Elazar Benyoëtz, In Erinnerungen gekleidet, in Erinnerung gerufen: „Alle Taten und Werke stehen im Dienst des Namens, alles was sich ausdehnt und einprägt. Sein Name ist der ganze Mensch. Das Wesen verändert sich mit dem Namen. Was durch den Namen zum Wesen geworden ist, verändert sich mit dem Namen in seinem Wesen.“

In Erinnerungen gekleidet, in Erinnerung gerufen

Von Elazar Benyoëtz

Erinnerung ist paradiesischen Ursprungs, sie beginnt beim Namen, mit der Namensgebung, mit der Benennung. Was mit einem Namen belegt wird, geht in die Erinnerung ein und kann immer wieder in Erinnerung gerufen werden.

Es war Adams heilige Beschäftigung, alles, was nackt und bloß in der Schöpfung herumlag oder umherirrte, mit Namen zu belegen, zu beseelen, wortfest zu machen. Göttlich ist das bloß Vorhandene, menschlich – das in Deckung Gebrachte.

Das Herz eines Dinges ist sein Name, der Name eines Menschen – sein nicht zu widerrufender Ruf.

»Erinnerungen sind mehr als Kleider.« So war’s schon im Paradies. Adam hatte noch keine Kleider, als er Geburtshelfer der Erinnerung wurde. Und dabei ist es geblieben: die erste Kleidung eines Men­schen ist der Name, mit dem er bedacht und bedeckt wird; der Name ist die Haut über der Haut.

Alle Taten und Werke stehen im Dienst des Namens, alles was sich ausdehnt und einprägt. Sein Name ist der ganze Mensch. Das Wesen verändert sich mit dem Namen. Was durch den Namen zum Wesen geworden ist, verändert sich mit dem Namen in seinem Wesen.

Der Name ist verletzlich wie die Haut, doch er altert nicht und schrumpft nicht ein.

»Im Anfang« heißt das erste Buch Mose, »Namen« das zweite, »Er rief« das dritte: das ist die Reihenfolge und so entsteht der Sinn

Quelle: Elazar Benyoëtz, Scheinhellig. Variationen über ein verlorenes Thema, Wien: Braumüller, 2009, S. 74.

Hier der Text als pdf.

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