Charles Baudelaire über den Weltuntergang (Fusées, 1867): „Die Zeit wird kommen, in der die Menschheit wie ein rachsüchtiger Unhold denjenigen, die glauben, sie hätten die Revolutionen rechtmäßig geerbt, das letzte Stück aus dem Leib reißen wird. Doch das wäre nicht das größte Übel.“

Über den Weltuntergang (Fusées, 1867)

Von Charles Baudelaire

Die Welt wird untergehen. Der einzige Grund, warum sie fortbestehen könnte, ist, dass sie existiert. Wie schwach ist dieser Grund im Vergleich zu all den Gründen, die das Gegenteil verkünden, insbesondere zu diesem: Was hat die Welt nun unter dem Himmel zu tun? Denn angenommen, sie würde weiterhin materiell existieren, wäre das eine Existenz, die dieses Namens und des Historischen Wörterbuchs würdig wäre? Ich sage nicht, dass die Welt auf die Hilfsmittel und das närrische Durcheinander der südamerikanischen Republiken reduziert wird, dass wir vielleicht sogar in die Wildnis zurückkehren und mit dem Gewehr in der Hand durch die grasbewachsenen Ruinen unserer Zivilisation ziehen, um nach Nahrung zu suchen. Nein, denn diese Abenteuer würden immer noch eine gewisse Lebensenergie voraussetzen, ein Echo aus der Frühzeit. Als neues Beispiel und neues Opfer der unerbittlichen Moralgesetze werden wir an dem Ort zugrunde gehen, an dem wir zu leben glaubten. Die Mechanik wird uns so sehr amerikanisiert haben, der Fortschritt wird den gesamten geistigen Teil in uns so sehr verkümmern lassen, dass nichts von den blutrünstigen, frevelhaften oder unnatürlichen Träumereien der Utopisten mit seinen positiven Ergebnissen verglichen werden kann. Ich bitte jeden denkenden Menschen, mir zu zeigen, was vom Leben übrig geblieben ist. Von der Religion zu sprechen und nach ihren Überresten zu suchen, halte ich für überflüssig, da es der einzige Skandal in solchen Angelegenheiten ist, sich die Mühe zu machen, Gott zu leugnen. Das Eigentum war mit der Abschaffung des Erstgeburtsrechts praktisch verschwunden; aber die Zeit wird kommen, in der die Menschheit wie ein rachsüchtiger Unhold denjenigen, die glauben, sie hätten die Revolutionen rechtmäßig geerbt, das letzte Stück aus dem Leib reißen wird. Doch das wäre nicht das größte Übel.

Le monde va finir. La seule raison, pour laquelle il pourrait durer, c’est qu’il existe. Que cette raison est faible, comparée à toutes celles qui annoncent le contraire, particulièrement à celle-ci : Qu’est-ce que le monde a désormais à faire sous le ciel ? Car, en supposant qu’il continuât à exister matériellement, serait-ce une existence digne de ce nom et du Dictionnaire historique ? Je ne dis pas que le monde sera réduit aux expédients et au désordre bouffon des républiques du Sud-Amérique, que peut-être même nous retournerons à l’état sauvage, et que nous irons, à travers les ruines herbues de notre civilisation, chercher notre pâture, un fusil à la main. Non ; car ces aventures supposeraient encore une certaine énergie vitale, écho des premiers âges. Nouvel exemple et nouvelles victimes des inexorables lois morales, nous périrons par où nous avons cru vivre. La mécanique nous aura tellement américanisés, le progrès aura si bien atrophié en nous toute la partie spirituelle, que rien, parmi les rêveries sanguinaires, sacrilèges ou anti-naturelles des utopistes, ne pourra être comparé à ses résultats positifs. Je demande à tout homme qui pense de me montrer ce qui subsiste de la vie. De la religion, je crois inutile d’en parler et d’en chercher les restes, puisque se donner la peine de nier Dieu est le seul scandale, en pareilles matières. La propriété avait disparu virtuellement avec la suppression du droit d’aînesse ; mais le temps viendra où l’humanité, comme un ogre vengeur, arrachera leur dernier morceau à ceux qui croiront avoir hérité légitimement des révolutions. Encore, là ne serait pas le mal suprême.

Charles Baudelaire, Œuvres posthumes, Ed. Societe Du Mercure, Paris 1908, S. 95f.

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