Zukunft als genetische Entwicklung („Werdende“) und adventliche Apokalypse („Kommende“): „Die christliche Apokalyptik ist im Wesentlichen die Ansage einer göttlichen Gegenwirklichkeit, die sich gegenwärtig in einer visionären Botschaft erschließt und die die Bedrängnis in der Gegenwart in den Blick nimmt.“

Zukunft als genetische Entwicklung („Werdende“) und adventliche Apokalypse („Kommende“)

Wenn es um das deutsche Wort „Zukunft“ geht, sind damit zwei gegenläufige Aspekte bezüglich der über die Gegenwart hinausreichenden Zeit benannt. Zum einen bedeutet Zukunft „Futurum“ als das, was sich aus gegenwärtiger Potentialität bzw. angelegten Möglichkeiten entwickeln kann, gleichsam wie eine Pflanze aus einem Saatgut erwächst. Für Entwicklung (bzw. Evolution) und Wachstum gilt, dass sich in einem Zeitkontinuum etwas Vorhandenes bzw. Gegenwärtiges prozesshaft verändert und dabei erkenntlich bleibt. Aus der Vergangenheit entwickeln sich Dinge in der Gegenwart auf die Zukunft hin. Man versucht „zukünftige“ Zustände erkenntnismäßig bzw. prognostisch vorwegzunehmen, sie also zu antizipieren.

Der zweite Zukunftsaspekt ist der adventus, das, was kommt. Aus bzw. in der Zukunft kommt eine Wirklichkeit entgegen, die sich der gegenwärtigen Situation annimmt, sie vereinnahmt. Man könnte auch von einer Gegenwirklichkeit sprechen, die sich eben nicht aus Bestehendem ergibt. Die christliche Apokalyptik ist im Wesentlichen die Ansage einer göttlichen Gegenwirklichkeit, die sich gegenwärtig in einer visionären Botschaft erschließt.

Die christliche Apokalyptik, wie sie im Buch der Offenbarung zur Sprache kommt, nimmt die Bedrängnis in der Gegenwart in den Blick. Das eigene Leben ist von feindlichen Machtansprüchen und Machtdemonstrationen (Kaiserkult) bedroht. Für Christen gibt es keinen Ausblick einer friedlichen Weiterentwicklung bzw. Koexistenz. Vielmehr scheint die eigene Vernichtung anzustehen. In dieser Situation bringt die Apokalyptik eine göttliche Gegenwirklichkeit zur Sprache, die sukzessive alles Gottfeindliche entmachtet bzw. entwaffnet. Die göttliche Zukunft in der Wiederkunft Christi egalisiert (homogenisiert) jedoch nicht das bisher Dagewesene. Im Jüngsten Gericht (Offb 20,11-15) kommt vielmehr zur Sprache, was im je eigenen Leben an Werken hervorgebracht worden ist. Dabei spielt es dann für Christen sehr wohl eine Rolle, ob man in der Bedrängnis und Verfolgung seinem Herrn Jesus treu geblieben ist.

Die Ankündigung eines tausendjährigen Reiches (Offb 20,1-6) ist für die christliche Lehre schwer zu fassen. Dass Märtyrer auferstehen und mit Christus für 1000 Jahre gemeinsam regieren zeigt in jedem Fall deren Rehabilitierung an. Was immer ihnen böswillig und übermächtig angetan worden ist, behält nicht das letzte Wort. Vielmehr wird ihr Martyrium über ihre Widersacher triumphieren.

Im Buch der Offenbarung läuft das endzeitliche Drama mit der göttlichen Gegenwirklichkeit auf das eine Gotteswort hinaus: „Siehe, ich mache alles neu! […] Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. Wer überwindet, der wird es alles ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein.“ (Offb 21,5-7) Wo unser biologisch konditionierte „Werden“ auf eine definitive Todesgrenze zuläuft, ist nur durch göttliches, schöpferisches Entgegenkommen eine Lebenszukunft in der Gottesgemeinschaft zu erwarten (vgl. 2Kor 5,17; Röm 8,10; Gal 2,20; 6,15).

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