestens einmal vom Menschen von heute nicht angehört wird und nicht ankommt. Das «propter nos» des Credos darf ruhig am Anfang gesagt werden. Wenn dies richtig geschieht, stellt sich von selbst heraus, daß, was höchst anthropozentrisch zu sein scheint, einen Menschen meint, der nur zu sich selber findet, wenn er sich in die Unbegreiflich­keit Gottes hinein aufgibt. Am Anfang der Chri­stologie steht die Frage: Was bedeutet er für uns» und dann die Frage, wer er sein müsse, um diese Bedeutung für uns zu haben.

Man kann diese Bedeutung sicher auf die verschiedenste Weise aussagen, und danach wird gewiß auch der Nachweis dieser Bedeutung auf verschiedene Weise zu führen sein. Immer aber von der Begegnung mit dem geschichtlichen Jesus her und mit dem (selber «transzendental» als berechtigt und notwendig erwiesenen) Mut, alle die unvermeidlichen Schwierigkeiten durch­zustehen, die mit der Herkunft einer absoluten Entscheidung von einer geschichtlichen Wirk­lichkeit her gegeben sind. Alle solchen Nachwei­se der absoluten Bedeutung Jesu für uns werden, als jeweils und unvermeidlich endliche im Expli­ziten eines solchen Nachweises, das eine deutlich machen, das andere nur undeutlich aussagen, das dritte vielleicht übersehen und vergessen. Die konkreten Konturen solcher Nachweise werden verschieden sein, je nach den Menschen, den Kulturen, Epochen. Es wäre nicht löblich, son­dern beschwerlich und alarmierend, wenn diese Nachweise in der Kirche zu uniform ausfallen würden.

3.

Unter dem Vorbehalt der strengen Geltung eines solchen notwendigen Pluralismus der Zugangs­wege und der Aspekte der Bedeutung Jesu für uns möchte ich aber doch zu sagen wagen, daß diese Zugangswege und Aspekte (beides in ei­nem) doch unvermeidlich zwei fundamentale Einsichten bedeuten, wobei es mir letztlich gleichgültig ist, ob mit deren Hervorhebung «meine» Christologie charakterisiert ist oder jede orthodoxe Christologie überhaupt.

3.1. Erstens muß mir Jesus durch seine Wirk­lichkeit und durch sein Wort erscheinen als der unüberholbare Zugang zu der Unmittelbarkeit Gottes in sich selbst, und zwar nicht nur als Zu­gang zu dieser Unmittelbarkeit als Idee und Möglichkeit, sondern als von sich selbst her siegreiche Verheißung der Verwirklichung dieser Unmittelbarkeit. Ich versuche, das eben Gesagte etwas zu verdeutlichen, wobei die Frage dahin­gestellt bleibe, wie weit das als Forderung einer absoluten Religion Aufgestellte nur erst an ihm selber abgelesen werden kann oder die Idee davon auch sonst verständlich ist und nur noch deren Verwirklichung gerade durch und an Jesus erkannt werden muß.

Die absolute und grundsätzlich unüberbietba­re Unmittelbarkeit zu Gott, wie sie sich in der visio beatifica vollendet, ist die Voraussetzung für eine wirkliche Universalität einer Religion. Ohne eine solche kann eine Religion nur regio­nal, partikulär, völkisch, kulturell begrenzt usw. sein, weil sie es ja nur mit einem endlichen Heils gut zu tun haben kann, neben dem es per definitionem andere gibt. Diese Nähe kann als Gott in sich selber engagierende nur als Gnade aus der liebenden Freiheit Gottes heraus verstan­den werden. Als solche ist sie denkbar entweder im Modus eines gewissermaßen neutralen Ange­botes an die Freiheit des Menschen oder im Modus des von Gott her kommenden tatsächli­chen Sieges dieses Angebotes, das sich in und durch die Freiheit des Menschen von sich selber her durchsetzt (oder natürlich — theoretisch – im Modus der Ablehnung von selten des Menschen als einer endgültigen Katastrophe der Mensch­heitsgeschichte).

In Jesus (und letztlich nur so) erfahren wir (durch sein Leben und sein Wort), daß die Geschichte des Angebotes einer unüberholbaren und absoluten Selbstmitteilung Gottes an die Menschheit in die Phase eingetreten ist (die man mit Recht sowohl als Endphase der Freiheitsge­schichte der Menschheit wie auch als deren erst eigentlichen Beginn interpretieren kann), in der der von Gott her und nicht bloß aposteriorisch durch die Faktizität der Freiheit des Menschen bewirkte Sieg dieses Selbstangebotes an die Menschheit unwiderruflich geworden ist. Jesus ist die essentiell absolut unbegrenzte und existen­tiell in eine eschatologische Unwiderruflichkeit eingetretene Selbstzusage Gottes an die Mensch­heit.

Es ist hier nun nicht die Aufgabe, diese Inter­pretation Jesu geschichtlich zu verifizieren. Sie ist aber darin gegeben, daß Jesus die Ankunft des Reiches Gottes durch sich, seine Botschaft und sein Werk proklamiert, wenn man versteht, daß das Reich Gottes, soll es wirklich endgültig und mehr als ein irdisches Reich sein, mit Gott an sich selber identisch sein und das Schema eines Ver­hältnisses sprengen muß, in dem Gott nur der Schöpfer und Garant einer von ihm verschiede­nen Welt mit ihren Möglichkeiten und Zielen ist. Unter der selbstverständlichen Voraussetzung, daß Heilsgeschichte so ist, daß sie Wirklichkeit auch durch Wort und als Wort, das sich als Wirklichkeit ereignet, ist, wage ich zu sagen: Die Aussage, daß Jesus das irreversible Zusagewort des Gottes ist, der sich selbst und nicht eine von ihm geschaffene Wirklichkeit als Inhalt und Ziel der Geschichte mitteilt, ist der Sache nach deckungsgleich mit der klassischen Aussage der Chri­stologie über die «hypostatische Union». Das soll hier nun nicht genauer dargetan werden. Aber wenn diese Deckungsgleichheit wirklich gegeben ist (wovon ich überzeugt bin), dann ist eine «orthodoxe» christologische Aussage möglich, die einerseits von vornherein eine «Christologie für uns» bedeutet, andererseits aber neben der klassischen christologischen Formulierung steht und so eine kritische Instanz gegen mögliche (besonders monophysitische, auch heute noch virulente) Mißverständnisse der klassischen Christologie bedeutet, wenn natürlich auch um­gekehrt ein solches kritisches Verhältnis von der klassischen Christologie zu der eben angebote­nen Formulierung besteht.

3.2 Wir müssen aber zweitens in einem Punkt das bisher Gesagte präzisieren und vertiefen. Wenn Jesus die siegreiche Selbstzusage Gottes in der Geschichte sein soll, dann ist die geschichtli­che Gegebenheit und Erscheinung dieses Sieges nur denkbar, wenn dieser Sieg als unwiderrufli­che Annahme dieses göttlichen Selbstangebotes in Jesus erscheint. Diese geschichtlich erschei­nende definitive und unwiderrufliche Annahme der göttlichen Selbstzusage kann aber nur als durch das geschehend gedacht werden, was wir christlich Jesu Tod und Auferstehung nennen. Eine Theologie der Freiheit könnte zeigen, daß (wie immer auch verschieden der konkrete Voll­zug der Freiheit auf ihre Endgültigkeit durch «Tod» hindurchgedacht werden mag) der Tod das Ereignis der Endgültigwerdung der Frei­heitsentscheidung ist und nur er. Auch wenn die konkrete Weise des Sterbens Jesu durchaus auch wesentlich zur Heilsgeschichte gehören mag, fundamental ist Jesu Tod heilsgeschichtlich dar­um von Bedeutung, weil er die Endgültigkeit der Annahme des Selbstangebotes Gottes an Jesus (und in ihm an die Menschheit) ist. Natürlich müßte an sich hier oder an einem andern Punkt unserer Überlegungen verständlicher gemacht werden, warum und wie Jesus und sein Schicksal in einer unlösbaren Solidarität mit der Mensch­heit steht, so daß die Selbstzusage Gottes an ihn und seine Annahme dieser Selbstzusage durch ihn in seinem Tod wirklich die göttliche Selbst­zusage an die Menschheit überhaupt ist. Aber dies ist hier nicht mehr möglich.

All das Gesagte bedeutet nur ein paar sehr vereinzelte und dürftige Andeutungen für eine Christologie, wie sie heute sein müßte. Es wäre unendlich mehr zu sagen. Es würde nicht scha­den, wenn eine heutige Christologie die Thema­tik eines Teilhard de Chardin deutlicher und klarer aufgreifen würde, auch wenn bei ihm nicht gerade besonders klar wird, welcher Zusammen­hang verständlicher und orthodoxer Art besteht zwischen Jesus von Nazaret und dem kosmi­schen Christus, dem Punkt Omega der Weltevo­lution.

Eine solche Christologie von heute und mor­gen müßte aber vor allem auch viel mehr als bisher über das ganz persönliche liebende Ver­hältnis des einzelnen Menschen zu Jesus von Nazaret sagen. Dieses könnte vielleicht sehr einfach und doch radikal so beschrieben werden, daß die ganze klassische Christologie eigentlich darin schon enthalten ist, so daß dann diese klassische Christologie ihre Befremdlichkeit ver­liert, die sie doch auch oft für den Christen von unbedingter Gläubigkeit heute hat. Wenn dieses Verhältnis des einzelnen zu Jesus von vornherein und deutlich verstanden würde als ein Mitsterben mit Jesus (in absoluter Hoffnung) in die Unbe­greiflichkeit des ewigen Gottes hinein, dann wür­de die Christologie (angesichts der übrigen Welt­religionen und des sonstigen Menschheitsverlan­gens nach Gott) nicht mehr den Eindruck ma­chen, mit ihr sei doch nur eine partikuläre Reli­gion möglich, die nicht die aller Menschen sein könne.

Concilium 18 (1982), 212-216.

Hier der Text als pdf.

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