Martin Luther, Das schöne Confitemini. Auslegung zu Psalm 118 (1530): „Es heißt: ‚Ich rief den Herrn an‘. Rufen mußt du lernen – das hörst du wohl! – und nicht selbstversunken dasitzen oder auf der Bank liegen, den Kopf hängen lassen und ihn schütteln und in deinen Gedanken dich martern und verzehren, dich sorgen und suchen, wie du es loswirst, und nichts anderes vor Augen haben, als wie übel es dir geht, wie weh dir ist, ein wie unglücklicher Mensch du bist.“

Das schöne Confitemini. Auslegung zu Psalm 118

Von Martin Luther

Widmungsschreiben

An den ehrwürdigen Herrn Friedrich,
Abt zu St. Ilgen in Nürnberg.

Meinem wohlgesinnten Herrn und Gönner

Gnade und Friede in Christus, unsrem Herrn und Heiland!

Ehrwürdiger, lieber Herr und Gönner, ich wollte mich gerne für die Liebe und Gunst, die Ihr mir erwiesen habt, dankbar erzeigen, bin aber, weltlich gerechnet, ein armer Bettler; und selbst wenn ich viel hätte, ist doch Eure Art und Stellung so, daß ich Euch damit nichts Besonderes erweisen könnte. So habe ich mich an meinen Reichtum gehalten, der in meinen Augen mein Schatz ist, und mei­nen lieben Psalm mir vorgenommen, das schöne Confitemini; ich habe meine Gedanken darüber zu Papier gebracht, weil ich hier in der Wüste[1] so viel Zeit ha­be und doch manchmal ausruhen und un­terbrechen muß, um das Haupt zu entlasten von der größeren Ar­beit, nämlich die Propheten vollends zu verdeutschen (ich hoffe, sie auch bald fertigzubekommen).[2]

Was ich dabei dachte, wollte ich Euch schriftlich mitteilen und schenken. Besseres habe ich nicht; obschon es bei manchen als ein gro­ßes, vielleicht auch als ein wertloses Gewäsch angesehen werden mag, so weiß ich doch, daß nichts Böses oder Unchristliches darin ist. Denn rs ist mein Psalm, den ich liebhabe. Obwohl der ganze Psalter und die Heilige Schrift im ganzen – die mein einziger Lebenstrost ist – mir auch lieb sind, bin ich doch besonders an diesen Psalm geraten, daß er der meine heißen und sein muß. Denn er hat sich auch gar oft redlich um mich verdient gemacht und mir aus manchen großen Nöten ge­holfen, wo mir sonst kein Kaiser und keine Könige, Weisen, Klugen oder Heiligen hätten helfen können. Und er ist mir lieber als des Papstes, Türken, Kaisers und aller Welt Ehre, Gut und Macht; ich wollte auch höchst ungern um diesen Psalm mit ihnen allen tau­schen.

Wenn aber jemand mich sonderbar ansehen wollte, weil ich die­nen Psalm als meinen Psalm rühme, während er doch aller Welt gleich zu eigen ist, so wisse er, daß der Psalm dadurch, daß er mein ist, niemand genommen wird. Christus ist auch mein und bleibt gleichwohl für alle Heiligen[3] derselbe Christus. Ich will nicht nei­disch sein, sondern ein fröhlicher Mitteiler. Und wollte Gott, daß alle Welt den Psalm so als ihr Eigentum anspräche wie ich! Das soll­te der freundschaftlichste Zank werden, mit dem kaum irgendeine Einhelligkeit und Liebe zu vergleichen sein dürfte. Es gibt leider nur wenige (auch unter denen, die es eigentlich den andern darin zuvor­tun sollten), die zur Heiligen Schrift oder zu einem einzigen Psalm ihr Leben lang einmal von Herzen sagen: du bist mein liebes Buch, oder: du sollst mein eigenes Psälmlein sein.

Es ist freilich eine der größten Plagen auf Erden, daß die Heilige Schrift so verachtet ist, auch bei denen, die dazu von Amts wegen bestellt sind. Alle anderen Sachen, Künste, Bücher treibt und übt man Tag und Nacht, und das Arbeiten und Mühen nimmt da kein Ende. Nur die Heilige Schrift läßt man liegen, als brauche man sie nicht. Und die ihr so viel Ehre antun, sie einmal zu lesen, die können es alles im Fluge; nie ist eine Kunst oder ein Buch auf Erden gekom­men, die jedermann so bald ausgelernt hat wie die Heilige Schrift. Und es sind ja doch nicht Leseworte, wie sie meinen, sondern lauter Lebeworte darin, die nicht zum Spekulieren und hohen Betrach­tungen, sondern zum Leben und Tun hergesetzt sind. Aber unser Klagen hilft nichts. Sie achten doch nicht darauf. Christus unser Herr helfe uns durch seinen Geist, sein heiliges Wort mit Ernst zu lieben und zu ehren! Amen.

Damit befehle ich mich Eurem Gebet

Aus der Wüste, am 1. Juli 1530.

Martin Luther.

1. Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich.

Dieser Vers ist eine umfassende Danksagung für jede Wohl­tat, die Gott der Herr aller Welt unaufhörlich in allen Dingen so­wohl guten wie bösen Menschen täglich erweist. Das ist ja der heiligen Propheten Art: Wenn sie Gott bei besonderen Anlässen loben und danken wollen, so fangen sie hoch an und holen weit aus, loben ihn zugleich allgemein in allen seinen Wundern und Wohltaten. So geschieht es hier: Weil dieser Psalm Gott be­sonders um der höchsten Wohltat willen lobt, die er der Welt er­wiesen hat, nämlich im Blick auf Christus und sein Reich der Gnaden, der Welt verheißen und jetzt verwirklicht, fängt er mit allumfassendem Lob an und spricht:„Danket dem Herrn; denn er ist doch ja ein Gott, der ein Herz für uns hat, ein gnädiger, [69] liebevoller, gütiger Gott, der fort und fort Wohltaten erweist und eine Guttat über die andere in Fülle über uns ausschüttet.“

Du darfst nämlich diese Worte „freundlich“ und „seine Güte“ nicht so kalt und unangerührt lesen und über sie hinwegeilen, wie die Nonnen den Psalter lesen oder wie die Chorherren und Chorschüler solche köstlichen Worte in ihren Kirchen blöken und heulen, sondern bedenken, daß es lebendige, treffliche und reiche Worte sind, die überhaupt alles umfassen und einprägen. Sie bezeugen: Gott ist nicht wie ein Mensch freundlich, sondern von Grund seines Herzens uns geneigt und voller Wohlwollen, immer zu helfen und wohlzutun. Ungern zürnt und straft er, es sei denn, er müßte es tun und würde überhaupt erst durch unablässige, unbußfertige, verstockte Bosheit der Men­schen dazu gezwungen und gedrängt. Wenn ein Mensch zür­nen und strafen muß, könnte er nicht so lange abwarten, son­dern würde hunderttausendmal eher und härter strafen als Gott.

Und solch freundliches und gnädiges Wohlwollen erweist er über alle Maßen reichlich und gewaltig mit seiner täglichen und ewigen Güte, wie es hier heißt:„Seine Güte währt ewig, das ist: ohne Unterlaß erweist er uns fort und fort das Beste. Er er­schafft uns Leib und Seele, behütet uns Tag und Nacht, erhält [70] uns ohne Unterlaß am Leben, läßt uns Sonne und Mond scheinen und den Himmel, Feuer, Luft und Wasser uns dienen, läßt aus der Erde Wein, Korn, Futter, Speise, Kleider, Holz und alles, dessen wir bedürfen, wachsen. Er gibt Gold und Silber, Haus und Hof, Weib und Kind, Vieh, Vögel, Fische. Kurz und gut: Wer könnte es alles aufzählen? Und alles gibt er in Fülle und so überreich, alle Jahre, alle Tage, alle Stunden, alle Augenblicke; wer kann doch allein die Güte ausrechnen, daß er einem ein ge­sundes Auge oder eine gesunde Hand gibt und erhält? Wenn wir krank sind oder eines davon entbehren müssen, dann sieht man erst ein, was für eine Wohltat es ist, ein gesundes Auge, eine gesunde Hand, Fuß, Bein, Haupt, Nase, Finger zu haben, ebenso: was für eine Gnade es ist, Brot, Kleider, Wasser, Feuer, ein Haus zu haben usw.

Und wenn wir Menschen nicht so blind und der Güter Gottes nicht so überdrüssig wären und sie mißachteten, würden wir er­kennen: Wenn es zum Tauschen kommen sollte, nähme kein Mensch auf Erden, der soviel derartige Güter hat, statt ihrer ein Kaiserreich oder ein Königreich und wäre dafür jener Güter be­raubt. Denn was kann ein Königreich für ein Schatz sein gegen­über einem gesunden Leib? [71] Was ist aller Welt Geld und Gut gegen einen Tag, wie ihn uns die liebe Sonne täglich macht? Wenn die Sonne einen Tag nicht schiene, wer wollte nicht lieber tot sein oder was hülfe ihm all sein Gut und seine Herrschaft? Was wäre aller Wein und Malvasier in aller Welt, wenn wir einen Tag an Wasser Mangel leiden sollten? Was wären alle hübschen Schlösser, Häuser, Samt, Seide, Purpur, goldene Ketten und Edelsteine, alle Pracht, Schmuck und vor­nehme Lebensart, wenn wir die Luft ein Vaterunser lang ent­behren sollten?

Solche Güter Gottes sind die größten und zugleich allerverachtetsten, und weil sie so allgemein sind, dankt niemand Gott um ihretwillen. Wir nehmen sie und gebrauchen sie täg­lich immer so gedankenlos, als müßte es so sein und wir hätten ein unbedingtes Recht darauf und brauchten Gott nicht einmal dafür zu danken. Wir fahren unterdessen drauf los und beküm­mern uns das Herz damit, geschäftig zu sein, zu sorgen, zu hadern, zu streiten, zu ringen und zu wüten um überflüssiges Geld und Gut, um Ehre und Vergnügen, kurz: um das, was jenen obengenannten Gütern nicht das Wasser reichen und uns nicht zum hundertsten Teil so nützlich wie diese sein kann. Vielmehr hindert es uns an dem fröhlichen und friedlichen Gebrauch der allen gemeinsamen Güter, so daß wir [72] sie nicht als solche erkennen noch Gott dafür danken können. Das macht der leidige Teufel, der uns nicht gönnen will, daß wir Gottes Güte und reiche Wohltat gebrauchen und erkennen können, wodurch wir allzu glücklich wären.

Siehe, nun sage du, wieviel Menschen wohl auf Erden sind, die diesen Vers verstehen? Die Wahrheit ist: Kein Nichts­würdiger ist so böse, wenn er in der Kirche diesen Vers singt oder sonst hört, daß er sich nicht einbildet, er verstehe ihn völlig richtig und habe ihn ganz bis zum Grund ausgekostet. Und doch hat er sein ganzes Leben lang weder daran gedacht noch auch nur für die Milch gedankt, die er von seiner Mutter gesaugt hat, geschweige denn für all die Güter, die ihm Gott in seinem ganzen Leben so unzählige und unsägliche Male erwiesen hat. So hat er wohl stündlich allein durch seine Undankbarkeit mehr Sünde getan, als Laub und Gras im Wald ist, wenn Gott ein Geldverleiher wäre und genaue Abrechnung fordern wollte.

Darum sollte dieser Vers billigerweise einem jeden Men­schen täglich, ja alle Augenblicke in Herz und Mund sein, sooft er ißt, trinkt, sieht, hört, riecht, geht, steht oder wie, wo und wann er seine Glieder, seinen Leib, sein Gut oder irgend­welches Geschaffene gebraucht. Damit gedächte er daran: Gäbe Gott ihm nicht dies [73] alles zu gebrauchen und erhielte es ihm wider den Teufel, müßte er es gewiß entbehren. Gleich­zeitig mahnt und gewöhnt er sich dadurch an ein fröhliches Herz und einen freudigen Glauben Gott gegenüber, verbunden mit dem Dank für diese seine tägliche Güte und sagt: „Wohlan, du bist ja doch ein freundlicher, gütiger Gott, der du ewig – das heißt, fort und fort ohne Unterlaß – mir Unwürdigem und Un­dankbarem so reichliche Güte und Wohltat erweist. Lob und Dank mußt du haben.“

Und das dient auch dazu, daß man sich damit in allem Unheil trösten kann. Wir sind ja solche Weichlinge und wehleidige „Märtyrer“: Wenn uns nur ein Bein weh tut oder ein kleines Ge­schwür anschwillt, so können wir Himmel und Erde mit Klagen und Heulen, Murren und Fluchen vollschreien und nicht sehen, welch geringes Übel ein solches Geschwürchen gegenüber den anderen unzähligen Gütern Gottes ist, die wir noch voll und ganz haben. Es gleicht dem, wie wenn ein König toll werden will, weil er einen Pfennig verloren hat, ungeachtet dessen, daß er fast die halbe Welt mit unzähligem Geld und Gut hat, und er darüber Marter, Veitstanz und Pestilenz herabrufen, Gott schän­den und mit anderen Flüchen herausdonnern will, wie heut­zutage die Fluchbolde[4] ihre Mannhaftigkeit beweisen. [74]

Nun läßt doch der liebevolle Gott solche geringen Übel uns allein deswegen widerfahren, daß er uns Schnarcherdamit aus dem tiefen Schlaf erweckt und dahin treibt, die großen unzäh­ligen Güter, die noch vorhanden sind, damit vergleichen zu ler­nen und zu erkennen, was daraus werden sollte, wenn er seine Güte ganz von uns abwenden und wegnehmen würde. So tat der fromme Hiob, als er sprach: „Haben wir Gutes empfangen vom Herrn, warum sollten wir das Übel nicht leiden?“(Hiob 2,10). Siehe, der konnte dies schöne Confitemini und diesen Vers sehr fein singen und sprach: „Wie es Gott gefällt, so geht es. Der Name des Herrn sei gelobt“ usw. (Hiob 1,21). Er stiert nicht allein auf das Übel, wie wir unechten Heiligen tun, sondern behält alle Güte und Wohltat des Herrn vor Augen, tröstet sich damit und überwindet das Böse mit Geduld.

Gleicherweise sollten auch wir all unser Glück nicht anders ansehen noch annehmen, wie wenn Gott uns damit ein Licht anzündet, bei dem wir seine Güte und Wohltat in anderen zahl­losen Dingen sehen und erkennen können. Dadurch soll es uns vorkommen, als wären solch geringe Übel kaum wie ein Tröpflein Wasser, das in ein großes Feuer, oder ein Fünklein, das in ein großes Wasser gefallen ist. Damit würde uns der Vers bekannt und liebenswert:„Danket dem Herrn, denn er ist ja [75] doch freundlich, und seine Güte währt ewiglich.“ Das bedeutet auf deutsch nichts anderes als soviel – denn ich habe beim Übersetzen mich nicht allzuweit von den hebräischen Worten entfernen wollen „Ach, wie ein treuer, herzerfreuen­der, liebevoller Herrgott bist du doch, der du mir und aller Welt allzeit so große und viele Güte erweist. Gedankt sei dir“ usw.

Denn das hebräische Wörtchen „Chesed“, das auf griechisch „Eleemosyne“ und bisher im Deutschen „Barmherzig­keit“ geheißen hat, ich aber mit „Güte“ verdeutscht habe, be­deutet auf deutsch eigentlich das, was wir „Wohltat“ oder „Guttat“ nennen. So hat es auch Christus selbst (Matth. 12,7) gebraucht: „Ich habe Lust an der Wohltat und nicht am Opfer.“ Auch Paulus sagt 1. Tim. 6,2: „Die Knechte sollen ihren gläubigen Herren als solchen, die der Wohltat teilhaftig sind, desto lieber dienen.“ Und Matth. 6,1 spricht Christus: „Habt acht auf eure Wohltat“ usw. – was wir nach der alten Gewohn­heit „Almosen“ nennen, nämlich nach dem griechischen „Eleemosyne“. Obwohl das Wort „Almosen“ auch mit derzeit in Mißbrauch gekommen ist, so daß man unter „Almosen“ nichts anderes versteht als ein Stück Brot, dem Bettler vor der Tür gegeben, bedeutet es doch eigentlich „Eleemosyne“, „Chesed“, „Wohltat“ oder „Guttat“, mit der uns Gott wohltut und wiederum wir auch einer dem anderen wohltun sollen.

Und das Wort „ewig“ soll nicht allein von der Güte [76] im Himmel nach diesem Leben verstanden werden, wo ein ewiges Leben sein wird, sondern das hebräische Wort „Olam“ bedeutet, was wir zu deutsch mit „immerdar“ oder „fort und fort“ ausdrücken, es beziehe sich auf Ewiges oder Zeitliches. So sagt man von einem unruhigen Menschen: „Ach, dieses ewige Umherlaufen!“; „Was soll doch das ewige Umherlaufen!“ usw. Diese Worte habe ich auslegen und deuten müssen, damit man diesen Vers doch richtig versteht. Er wird nämlich in der Schrift und besonders im Psalter oft gebraucht, und gerade er lehrt uns das rechte Opfer, das Gott am besten gefällt. Wir kön­nen ja Gott gegenüber kein größeres und besseres Werk tun noch einen edleren Gottesdienst leisten als ihm danken, wie er selbst Ps. 50,23 sagt: „Das Dankopfer ist die mir erwiesene Ehrung oder der mir geleistete Gottesdienst, und dasselbe ist der Weg dazu, daß ich mein Hei! sehen lasse.“ Solche Opfer gefallen ihm mehr als alle Opfer, Stifte, Klöster,[5] und was es derart geben mag, wie der Sänger Ps. 69,31 sagt: „Ich will den Namen Gottes loben mit einem Lied und will ihn hoch ehren mit Dank.“ Das wird dem Herrn besser gefallen als ein Stier, der Hörner und Klauen hat. Weiterhin: Gleichwie Gott loben und dankbar sein der höchste Gottesdienst hier auf Erden und dort in Ewigkeit ist, so ist andererseits Undankbarkeit das aller­schändlichste Laster und die höchste Entehrung Gottes, wovon doch die Welt bis zum Himmel hinan voll, voll, voll ist. Aber Gott ist ein so gütiger [77] Herr – wie dieser Vers singt –, daß er um solcher Undankbarkeit willen dennoch nicht abläßt noch aufhört wohlzutun, sondern, wie der Psalm hier sagt, „seine Güte ewig währt“. Er läßt immer fort und fort „seine Sonne über beiden, den Guten und den Bösen, aufgehen und läßt regnen über beide, die Gerechten und die Ungerechten“(Matth. 5,45). Er gibt Nichtswürdigen wohl ebensoviel Güter, Kinder und Macht wie den Heiligen und noch viel mehr. Er be­hütet jeweils vor Krieg, Pest, Teuerung und allen Plagen des Teufels. Das ist und bleibt eine göttliche Güte, die um keiner Bosheit willen abläßt oder müde wird. Ein Mensch bringt solche Güte nicht fertig: denn Undankbarkeit kann kein Mensch ertragen. Es sind viele deswegen rasend, toll und von Sinnen geworden, wie die Geschichten vom Timon (von Athen)[6] schrei­ben. Es ist der menschlichen Natur zu schwer, wohlzutun und durch und durch Böses dafür zu empfangen.

2. Es sage nun Israel, daß seine Güte ewig währt.

Da beginnt das Dankopfer, besonders fürdie weltliche Regie­rung und für den lieben Frieden, was eine gar große Gabe Got­tes ist und sicher unter den zeitlichen Gaben die allergrößte; denn wenn keine Regierung [78] und kein Friede wären, könnten wir gar nicht bleiben. Israel war das Königtum, das Gott gestiftet und eingerichtet und dem König David anbefoh­len hatte, wie der 78. Psalm (V. 70) sagt: „Er hat seinen Knecht David erwählt, daß er sein Volk Israel weiden sollte“ usw. Darum dankt er auch hier Gott für dieses Königtum und er­mahnt jedermann, daß sie mit ihm danken sollen. Damit gibt er auch allen Königen, Fürsten, Herren, Ländern, Leuten und Untertanen ein Beispiel und eine Lehre, daß sie Gott loben und dafür danken sollen, daß es eine Regierung und Frieden bei Land und Leuten gibt. Jeder soll es für das Seine und eine jede Gemeinde, einem Israel gleich, für das Ihre tun.

Denn daß nicht immer ohne Unterbrechung nur Krieg, Un­frieden, Teuerung, Blutvergießen, Aufruhr, Mord und Jammer in Ländern, Städten und Dörfern herrschen und daß verschie­dener Art Handwerk, Handel und andere Stände für den Erwerb von Unterhalt[7] erhalten bleiben, das ist ein ebenso großes Wunder und ein Machterweis Gottes, wie daß er aus nichts die Welt gemacht hat und noch täglich erhält. Die Welt ist ja voller Teufel, und es sind, wie wir täglich vor Augen haben, so viele mutwillige, böse Schandbuben unter den Bauern, Bürgern, Adel, Herren und Fürsten, die Lust haben zu stehlen, zu rauben, zu belügen, zu betrügen, Krieg, Schaden, Unglück zu bringen, daß es mit menschlicher-Klugheit und Macht nicht möglich [79] wäre, auch nur einen Tag Frieden zu haben und eine Regie­rung oder Obrigkeit an der Macht zu erhalten, wenn Gott hier nicht mit aller Gewalt dem steuerte, hülfe und dem Teufel wehrte. Darum mahnt der heilige David nicht umsonst, man solle Gott für den weltlichen Frieden, die Obrigkeit und die Regierung danken.

Und hier sollten sowohl die Herren und Fürsten als auch die Untertanen lernen, daß Land und Leute regieren und im Gehor­sam halten ganz ausschließlich ein Geschenk und eine Gabe Gottes sind. Denn mit unserem Schwert und mit unserer Weis­heit ist nichts ausgerichtet, wenn auch einige tolle Fürsten und Herren sich brüsten, als seien sie es, die Land und Leute mit ihrer Macht zwingen oder mit ihrer Vernunft regieren. Beson­ders die Streitlustigen[8] unter dem Adel und die Überklugen[9] in den Städten! Sie bilden sich jetzt gar nichts anderes ein, als daß sie es seien, von denen alle Macht abhängt und die Gott nicht entbehren kann. Aber die vernünftigen Herren und (die Verständigen im) Adel wissen es sehr wohl anders, und David, eine Krone aller Könige und Fürsten, gibt hier auch ein anderes Zeugnis. Und wer es nicht glauben will, der lese alle Berichte aus der Geschichte, sowohl in der Schrift wie in den Schriften der Römer und Heiden; da wird man es gehäuft so finden.

Gott hat es uns zwar im letzten Aufruhr[10] greifbar genug [80] gezeigt, daß weder Macht noch Regierungskunst die Welt regieren, sondern allein Gott. Denn ebenjene Streitlustigen[11], die ihm jetzt seine Ehre rauben und sich rühmen und brüsten, als hätten sie es geschafft, waren zu jener Zeit so verzagte Bürschchen, wie ich sie meiner Tage nicht gesehen habe. Jetzt vergessen sie Gott, der sie damals gerettet hat, als sie doch vor Angst sich so schändlich in die Hosen schissen, daß es jetzt noch stinkt, wo so ein Hochgeborener geht oder steht. Die Adligen hatten dazumal leider weder Herz noch Mut, und jetzt sehen ihr Hochmut und Auftrumpfen mir danach aus, als woll­ten sie Gott trotzen und um den Preis eines neuen Aufruhrs den Versuch unternehmen, daß er sie noch einmal sehen lasse, ob streitlustiger Hochmut oder Gottes Güte und Macht den Pöbel im Zaum halten. Wohlan, kommt einer, der den Baum schüttelt, dann sollen mir die Frechlinge recht wacker herunterpurzeln; denn sie sind über die Maßen reif dazu, und über alle Maßen ist ihnen auch der liebe, kleine Frieden leid, den Gott noch so gnädig und im Blick auf uns mit Gewalt und kümmerlich erhält.

Gleichwohl sehe ich es, was mich betrifft, gern, daß sie so stolz dahertrutzen und sich streitlustig zeigen. Denn es dient dazu, daß man es ja nicht vergißt, wie „ritterlich“ [81] sie sich damals beim Aufruhr vor den erbärmlichen Bauern fürchteten und flohen. Ich hätte sonst diese Geschichte irgendwo in einen Stein einhauen lassen oder zum ewigen Gedächtnis in ein Buch schreiben müssen. Nun spare ich die Kosten und die Mühe. Wenn man nämlich solch einen Hochmutspinsel[12] sieht oder hört, da ist jener Aufruhr lebendig in ihm abgemalt, so daß jeder denken muß: „Lieber, ist das nicht einer von denen, die die Losung ‚Trotz dem Kaiser!‘ ausgaben,[13] aber ihre festen Schlösser vor einem Strohwisch und Scheitholz aufgaben, die unverzagten Helden und mannhaften Eisenfresser, die heute ‚Sankt Velten!‘, ‚Potz Allmacht!‘, ‚Sankt Quirin!‘, ‚Sankt Antonius!‘[14] donnern und wettern, damals aber nichts wie ‚Ach!‘ und ,Oh weh!‘ singen konnten.“

Die Schrift aber sagt, daß Gott beide gibt, Herren und Untertanen, und daß das weltliche Regieren ganz und gar in seiner Hand liegt, wie David im Psalm 18,48 sagt: „Herr, du machst mir Völker untertan“, und von seinem eigenen Volk spricht er Psalm 144,2: „Du machst mir mein Volk untertan.“Hier rühmt er nicht sehr, daß er sein eigenes Volk mit Gewalt und Weisheit regieren könne, obgleich er ja auch die aller­schönsten Rechtssätze und Sitten – von Gott selbst durch Moses aufgestellt – zur Hilfe hatte und Propheten, die ihn nach Gottes Befehl zum König gesalbt [82] und bestätigt hatten. Er hatte es auch bitter erfahren und wußte nur allzu deutlich, wie viel oder wenig der Könige und Fürsten Macht und Klugheit im Volk vermag, wenn Gott nicht selbst mit haushält. Sein eigener Sohn Absalom (vgl. 2. Sam 13-19) und danach Bichri lehrten ihn,[15] wer König im Land wäre. Demgemäß spricht auch Daniel 4,14 und 5,21 davon: „Der Höchste im Himmel hat Ge­walt über der Menschen Königreiche und gibt sie, wem er will“, nicht, wem wir wollen oder sie zu geben gedenken. Damit ist ja soviel gesagt: Weltliche Herrschaft ist ganz und gar eine reine, gnädige Gabe und Güte Gottes, die ein Mensch durch sein Wissen und seine Kraft weder erlangen noch erhalten kann.

Darum hilft es nichts, daß man Untertanen – es seien Bauern oder Bürger – mit Quälereien zwingen will; denn ein Bauer kann auch ein Messer zücken und genausogut zuschlagen wie ein adliger Streithans[16]. Gott aber erreicht es; der läßt ihnen Röm. 13,2 sagen: „Wer der Obrigkeit widerstrebt, soll ge­straft werden.“ Solche Worte tun es, und Gott besteht auch darauf, und es muß geschehen, wie er droht. Darum, wenn die Untertanen dazu reif sind, wie es die Bauern bei dem Aufruhr waren, so verhängt Gott über sie, daß sie Aufruhr und Ungehor­sam anrichten, auf daß sie wacker auf die Köpfe geschlagen werden. Gleichwohl werden die Herren mit solchem Aufruhr auch gestraft, weil sie für die Güte und Wohltat Gottes so un­dankbar sind, ihm nicht die Ehre als dem geben, der ohne Unterlaß Frieden, [83] Gehorsam, Recht und Regierung erhält und schützt. So singt dieser Vers auch, daß Israel danken und bekennen soll, daß Gottes Güte ewig währt, das heißt, daß sie fort und fort Frieden und Regierung erhält, wie undankbar und unwürdig wir auch sind, und ohne sie landauf, landab nichts als Mord und Krieg und in den Städten Aufruhr und Ungehorsam sein würde

Ganz besonders hält er ja jetzt in deutschen Landen mit außerordentlicher Gewalt Frieden, wie wenig auch davon zu spüren ist. Denn es ist ja mit den Händen zu greifen, daß jetzt unter den Deutschen niemand da ist, der gegen diesen un­gehorsamen und raubgierigen Adel die Obrigkeit erhalten, gegen diese ungetreuen und diebischen Untertanen die Herren schützen kann. Es herrscht solch ein gegenseitiges Rauben und Stehlen – wozu viele listige Betrüger mit seltsamen Hand­lungsweisen aufhetzen und anreizen – und doch macht sich niemand ein Gewissen daraus, daß dies vor Gott Sünde ist. Deshalb bin ich der Überzeugung, daß unser gegenwärtiger Friedenszustand an einem seidenen Faden hängt, ja, er schwebt schlechterdings in der Luft, nur von Gottes Händen gehalten über und gegen unseren Willen, unsere Gedanken und das Wüten und Toben aller Teufel. Wenn nämlich menschliche Weisheit und Macht jetzt Deutsch-[84]land regieren sollten, läge es morgen zusammengestürzt auf einem Haufen. Darum laßt uns danken und bitten, daß Gottes Güte wie bisher bei Israel ewig bleiben möge.

3. Es sage das Haus Aaron, daß seine Güte ewig währt.

Das ist ebenfalls ein Dankopfer für ein anderes, besonderes Stück der Güte Gottes, nämlich für die geistliche Leitung, für Priester, Prediger und Lehrer, kurz: für das liebe Wort Gottes und die heilige christliche Kirche. Was das für eine Gabe ist, kann diese ganze Welt weder zu Ende denken noch begreifen. Denn daß nicht überall in der Welt ganz und gar Irrtum, Rot­ten[17], Sekten und Ketzerei sind, sondern daß noch irgendwo das Wort, Glaube, Geist, Taufe, Heilige Schrift, Sakrament, Chri­sten usw. bleiben, das kommt auch nicht durch menschliche Macht und Weisheit, sondern durch Gottes reine und lautere Gnade und Gabe. Andernfalls würfe es der Teufel über den Hau­fen und risse es alles um, wie er es denn jetzt weitgehend bei den Türken[18] und dem Papst und jetzt bei den Rottengeistern und vorzeiten bei den Ketzern getan hat. Die Welt könnte es auch nicht ertragen, und die Menschen würden dessen müde; Gott selbst muß es erhalten. [85]

Aaron war nämlich der Hohepriester, dem das Predigtamt anbefohlen war, um das Gesetz des Moses zu lehren und das Königreich Israel i’m Geist und vor Gott zu regieren, gleichwie David es äußerlich vor der Welt – im Bereich von Leib und Gut – regieren mußte. Aber sowenig David seine irdische Herr­schaft mit seiner Macht und Weisheit ausüben konnte, so wenig und noch viel weniger konnte Aaron sein geistliches Regieren über Geist und Seele durch eigenes Wissen und eigene Kraft aufrechterhalten, obgleich er aufs allerreich­lichste im Gesetz des Mose alles, was er lehren und wie er leiten sollte, als Vorgabe hatte. Es mußte der Heilige Geist auch ihm helfen, sein Amt auszuüben, wie er es denn auch deutlich erfuhr, als ihm der Korah sein Priestertum nehmen wollte und das ganze Volk gegen ihn und Moses zum Aufruhr erregte (4. Mose 16,3).

Daraus ersiehst du die hohe und große Klugheit des Papstes und seines Ungeziefers: Sie wol­len die christliche Kirche vor allem mit ihrer Weisheit, mit äußerlichen Gesetzen und Bann­flüchen ohne Gottes Wort, ohne Beten und Lehren leiten und erhalten; sie außerdem mit weltlicher Gewalt, mit Verbrennen, Morden und Verfolgen verteidigen. Sie bedürfen der Güte Got­tes dazu gar nicht, sondern singen diesen Vers folgender­maßen: „Danket unserem Bann und Schwert, denn deren Macht währt ewig!“ [86] Die rechte Christenheit predigt Gottes Wort, zwingt aber niemand dazu. Wer es nicht glauben will, den läßt sie fahren und sondert sich von ihm ab, wie Christus Matth. 10,14 und 18,17 lehrt und Paulus in der Apostelgeschichte allenthalben tut und sie Gottes Urteil anheimgibt (Apg. 13,8 ff., 46; 18,6; 19,9). Aber unsere Bluthunde und Mör­der verschweigen Gottes Wort, stellen statt dessen ihre eigenen Glaubensartikel auf, wie sie wollen, und wer die nicht glauben will, der muß den Feuertod sterben. Das ist die feine neue Christenheit, von der weder Gott noch die Schrift etwas weiß.

Aber laß die Unflätigen fahren! Sie sind es nicht wert, daß man in diesem köstlichen Psalm ihrer gedenken soll. Wir sollen Gott mit diesem Vers loben und danken, daß er uns sein Wort und sein heiliges Reich kommen läßt und es auch bei uns ge­gen Teufel, Fleisch und Welt aus lauter Gnade und Güte erhält, obwohl wir allzu undankbar, faul, lässig und verächtlich damit umgehen und allerdings eines solch großen Schatzes des ewigen Lebens nicht wert sind. Christus hat das Wort selbst gebracht, und nicht wir haben es erfunden. Er muß es auch selbst erhalten. Wir werden es mit unserer Macht und Kunst nicht fertigbringen. Christus hat die Christenheit selbst ge­stiftet, gegründet und gebaut. Er muß sie auch selbst behüten und fördern. Unsere Weisheit und Macht oder Schwert und Feuersgewalt werden es [87] nicht tun, wie Paulus 1. Kor. 3,9 sagt: „Ihr seid Gottes Bauwerk, Gottes Acker, wir sind die Dienerdaran. Aber es ist weder der etwas. der da pflanzt, noch der, der da begießt, sondern Gott, der das Gedeihen gibt.

4. Es sagen nun, die den Herrn fürchten, daß seine Güte ewig währt.

Das ist das vierte Dankopfer für die Schar der Gerechten, nämlich für die auserwählten Kinder Gottes und alle Heiligen auf Erden, welches die wahrhaften Christen sind, um derer wil­len dieser Psalm vornehmlich gedichtet ist und von denen er auch bis zum Schluß redet. Denn bei den vorgenannten drei Gruppen sind in der geistlichen Leitung und im Predigtamt sehr viele, die das alles zugunsten ihres Geizes, ihrer Lust und Ehre mißbrauchen, wie die Ketzer, die Schwärmer und unsere heutigen Geistlichen. Trotzdem ist darum dieser Stand nichts­destoweniger gut, heilig und eine göttliche Gabe und um des Mißbrauchs jener willen nicht verdammt, ganz gleich wie die ganze Welt auch den heiligen Namen Gottes, die Taufe, das Sakrament, das Evangelium, ja Gott selbst und alle seine Gaben aufs allerschändlichste mißbraucht und Gott in gar keiner Weise fürchtet. [88]

Genauso mißbraucht in der anderen Gruppe der weltlichen Regenten der größere Teil solche Gaben zu eigenem Auf­trumpfen, zu Prahlerei, Lust, Frevel und allem Mutwillen ohne Furcht und Scheu vor Gott. Aber dennoch bleibt staatliche Ordnung an sich selbst Gottes gute und nützliche Gabe und Wohltat. Und in der dritten Gruppe, der Gemeinde, gibt es fast nichts anderes als nur Mißbrauch, da ein jeder seinen Stand, Handwerk, Kunst, Geld, Gut und was er hat gegen seinen Näch­sten, aber ja nicht seinem Nächsten zugute und zum Nutzen gebraucht, wie es doch Gott haben will und weswegen er alles gibt und erhält. Aber da gibt es keine Furcht Gottes und keine Scheu vor dem Menschen. Dennoch erhält Gott sie alle und ist dafür zu loben und ihm zu danken.

Aber jene kleine Schar fürchtet Gott, ist fromm und wird aus den drei vorigen Gruppen herausgesammelt. Man findet ja noch fromme Gottesfürchtige, rechte Bischöfe, Pfarrer, Pre­diger und Seelsorger. Man findet ebenso auch fromme, gottes­fürchtige Fürsten, Herren, Edle, Ratsherren, Richter und auch manch frommen, gottesfürchtigen Bürger, Handwerksmann, Bauern, Knecht, Magd usw. Es mögen ihrer noch so wenig sein, ja, um ihretwillen erhält Gott die vorgenannten drei Gruppen und die arge Welt und wagt soviel Güte und Gaben an sie. Und wenn diese nicht wären, die Welt verginge von Stund an wie Sodom und Gomorra. [89]

Denn der heilige Prophet David unterscheidet sie dadurch deutlich von den anderen drei Gruppen, daß er zeigt, wie jene Gott weder achten noch fürchten noch ihm dienen, sondern sich selbst dienen und das Ihre in diesem Leben suchen und haben. Überdies verfolgen sie noch dazu unablässig diese kleine Schar aufs höchste, können und wollen sie allein darum und aus keiner anderen Ursache nicht dulden als der, daß sie Gott fürchten und ihm vertrauen, das ist, daß sie Gottes Wort ehren und lehren, was jene nicht hören noch sehen wollen. „Gott fürchten“ bedeutet nämlich im Hebräischen eigentlich das, was wir Deutschen „Gott dienen“ nennen, und „Gottes­furcht“ bedeutet soviel wie „Gottesdienst“. Nun kann man Gott nicht sichtbar und leiblich auf Erden dienen – denn man sieht ihn nicht –, sondern nur geistlich, wenn man sein Wort ehrt, lehrt, bekennt und danach lebt und handelt. Darüber entstehen dann Kreuz und Leiden, alles Unglück vom Teufel, der Welt und dem eigenen Ich her.

Mein Lieber, was für ewige Wohltat können diese nun von Gott haben, wofür sie Dank opfern sollen? Es kann nicht allein das Amt des geistlichen Standes sein; denn das gibt Gott in der dritten Gruppe. Es können auch nicht weltliche Herrlichkeit, Ehre, Macht, Friede, Gehorsam usw. sein; denn die gibt Gott in der zweiten Gruppe. Es können auch [90] nicht Geld, Gut, Haus, Hof, Gesundheit, Weib, Kind usw. sein; denn das alles gibt Gott in der ersten Gruppe. Es muß etwas Höheres und Edleres sein, das diese Gaben des zeitlichen, vergänglichen Lebens alle weit, weit übertrifft; denn er redet ja bis zum Ende davon, während er doch von den drei Gruppen nur drei Verse hindurch spricht. Was ist es denn? Er wird es selbst hinreichend genug sagen und er­zählen, nämlich Trost und Hilfe in allerlei Leiden, Not und Angst. Davon vermag die Welt bei allen drei Ständen – soweit die Gottesfürchtigen nicht in Betracht kommen – mit all ihrem Gut, ihrer Macht und Kunst nicht ein Tröpfchen zu geben. Es ist ja ein schlechter Trost, wenn man einem Menschen in Todes­nöten von Tanz, Freuden, Gut, Ehre, Macht, Kunst, Weib und Kind singen will.

Weil sie denn Gottes Wort ehren und Gott dienen wollen, müssen sie wahrlich dulden und von den drei Gruppen Spott, Schande, Schaden, Haß, Neid, Lästerung, Feuer, Schwert, Tod und alles Unglück leiden, dazu vom Teufel und seinen Engeln viel giftige, gefährliche, böse Tücke und vom eigenen Ich undvon ihrer Sünde genug Unruhe und Herzensqualen. Dem­gemäß spricht Paulus 2. Tim. 3,12: „Alle, die gottselig leben wollen, müssen Verfolgung leiden“, und Christus selbst Luk. 9,23:„Wer mir folgen [91] will, der nehme sein Kreuz auf sich“, und Apg. 16,22: „Wir müssen durch mancherlei Trüb­sale ins Himmelreich gehen“, und der Weise, Jesus Sirach 2,1: „Sohn, wenn du Gott dienen willst, so bereite deine Seele zur Anfechtung“.

Darum geschieht die Wohltat Gottes an dieser kleinen Schar ganz verborgen vor der Welt und läßt sich nicht anders an­sehen, als sei es ganz und gar ewiger Zorn, Strafe, Plage von Gott selbst. Dagegen scheinen die Gottlosen unter den drei Gruppen durch und durch Gotteskinder zu sein, weil sie an sicht­baren, zeitlichen, offenkundigen Wohltaten Gottes so voll und reich sind. Deswegen bedarf es Kunst und Gnade, daß man diese heimliche, verborgene Wohltat sieht und erkennt, be­sonders weil er von ihr rühmt, daß sie immer währt und ewig dauert. Sie kostet auch darum so viele und reiche Worte, wie wir hören werden; denn obwohl der Geist willig und bereit ist, so ist doch das arme Fleisch schwach und unwillig (vgl. Matth. 26,41). Es wollte ja gerne auch lieber offenkundigen zeitlichen Trost und Hilfe haben und der Angst und Not enthoben sein. Aber es muß so sein und wird wohl nicht anders werden, daß es keinen anderen Weg zum ewigen Leben gibt als diesen engen schmalen Steig, den wenige treffen (vgl. Matth. 7,14) und nur diese kleine Schar findet. Kurz: Die Wohltat für die (zuerst ge­nannten) drei Gruppen ist das (äußerliche) Wesen dieses zeitlichen [92] Lebens, die Wohltat aber für diese kleine Schar ist das ewige Leben. Das ist der richtige, eigentliche Unterschied zwischen beiden.

5. Ich rief den Herrn an in der Angst, und der Herr erhörte mich in weitem Raum.

Hier hörst du, wo diese Schar liegt und worin sie steckt. Sie schwebt nicht in offenkundigen Freuden vor der Welt, sondern ihre Wohnung und Herberge heißt Angst. Da malt sie sich ja selbst ab, wie es um sie steht, nämlich daß sie in mancherlei Leiden steckt, und faßt hier in Kürze – wie sich’s gebührt, wenn man von einer Sache zu reden anfängt – allerlei Leiden zusam­men und nennt sie „Angst“. Aber später wird er es genauer erzählen und deuten, so wie ich sagen kann: „Ei, wieviel hat Pau­lus leiden müssen!“ Damit ist noch nichts erklärt, sondern nur im allgemeinen angedeutet, daß er gelitten hat, aber noch nicht, was er gelitten hat. Genauso deutet er auch zuerst im all­gemeinen und kurz den Trost und die Hilfe Gottes an, wenn er sagt: „Der Herr erhört mich.“ Er will damit sagen: „Ich muß immer leiden, aber ich werde auch immer getröstet.“ [93] Wie das zugeht und was der Trost oder das Erhören ist, wird er auch bald hernach im weiteren berichten.

„Angst“ bedeutet im Hebräischen, was „das Enge“ ist, wie ich meine, daß im Deutschen auch „Angst“ daher kommt, daß „Enge“ ist, worin einem bang und weh wird und man gleichsam eingeklemmt, gedrückt und gepreßt wird. So wirken ja die Anfechtungen und das Unglück gemäß dem Sprichwort „Es war mir die weite Welt zu enge“. Dagegen bedeutet im Hebräischen, was er hier sagt „in weitem Raum“, soviel wie fol­gendes: Wie die „Enge“ oder „Angst“ Trübsal und Not be­deutet, so bedeutet „weiter Raum“ Trost und Hilfe, so daß mit diesem Vers soviel gesagt ist: „Ich rief den Herrn an in der Not, da hörte er und half mir mit Trost.“ Denn wie die Not unser „enger Raum“ ist, der uns betrübt und beklemmt, so ist die Hilfe Gottes unser „weiter Raum“, der uns frei und fröhlich macht.

Hier aber werde der großen Kunst und Klugheit des Glaubens gewahr, daß er in der Not nicht hin- und herläuft, alle Ohren voll­klagt, den Feinden flucht und sie schilt, auch nicht wider Gott murrt: „Warum tut mir Gott das, warum tut er es nicht anderen, die böser sind als ich?“ Er verzagt auch nicht an Gott, der ihm solche Not zuschickt, hält ihn deswegen nicht für zornig oder für einen [94] Feind, wie ihm das doch sein Fleisch, die Welt und der Teufel sehr stark eingeben. Nein, er erhebt sich gegen und über dies alles und kann Gottes väterliches Herz mitten durch einen solch unfreundlichen Anschein sehen und die Sonne durch eine solche trübe, dicke, finstere Wetterwolke hindurch erkennen und vermag den von Herzen anzurufen, der ihn schlägt und sich so sehr unfreundlich gegen ihn stellt.

Das ist eine Kunst über aller Kunst und allein das Werk des Heiligen Geistes, den Gottesfürchtigen und rechten Christen bekannt, wovon die auf ihre Leistung Vertrauenden nichts, gar nichts wissen und statt dessen von guten Werken plaudern, von denen sie selbst nie welche erkannt noch getan haben noch tun können. Denn diese Kunst ist für die menschliche Natur un­möglich. Sobald Gott diese ein wenig mit einer Not anrührt, erschrickt sie und verzagt. Sie kann nicht anders denken, als sei alle Gnade aus und bei Gott nichts als Zorn gegen sie. Da hilft denn der Teufel mit aller Macht und List nachschieben, bis daß er sie in Zweifel und Traurigkeit ersäuft. Auch ohne dies hilft der Ärgernis erregende Anblick trefflich dazu, wenn die mensch­liche Natur die überschwenglichen Wohltaten Gottes in den an­deren drei Gruppen sieht. Da kommt es ihr vor, als sei dort nichts als Gnade Gottes und kein Zorn ihnen gegenüber. Da wird denn das furchtsame Gewissen schwach und sinkt dahin, wenn nicht Hilfe und Trost von Gott oder durch rechtschaffene Seelsorger oder sonst durch das Wort rechtschaffener Christen kommt, und zwar bis dahin, [95] daß sich manche deswegen erhängen, ertränken, erstechen oder sonstwie dahingehen und verschmachten und verdorren.

Darum lerne hier, wer nur lernen kann! Ein jeder werde darüber hinaus ein Falke, der sich in solcher Not in die Höhe schwingen kann. Er wisse zuerst gewiß, zweifle auch nicht, daß ihm Gott solche Not nicht zum Verderben zuschickt, wie wir später im 18. Vers hören werden. Er will ihn damit vielmehr zum Gebet, zum Anrufen Gottes und zum Kämpfen antreiben, damit er seinen Glauben übt und Gott in einer anderen Sicht erkennen lernt, als er das bisher getan hat. Er soll sich so auch gewöh­nen, mit dem Teufel und den Sünden zu kämpfen und durch Gottes Hilfe zu siegen. Sonst lernten wir niemals, was Glaube, Wort, Geist, Gnade, Sünde, Tod oder Teufel sind, wenn immer Frieden wäre und es ohne Anfechtung zuginge. Wäre es wirk­lich so, dann würden wir Gott selbst niemals kennenlernen. Kurz: wir würden niemals rechte Christen, könnten auch nicht Christen bleiben. Not und Angst zwingen uns dazu und erhalten uns wirksam im Christentum. Deswegen sind uns Trübsal und Kreuz so notwendig wie das Leben selbst, ja noch viel nötiger und nützlicher als aller Welt Gut und Ehre.

Es heißt: „Ich rief den Herrn an“. Rufen mußt du lernen – das hörst du [96] wohl! – und nicht selbstversunken dasitzen oder auf der Bank liegen, den Kopf hängen lassen und ihn schütteln und in deinen Gedanken dich martern und verzehren, dich sor­gen und suchen, wie du es loswirst, und nichts anderes vor Augen haben, als wie übel es dir geht, wie weh dir ist, ein wie unglücklicher Mensch du bist. Statt dessen heißt es: „Wohlauf, du fauler Schelm! Auf die Knie gefallen, die Hände und Augen gen Himmel gehoben, einen Psalm oder Vaterunser vorgenom­men und deine Not mit Weinen vor Gott dargelegt, geklagt und angerufen!“ So lehrt es hier dieser Vers, und im 142. Psalm (V. 3) heißt es auch: „Ich schütte mein Herz vor ihm aus und zeige vor ihm meine Not an.“ Ebenso Psalm 141,2: „Mein Ge­bet müsse vor dir gelten wie ein Räucheropfer, und mein Händeaufheben sei wie ein Abendopfer!“ Hier hörst du: Das Beten, Notanzeigen und Hände aufheben sind Gott die aller­angenehmsten Opfer. Er begehrt es, er will es haben, daß du deine Not ihm vorlegen, nicht auf dir liegen lassen und dich selbst damit schleppen, zernagen und martern sollst, womit du aus einem Unglück zwei, ja zehn und hundert machst. Er will, daß du zu schwach sein sollst, solche Not zu tragen und zu überwinden, damit du in ihm stark zu werden lernst und er in dir durch seine Starke gepriesen wird. Siehe, daraus werden Leute, die da Christen heißen, andernfalls [97] nur Schwätzer und Wortemacher, die viel über Glauben und Geist von sich geben, aber nicht wissen, was es ist oder wovon sie selbst reden.

Du darfst aber auch nicht daran zweifeln, daß Gott deine Not sieht und dieses dein Gebet erhört, und darfst nicht so ins Un­gewisse und in den Wind beten. Damit verspottest du nämlich Gott und versuchst ihn – wie es bei der Pfaffen und Mönche Gebet ist; so daß es besser wäre, gar nicht zu beten. Denn du mußt die Aussage in diesem Vers auch rühmen lernen: „Und der Herr erhörte mich in weitem Raum.“ Der Psalmsänger bekennt beides, daß er gebetet und gerufen hat und daß er auch gewiß erhört worden ist. Und wenn dir vom Teufel der Ein­fall körne, du warst nicht so heilig, würdig und fromm wie David, darum könntest du nicht so gewiß sein, dann schlage das Kreuz[19] vor dir und sprich: „Laß fromm und würdig sein, wer da mag! Ich weiß hingegen sicher, daß ich desselben Gottes Ge­schöpf bin, dem David angehört, und daß David, mag er noch so heilig sein, darum doch keinen anderen, besseren, größeren Gott hat als ich.“

Es ist ja nur ein Gott für beide, für die Heiligen und die Sünder, für die Würdigen und die Unwürdigen, für die Großen und die Kleinen. Kurz: wie ungleich wir untereinander sind, ist er dennoch unser aller gleicher, einziger [98] Gott, der von allen geehrt, angerufen und gebeten sein will. Was haben die Hei­ligen und Würdigen mehr als ich gehabt, bevor sie heilig und würdig wurden? Oder sind sie durch sich selbst so heilig und würdig geworden? Haben sie es nicht als die Unwürdigen und Sünder erst von dem Gott empfangen, von dem ich es jetzt auch als ein unwürdiger, armer Sünder suche und empfangen will? Der es ihnen gegeben hat, der hat es mir auch verheißen und geboten zu fordern, zu suchen, zu beten und anzuklopfen, Matth. 7,7. Auf diese Verheißung und dieses Gebot hin knie ich nieder und hebe meine Augen zum Himmel auf und bitte um Trost und Hilfe. Damit wird er als ein rechter Gott geehrt, als der, von dem ich Trost und Hilfe erbitte, was einem rechten Gott zu tun gebührt. Damit werde ich vor ihm für würdig er­achtet, und er wird sich auch als ein rechter Gott erweisen, wo­für er sich von mir eingeschätzt sieht. Er wird seine göttliche Ehre und seinen göttlichen Namen nicht bei mir allein ver­sagen lassen; das weiß ich fürwahr. Denn wer in seiner Not nicht betet und Gott anruft, der halt ihn gewiß nicht für einen Gott. Er gibt ihm auch seine göttliche Ehre nicht, die wir ihm doch als seine Geschöpfe schuldig sind. Davon ist anderswo viel gesagt.[20] [99]

6. Der Herr ist mit mir. Darum fürchte ich mich nicht. Was kön­nen mir Menschen tun?

In diesem Vers geht er einher mit Schwingen des Geistes und in Freuden der Ewigkeit und bekundet, wie es zugeht, wenn sein Rufen erhört wird. Er spricht: „Es geht so zu: Zuerst gibt er mir den Trost ins Herz hinein, wovon dieser Vers redet und weiteres später im 18. Vers gesagt wird. Danach gibt er auch die Hilfe in äußeren Dingen und erlöst von der Not, wovon der folgende Vers redet.“ Vom Trost spricht er folgendermaßen: „Der Herr ist mit mir“, als wollte er sagen: „Mein Rufen wird auf die Weise erhört, daß – o doch! – obgleich die Not noch nicht aufhört, ich einen mächtigen, gewaltigen, starken Schirm­herrn[21] kriege, der bei mir ist und mir beisteht, so daß es mir alsbald süß und leicht wird, dieses Joch zu tragen (vgl. Matth. 11,30). Wer ist der? Ah, es ist der Herr selbst, den ich anrief. Der füllt mir mein Herz durch sein ewiges Wort und seinen Geist mitten in der Not, so daß ich sie kaum fühle.“ Denn wir müssen nicht wie die sektiererischen Geister uns darauf einstellen, daß uns Gott ohne Heilsmittel und ohne sein Wort im Herzen [100] tröstet.[22] Es geht nicht ohne das äußere Wort, welches der Heilige Geist im Herzen zu erinnern und zum Leben anzufachen gut versteht, mag’s gleich vor zehn Jahren gehört worden sein.

Siehe, wie keck und übermütig er auf Grund dieses Trostes wird! Und er darf zuversichtlich auftreten und rühmen: „Ich fürchte mich nicht. Ich bin unerschrocken und unverzagt. Mir ist es nicht leid. Ich bin guten Mutes und sorge mich nicht. Es ist wohl Trübsal und Jammer vorhanden, die mich mißmutig ansehen und gern wollen, daß ich mich vor ihnen fürchten und sie um Geneigtheit bitten soll. Aber ich verspotte sie[23] und spreche: ‚Lieber Butzemann, friß mich nicht! Du siehst wahr­lich scheußlich genug für den aus, der sich vor dir fürchten will. Aber ich habe etwas anderes vor Augen. Das ist desto lieb­licher, das leuchtet mir wie die liebe Sonne bis ins ewige Leben hinein, so daß ich ein kleines, zeitliches, finsteres Wölklein und zorniges Windchen nicht achte.‘“

Danach trotzt er auf und fordert die ganze Welt mit großem Hochmut heraus und spricht: „Was können mir Menschen tun?!“ Das heißt ja doch Trotz über Trotz geboten. Darüber sollten Könige, Fürsten und Herren [101] mit Recht toll und von Sinnen werden, daß ein armer Sünder sie so überhoch ver­achtet und sie allesamt auf einen Haufen wirft und tritt, dahin­geht und über sie hinwegsieht, als läge nichts anderes als Strohhalme da im Weg, einen großen Mund ihnen gegenüber hat und spricht: „Wer liegt da?!“ Weißt du denn nicht, was „Menschen“ heißt? Es ist die ganze Welt, alles, was Menschen sind, Türken, Zigeuner, Römische Kaiser, Papst, Könige, Für­sten, Bischöfe, Herren mit aller ihrer Macht, Weisheit, Reich­tum, Land und Leuten usw., kurz mit allem, was die ganze Welt samt ihrem Gott, dem Teufel und seinen Engeln vermag. Die sollten doch ja gewiß grausam genug sein, ja, davor sollte sich gewiß ein unglücklicher, verlassener Mensch entsetzen. Den­noch sagt er ihnen allen gegenüber: „Lieber, was wollen sie mir tun?!“ – „Sie werden dich erwürgen.“ – „Was wollen sie danach tun? Vielleicht mich wieder aufwecken und noch einmal töten? Oder werden sie vielleicht den Leib auch leiblich fressen, den niedlichen, kleinen Bissen? Und doch können sie auch nicht töten noch sollen sie es tun, bevor mein Herr es ihnen erlaubt und es mir bestätigt, daß er es ihnen erlauben will. Andernfalls sollen sie Jahr und Tag ratschlagen, ihre Mes­ser zücken, die Zähne blecken, sich auf die Lippen beißen und verärgert dreinschauen und dennoch Psalm 112,10 hören: [102] ‚Der Gottlose muß zusehen, es verdrießt ihn, und er bleckt seine Zähne und wird doch nichts daraus. Denn was die Gottlosen wollen, das wird nicht geschehen‘ usw. Sie pochen auf ihre Macht und ihr Gut. Das ist ihr Gott, und darauf trotzen sie. Ich aber trotze auf den Herrn. Mit dem lasse ich sie streiten. Ich meine, sie sollen schwarz werden und sich an dem Eckstein stoßen, so daß sie taumeln und zerschmettert werden, wäh­rend ich singe: ‚Was können mir Menschen tun?!‘“

Denn was bedeuten Kaiser, Papst, Könige, Fürsten und alle Welt gegenüber Gott? Jesaja sagt (40,11), sie seien ein „Chen“, das ist ein „So“, ein Schnippchen, wie man es mit dem Finger schlägt. Und an anderer Stelle (Jes. 33,11) sagt er: „Sie gehen mit Stroh schwanger und werden Spreu gebären.“ Das bedeutet: Groß und nachdrücklich ist ihr Drohen und Schrecken. Der Bauch ist ihnen greulich angeschwollen, als wollten sie Berge gebären, so daß die Geschwollenheit schrecklich anzusehen ist, und es ist doch nichts als Stroh und gut zum Verfeuern. Wenn es ans Licht der Welt gebracht und gut gelungen ist, ist es Spreu. So sieht es also mit dem Zorn und dem Ergebnis ihres Drohens aus: Spreu ist es, die der Wind verweht (vgl. Ps. 1,4). Solange uns also der Herr beisteht, solange wollen wir gewiß bleiben. Und wenngleich sie uns währenddessen töten, wohlan, so haben sie damit den [103] Herrn, der bei uns ist, noch nicht getötet. Der aber bleibt, und wenn er bleibt, da wollen wir seinen Worten Joh. 14,19 gemäß auch bleiben: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben.“ Danach wol­len wir mit Freuden zusehen, wie er mit ihrem Strohbauch und ihrer Spreufrucht am Tag seines großen Feuers umgehen wird. Da wird es sich denn finden, was es bedeutet: „Was können mir Menschen tun?!“, wie nun folgt:

7. Der Herr ist mit mir, mir zu helfen. Und ich will meine Lust sehen an meinen Feinden.

Das muß ja ein feiner, liebenswerter Gott sein, der nicht allein in der Not beisteht und durch sein Wort und seinen Geist tröstet und stärkt, so daß wir es ertragen können, sondern auch endlich siegen und gewinnen hilft. Er macht mit dem Spiel solch ein Ende, daß man an den Feinden mehr Rache zu sehen bekommt, als man zur Zeit der Not hätte wünschen oder erbitten mögen. Das geschieht auf zweierlei Weise: Einmal auf gnädige Weise, so daß die, die uns feindlich und – wie hier der Text sagt: „sie hassen“ – uns gram sind, zuletzt bekehrt und unsere Freunde werden, was die höchste Lust und Freude für alle Heiligen auf Erden ist; ein andermal so, daß die, welche nicht durch Gnade in Gottes Namen anders werden wollen, mit Zorn [104] in des Teufels Namen untergehen und dennoch die Christen überleben lassen müssen, ohne daß diese es ihnen danken müßten, wie es den Juden, den Römern und allen Heiden bisher geschehen ist und vorzeiten König Pharao und den Feinden des Volkes Israel. Jetzt zu unseren Zeiten ist es, Gott Lob, bereits manchem geschehen, der uns ganz und gar innerhalb drei Wochen auffressen wollte und doch jetzt daliegt und unter den Würmern fault, und wir leben noch. So wird es denn auch am Ende geschehen, daß alles, was noch an Für­sten, Bischöfen, Pfaffen und ihren Spießgesellen herumtobt, untergehen wird und sie unsere Lehre überdauern lassen müssen.

Denn wenn unsere Lehre Gottes Wort ist, so gehört dieser Vers uns, und wer diese für Gottes Wort halt, soll daran keinen Zweifel haben, daß sie nicht zum Ziel bringen sollen, worauf sie sinnen; das werden wir sehen. Wenn aber einer sie nicht für Gottes Wort hält, so hat es auch keine Bedeutung, was dieser im Leben oder im Sterben vollbringt. Es ist von Anfang der Chri­stenheit bis jetzt so mancher Anschlag von aller Welt, von Kaisern, Königen, Herren, Klugen und Weisen unternommen worden, aber dieser Vers ist ihnen allen gegenüber gültig ge­blieben, hat das Feld behauptet, singt und spottet ihrer frei und fröhlich: „Ich sehe meine Lust an meinen Feinden.“ Die Feinde aber, wo sind sie? Wo ist ihr Zorn? Wo sind ihre Anschläge? Warum haben sie diesen Vers nicht ungültig gemacht? Und wo sind jetzt so viele Anschläge, die der Papst mit seinen Geist-[105]lichen nun fast zehn Jahre lang einen nach dem anderen vergeblich unternommen hat? Aber es ist das Beste, daß sie harte Stirnen bieten und nicht darauf achten, daß sie oft fehlgegriffen und sich umsonst gerühmt und „Triumph!“ gerufen haben. Verstockt erfüllen sie diesen Vers zuletzt ganz, so daß nichts mehr von ihnen dableibt, wie das alles der-Psalm an mehreren Stellen reichlich bezeugt.

8. Es ist gut, auf den Herrn zu vertrauen und sich nicht auf Men­schen zu verlassen.
9. Es ist gut, auf den Herrn zu vertrauen und sich nicht auf Für­sten zu verlassen.

Der Psalmist hat von Trost und Hilfe gesprochen, wie sie Gott in den zwei folgenden Versen zusagt. Hier redet er dagegen von Trost und Hilfe durch den Menschen und spottet ihrer, ja, er redet so, als erbarme er sich der unglücklichen Leute, die sich ohne Gott auf Trost und Hilfe der Menschen verlassen. Denn es ist ein elender, ungewisser [106] Trost, der sich auf Menschen stützt, die selbst keinen Augenblick ihres Lebens sicher sind, wie Jesaja sagt (10,20; 20,5) und David Ps. 146,3: „Verlaßt euch nicht auf Fürsten; sie sind Menschen. Sie können doch nicht helfen. Denn ihre Seele muß ausfahren, und sie müssen wieder zu Erde werden, dann sind verloren alle ihre Pläne.“Und das ist so ganz und gar wahr, daß man sich selbst auf hei­lige Menschen und auf fromme Fürsten nicht verlassen soll, um so weniger auf die Tyrannen und Wüteriche. Die Frommen nimmt Gott nämlich in der Regel gern bald fort. Damit fallen dann der Plan und Trost dahin, der mit ihnen rechnete. Doch böse Tyrannen läßt er lange leben, wie Salomon (vgl. etwa Pred. 8,10) sagt, auf daß die Treulosen gegen Gott desto ver­stockter werden in Tröstungen nach Menschenweise.

Als Herzog Friedrich von Sachsen lebte, der teure, werte Fürst – den man nicht vergessen soll –[24], da vertrösteten sich sowohl geistliche wie weltliche Tyrannen auf seinen Tod und sprachen: „Es liegt an zwei Augen; wenn diese zu sind, so liegt auch Luthers Ketzerei am Boden.“ Nichts Sichereres haben sie ihr Lebtag gehabt als diese ihre eigene Weissagung. Sie glaubten, es im Griff zu haben wie die Geiger; denn sie dachten nicht an­ders, als hätte unsere Lehre ihren Bestand durch Herzog Friedrich und unser Trost und unsere Hilfe wären Menschentrost und Fürsten-[107]hilfe. Das nahmen sie von sich selbst her an. Wie sie nämlich, verzweifelt und von Gott abtrünnig, allen Trost und alle Hilfe auf Fürsten und Herren setzten, so meinten sie, wir täten auch so, weil sie um keinen anderen Trost noch an­dere Hilfe wissen. Ich habe auch noch nie gehört, daß sich einer von ihnen hätte anmerken lassen, daß sein Trost auf Gott beruht, sondern all ihr Schreien, Auftrumpfen, Prahlen und Auftrotzen ist bisher immer gewesen: „Der Kaiser, die Fürsten, die Herren!“ Ja, sie schreiben es außerdem unverschämt öffentlich als löbliches Bekenntnis ihres heiligen Glaubens aus, den sie an Gott haben-ja, umgekehrt ist es richtig!

So gehen sie auch noch immer in diesem Vertrauen dahin, und alle ihre Gedanken, Worte, Ratschlage und Plane be­zwecken Tag und Nacht nichts anderes, als wie sie uns mit Gewalt unterdrücken können. Sie trösten sich mit nichts mehr als damit, daß sie sehen, wie viele sie sind und wie wenige wir sind. Daß sie aber auch Gott anriefen und um Hilfe baten, daran denken sie nicht einmal. Sie bedürfen seiner nicht dazu; sie können es ohne ihn ausrichten. Es ist genug, daß sie sagen: „So und so wollen wir es machen, so und so wollen wir han­deln.“ Damit haben sie denn Gewißheit darüber, und es schlagt ihnen nicht fehl; denn wie könnte Gott das schaffen, daß so viele mächtige, kluge Leute fehlgreifen sollten?! Du kannst dir wohl denken, es ist un-[108]möglich. Sie sind für ihn viel zu klug und zu stark. Als der König Pharao den Kindern Israel am Roten Meer nachjagte, hatte er auch nicht auf Gott geschaut. Nicht mit einem Wort hatte er gesagt: „Herr Gott, gib Rat und Hilfe“, sondern gesprochen: „Ich will mein Schwert zücken, dann sind sie schon tot!“ O weh! Ja gewiß, es ging ihm nicht um ein Haar daneben. So genau traf er es, daß er des andern Morgens im Roten Meer lag, ersoffen mit all seinem Kriegsvolk, und nicht einer kam davon (2. Mose 14,6 ff.). Das ist das Ende von Men­schentrost und Fürstenhilfe, wenn man Gottes Trost und Hilfe verachtet.

Darum spricht er hier zweimal: „Es ist fein, auf den Herrn zu vertrauen“, als wollte er sagen: Menschen können nicht trösten noch raten, ebenso können Fürsten nicht helfen noch retten. Menschen haben eben nicht solche Worte und solchen Geist, daß sie ein betrübtes Herz trösten und erhalten können. Genausowenig haben Fürsten die feste Hand dazu, um einem Un­glücklichen aushelfen und seine Feinde niederdrücken zu kön­nen. Gott aber ist es allein, der beides hat, beides, Trostwort und helfende feste Hand, wie groß und von welcher Art die Not und die Feinde auch sind; das lehrt auch die Erfahrung. Denn wenn ein Mensch so recht von Herzen betrübt ist, sage mir, wo­mit können ihn Macht, Kunst, Gut und Ehre aller Kaiser, Könige, Fürsten [109] und der ganzen Welt trösten? Sie sind allesamt schon gegenüber einer kleinen Anfechtung, einer geringen, all­täglichen Sünde weniger als nichts, wenn Gottes Wort hier nicht Rat und Trost gibt.

Ebenso auch wenn eine tödliche Krankheit oder Todes­gefahr da ist, was ist da aller Welt Macht und Gewalt nütze? Selbst wenn sie helfen könnten, was bedeutete das, wo doch alles ungewiß ist und sie täglich selbst dahinsterben können und doch am Ende mit ihrer Hilfe und Trost dem Tod weichen müssen? Das alles sieht man vor Augen, und doch ist der Teufel da noch so stark und läßt es uns nicht glauben. Es bleibt eine so seltene, große Kunst, daß einer nicht auf Men­schen vertraut und sich nicht auf Fürsten verläßt. Mit der ganzen Welt ist und bleibt es nicht anders, als daß man auf Menschen und Fürsten vertraut und baut, und das bedeutet: An Gott verzweifeln und sein erstes Gebot mit Füßen treten. Allen falschen Göttern kann man vertrauen, nur nicht diesem einzigen, rechten, treuen Gott. Darum tröstet uns der Prophet nicht allein, sondern beklagt auch mit diesen zwei Versen sehr das Gegenteil, daß es so arme, unglückliche Leute gibt und sie keinen Gott haben, sondern Kaiser und Fürsten – die keinen Augenblick ihres Lebens sicher sind – ihre Götter sind, auf die ihr Herz vertraut, seinen Trost baut, Trotz bietet und prahlt. [110] Und zwar tun sie das in aller Öffentlichkeit und Scham­losigkeit, so daß sie diese schändliche Abgötterei noch dazu rühmen, wie die verblendeten Philister sich ihres verstümmel­ten Dagon rühmten, dessen sie sich doch aufs höchste schämen sollten (vgl. 1. Sam. 5,4 ff.). Aber es geschieht ihnen recht; sie wollen es so haben, auf daß sie auch wie die Philister eine ewige Schande zurücklassen.

Hier wäre es wohl an der Zeit und der rechte Ort, wo ich Sprüche und Beispiele außer- und innerhalb der Schrift auf­zeigen sollte, wie allezeit die jämmerlich untergegangen und zerschmettert worden sind, die sich auf Menschen verlassen haben. Wie predigen hier die lieben Propheten und erheben allesamt Anklage gegen ihr Volk Israel, das fort und fort ein Bündnis machte, jetzt mit den Ägyptern, jetzt mit den Assyrern, jetzt mit diesem König, jetzt mit jenem,[25] damit sie sich ja nicht auf Gott verlassen müßten, sondern auf Menschen vertrauen könnten, und doch wurden sie immer trotz allem kläglich zer­schlagen. Selbst die Heiden schreiben viele Geschichten, Fabeln und Erzählungen davon. Ja, ich wollte wohl allein aus meinen Lebzeiten einen Sack voller Beispiele allein aus Deutschland beibringen, da ich sowohl in hohen wie niederen Ständen gesehen habe, welch Bündnis, gesellschaftlicher Zusammenschluß und Tröstung auf Grund menschlicher Be­ziehungen hat anfangen dürfen und wie schändlich das alles auch zunichte geworden ist. So ist dieser Vers wahr geblieben: „Es ist gut, auf den Herrn zu vertrauen [111] und nicht auf Menschen noch Fürsten“ und ebenso Psalm 146,3: „Ihr sollt ja nicht auf Fürsten vertrauen; sie sind Menschen; denn sie helfen doch nicht“, wie auch der Weise sagt, Sir. 2,22: „Wer auf Menschen vertraut, der wird fallen.“ Gott duldet es auch nicht, soll und kann es auch nicht dulden; denn es bedeutet Ab­götterei, die ihm seine Gottheit nehmen will.

Wer darum etwas Gutes anfangen will, der schaue zu, daß er es im Vertrauen auf Gott anfange und auf seine Güte hin und beileibe nicht im Vertrauen auf Trost und Hilfe der Menschen wage. Des weiteren fürchte er sich auch weder vor Menschen noch vor der ganzen Welt. Dieser Vers wird ja nicht lügen: „Es ist gut, auf den Herrn zu vertrauen“, und der Weise Sir. 2,10 spricht:„Schaut, Hebe Kinder, auf alle Geschlechter der Men­schen ringsumher, so werdet ihr erfahren, daß keiner je zu­schanden geworden ist, der sein Vertrauen auf den Herrn ge­setzt hat“ und Psalm 25,3: „Von allen, die auf dich harren, wird keiner zuschanden.“ Wer aber nicht auf Gott hin ein Wag­nis auf sich nehmen und ihm weder vertrauen will noch kann, der warte lieber damit und fange ja nichts auf menschlichen Zu­spruch hin an, was Gott und das Heil angeht. Als ich zu Anfang den Ablaß angriff und alle Welt die Augen aufriß und meinte, es wäre zu hoch gegriffen[26], kamen mein Prior[27] und Subprior, von dem Zetergeschrei aufgeschreckt, und fürchteten sich sehr. Sie baten mich, [112] ich sollte den Orden nicht in Schande bringen. Die anderen Orden hüpften nämlich schon vor Freude, besonders der Predigerorden[28], daß sie nicht allein in Schande steckten, die Augustiner müßten nun auch ins Feuer geraten und Schande tragen. Damals antwortete ich: „Liebe Väter, ist es nicht in Gottes Namen angefangen, dann ist es bald dahin­gefallen. Ist es aber in seinem Namen angefangen, so laßt ihn selbst walten.“ Da schwiegen sie, und es geht seither noch so weiter und wird, wenn Gott will, auch noch bis zum Ende gut gehen. Amen.

Ich habe von dem edlen Bischof Friedrich von Magdeburg er­zählen hören, der ein Graf von Beichlingen gewesen ist, nicht lange vor unserer Zeit.[29] Gegen den wollte ein Fürst zu Sachsen, Herzog Friedrich, als Feind, der ihm den Fehdebrief[30] geschickt hatte, Krieg führen und schickte einen Kundschafter an des Bischofs Hof, um auszuspähen, wie er sich rüstet und zur Wehr setzt. Der kam fröhlich zu seinem Fürsten heim und meldete ihm, daß der Bischof sich gar nicht rüste, daß alles schon ge­wonnen wäre. Da fragt der Fürst: „Was sagt denn der Bischof vom Krieg?“ Jener antwortete: „Er sagt nicht mehr als dies: er wolle hin und sein Amt wahrnehmen, Klöster visitieren und arme Leute anhören und wollte Gott für sich streiten lassen. Der würde indes den Krieg gut führen.“ Als das der [113] Fürst hörte, sprach er: „Redet der Bischof so, dann führe der Teufel an meiner Statt Krieg wider ihn.“ Er ließ den Krieg anstehen, weil er sich fürchtete, mit Gott Krieg zu führen. Da siehe, wer hat dem Bischof so bald und so leicht geholfen und des Fürsten Herz so völlig umgewendet? Allein der Name des Herrn. Das armselige Wörtchen „Gott“ schafft so schnell und gewaltig und leicht solche großen Dinge. Von den gegenteiligen Beispielen, wie die gefallen sind, die sich auf Menschen verlassen haben, will ich schweigen. Es liegt täglich allzuoft vor Augen.

Gott ist also ein solcher Herr, daß er zwar die Frommen Not leiden und die Gottlosen wüten, aber dennoch die Frommen nicht ohne Trost in der Not läßt und doch am Ende die Wüten­den stürzt und den Seinen aushilft. Darum will der Psalmist uns hier mit seinem Beispiel und aus seiner Erfahrung durch diese Verse freundlich ermahnt und gelockt haben, daß wir ja auf Gott vertrauen und hoffen lernen, wie das erste Gebot lehrt. Denn dies ist ja gut, richtig und heilsam hier in der Zeit und dort in der Ewigkeit. Außerdem bedeutet es, Gott das allerwillkommenste Opfer und den allerschönsten Gottesdienst und die höchste Ehrung dargebracht zu haben. Dagegen will der Psalmist uns abschrecken und zuverlässig warnen, daß wir unseren Trost ja nicht auf Menschen und Fürsten gründen, trotzen, hoffen und mit ihnen prahlen sollen, wie es die Welt und des Teufels Kinder und Gesinde [114] tun, die an Gott verzweifeln und wider das erste Gebot von ihm abfallen. Das ist hier in der Zeit und dort in der Ewigkeit böse, schändlich und schädlich; außerdem be­deutet es, Gott die größte Unehre und Schmach und den größ­ten Abbruch (seiner Ehre) angetan zu haben.

Daß sich aber nicht ein Sektierer darauf stürze und mir aus dieser schönen Rose des heiligen Propheten sein Gift sauge! Er könnte ja lehren, man soll die Fürsten totschlagen oder die Obrigkeit verachten und nicht gehorsam sein, weil David hier singt: „Man soll auch nicht auf fromme Fürsten sein Vertrauen setzen“, die er hier „Nedibim“ nennt, das ist, wie es Christus selbst (Luk. 22,25) übersetzt, „gnädige Herren werden sie ge­nannt“. Das bedeutet solche, die durch ihr Amt vieles und sehr Gutes zu tun von Gott bestimmt sind, wovon an anderer Stelle genug gesagt ist.[31] Fürstenamt und weltliche Herrschaft soll man zur Sicherung der Leibesnahrung, zu Schutz und Frieden hier auf Erden gebrauchen und genießen, wozu sie Gott ein­gesetzt hat. Aber auf sie vertrauen, trotzen, hoffen und mit ihnen prahlen soll man nicht. In gleicher Weise wie sie müssen wir auch die anderen zeitlichen Güter, Geld, Vieh, Haus, Hof ge­brauchen; aber man soll nicht darauf vertrauen, hoffen und trotzen. „Vertrauen“ und „Gebrauchen“ sind zweierlei: Ver­trauen kommt allein Gott zu, Gebrauchen geht alles Geschöpfliche an. [115]

10. Alle Heiden umgeben mich. Aber im Namen des Herrn will ich sie zerhauen.
11. Sie umgeben mich, sie umgeben mich. Aber im Namen des Herrn will ich sie zerhauen.
12. Sie umgeben mich wie die Bienen und löschen mich wie ein Feuer in den Dornenhecken. Aber im Namen des Herrn will ich sie zerhauen.
13. Man stößt mich, daß ich fallen soll, aber der Herr hilft mir.

In diesen vier Versen erzählt er, wer die sind, die ihn verfolgen, und woher die Not kommt, von der er oben gesprochen hat. Und er will hiermit – als mit seinem [116] eigenen Beispiel überzeugend – die richtige Lehre und Mahnung beweisen, in der er uns auf Gott und nicht auf Menschen zu vertrauen ge­heißen hat. Es ist so, als wenn er sagen wollte: „Ich will euch mein eigenes Beispiel und meine eigene Erfahrung aufzeigen, damit ihr seht, wie gut es ist, auf Gott zu vertrauen, und euch ja davor hütet, auf Menschen zu vertrauen. Siehe, alle Heiden haben mich mit großer Macht, Fleiß, Zorn, Grimm, List und Tücke von allen Seiten angegriffen. Aber dennoch haben sie mit all ihrem Wüten und Toben nichts ausgerichtet, sondern da­durch ist alles bewahrheitet und bestätigt worden, daß nämlich Gott die Frommen in aller Not durch sein Wort und seinen Geist tröstet, erhält und stärkt und sie nicht verläßt. Außerdem zerschlägt und verstört er auch die Widersacher, wodurch er uns auch endlich aus der Not hilft und durch seine Tat errettet.“

Ob der Prophet hier eigentlich von sich selbst oder ob er von der Christenheit redet, wenn er sagt: „Alle Heiden umgeben mich“, wie das einige hier behaupten,[32] daran liegt mir nichts. Es ist ein Beispiel, welches auf alle Heiligen paßt, ob sie vor oder nach Christus gewesen sind. Ich verstehe es aber jetzt als in bezug auf Davids Person und von seinem Volk gesagt, wie er sich denn im Anfang des Psalms auf Israel und Aaron bezieht. Dem jüdischen Königreich waren nämlich alle Heiden ringsum über alle Maßen gram, griffen es an und packten auch auf allen Seiten zu, wo sie [117] nur konnten, besonders zur Zeit Davids. Aber David ließ es seinerseits ihnen gegenüber auch nicht feh­len, schlug getrost um sich und hieb wacker auf sie ein, doch auf Gottes Befehl hin, bis er sie mit Gottes Hilfe in die Enge trieb und bezwang, wie er hier sagt: „Im Namen Gottes will ich sie zerschmeißen“ usw. Damit macht er sich zum Beispiel für alle Gläubigen, die auch Gleiches leiden, aber endlich siegen sol­len, aber jetzt nicht mehr mit dem Schwert, sondern durch das Wort und Schwert Gottes; denn die Christenheit ficht nicht mit dem irdischen Schwert.

Beachte aber an dieser Stelle, wie groß die Not und wie man­nigfaltig die Feinde sind! Er nennt als erstes „alle Heiden“: deren gibt es ja über die Maßen viel, und sie sind gewaltig im Vergleich zu der kleinen Schar. Es muß aber so sein, daß sich alles gegen Gott und sein Wort stellt, damit ja greifbar deutlich wird, wie Menschentrotz und Menschentrost gegen Gott gar nichts sind, wie auch der zweite Psalm sagt:„Die Heiden toben und die Könige setzen sich gegen Christus“ usw. (Ps. 2,1 f.). Alle andere Lehre und anderen Götter kann man ertragen, so daß kein Volk noch Land sich dagegen empören. Allein, wenn Gottes Wort ergeht, dann lehnt sich alle Welt auf, da hebt ein Toben und Wüten an allen Enden an. Es heißt davon: „Sie um­geben mich“. „Mich, mich“, spricht er. „Ich bin es [118] allein, den sie umgeben müssen.“ Die Römer hatten alle Götter der Welt,[33] etliche hundert; die konnten sie vertragen, aber den einen Christus konnten sie nicht ertragen. Genauso ist es heute: Mögen alle die Lehren der Mönche und Pfaffen noch so schädlich gewesen sein und alle Welt bis auf die Knochen ge­schunden, dazu Leib und Seele geplagt und gemartert haben, bisher hat man es alles dahingehen lassen. Nun aber, da das Wort Gottes kommt und nichts als Friede und Gnade lehrt, dazu von ihrer Schinderei erlöst, da muß jedermann sich einmischen, lästern und verfolgen. Warum? „Sie haben es mit nichts zu tun“ – spricht er – „als mit mir. Mich, der das Wort hat, müssen sie umringen. An mich muß sich der Teufel hängen.“ Wie es auch Christus. Joh. 15,19 sagt: „Wärt ihr von der Welt, so hätte die Welt das Ihre lieb. Aber weil ich euch aus der Welt erwählt habe, so ist euch die Welt gram.

Zweitens: Ihrer sind nicht allein viele, sondern sie ge­brauchen auch ihre Gewalt und handeln dabei mit all ihrer Macht, allem Ernst, Fleiß und Bemühen und greifen an. Er spricht ja zweimal im 11. Vers: „Sie umgeben mich, sie um­geben mich“. Damit macht er deutlich, wie sie keine Ruhe geben, fort und fort drängen, nicht ablassen, nicht müde wer­den, unablässig treiben und treiben, [119] nicht aufhören, bis sie zugrunde gehen. Obgleich sie oft fehlgreifen, kehren sie sich nicht daran, machen immer wieder einen neuen Plan, einen nach dem anderen, ein Vorhaben nach dem anderen. Der Teufel ist eben ihr Gott, der sie so antreibt, sie nicht feiern noch ruhen läßt, solange sie etwas vermögen. Was nämlich solche Heiden gegen Christus und sein Wort toben, das geschieht durch des Teufels Antrieb. Es wäre sonst nicht möglich, wenn es allein Menschensache wäre. Dann würden sie dessen bald müde und überdrüssig, besonders wenn sie merken, daß sie sich so oft festgerannt und fehlgegriffen haben und zuschan­den geworden sind, wie solchen Verfolgern allezeit geschieht.

Drittens: Sie sind auch nicht allein ernst, tätig und rastlos, sondern aufs allerheftigste bitter, gehässig und giftig, was sie auch so rastlos macht. Andererseits, ihre nutzlose Rastlosigkeit und ihr vergebliches Toben, daß sie nicht soviel oder jedenfalls nicht so bald etwas ausrichten, wie sie gern wollten, sondern oft fehlgreifen und manchen Plan und manches Vorhaben auf­geben und fallenlassen müssen, das alles macht sie noch grim­miger und heftiger. Je mehr sie fehlgreifen und je länger es sich hinzieht, desto toller werden sie, während sie doch dadurch [120] zur Umkehr gemahnt werden sollten. So wetzt also im­mer ein Laster das andere, und eine Untugend verschärft die andere. Rastlosigkeit macht sie grimmig, und Grimm macht sie rastlos. Sie müssen also in des Teufels Dienst daherrennen, dahinstürmen und poltern, wie er sie antreibt und voranjagt. Sie können nicht aufhören noch einhalten. Darum spricht er hier: „Sie umgeben mich wie die Bienen.“ Eine Biene ist so ein zor­niges, heftiges Tierlein. Wenn es ergrimmt, so bohrt es seinen Stachel in seinen Feind und läßt ihn drin, ungeachtet dessen, daß es das Leben dadurch verliert oder jedenfalls nie mehr Honig zustande bringen kann. Denn wenn ein Bienlein seinen Stachel verliert, stirbt es zwar nicht, bringt jedoch hinfort keinen Honig zustande und hat auf diese Weise sein edles, süßes Handwerk durch seinen Zorn und seine Rachgier zu seiner Schande verloren. Es muß hinfort Wasserträger sein und den anderen Bienen Wasser bringen, damit es auch mitessen darf, und ist nun ein Knecht im Bienenstock unter den anderen Bienen.

Genauso sind die Feinde Christi auch: so rachgierig und hitzig, daß sie eher darüber zugrunde gehen, ehe sie nicht Scha­den tun oder sich rächen können. Sie verlieren doch alle Gnade in Ewigkeit, Gutes tun zu können und rechte Christen zu wer­den. Sie schwirren und sausen auch mit ihren Flügeln und stoßen [121] ihren Stachel in den Christus hinein, kühlen so ihr Mütchen zu ihrem ewigen Schaden und verderben sowohl hier wie dort. So gibt ihnen auch der achte Psalm den rechten Namen, indem er sie „Rachgierige“ nennt und spricht: „Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge hast du eine Macht bereitet, auf daß du den Feind und Rachgierigen hin­richtest“ (Ps. 8,3). Es ist aber eine unverständliche Rachgier, nicht menschlich, sondern schlechthin teuflisch, weil sie ja keine Ursache dazu haben. Das Wort Gottes tut ihnen ja kein Leid, bringt und bietet ihnen alles Gute, Gnade, Frieden, Heil, Leben und Seligkeit. Aber wie gesagt: Solche Rachgier kommt daher, daß sie fehlgreifen und nicht tun können, was, wie und wann sie gern wollten. Diese verhinderte und gehemmte Rast­losigkeit und Bosheit entflammt sie zu derart teuflischer Rache.

Viertens: Bis ins Herz hinein müssen sie sich schämen, daß sie nicht allein so oft fehlgreifen, sondern auch empfinden, für ihren Zorn, ihr Wüten und ihre Rachgier keinen Anlaß zu haben. Deshalb aber gehen sie zum Angriff über, geben sich ein be­stechendes Aussehen, erdichten einen Anlaß, nämlich mit der Behauptung, das Gotteswort verursache Aufruhr und sei dem Landfrieden schädlich. Nachdem sie diesen schändlichen Vor­wand erfunden haben, brauchen sie sich nicht mehr so zu schä­men, wenn sie oft fehlgreifen und keinen wirklichen Grund haben. Sie können nun rühmen [122] und sagen, der Teufel hindere sie derart in ihrem göttlichen, heiligen Vorhaben. Darum haben sie nun künftig große, redliche Ursache zu Zorn, Toben, Morden und Rachgier als solche, die angeblich nichts als Got­teskinder sind und einen wichtigen Dienst für Gott leisten, in­dem sie Frieden und Einigkeit erhalten, die Aufrührer und Lästerer strafen. Damit ist denn der arme Christus schändlich und übel getäuscht. Wie kann er es denn merken, daß sie dies nur erdichten und solche Buben und bösen Knechte in ihrem Herzen sind, weil sie ihm solch eine feine Nase drehen[34] und einen solch schönen Bart aus Stroh flechten?[35] Er muß sie gewiß zu Heiligen machen. Er ist wohl so einfältig und närrisch wie der Hohe Rat zu Jerusalem gegenüber diesen über und über und abermals überklugen Leuten. Als jener sich vor­genommen hatte, Gottes Sohn zu töten, und auch oft fehlgriff und darüber immer zorniger geworden war und doch keine Ur­sache für diesen Zorn oder dieses Vorhaben hatte, fing Herr Kaiphas an und drehte Gott auch eine Nase und einen Bart aus Stroh und sprach: „Ihr seid unverständig und bedenkt nichts. Es ist besser, daß ein Mensch sterbe, als daß ein ganzes Volk umkomme“ (Joh. 11,50). Wo sollte Gott hin, der arme Mann? Er mußte die Nase und den Bart tragen und schlechthin glau­ben, es wäre wohlgetan und der höchste Dienst für ihn, daß man seinen Sohn [123] ohne alle Schuld kreuzigte, damit Friede und Einigkeit im Land blieben und sein Volk nicht etwa umkomme, wie ihm der Herr Kai­phas droht und prophezeit.

Darum sagt er hier im 12. Vers: „Sie dämpfen“ oder „löschen mich wie ein Feuer in den Dornenhecken.“ Wenn ein Feuer auf dem Feld, in den Hecken oder Umzäunungen aus­bricht, so soll jedermann wie gegen eine gemeinsame Land­plage und Schaden laufen und löschen, dämpfen und retten helfen. Es könnte sonst ja das Korn auf dem Feld, Weinberge und Gärten ergreifen und Land und Leute verderben. Derartiges Feuer betreffend, das in den Hecken oder Dornen rings um Äcker, Weinberge und Gärten entbrennt, hat Moses den Juden auch eine besondere Rechtssatzung gegeben, wie man den Schuldigen bestrafen und Schadenersatz verlangen soll, 2. Mose 22,6. Ebenso ist auch vom Feuer, das im Wald oder in der Heide oder in einem Gehölz entbrennt, zu reden. Wer nun hier zum Löschen hinläuft, der handelt lobenswert und richtig. Solchem Tun – spricht der Psalmist – vergleichen sie ihr Toben und Wüten. Wenn demnach jemand Gottes Wort lehrt, der hat –wie man in deutschen Landen sagt – den Feldrain in Brand ge­steckt[36]. Im Hebräischen heißt das: „die Umzäunungen oder Hecken in Brand stecken“. Da muß man herbeilaufen und das Feuer dämpfen, derartige Ketzer und Aufrührer töten und so für den lieben Gott sein Volk und seine Ehre verteidigen und er­retten. Auf diese Weise hat man dann nicht [124] allein einen guten, sondern auch einen lobenswerten und ehrlichen Anlaß, zu morden und gegen Gott zu toben. Und wenn es fehlschlägt, hat man doppelte Ehre als Leute, die in solch gutem Werk hei­lige Märtyrer sind und schwere Hinderung vom Teufel erleiden müssen. Das hilft und ist ein köstliches, gutes Rezept, ein ver­stocktes, unbußfertiges Herz zu bekommen.

Da hast du es nun, wer die sind, die den Frommen angst und bange machen, Not und Trübsal zufügen, daß sie den Herrn an­rufen und bitten müssen: 1. Es sind ihrer viele, nämlich alle Hei­den mit all ihrer Macht, das ist, die ganze Welt mit allen Teufeln. 2. Dazu sind sie entschlossen, heftig und rastlos und nicht faul noch lässig. 3. Sie sind auch bitter, gehässig und grimmig, so daß keine Gnade noch Versöhnung zu erhoffen ist. 4. Und sie sind zuletzt auch die allergrößten Heiligen im Himmel, die allerfrömmsten Leute auf Erden. Lieber, was ist von diesem Maler vergessen, der hiermit die Verfolger derart abgemalt hat?! Welches Stück aber ist unter diesen vier, das nicht allein genug wäre, einem Christen Weh und Leid zu bringen, angst und bange zu machen? Bei den Christen gelten vier entgegen­gesetzte Stücke: Sie sind nämlich vereinzelt und wenige, dazu schwach, und [125] ihr Tun ist ohnmächtig. Zum dritten sind sie sanft und geduldig, und zum vierten gelten sie als die ärgsten Ketzer der Hölle und die schädlichsten Leute auf Erden.

Wie will nun ein Christ solchen feindlichen Leuten widerstehen? Wo ist der Sieg, auf den er hoffen kann? Dem Anschein nach ist alles ganz und gar verloren; denn da behalten jene die Oberhand, wie schon gesagt ist. Aber hier steht, worauf wir trotzen, indem der Psalmist sagt: „Im Namen des Herrn zer­schmeiße und zerschmettere ich sie.“ Das ist seine Antwort auf alle vier Stücke, und mit ein und derselben Waffe[37] will er allen begegnen. Ei, das ist zuviel! Der arme Stolz ist wahrlich zu groß, indem er nicht allein errettet und verteidigt sein, sondern auch alle Welt samt ihrer Gewalt, ihrem Zorn, ihrer Heiligkeit bezwingen will. Was sage ich, „bezwingen“? „Zerschmettern“ und „zerschmeißen“ will er sie, und das auf ein und dieselbe Weise. Das müßte ja den Teufel und alle seine zornigen Junker argem, wenn sie es wüßten. Was ist denn das für eine Büchse oder Schwert, womit du armer Stolz das ausrichten willst? Ich möchte diese Kartaune oder Brummerin[38] gern hören. Es muß ein ansehnliches Geschütz sein. „Ich will es dir sagen“, spricht er. „Es heißt ‚Des Herrn Name‘.“ [126]

„Ei, das ist eine Kartaune, aus Papier gedreht, eine Papier­tüte“, so sage Prahlhans. – „Wohlan, laß es Papier sein! Du sollst es wohl mit der Zeit erfahren.“ – „Lieber, wie ladet man diese Büchse, oder wie schießt man sie ab? Wie geht sie los? Was verschießt sie für eine Kugel?“

Erstens wissen wir alle, daß Gott allmächtig ist, und alle Hei­den sind nichts gegen ihn, wie das erste Gebot lehrt. Das ist das eine. Demzufolge ist es unmöglich, daß er seinen Namen in Schande stecken läßt, so unmöglich, wie daß er seine Gottheit aufgibt. Er hat ja im zweiten Gebot gesagt, er wolle seinen Namen nicht mißbrauchen lassen oder wolle das nicht un­gestraft lassen. Das ist das zweite: Wenn wir nun seinen Namen ehren und anrufen, unsere Feinde uns deswegen aber ver­lästern, Lieber, wen verfolgen oder verlästern sie dann? Ist es nicht Gott, der Allmächtige, selbst und sein Name? Siehst du, daß die Büchse so gut wie geladen ist? I – Weil nun Gott von sich aus nicht dulden will, daß sein Name gelästert wird, und wir darüber hinaus noch rufen und bitten, daß sein Name geheiligt und geehrt werden möchte: Meinst du nicht, dieses Gebet wird die Büchse zünden? – Die Kugel aber wird vielleicht der Türke oder sonst eine Zornestat und Plage Gottes sein, der damit Tod und Zerstörung bringt. Da wird es dann [127] treffen, so daß hier ein Fürst, dort ein Bischof, hier ein Herr, dort ein Pfaffe, hier ein Junkerlein, hier ein Mönch daliegen, schreien und klagen wer­den, daß es gen Himmel gellen und auf Erden erschallen wird. Das will man haben. Die Juden, die auch nicht nachgeben woll­ten, traf er auf diese Weise mit den Römern, die Römer mit den Goten und Vandalen, die Chaldäer mit den Persern, die Griechen mit den Türken. Er wird für uns Deutsche wohl auch eine Kugel finden, die uns trifft und nicht fehlgeht; denn wir haben es zu arg getrieben und hören damit noch nicht auf.

So bedeutet denn, daß wir Christen die Heiden zerschmet­tern, dieses: Gott tut es unseres Anrufens halber um seines Namens willen, den wir bei uns schützen und ehren. Wer näm­lich auf Grund von Rat, Geheiß oder Bitten eines anderen etwas ausrichtet, dessen Tat wertet man mit vollem Recht so, als habe sie der Befehlende, der Ratgebende und der Bittende ge­tan, so daß wir mit gutem Gewissen sagen können: „Ich will alle Welt zerschmettern.“ Das heißt, ich will Gott mit festem Glauben bitten, daß er seinen Namen heiligt, und schon habe ich es selbst getan, weil er mich erhören wird – so sagt dieser Psalm im 5. Vers. So hat auch David, der mit seinem Schwert in der Hand[39] seine Feinde schlug, es nicht kraft dieses Schwer­tes getan, wie er sehr oft in Psalm 18 und an mehreren anderen Stellen[40] bezeugt: sondern [128] weil er Gottes Namen ehrte, heiligte und anrief und unter Berufung auf seines Gottes Ehre betete, mußte sein Schwert mehr als hunderttausend Schwer­ter ausrichten. Der Name des Herrn tut es, wenn man den an­ruft und ehrt. Wenn man ihn nicht anruft, da tut er es auch wohl dennoch. Aber in solchem Fall haben wir nichts davon. Es gilt auch nicht uns, weil wir nicht deswegen leiden und anrufen. Es gleicht vielmehr dem, wie er sonst die Heiden straft, womit er doch niemand unter den Frommen erlöst, wie damals, als die Römer sich untereinander selbst bekämpften[41] und so Gottes Strafe vollstreckten, und dergleichen mehr.

„Ja”, sprichst du, „des Herrn Namen rühmst du. Aber die an­dere Seite will auch den Namen des Herrn gesucht haben und damit Dienst für Gott verrichten, wie gerade oben gesagt wur­de.“ – Hier liegt also die Hauptsache oder der Knoten (der zu lösen ist): „Welche Seite meint wirklich des Herrn Namen? Sonst ist deine Rede inhaltslos.” Ich antworte: Erstens sehe ein jeder dabei auf sein Gewissen; das wird Gott nicht betrügen. Zweitens: Damit auch die Menschen nicht betrogen werden, sehe man die Früchte an. Daran wird man wohl erkennen, ob der Baum gut ist (vgl. Matth. 7,16-20). Wir auf unserer Seite haben ja keinen Trost, der auf Menschen baut, können den auch nicht haben. Wir sind zu gering, zu wenig und zu schwach, müssen in Furcht, Sorgen und Gefahr gehen und stehen [129] und mit aller Demut sowohl zu Gott wie zu Menschen bitten und flehen. Demgemäß morden wir niemand um seiner Lehre willen, nehmen auch niemandem etwas, lassen einen jeden glauben, was er will, zwingen sie nicht, drängen sie nicht, lassen die Obrigkeit Aufruhr, Unfrieden, Zwietracht richten und strafen, denken auch gar nicht daran und haben keinen Plan, jemandem Schaden zu tun. Im Gegenteil: wir wehren solchem allem, wo und wie wir können; lehren und halten aufs allerfleißigste Frieden, erleiden selbst aber aufs allergrausamste Mord, Blutvergießen, Armut und Verfolgung. Das sind ja Zeichen eines rechten Geistes, und das stimmt mit diesem Psalm und der ganzen Schrift überein.

Aber jene Seite baut ihren Trost und ihr Trotzen auf Men­schen und erwartet ihre Hilfe von Kaiser und Fürsten. Sie stehen sicher ohne Sorge und Gefahr da, fürchten sich weder vor uns noch vor irgend jemandem, rufen auch Gott nicht an, noch viel weniger demütigen sie sich vor Menschen. Dagegen fahren sie im Stolz, Selbstsicherheit und Übermut daher, er­zwingen und ertrotzen, zu glauben, was sie wollen, morden, plagen, rauben, verjagen, und das alles Tag und Nacht ohne jedes Maß. Sie streben und trachten aufs eifrigste danach, wie sie nur Leid und Schmerz antun, Verdruß und Schaden zufügen können. Sie können und wollen nicht Frieden haben, wie es [130] für jeden klar am Tage ist. Dies und alles dergleichen kann ja nicht Zeichen eines guten Geistes sein und widerstrebt der ganzen Schrift. Man wird es eben doch nicht beweisen kön­nen, daß Christen morden oder auch durch Gerichtsurteil jemanden töten oder mit Rat und Hilfe dazu beitragen sollen. Das ist Sache der weltlichen Obrigkeit in weltlichen Dingen, wie auch der Heide Gallio Apg. 18,14 sagt. Die Christen haben laut Matth. 18,17 einen anderen Gerichtshof, eine andere Beurtei­lung und eine andere Strafart.

Überdies befleißigt man sich bei uns ja dessen, daß ein wil­des, unzüchtiges, wüstes Leben gestraft und nicht geduldet wird, wilde Ehe, Hurerei, Lastern, Fluchen und dergleichen – Gott sei Lob – aufhören, der Ehestand in Ehren gehalten wird, die liebe Jugend zu Gottes Wort und christlicher Erziehung sorgfältig mit allem Fleiß gebracht wird. Dagegen sieht man ja deutlich, welch schändliches, zuchtloses, unverschämt gei­ziges, hoffärtiges Wesen unter den Papisten zu allerlei großem Ärgernis für die ganze Welt umgeht, bei den Höchstgestellten am allermeisten. Da gibt es keine Bestrafung noch Schande. Da vernachlässigt man die edle Jugend und läßt sie jammervoll verderben. Man lehrt sie weder glauben noch beten, und die ihnen zu Lehrern gesetzt sind, können es selbst nicht, schämen sich dazu dessen, daß sie von uns jenes lernen und uns zum Beispiel nehmen sollen; und damit unterbleibt es. [131]

Aber das ist erst das Allergrößte: Wir schämen uns auch nicht, frei in aller Öffentlichkeit zu bekennen und Gott die Ehre zu geben, wenn wir früher in mancherlei falschem Glauben und Mißbrauch gegen Gottes Wort geirrt haben. Wir verbergen und beschönigen unsere Untugend nicht. Aber dort herrschen völliges Verschweigen, Verbergen, unwahrhaftiges Sich-Demütigen und Beschönigen. Und all ihr Schreien, Auf­trumpfen und Lästern über uns richtet sich dahin, daß man inzwischen die Balken in ihren Augen nicht sehen und allein die Splitter in unseren Augen (vgl. Matth. 7,3-5) zeigen und tadeln soll, obwohl sie selbst wissen und nicht vergessen, daß wir in vieler Hinsicht das Allerbeste lehren. Sie wissen sehr gut, wie schändlich sie mit der Messe Handel getrieben und ge­schachert haben, wie greulich Papst, Kardinale, Bischöfe, Dom­herren, Pfarrer mit aller Untugend, Geiz, Hurerei, Hoffart, ja, mit falschen und irrigen Lehren vom Ablaß, Fegefeuer, Wallfahrten und dergleichen öffentlichen Greueln die Welt geplagt haben. Das alles decken sie zu, und es gibt nicht einen, der das Gott zu Ehren bekennen oder bestrafen will. So bedecken z. B. die Predigermönche zu Bern ihre „Tugend“,[42] gehen in selbstsicherer Unbußfertigkeit ihres Weges, denken nicht daran zu bereuen und sich zu bessern, sondern sind allein gegen uns mit heißem Zorn.[43] Wir sollen tot sein, und ihr schändliches, irriges böses Wesen soll frei und im Recht bleiben; das nennen sie dann (‚wenn wir dagegen auftreten‘) „Sünde gegen [132] den Hei­ligen Geist“. An solchen Früchten sollte ja jedermann erkennen, ob sie den Namen Gottes wirklich mit Ernst lieben. Das sei von den drei Versen 10, 11, 12 gesagt.

Der 13. Vers sagt nun, was solche Heiden, deren es so viele, so mächtige, so zornige, so „heilige“ gibt, mit ihrem Umzingeln und Verfolgen beabsichtigen, wieweit sie es schließlich bringen. Er spricht: „Man stößt mich, daß ich fallen soll“, das bedeutet: Sie wollen schlechthin, daß ich ganz am Boden liegen und es ganz und gar mit mir aus sein soll, so daß nichts von mir bestehen bleibt, ich mit Wurzeln ausgerottet werde, wie Jeremia seinem Volk droht, Jer. 11,19. Nun, mich zu be­drängen, zu vertreiben und zu verjagen, sofern es mit Gewalt geht, so weit bringen sie es doch. Aber trotzdem behütet mich Gott vor ihren Absichten und steckt ihrem Vorhaben ein Ziel, daß sie es nicht tun können, was sie im Sinn haben. Bedrängen können sie, zu Fall bringen können sie nicht. Martern könnensie, ausrotten können sie nicht. In den Stock schließen können sie, bezwingen können sie nicht. Hindernisse schaffen können sie, abwehren können sie nicht. Die Zähne zeigen können sie, fressen können sie nicht. Morden, brennen, hängen und er­tranken können sie, unterdrücken können sie nicht. Verjagen, rauben, wegnehmen können sie, zum Schweigen bringen kön­nen sie nicht. Kurz: Etwas sollen sie tun können, [133] aber ihres Herzens Absicht sollen sie nicht erreichen. Denn da gibt es die Grenze:„Der Herr hilft mir.“ Wer sind sie, die wider des Herrn Hilfe etwas ausrichten können?! Es soll gelten: „Gottes Wort bleibt ewig[44], es sei denn, daß Gott selbst und sein Name nicht bleibt. Laß sie gleichsam toll und dumm darüber werden!

14. Der Herr ist meine Macht, mein Psalm und mein Heil.

Auf solche Wunder Gottes, die von ihm erzählt werden, womit er die Seinen tröstet und ihnen hilft, singt er hier, allen seinen Verfolgern zu Trotz, Hohn und Spott und Gott zu Lob und Ehren, mit Freuden ein schönes kurzes Danklied und einen Lob­gesang. Dadurch müssen sie, auch wenn sie nicht dafür danken werden, hören, daß sein Gott und der Psalmsänger selbst dennoch das Feld behauptet haben und über und gegen all ihr Wüten und Toben noch leben. Es ist das derselbe Vers, den auch Moses 2. Mose 15,2 in seinem Lied dem ersoffenen Pharao zum Trotz singt. Desgleichen singt ihn auch Jes. 12,2. So scheint es, daß der Vers ein allgemeines Lied und Sprich­wort unter dem Volk Israel [134] gewesen ist. Er ist es auch noch immer wohl wert, daß er bei uns ein allgemeiner Gesang und Loblied ist, sooft wir aus Nöten erlöst werden, wie wir ihn denn bisher oft nach erfahrener Erlösung gesungen haben, aber im Lauf der Zeit noch öfter und bis zum Ende singen wer­den. Amen.

Siehe doch, wie zutreffend er alles in drei Stücke faßt und ein­teilt: „Der Herr ist meine Macht, mein Psalm, mein Heil.“ Das erste ist, daß er rein und echt auf Gott vertraut, daß Gott alles und alles in ihm wirkt, redet und lebt und er nicht auf eigene Kraft, Können, Vernunft, Weisheit, Heiligkeit oder Tun pocht. Er will nichts sein, damit Gott in ihm alles ist und alles tut. Oh, das ist ein hohes Lied und ein seltener Gesang auf Erden. Außer­dem trotzt und verläßt er sich auch auf keinen Menschen oder Fürsten, auf keine Macht der Welt, Reichtum, Freun­de, Bünd­nis, Beistand, Weisheit, Werke, Trost oder Hilfe, sondern aus­schließlich und rein nur auf Gott, dies auch wider sich selbst, wider aller Welt Macht, Weisheit und Heiligkeit. Das bedeutet noch voller gesungen: „Gott soll allein seine Macht, sein Trost, sein Trotz sein!” Das zweite ist, daß er davon nicht schweigen kann. Er macht einen Psalm daraus, singt, predigt, lehrt, be­kennt und sagt von Gott, was er glaubt. Denn der Glaube ver­schweigt es nicht; er bekennt [135] frei heraus, was er glaubt, Röm. 10,11. Das kann dann die Welt nicht leiden noch hören, daß ihre Macht, Weisheit, Heiligkeit, Werk, Rat und Tat ver­dammt und nichts sein, daß Heil und Trost, auf Menschen und Fürsten gestützt, verworfen und verachtet sein, daß ihre Lehre inhaltslos und falsch sein sollten. Da muß denn der Sanger dieses Psalms herhalten und erleiden, daß sein Psalm nicht ein Gotteslob und seine Verkündigung nicht die Ehre Gottes, sein Bekenntnis nicht die Wahrheit, sondern Lästerung, Ketzerei, Irr­tum, Lügen, aufrührerisch und Verführung der Welt genannt wird. Kein schändlicheres Lied sei auf Erden laut geworden und nichts Schändlicheres unter der Sonne gepredigt worden. Flugs mit ihm zum Kerker, zum Feuertod, zum Land hinaus, ver­flucht, verdammt und Gott zu großem Dienst getötet, verbrannt, ertränkt, erhenkt oder sonstwie ermordet und alles Unglück ihm angetan! Da folgt dann das dritte, daß Gott sein Heil ist, der seinen Sänger und dessen Psalm schließlich doch nicht verläßt. Er hilft heraus, es sei durch Sterben oder Leben, und gibt den Sieg. Sollten auch alle höllischen Pforten und alle Welt toll und von Sinnen werden, so wird Gott zuletzt unser Heil, so daß wir und unser Psalm oder Lehre bleiben und alle Widersacher scheitern. Gottes Wort bleibt nämlich ewig. Dagegen helfen kein Wüten noch Toben noch Lästern noch Verdammen. [136]

Darum vergleicht er es trefflich miteinander, als wollte er sagen: „Die Macht jener Seite ist ihre eigene, Menschen- und Fürstenmacht. Darauf vertrauen sie, wie oben gesagt ist. Aber meine Macht, auf die ich vertraue, ist der Herr. Wem aber die Macht gehört, dem gehören auch zu Recht der Psalm, Lob, Ehre, Ruhm und Dank.“ Darum müssen sie ihre Götter loben, ehren und rühmen, nämlich sich selbst, Menschen und Für­sten. Wie sie es denn in aller Öffentlichkeit ganz schamlos tun, so stehlen und rauben sie dem rechten Gott das höchste gute Werk und den besten Gottesdienst, nämlich das Dankopfer und wenden es lästernd den sterblichen, elenden Menschen zu und opfern es ihnen. Oh, spotte nun, wer spotten kann, der elenden, verstockten Leute, die so elende Götter haben und ihren Got­tesdienst einem Madensack und Stankbalg erweisen, womit ihnen doch nichts geholfen ist! Wie denn ihre Macht und ihr Lied, das ist ihr Vertrauen und Loben, verloren ist, so gibt es da auch nicht Heil noch Sieg, sondern nur Mißerfolg und Ver­derben. Denn „von Menschen ist kein Heil“, sagt der 146. Psalm (V. 3). „Aber mein Sieg und Heil ist der Herr; der hilft und kann helfen“. „Heil“ soll man hier als Sieg oder Hilfe verstehen, daß uns Gott in seinem Namen und Wort endlich den Sieg behalten läßt und uns hilft, [137] daß wir siegen und bleiben, während die Verfolger untergehen und zuschanden werden.

15. Es ist eine Stimme von Freuden und Heil in den Hütten der Gerechten.

Bisher hat er sich ausgesprochen und ausgesungen vom eigenen Beispiel, wie ihm Gott geholfen hat. Nun geht er zum allgemeinen Beispiel aller Heiligen über und spricht, es gehe allen Gerechten ebenso, daß sie um des Wortes und Namens Gottes willen verfolgt werden. Aber weil sie Gott vertrauen und nicht auf Menschen bauen, hilft er ihnen, daß sie auch solch ein Lied singen und Gott loben. So hat Moses 2. Mose 15,1 ff. ge­sungen mit den Kindern Israel. So sang Debora, Ri. 5. So sang Hanna, 1. Sam. 2,2, und so fortan alle miteinander. „Es ist eine Stimme“ usw., das besagt: Wenn ich allen Heiligen, besonders im Neuen Testament, zusehe, so geht es ihnen auch ebenso. Auch in ihren Hütten höre ich ein solches Singen von Freuden, das ist, einen fröhlichen Gesang und Lied vom Heil und Sieg, wie Gott ihnen hilft. Gleicherweise singen wir mit, stimmen im Loben und Danken mit ihnen überein, wie wir auch im Glauben und im Vertrauen auf den einen und gleichen Gott einträchtig und im Leiden auch in jeder Hinsicht gleich [138] sind. Dem­gemäß tröstet uns Petrus, 1. Petr. 5,9: „Und wißt, daß eure Brüder in derzeit das gleiche zu leiden haben.

Wenn es nicht ein besonderer Trost wäre, daß man weiß und sieht, es geht allen Heiligen wie uns, würde es Petrus in dieser Weise nicht herangezogen haben und dieser Psalm nicht so an­gelegentlich davon reden. Es muß ja doch ein Herz trösten und stärken, wenn ich sehe, wie Paulus und die Apostel dasselbe Wort, denselben Gott, denselben Glauben, dasselbe Kreuz und alles gleicherweise gehabt haben, wie ich es gesagt habe. Ent­sprechend sagt man: „Es tröstet die Elenden, wenn sie nicht allein leiden.“[45] Das ist zuallererst ein recht feines Wort, wenn man es recht gebraucht und hier auf die Christen ausdehnt. Ein unerhört schweres Leiden erschreckt nämlich einen Menschen gar sehr, daß er sich dadurch isoliert fühlen muß und gegen­über allen Menschen etwas Besonderes zu leiden meint. Hin­gegen ist es tröstlich, wenn viele dasselbe leiden. Da drangt sich doch nicht ein so schrecklicher Gedanke auf, als sei man allein wie Schaum abgeschöpft und verworfen. Aber noch viel tröstlicher ist es, wenn sie alle gleicherweise leiden und keiner davon freibleibt, wie es bei den Christen der Fall ist.

Aber der Psalm spricht hier nicht vom Leiden der Gerechten, sondern vom Sieg und von Freuden, damit der Trost desto starker ist, wenn wir ihn im fröhlichen [139] Bild als die Erlösten vor uns sehen und wir sicher sein können, es wird bei uns und allen Gerechten dazu kommen, daß wir auch so fröh­lich singen. Er weist aber gleichwohl mit dem Wörtchen „Heil“ auf das Leiden der Gerechten hin und später mit noch mehr Worten, in denen er zu verstehen gibt, daß die Gerechten red­lich gelitten und im Glaubenskampf gestritten haben. Es hieße sonst nicht „Heil“ oder „Sieg“, gäbe da auch nicht solchen Freudengesang. Nun aber, gleichwie es fort und fort viel Leiden gibt – wie Paulus sagt, daß „wir des Leidens Christi viel haben“, 2. Kor. 1,5 –, so gibt es auch immer viel Heil und Sieg, Singen und Freude, Loben und Danken, wo die Gerechten sind. Folglich meine ich, es sei nun eigentlich für jedermann offenbar, daß die Gläubigen, die auf Gott vertrauen, in der Schrift „Gerechte“ heißen, Röm. 1,17:„Der Gerechte lebt aus seinem Glauben.“Wer aber auf Fürsten und Menschen ver­traut, der ist ungläubig und gottlos. Darum gibt es in ihren Hüt­ten auch kein Freudenlied vom Sieg und vom Heil, sondern sie schreien, fluchen Gott, schelten, lästern, und danach in der Hölle heulen, klagen und klappern sie mit den Zähnen. Wie lau­tet denn das Freudenlied und der Lobgesang der Gerechten in ihren Hütten? So lautet es: „Die rechte Hand des Herrn be­weist ihre Macht.“ [140]

16. Die rechte Hand des Herrn ist erhöht, die rechte Hand des Herrn beweist Macht.
17. Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werk verkündigen.
18. Der züchtigt mich wohl, aber übergibt mich nicht dem Tod.

Das ist der Gerechten Freudengesang, und so singen alle Heiligen in ihren Hütten, das ist, wo sie beisammen sind und wohnen. Er meint ganz besonders die Gerechten im Neuen Bund, wo man in den Kirchen hie und da das Evangelium von den großen, durch Christus erwiesenen Wundern predigt. Merke wohl, daß es ein Lied nicht der Gottlosen, sondern der Gerechten – nämlich der Gläubigen – ist. Wer nicht glaubt, sondern auf Menschen vertraut, der kann es nicht singen. Außerdem versteht er kein Wort von innen heraus, obgleich er es mit dem Maul plappert, wie in Stiften und Klöstern dieser schöne [141] Psalm alle Sonntage so schändlich dahingeheult und geschändet wird. Ihr Herz singt ja so: „Die rechte Hand der Menschen beweist Kraft. Die rechte Hand der Fürsten schwebt über allem.“ Denn sie müssen singen, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist.[46] Art läßt von Art nicht.[47]

„Singen“ nenne ich aber hier nicht allein das Tönen oder laute Schreien, sondern auch eine jede Predigt oder jedes öffentliche Bekenntnis, wodurch vor der Welt Gottes Werk, Rat, Gnade, Hilfe, Trost, Sieg und Heil usw. frei gerühmt werden. Denn solches Singen meint der Heilige Geist, wo an den ver­schiedenen Stellen im Psalter und in der Schrift von Singen, Liedern und Psalmen gesprochen wird, wie auch oben im 14. Vers: „Der Herr ist meine Macht, mein Psalm und mein Heil.“ Gott will von uns in seinen Werken und Wundern gelobt, gepriesen, geehrt und bekannt sein, wie ja auch der Glaube tut und nicht stillschweigen kann. Er muß das aussprechen und lehren, was er von Gott hält und versteht, um Gott damit zu ehren und die Menschen zu lehren, wie der 116. Psalm (V. 10) sagt: „Ich glaube, darum rede ich.“ Wenn er sich nicht äußerte, reden und bekennen würde, so wäre es kein rechter Glaube, obwohl er deswegen leiden muß, indem er verflucht und verfolgt wird, wie kurz danach im selben Psalm folgt: „Aber ich werde sehr gedemütigt.“ Dagegen hat er aber wieder einen Helfer, [142] der sein Heil ist, wie oben der 14. Vers sagt, daß solch Verfolgen doch nicht schaden, sondern in Richtung auf das Heil hin fördern muß. Es wird ja damit Gott getrotzt und gelästert, so daß er helfen muß, und die Gerechten werden gezwungen, Gott anzurufen und zu beten. Auf diese Weise geht es dann richtig und recht zu.

Aus dem oben ausgelegten 14. Vers kann man das ganze Lied der Gerechten gut verstehen. Es meint dasselbe wie jener Vers, nämlich daß die Gerechten in ihrer Gemeinschaft nicht Menschen, Werke, Heiligkeit, Weisheit, noch der Fürsten Macht, Trost, Hilfe singen, lehren, predigen, bekennen oder rüh­men, wie es die Heuchler, Stolzen, die Heiligen aus eigener Kraft und die gottlosen, abtrünnigen Christen in ihrer Gemein­schaft tun. Sie verwerfen und verachten vielmehr solch stin­kende Heiligkeit aus sich selbst heraus und solch falsche Hilfe und Trost durch Menschen, Fürsten und die Welt. Sie loben nichts anderes als Gottes Gnade, Werk, Wort und Macht, in Christus erwiesen. Das ist ihre Verkündigung, ihr Gesang, Lob und Lied. Dieser Vers setzt dementsprechend „Des Herrn rechte Hand“ ausdrücklich in Gegensatz zu „die Hand der Menschen“, damit man erkennen soll: Vor Gott gilt nichts, was Menschenhand vermag. Menschentun dient auch nicht zur Ge­rechtigkeit, vertilgt nicht Sünde, tut auch kein [143] gutes Werk, weiß und versteht auch nichts von der Wahrheit und richtigem Seligsein. Noch viel weniger kann Menschenhand in Nöten, Ge­fahren, Tod und Hölle raten und helfen noch das Leben und Seligkeit geben.

Aber „die rechte Hand Gottes“, die ist es, die tut es: Erstens beweist sie ihre Macht, von der auch oben gesagt ist, wie sie tröstet. Doch hier wird das noch ein wenig besser zu deuten sein: Das ist aber die Macht Gottes, daß der, der an ihn glaubt und ihm vertraut, dadurch von allen Sünden, bösem Gewissen, bekümmertem Herzen, Irrtum, Lügen, Betrügerei, Finsternis und von aller Gewalt des Teufels erlöst und zu Gnade, Gerech­tigkeit, Wahrheit, Erkenntnis, Trost und rechtem Licht geführt wird, so daß Gott hinfort unsere Macht ist und wir nicht aus uns selbst, sondern in ihm leben und er bei uns alles tut und spricht. Das sind aber ganz und gar große gewaltige, göttliche Werke und Wunder, von denen keine menschliche Vernunft, Kraft und Macht etwas versteht, geschweige denn, daß sie dazu irgend­wie helfen kann. Sondern durch ihr falsches Trösten, Lehren und Verheißen lenken sie vielmehr davon ab und treiben je länger, desto tiefer in den Irrtum hinein, obwohl vor der Welt ihre Sache groß und vortrefflich scheint und sich so ansehen läßt, als sei sie nichts als Kraft und verhelfe gar schnell zum Himmel.[48] Aber wer da an Gottes Macht glaubt, der sieht, daß es nichts als [144] Menschenwerk und ein fauler, lügenhafter, nichtswürdiger Betrug ist. Wer darauf vertraut, der baut sich selbst die Hölle.

Zweitens ist die rechte Hand „erhöht“, schwebt über allem, behalt die Oberhand und siegt immer. Das bedeutet: Die Gläu­bigen haben nicht allein den Trost von Gott, daß sie von den Sünden frei und vor Gott gerecht sind, sondern haben auch Hilfe von ihm, so daß sie schließlich gegen Teufel, Menschen und Welt siegen und so von Tod, Hölle und von allem Übel erlöst werden und dazu keiner Menschen- und Fürstenhilfe bedürfen. Sie ist auch nichts nütze und vermag jene hohen großen Werke und Wunder nicht zu tun. Aber die hohe, herrliche Hand Gottes wirkt in solchen Wunderwerken und hilft aus allen Nöten. Sterben wir aber inzwischen, so bringt sie uns erst recht zum Leben, das kein Ende hat. Diese rechte Hand ist ja zu hoch; es können sie weder Trübsal noch Angst, weder Schwertgewalt noch Hunger, weder Engel noch Fürsten herunterreißen; Röm. 8,35. Hängen wir uns nur mit festem Glauben daran, wie alle Gerechten tun, so stehen auch wir ebenso hoch, und es sollen uns weder Trübsal noch Angst, noch Fürst, noch Teufel, weder Feuer noch Wasser, noch kein anderes Geschöpf nieder­werfen. Der Sieg soll unser sein! Dagegen wer sich an Men­schenarme [145] hängt und sich der Fürstenhand tröstet, der muß hinunter in den Abgrund der Hölle, auch wenn er über die Wolken hinaufführe oder im Himmel säße.

Drittens wiederholt er das erste Stück noch einmal und sagt: „Des Herrn rechte Hand beweist Macht.“ Ein gutes Liedchen kann man ja gern zweimal singen. So halten es auch alle Men­schen, wenn sie von Herzen fröhlich oder lustig sind, daß sie ein Wort zwei; dreimal wiederholen und dasselbe nicht oft genug sagen können. Wer immer ihnen begegnet, muß es hören. Ent­sprechend heißt es hier auch: Die lieben Heiligen sind so von Herzen froh und voller Fröhlichkeit über die großen Wunder­werke, die Gott an ihnen tut, indem er sie von Sünden und Tod- das ist: von allem Übel sowohl Leibes wie der Seele – erlöst, daß sie vor Freude ihr Lied immer wieder beginnen, als wollten sie sagen: „Des Herrn Hand beweist Macht.“ Ja, freilich beweist des Herrn Hand Macht. So kann ja doch nichts helfen und trösten wie allein Gottes rechte Hand! Ach, was machen doch die Gottlosen, die auf sich selbst stehen, sich auf ihr Werk und ihre Weisheit verlassen, auf Trost und Hilfe von Menschen und Fürsten bauen und trotzen!

Wen es aber gelüstet, der kann diese drei Stücke auf die drei Werke Christi beziehen, daß er uns vom Gesetz, von Sünde, vom Tod erlöst hat, wie Jesaja 25,8 und [146] Paulus 1. Kor. 15,54 ff. diese drei aufzählen. Aber wie ich gesagt habe: Darin besteht die Kunst, daß man weiß, wie diese Worte durch und durch nur Geist sind und mit dem Glauben gehört, gesungen und verstanden werden müssen. Wer hier ohne diese – mit der Vernunft und nur äußerlich mit den Augen – das Maul offenhaben und gaffen will, der wird sich ärgern und das Gegenteil an den Gerechten und Heiligen sehen. Für die Augen der Welt müssen sie nämlich nichts als des Teufels Eigentum sein; niemand weniger gerecht und heilig als sie, niemand ein größerer Sünder und Ketzer als sie, niemand tiefer zum Tod und zur Hölle verdammt als sie, so daß ihre rechte Hand die rechte Hand des Teufels heißen kann. Hingegen sind ihre Gegner (in den Augen der Welt) allein heilig und selig. In dieser Lage er­weist sich die rechte Hand Gottes als gewaltig und überlegen, siegt und behält die Oberhand; denn sie sind Kinder Gottes und sonst niemand.

Der 17. Vers dieses Liedes „Ich werde nicht sterben, son­dern leben“ usw. berührt und bekennt die Not, aus der Gottes Hand den Heiligen hilft, nämlich den Tod. Sie fühlen wahrlich den Tod, wenn sie in Todesgefahr kommen, und es ist dem Fleisch kein süßes Tränklein, wenn der Tod in Sicht kommt. Und der Tod kommt nicht allein; er bringt auch Sünde und Gesetz mit sich. Darum [147] sieht man hieran deutlich, daß die Hei­ligen Märtyrer sein müssen; denn sie müssen in Todesgefahr schweben und mit dem Tod ringen und kämpfen. Geschieht es nicht durch die Tyrannen und Gottlosen mit Feuer, Schwert, Kerker und dergleichen Verfolgungen, so geschieht es doch durch den Teufel selbst. Der kann das Wort Gottes nicht er­tragen noch alle die, die es halten und lehren. Er setzt ihnen zu, sei es im Leben oder im Sterben. Im Leben tut er es mit den schweren Anfechtungen für den Glauben, die Hoffnung und die Liebe zu Gott. Da kann er ein Herz so mit Erschrecken, Zweifeln und Verzagen belagern und bestürmen, daß es Gott scheut, ihm feind wird und ihn lästert, so daß dem geplagten Gewissen nicht anders zumute ist, als seien Gott, Teufel, Tod, Sünde, Hölle und alles Geschaffene eins und dies alles sei sein ewiger, unablässiger Feind geworden. Nicht der Türke noch ein Kaiser können je eine Stadt mit solcher Gewalt bestürmen, wie der Teufel ein Gewissen bestürmen kann.

Im Sterben oder auf dem Totenbett kann er es auch, wenn Gott ihm dazu Raum gibt. Da ist er ein Meister im Aufbauschen von Sünden und Aufzeigen von Gottes Zorn. Es ist ein erstaun­lich mächtiger Geist, der aus einer geringen Sünde solch eine Angst erzeugen und eine solche Hölle aufbauen kann. Das ist nämlich gewiß wahr, daß [148] kein Mensch je seine richtigen Hauptsünden sieht, die da Unglaube, Verachtung Gottes, indem er Gott nicht fürchtet, ihm nicht vertraut und ihn nicht liebt, wie es eigentlich sein sollte, und dergleichen Sünden des Herzens sind, in denen die rechten Hauptsünden stecken. Es wäre auch nicht gut, wenn er sie sehen könnte. Denn ich weiß nicht, ob irgendein Glaube auf Erden ist, der ihnen gegenüber fest stehen und nicht umfallen und verzweifeln würde. Darum gibt Gott dem Menschen Raum zu den Tatsünden. Daraus kann der Teufel dir bald eine Hölle und Verdammnis zurichten, etwa daß du einen Trunk zuviel getan oder zu lange geschlafen hast, so daß du aus beschwertem Gewissen und Trauer darüber krank wirst und vor Leid sterben möchtest.

Und was wohl noch ärger ist: Er kann deine besten Werke vornehmen und sie dir so schandbar zunichte gemacht und verdammt in dein Gewissen hämmern und einrammen, daß dir alle deine Sünden nicht so bange machen können, wie es dir jetzt deine besten Werke tun, die doch fürwahr recht gut sind. Aber jetzt wolltest du, du hättest ganz große Sünde statt dieser Werke getan. Damit bezweckt er, daß du sie auch ver­leugnen sollst, als wären sie nicht durch Gott geschehen, damit du dadurch Gott lästerst. Da ist denn der Tod auch nicht fern, ja die Hölle dazu. Aber wer kann all seine Kunst aufzählen, wie er Sünde, Tod und Hölle [149] bereiten‘ kann? Es ist sein Handwerk, und er hat es über fünftausend Jahre getrieben und kann es besser als jeder Meister. Gleicherweise ist er auch ebensolange ein Fürst des Todes gewesen. Er wird es freilich oft versucht haben und darin wohl geübt sein, wie er einem armen Gewissen einen Vorgeschmack des Todes beibringen kann. Die Propheten, besonders der liebe David, haben es wohl gefühlt und versucht. Denn sie klagen, lehren und reden wahrlich davon, als seien sie oft dabeigewesen. Bald sprechen sie von des Todes Pforten, bald von der Hölle, bald vom Zorn Gottes.

Nun, es komme, wann und wie immer es komme, wir hören hier ohne Frage, daß die Heiligen sich mit dem Teufel raufen und mit dem Tod herumbeißen müssen. Er sorgt für Verfolger oder Pest und andere Krankheit und Lebensgefahr. Es ist aber bei solchem Kampf das für den Sieg Allerbeste und ihm Nächste, dies Liedchen der Heiligen singen zu lernen, das heißt sich selbst zu verleugnen und sich an die rechte Hand Gottes anzuklammern. Dadurch geschieht dem Teufel ein großer Betrug, so daß er leeres Stroh zu dreschen vorfindet,[49] nämlich folgendermaßen: „Ich will nichts sein. All meine Macht soll des Herrn sein“, wie oben gesagt ist. Wenn ich das tue, dann bin ich ganz und gar von mir selbst und all dem, was mein ist, leer geworden und [150] kann sagen: „Worum fichtst du, Teufel? Suchst du gute Werke und meine selbsterworbene Heiligkeit vor Gott zu tadeln? Ja, ich habe doch keine. Meine Macht ist nicht die meine; der Herr ist meine Macht. Lieber, zupfe mich an der leeren Hand und zähle Geld aus einem leeren Beutel![50] Suchst du aber meine Sünde zu verklagen, ja, ich habe doch keine. Hier gibt es nur die Macht des Herrn. Die magst du immerhin verklagen, bis du dessen satt wirst. Ich weiß weder von Sünden noch von Heiligkeit in mir. Nichts, nichts weiß ich als von Gottes Kraft in mir.“

Gar fein wäre es, sage ich, wenn einer so von sich selbst las­sen und den Teufel mit der leeren Tasche verspotten könnte, wie jener arme Hauswirt den Dieb verspottet, den er bei der Nacht in seinem Haus ergreift, und spricht: „Ach, du törichter Dieb! Willst du bei finsterer Nacht hier etwas finden, und ich kann bei hellem Tag nichts hierinnen finden?“ Was will denn der Teufel machen, wenn er so eine „leere“ Seele findet, die sich ihm gegenüber weder im Hinblick auf Sünde noch auf Heiligkeit ver­antworten will? Da muß er all seine Kunst sowohl im Vergrößern von Sünde wie im Zuschandenmachen von guten Werken fah­renlassen und wird auf die rechte Hand Gottes verwiesen. Die muß er wohl in Frieden lassen. Fällst du aber von diesem Lied ab und ertappt er dich in deinen Sünden und guten Werken und ge­stehst du ihm ein Verhandeln darüber zu [151], so daß du ihm zusehen und zuhören willst, dann kann er dich so zurichten, wie er dich nach seinem Wunsch gern haben will, so daß du Gott mit seiner rechten Hand und alles vergißt und verlierst.

Aber, wie wir gehört haben, ist es eine Kunst, sich selbst zu verleugnen. Wir haben daran zu lernen, solange wir leben, genauso wie alle Heiligen vor uns, neben uns und nach uns tun müssen. Deswegen, wie wir noch Sünde fühlen, so müs­sen wir auch den Tod fühlen, und wie wir kämpfen müssen, damit wir von Sünden frei werden und fest an der rechten Hand Gottes hängen, die uns sein Wort verkündigt, so müs­sen wir auch mit dem Tod und dem Todesfürsten oder Todes­amtmann, dem Teufel, kämpfen, bis wir ganz und gar frei werden. Siehe doch, wie dieser Vers solcherart Kampf auf­zeigt: Der Teufel oder Verfolger dringt auch mit dem Tod auf die Heiligen ein. Was tun sie aber? Sie kehren die Augen, ja sich selbst ganz davon ab, entäußern sich ganz ihrer selbst und halten sich an die Hand Gottes. Sie sprechen: „Ich muß nicht sterben, wie du, Teufel oder Tyrann, vorgibst. Du lügst. Ich werde leben. Denn ich will nicht von meinen eigenen noch von Menschenwerken reden. Ich weiß nichts von mir noch von meiner Heiligkeit, sondern ich habe des Herrn Werke vor Augen. Davon [152] will ich reden; die rühme ich; auf die ver­lasse ich mich. Der ist es, der von Sünden und Tod hilft. Kannst du diese Werke stürzen, dann hast du auch mich ge­stürzt.“

In diesem Sinn versteht dieser Vers die oben erwähnten zwei Dinge im 6. und 7. Vers, nämlich Trost und Hilfe, womit Gott den Frommen und Gerechten wohltut. Denn hier siehst du, wie die rechte Hand Gottes das Herz aufrichtet und mitten im Tod so mächtig tröstet, daß es sagen kann: „Und wenn ich gleich sterbe, so sterbe ich dennoch nicht. Wenn ich gleich leide, so leide ich doch nicht. Wenn ich gleich falle, so liege ich doch nicht danieder. Wenn ich gleich geschändet werde, so stehe ich doch nicht mit Schande da“ usw. Das ist der Trost. Weiterhin sagt er von der Hilfe so:„sondern ich werde leben“. Ist es nicht eine wundersame Hilfe, daß der Sterbende lebt, der Leidende fröhlich ist, der Fallende aufsteht, der Geschändete in Ehren ist, entsprechend den Worten Christi bei Johannes: „Wer an mich glaubt, der stirbt nicht, und wenn er gleich stürbe, soll er doch leben“ (Joh. 11,25). Auf diese Art redet auch Paulus 2. Kor. 4,8: „Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden, aber wir werden nicht verlassen. Wir unterliegen, aber wir ver­derben nicht“ usw. Das sind alles Worte, die kein Herz nach seiner Menschenart versteht.

Hier siehst du demnach, daß dieser Trost und diese ewige Hilfe im ewigen Leben besteht, welches die rechte, ewige Wohltat Gottes ist. Darauf kommt auch der ganze Psalm hinaus. Denn [153] weil er die fromme Schar von den drei Grup­pen absondert und diesen selben drei Gruppen doch alles ge­währt, was es in diesem Leben auf Erden gibt, nämlich welt­liche Herrschaft, geistliche Ämter und Güter, Nutzen und Gebrauch von allem Geschaffenen, darum muß notwendiger­weise für diese kleine fromme Schar ein anderes Leben seine Wohltat sein, nämlich das ewige Leben. Jene drei Gruppen gönnen und gestehen ihr ja nicht zu, was sie an Wohltat in diesem Leben ihr eigen nennen. Darum müssen dieser Trost der ewige Trost und diese Hilfe die ewige Hilfe sein. Und was kann es auch der Person des Psalmsängers nach anderes sein, weil er sich ja des Herrn selbst jenseits aller Fürsten- und Men­schengüter rühmt, die die anderen haben? Denn der Herr ist ja ein ewiges Gut. So kann sich auch jeder selbst aus rechnen, daß da, wo das Herz einen gnädigen Gott fühlt, Vergebung der Sün­den sein muß. Ist die Sünde weg, so ist auch der Tod weg und muß Trost und Zuversicht auf die ewige Gerechtigkeit und das ewige Leben dasein; daran kann es nicht fehlen.

Darum laßt uns hier in diesem Vers ein Meisterstück be­merken, wie gewaltig er den Tod aus unseren Augen vertreibt und nichts vom Sterben noch von Sünden wissen will. Statt dessen vergegenwärtigt er sich das Leben so unerschütterlich und will von nichts als vom Leben wissen. Wer aber den Tod nicht sieht, der lebt [154] ewig, wie Christus im Johannesevangelium spricht: „Wer mein Wort hält, der wird den Tod nimmermehr sehen“ (Joh. 8,51). So versenkt er sich also voll­kommen ins Leben hinein, damit der Tod vom Leben ver­schlungen wird und ganz verschwindet. Das folgt daraus, daß er mit festem Glauben an der rechten Hand Gottes hängt. In diesem Sinn haben alle Heiligen diesen Vers gesungen und müssen ihn vollends bis ans Ende singen. Besonders sehen wir das an den lieben Märtyrern. Die sterben vor der Welt dahin, und ihr Herz spricht doch in festem Glauben: „Auch jetzt will ich nicht sterben, sondern leben“ usw.

Hieraus sollen wir die Regel lernen, daß da, wo sich die Hei­ligen im Psalter und in der Schrift derart mit Gott von Trost und Hilfe in ihren Nöten besprechen, gewiß vom ewigen Leben und der Auferstehung der Toten gesprochen wird. Und solche Texte gehören alle miteinander zum Artikel von der Auferstehung und vom ewigen Leben, ja, zum ganzen dritten Hauptstück des Glaubensbekenntnisses, dem vom Heiligen Geist, von der hei­ligen Christenheit, von der Vergebung der Sünde, von der Auf­erstehung und vom ewigen Leben. Das alles quillt aus dem ersten Gebot hervor, wo Gott spricht: „Ich bin dein Gott“ usw. Dieses Wort bestätigt überzeugend jenes dritte Hauptstück des Glaubens. Denn weil die Frommen klagen, daß sie in diesem Leben sterben und Not leiden, und sich doch trotz allem eines anderen als dieses Lebens trösten, nämlich Gottes selbst, herüber diesem Leben und [155] jenseits seiner waltet, so ist es unmöglich, daß sie ganz und gar sterben und nicht ewig leben sollten. Nicht allein darum ist es unmöglich, weil Gott, an dem sie hängen und sich seiner trösten, nicht sterben kann und sie demnach in ihm leben müssen, sondern auch darum, weil Gott nicht ein Gott der Toten und derer sein kann, die nichts mehr sind, sondern Christi Worten[51] gemäß „ein Gott der Lebendigen und nicht der Toten“ sein muß. Darum müssen sie ewig leben: sonst wäre er nicht ihr Gott, und sie könnten auch nicht an ihm hängen, wenn sie nicht lebten. Demnach bleibt denn der Tod für diese kleine Schar nicht mehr als ein Schlaf.

Ist das wahr, daß sie in Gott leben, so muß vorher das andere wahr sein, daß sie Vergebung der Sünden haben. Haben sie aber keine Sünde, so haben sie gewiß den Heiligen Geist, der sie heiligt. Sind sie heilig, so sind sie die rechte, heilige, christ­liche Kirche und die kleine Schar und herrschen über alle Ge­walt des Teufels, müssen also wieder auferstehen und ewig leben. Siehe, das sind die großen, hohen Werke der rechten Hand des Herrn! Was sind doch die Werke aller Menschen und Fürsten dagegen, auf die alle Welt baut und trotzt? Spinnweben sind es – sagt Jesaja 59,5 –, die weder zu Kleidern noch zum [156] Schmücken dienen, sondern nur dazu, die herumirren­den, tollen Mücken und Fliegen, die leichtfertigen Seelen, damit zu fangen und für ewig zu töten.

Nun leben diese Heiligen nicht allein in jenem Leben, son­dern beginnen es hier im Glauben. Wo Glaube ist, da hat auch ewiges Leben angefangen, und die Schrifttexte vom Glauben gehören auch zu allen Glaubensartikeln, von denen oben die Rede war. Des Glaubens bedarf man nun bei den drei Gruppen nicht unbedingt zu diesem Leben. Die Gottlosen hängen ja am meisten an diesem Leben, und der Glaube kann auch nicht an irgend etwas hangen noch haften, was in diesem Leben Gel­tung hat, sondern bricht sich Bahn und hängt an dem, was über und außerhalb dieses Lebens ist, das ist Gott selbst. Daß aber die Heiligen dieses ewige Leben hier anfangen und im Sterben dennoch leben, bezeugt dieser Vers und spricht: „Und ich will verkündigen des Herrn Werk“. Wer des Herrn Werk verkündigen soll, der wird ja lebendig sein müssen. Indessen, obgleich sie tot sind, verkündigen doch ihr Geist und Blut, so wie Abels Blut gegen Kain redet (vgl. 1.Mose4,10) und es im Hebraerbrief heißt, daß der tote Abel durch seinen Glauben noch redet (vgl. Hebr. 11,4).

Und dies ist der allerärgste und verdrießlichste Vers für die Tyrannen und Mörder der Heiligen, wie ich kaum einen anderen in der Schrift weiß, daß die toten [157] Heiligen, von denen sie meinen, sie seien zum Schweigen gebracht und unterdrückt, nun erst recht zu leben und zu reden anfangen. Teufel auch! Es ist nicht gut, mit den Heiligen zu streiten, wenn sie nach dem Tod erst recht ebendas anfangen, weswegen sie getötet wer­den. Außerdem wollen sie nachher in Ewigkeit nicht aufhören noch ablassen und wollen auch hinfort ungetötet und nicht zum Schweigen gebracht bleiben, sondern ewig des Herrn Werk ver­kündigen. Der Papst hat Johannes Hus und viele Heilige ver­brannt, jetzt vor kurzem auch Leonhard Kaiser[52] und viele an­dere. Aber wie sicher hat er ins Ziel getroffen und sie zum Schweigen gebracht, wenn ihr Blut jetzt fortdauernd gegen ihn schreit, bis er all seine Macht verloren hat! Nun muß er betteln gehen und fremde Gewalt, nämlich Kaiser und Fürsten, an­rufen, die er vorher durch seine eigene Macht mit Füßen trat. Wenn die jetzt ebenso täten, wäre der arme Bettler längst von Motten aufgefressen, obgleich auch diese erbettelte Hilfe ihm wenig hilft und er endlich doch im Stich gelassen wird und Johannes Hus sich überlegen bleiben lassen muß.

Der 18. Vers ist auch ein Meisterstück in diesem Lied und be­nutzt einen rhetorischen Kunstgriff, der „confutatio, tapinosis, interpretatio[53] heißt, und spricht: „Der Herr züchtigt mich wohl, aber übergibt mich dem Tod nicht.“ [158] Was bedeutet das? Er hat sich gerühmt: „Ich werde nicht sterben, sondern leben.“ Darauf antworten das eigene Ich, Welt, Menschen und Fürsten und wollen ihn weich und schwach machen: „Heißt das nicht gestorben, wenn du verbrannt, geköpft, ertränkt, er­würgt, verdammt, verjagt wirst? Ich meine, du solltest doch füh­len, ob das ‚leben‘ heißen kann. Wo ist nun dein Gott? Laß ihn dir helfen? Amen, ja Elias wird kommen und dich abnehmen“ (vgl. Matth. 27,49). Darauf antwortet er, bleibt fest und tröstet sich so: „Ei, Lieber, es ist nichts, das Sterben. Es ist nur eine väterliche Rute. Es ist nicht Zorn. Es ist nur freundliche Mah­nung. Es ist nicht ernst. Er züchtigt mich so wie ein lieber Vater sein liebes Kind. Es tut wohl ein wenig weh und ist nicht lauter Zucker, sondern es ist eine Rute. Aber sie tötet nicht, sondern hilft desto eher zum Leben.“ Wohlan, das ist ein guter Dol­metscher und eine starke Widerlegung (confutatio), wenn einer aus dem Wort „Tod“ eine heilsame Rute machen kann. Diese Kunst müssen der Heilige Geist und die rechte Hand Gottes lehren. Denn es tut ja maßlos weh, wenn die Leute zu dem Lei­den noch lästern, spotten, den Kopf schütteln und sich übel ver­halten, wie die Juden es gegenüber Christus am Kreuz taten (vgl. Matth. 27,39 f.). Fleisch und Blut tun das Gegenteil, machen aus einer [159] heilsamen Rute den Tod und die Hölle; denn sie wollen alsbald verzweifeln und verzagen, wenn es auch nur an einem Brot fehlen will. Die sind kein guter Dol­metscher.

Dagegen ist es eine viel größere Kunst, wenn einer diesen Vers singen kann, falls der Teufel sich so übel verhält, daß der Tod da ist, wie er gegenüber dem lieben Hiob und vielen an­deren Heiligen handelte. Der kann einem Herzen den Tod so gewaltig vor Augen stellen, nicht einfach wie ein Mensch dahersagen: „Du wirst verbrannt, ertränkt“ usw., sondern kann es aufbauschen, welch schreckliche, greuliche, ewige Sache der Tod ist, und dazu von Gottes Zorn reden und ihm schwere Ge­danken ins Herz treiben und rammen, daß es unerträglich und nicht auszuhalten ist. Hier liegt es darum wahrlich an einem guten Ausleger, der den Teufel mit diesem Vers überschreien und überwinden und sagen kann: „Dennoch ist es nicht der Tod noch Zorn. Dennoch ist es gnädige Züchtigung und väterliche Strafe. Dennoch weiß ich, daß er mich dem Tod nicht anheim­gibt, und will es dennoch nicht glauben, daß.es Zorn ist, und wenn es alle Teufel in der Hölle zusammen sagten. Ja, wenn es gleich ein Engel vom Himmel sagte, so sei er verflucht (vgl. Gal. 1,8)! Und wenn Gott selbst es sagte, so wollte ich trotzdem glauben, er versuche mich wie Abraham und stelle sich so zornig und es sei doch nicht ernst damit. Er widerruft ja sein [160] Wort nicht. Es soll heißen: ‚Er züchtigt mich auf diese Wei­se, aber er will mich nicht töten.‘ Dabei bleibe ich und lasse mir das nicht nehmen noch anders deuten, verdolmet­schen und auslegen.“

Der Psalmist fühlt den Tod wohl, aber er will ihn nicht fühlen, und er soll nicht „Tod“ heißen. Er halt sich dagegen an die gnädige rechte Hand Gottes. Er leugnet auch nicht, daß Gott ihm diesen Tod zuschicke, aber er ist im Einverständnis mit Gott, daß sie beide es nicht „den Tod“ heißen noch sein lassen wollen, sondern es „die Rute des Vaters“ und „die Strafe für das Kind“ sein soll. Wohlan, das sind ja alles hohe Worte, die in Menschen- oder Fürstenherzen nicht sind noch hineinkommen können, wie Paulus 1. Kor. 2,7 sagt: „Wir reden von der heimlichen. verborgenen Weisheit Gottes, welche kein Fürst dieser Welt kennt.“ Soviel sei diesmal von diesem schönen Lied der lieben Heiligen gesagt. Es folgt:

19. Tut mir auf die Tore der Gerechtigkeit, daß ich hineingehe und dem Herrn danke!

Wie? Hat er nicht bisher den ganzen Psalm hindurch ge­dankt, und es ist nichts wie Dank gewesen? Was bittet er denn hier, die Tore aufzutun, daß er danken [161] kann? Es ist alles namens der lieben Väter im Alten Testament gesagt, welche von Herzen nach dem Reich Christi und der Offenbarung des Evangeliums verlangt hat, wie er im nächsten Psalm davon geweissagt hat, und will also besagen: „Ach Herr Gott, möchte ich doch auch unter der Schar derer sein, wo man dieses Lied von den Werken und Wohltaten Christi singen wird, und könnte hel­fen zu danken, zu loben, zu verkündigen! Oh, wie fröhlich wollte ich sein! Ach, wer tut mir die Tore auf und hilft mir dahinein, wo erst das rechte, ungehinderte, fröhliche Danken und Loben be­ginnt!“ Aber jetzt ist es noch alles verschlossen, und das Evan­gelium und die Christenheit sind noch nicht offenbar geworden, wie es so auch der 42. Psalm sagt: „Ich wollte gern mit der Schar hinüberwallfahren und mit ihnen zum Hause Gottes gehen mit Gesängen des Rühmens und Dankens unter der Schar derer. die da feiern“ (Ps. 42,5).

So spricht auch Christus (Luk. 10,23) zu seinen Jüngern: „Selig sind die Augen, die da sehen, was ihr seht, und die Ohren, die da hören, was ihr hört! Ich sage euch nämlich, daß viele Könige und Propheten gern gesehen hätten, was ihr seht, und haben es nicht gesehen und gern gehört, was ihr hört, und haben es nicht gehört.“ So ist denn dieser Vers ein sehnliches Gebet um das Reich Christi und das Evangelium, und daß die schwere Last des Mosegesetzes aufhören möchte, wovon [162] Petrus Apg. 15,10 sagt: „welches weder wir noch unsere Väter haben tragen können.“ Er nennt aber das Neue Testa­ment „Tore der Gerechtigkeit“, weil man nach hebräischer Weise mit „Tore“ Rathäuser, Schulen, Synagogen, Richt­häuser und derartige öffentliche Stätten bezeichnet, wo man vor der Gemeinde öffentliche Streitigkeiten schlichtet, wie Spr. 31,23 „Ihr Mann ist in Ehren, wenn er im Tor unter den Ratsherren im Land sitzt“ geschrieben steht und an ähnlichen Stellen hier und dort, wie sie oft im Alten Testament gefunden werden.[54] Darum sind die „Tore der Gerechtigkeit“ nichts an­deres als die Kirchspiele oder Bistümer, in denen man öffent­lich die Aufgaben der Christenheit wahrnimmt wie predigen, Gott loben, danken, singen, taufen, das Sakrament reichen und empfangen, strafen, trösten, beten und was zur Seligkeit ge­hört. Dort sitzen ja die Ratsherren des geistlichen Reiches Christi, nämlich Pfarrer, Prediger, Bischöfe, Lehrerund andere Seelsorger.

Er nennt sie aber „Tore der Gerechtigkeit“ im Rahmen des Alten Testaments. Im Neuen Testament gibt es ja ausschließ­lich Lehre von der Vergebung der Sünden, von der Gnade, vom Glauben, der gerecht und heilig macht, und gar nichts von Ge­setzeswerken noch von selbstgewählten Werken. Das Gesetz aber treibt in seinen „Toren“ und Schulen zu Werken und macht Sünder, mehrt Sünde und Zorn, wie Paulus zu den Römern und Galatern sagt.[55] Es kann nicht zur Gerechtigkeit [163] helfen, so daß es eher heißen kann „Tore der Sünde“ oder „der Ungerech­tigkeit”; denn Gesetz ist nicht Gnade. Nun aber allein Gnade ge­recht macht, ist es unmöglich, daß Gesetze gerecht machen können, sondern sie müssen Sünder machen und Zorn erregen, Röm. 4,15. Darum auch darf Paulus 2. Kor. 3,7 kühn das Ge­setz des Moses „ein Amt des Todes“ nennen und Gal. 2,16 f. „ein Amt der Sünde.“ Dazu spricht er 1. Kor. 15,5:„Das Ge­setz ist der Sünde Kraft und die Sünde des Todes Stachel.“ Folglich gehören auch jetzt unsere Werklehrer – von denen die Welt voll ist –, fast alle Bischöfe und Geistlichen, in das Alte Testament und haben auch diese Tore der Gerechtigkeit wieder verschlossen und Tore der Sünde daraus gemacht, wozu sie so gut wie zu sonst nichts taugen; denn durch völliges Menschen­gesetz beschweren und verwirren sie die Gewissen mit fal­schen, unnötigen, erdichteten Sünden, wie Christus und die Apostel von ihnen geweissagt haben.[56] Aber es bleiben ja den­noch etliche Tore der Gerechtigkeit.

20. Hier ist das Tor des Herrn, zu dem die Gerechten hinein­gehen.

Wie er das Alte Testament im vorausgehenden Vers vom Neuen geschieden und nach der Lehre und der Verkündigung aufgehoben hat, so scheidet er es [164] hier auch von diesem hinsichtlich des Gottesdienstes, worauf die Juden sich doch soviel zugute taten und nichts höher rühmen konnten als ihren heiligen Tempel und ihre Opfer und Rauchopfer, wozu ja das ganze Priestergeschlecht der Leviten bestimmt war. „Hier, hiersprachen sie – „zu Jerusalem ist des Herrn Tempel (vgl. Jer. 7,4). Das ist das rechte Tor, durch das man zum Herrn hineingehen, opfern, räuchern, Gott dienen und fromm werden muß.“ Weil er es nämlich nicht einfach „Tore“, sondern „des Herrn Tor“ nennt und als von einem einzigen Tor redet, so meint er das Tor am Tempel, in dem der Herr in besonderer Weise – wie in einem Schloß oder Rathaus – wohnt und der Gottes­dienst am herrlichsten und meisten geübt wurde. Aber es geht ohne Tempel und ohne Räucherei und ohne Opfer. Hier ist der rechte Tempel, das rechte Tor, der rechte Gottesdienst, das rechte Opfer, das „Dankopfer“ heißt, wovon er im nächsten Vers redet und später mehr sagen wird.

Sodann gingen dort auch viele böse Buben, Heuchler und Sünder zum Tor des Tempels hinein. Doch hierzu diesem „Tor des Herrn“ gehen nur Gerechte und Heilige hinein, um Gott zu dienen. Denn es ist und kann niemand in der Christengemeinde oder ein Glied der Christenheit sein, er sei denn richtig gläubig, das ist, gerecht und heilig, wie der Glaubensartikel bezeugt: „Ich [165] glaube eine heilige christliche Kirche.“ Wer aber nicht richtig gläubig noch heilig und gerecht ist, der gehört nicht in die heilige christliche Kirche und kann zu diesem Tor des Herrn nicht eingehen, kann auch nicht beten, Dank opfern, loben oder Gott dienen, kennt auch Gott nicht, obgleich er seinem äußerlichen Lebenswandel nach unter den Christen lebt oder sogar als Pfarrer, Prediger, Bischof ein Amt unter den Christen hat oder auch das Sakrament äußerlich mitgenießt. So sagt auch 1. Joh. 3,6: „Wer in ihm bleibt, der sündigt nicht. Wer aber sündigt, der hat ihn weder gesehen noch erkannt“und weiter: „Wer Sünde tut, der ist vom Teufel“ (1 Joh. 3,8).

Dies ist auch der Artikel, der bei dem löblichen Konzil zu Kon­stanz verdammt worden ist und damit dieser Vers und die ganze Heilige Schrift.[57] Johannes Hus bekannte damals, daß eine heilige christliche Kirche sei und wenn der Papst nicht fromm und heilig wäre, so könnte er nicht ein Glied, noch viel weniger das Haupt der heiligen Kirche sein, wenngleich er das Amt darin hätte. Deswegen mußte er als ein Ketzer brennen und verflucht werden. Aber vielmehr wurde damit St. Petrus verflucht, der sie 2. Petr. 2,13 „Schande und Laster“ der heiligen Kirche nennt. Wenn er noch lebte, der Teufel würde ihn bei diesen „Heiligen Mördern“ ertappen und den Johannes auch, der frei heraussagt: „Wer Sünde tut, [166] der ist vom Teufel.“ Aber sie entgegnen und sagen: „Wenn der Papst, wenn Bischöfe und sie alle auch noch so sehr sündigen, so sind sie dennoch weder vom Teufel noch von seiner Schule, sondern sind von Christus und Gott, Glieder und Häupter der heiligen Christenheit.“ Ja, sie sind „Glieder der Kirche“, so wie Speichel, Rotz, Eiter, Schweiß, Mist, Harn, Gestank, Grind, Blattern, Drüsenkrankheit, Geschlechtskrankheit und alle Seuchen „Glie­der des Leibes“ sind! Dieses ist ja alles auch so im und am Leib wie Flecken und Unflat, die der Leib mit großer Gefahr, Mühe und Unlusttragen muß!

Ich hoffe aber, es weiß nun so ziemlich jedermann, daß, wer sich als Christ rühmen will, sich auch als Heiligen und Gerech­ten rühmen soll. Ein Christ muß ja doch gerecht und heilig sein, oder er ist kein Christ, weil doch die Christenheit heilig ist. Die ganze Schrift nennt die Christen heilig und gerecht, wie es dieser Vers tut und sie im Buch Daniel oft genannt werden, Kapitel 7,18. 22. 25. 27; und dies ist kein Hochmut, sondern ein notwendiges Bekenntnis und ein Glaubensartikel. Die Heuchler im Papsttum mit ihrer falschen, lästerlichen Demut rühmen sich, Sünder zu sein, wollen nicht „heilig“ heißen und rühmen doch ihre Stände, Orden, Regeln und Leben als heilig, [167] geben auch ihre Werke als Heiligtum aus. Freilich lügen sie damit nicht, daß sie sich für Sünder halten, wenn sie es nur mit Ernst aus dem Herzen heraus sagten, was sie doch nicht tun. Aber sie lügen sich selbst gegenüber: sie sind vor Gott Sün­der, und all ihr Tun ist unrecht, aber sie wollen das nicht wahr­haben, sondern heilig sein und sich nur mit dem Maul als Sünder demütigen. Das ist eine zweifache Lüge und Lästerung Gottes.

Wir aber sollen wissen, daß wir für unsere Person als Adams Kinder wohl verdammte Sünder sind und von uns aus keine Ge­rechtigkeit noch Heiligkeit haben. Aber weil wir getauft sind und an Christus glauben, sind wir in Christus und mit Christus heilig und gerecht. Er hat ja unsere Sünde von uns genommen und uns mit seiner Heiligkeit begnadet, bekleidet und geziert. Auf diese Weise ist die ganze christliche Kirche heilig, nicht an sich selbst noch durch ihre eigenen Werke, sondern in Christus und durch Christi Heiligkeit, wie Paulus sagt Eph. 5,26: „Er hat sie gereinigt durch das Bad im Wort des Lebens.“ Wer sich nun zu rühmen und zu bekennen scheut, daß er heilig und gerecht ist, der tut genauso, als spräche er: „Ich bin nicht getauft, bin kein Christ, glaube auch nicht an Christus, glaube auch nicht, daß Christus für mich gestorben ist, glaube nicht, daß er meine Sünde getragen hat, glaube nicht, daß sein Blut mich gereinigt [168] hat noch reinigen kann. Kurzum, ich glaube von dem kein Wort, was Gott von Christus bezeugt und die ganze Schrift sagt.“ Was ist das aber wohl für ein Mann, der dies denkt oder redet? Welcher Türke oder Jude ist ein so hoffnungslos böser Mensch? Nun denken und glauben gewiß alle die so, welche durch Werke fromm und selig werden wollen wie die Mönche und Pfaffen mit dem ganzen Papsttum. Darum verleugnen sie Christus, sagen Petrus 2. Petr. 2,1 und Paulus Gal. 5,4.

Außerdem berührt er auch jede andere, äußerlich begründete Geltung der Person, daß nämlich in der Christenheit kein An­sehen der Person besteht. Dagegen geht ungeachtet, ob er ein Jude, Grieche, Mann, Weib, Jungfrau, verehelicht, Knecht, Magd, reich, arm, König, Fürst, Edelmann, Bürger, Bauer, stark oder schwach ist, wer da glaubt und dadurch gerecht ist, zu dieser Pforte ein. Denn die Juden rühmten sich dessen hoch, daß sie Abrahams Samen waren (vgl. Joh. 8,33) und das Ge­setz hatten, als wären sie deswegen die, die Gott am nächsten sind, wie auch jetzt unsere Geistlichen die Besten und die Non­nen besondere „Bräute Christi“ sein wollen. Aber es heißt: Die Gerechten gehen hier hinein; Mönche und Nonnen gehen nicht hinein, wenn sie nicht vorher gerecht und Christen werden. „Das Reich Christi besteht ja nicht in äußeren Gebärden und äußerlichem Wesen“, spricht Christus Luk. 17,20 f., und „man kann hier [169] nicht sagen: Siehe da, siehe dort ist es! In­wendig ist es im Herzen.“ Aber das ist auch „schwer“ zu glau­ben, daß dies wahr ist, und es gehört auch zu den „verdamm­ten“ Ketzerartikeln!

21. Ich danke dir, daß du mich demütigst und bist mein Heil.

Das sind die Opfer und Gottesdienste, die im Neuen Testa­ment im Tor des Herrn von den Gerechten und Christen geübt werden, nämlich daß sie Gott danken und ihn mit Predigen, Lehren, Singen und Bekennen loben. Von derartigen Opfern gibt es zwei: Eines ist, daß wir uns demütigen, wovon David Psalm 51,19 sagt: „Die Opfer für Gott sind ein geängsteter Geist. Ein geängstetes und zerschlagenes Herz verschmähst du, Gott, nicht.“ Das ist ein großes, weitreichendes, langes, tägliches und unaufhörliches Opfer, wenn uns Gott durch sein Wort in allen unseren Werken straft und unsere Heiligkeit, Weisheit und Kraft nichts sein läßt, so daß wir vor ihm Schul­dige und Sünder sein müssen: Röm. 3,23. Und er gibt dem Wort Nachdruck und erschreckt das Gewissen und plagt es mit aller Art Trübsal sehr, so daß wir im Hinblick auf den alten, sündhaften Adam mürbe und weich werden, [170] bis unser Stolz, unser Trost und unsere Zuversicht auf unser Tun und Wis­sen ganz tot sind, welches am Lebensende vollendet wird. Siehe, wer das leiden, dulden, darin festbleiben und beharren kann, dazu Gott in dem allen loben und ihm danken kann, weil er es herzlich gut meint – siehe, der singt diesen Vers: „Ich danke dir, daß du mich demütigst.“ Er sagt nicht: „Der Teufel demütigt mich“, sondern: „Du, du! Es ist dein gnädiger Wille mir zugute. Ohne deinen Willen würde es der Teufel wohl lassen.“

Das zweite Opfer besteht darin: Wenn uns Gott dagegen auch wieder tröstet und hilft, daß der Geist und der neue Mensch soviel zunehmen, wie das Fleisch und der alte Mensch abnehmen. Er schenkt uns je länger, desto größere und rei­chere Gaben und hilft uns immerzu siegen und zu triumphieren, so daß wir vor ihm und in ihm fröhlich sind, wie er Ps. 49 (50,15) sagt: „Rufe mich an in der Not, so will ich dir helfen, so sollst du mich preisen. Opfere deinem Gott Dankopfer und bezahle deine Gelübde!“ Wer das tut, der singt diesen Vers: „Ich danke dir, daß du mein Heil, Helfer und Heiland bist.“ Dies ist auch ein ewiges, großes, tägliches Opfer seitens der Gerechten im Tor des Herrn. Hiermit verwirft und hebt Gott alle Opfer des Alten Testamentes auf, die Abbilder und Gleichnisse jener Dankopfer gewesen sind und von Frommen wie Bösen [171] geschehen konnten. Aber diese Dankopfer kann niemand bringen als allein die Frommen, Gerechten oder die Christen. Das sieht man auch gut an der Erfahrung, wie die Juden zur Zeit der Apostel so wie jetzt unsere Werkheiligen tobten, daß man ihre Werke und Weisheit verwirft. Sie wollen nicht gedemütigt sein, lästern, anstatt zu danken, schelten, verfolgen, morden und meinen, dies ihr Wüten sei für Gott das allerangenehmste Opfer, Joh. 16,2.

So ist nun dieser Vers fröhlich und singt mit aller Lust daher: „Bist du nicht ein wundersamer, liebevoller Gott, der du uns so wunderbar und freundlich regierst! Du erhöhst uns, wenn du uns erniedrigst. Du machst uns gerecht, wenn du uns zu Sün­dern machst. Du führst uns zum Himmel, wenn du uns in die Hölle stößt. Du gibst uns den Sieg, wenn du uns unterliegen läßt. Du machst uns lebendig, wenn du uns töten läßt. Du tröstest uns, wenn du uns trauern läßt. Du machst uns fröhlich, wenn du uns wehklagen läßt. Du machst uns singen, wenn du uns weinen läßt. Du machst uns stark, wenn wir leiden. Du machst uns weise, wenn du uns zu Narren machst. Du machst uns reich, wenn du uns Armut zuschickst. Du machst uns zu Herren, wenn du uns dienen laßt“, und dergleichen Wunder mehr, die alle in diesem Vers einbegriffen sind und in der Chri­stenheit miteinander durch diese kurzen Worte gerühmt wer­den: „Ich danke dir, daß du mich demütigst, mir aber zugleich auch hilfst.

22. Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eck­stein geworden.

Hier kommt er nun zum Haupt der heiligen Christenheit und stellt ihn uns auch zum Vorbild vor Augen. Er ist ja auch so gut und mehr als alle Heiligen gedemütigt und erhöht worden, daß es uns nicht seltsam noch verwunderlich vorkommen soll, wenn wir auch Trübsal und Anfechtung leiden.„Haben sie den Hausvater ‚Beelzebub‘ geheißen, wieviel mehr werden sie seine Hausgenossen [172] so heißen.“„Ein Knecht ist nicht besser als sein Herr“ (Matth. 10,25 und 24). Er faßt aber in diesem Vers in Kürze das Leiden und Auferstehen Christi zu­sammen. Denn damit, daß er „verworfen“ ist, weist er auf sein Leiden, Sterben, Schmach und Hohn hin, worunter Christus ge­raten ist; dadurch, daß er zum „Eckstein“ geworden ist, weist er auf sein Auferstehen, Leben und Herrschaft in Ewigkeit hin. Er führt es unter dem Gleichnis eines Bauwerks vor: Es ist so, als wenn sich etwa ein Stein nicht in die Mauer einfügen noch zu den anderen Steinen passen will, sondern das ganze Ge­bäude entstellt und ein unbrauchbarer, unnützer Stein ist, so daß man ihn wegwerfen muß. Nun käme ein anderer, fremder Meister, der den gleichen Stein richtig zu brauchen weiß, und spricht: „Wartet, ihr großen Narren! Seid ihr Baumeister und mögt den Stein nicht? Für mich ist er gut. Er soll mir nicht Lückenbüßer sein noch nur einen Füllstein abgeben, auch nicht so wenig wert wie ein gewöhnlicher Backstein sein. Nein, er soll einen Eckstein im Fundament abgeben, der mir nicht eine Mauer, sondern zwei Mauern tragen und mehr leisten soll als ein anderer Stein, ja, mehr als alle Steine im ganzen Bau­werk.“

Genausowenig wollte Christus zum Wesen und der Heiligkeit der Pharisäer noch zu der ganzen Welt passen. Sie konnten ihn nicht ertragen. Er entstellte ihnen ihr ganzes Bauwerk, strafte und schalt ihr schönes, äußerlich heiliges Wesen. Da wurden sie zornig, verdammten und verwarfen ihn; denn sie wußten es nicht, wozu er gut war. Da nahm ihn Gott, der rechte Bau­meister, und machte aus ihm einen Eckstein als Fundament, auf dem die ganze Christenheit, sowohl aus Juden wie aus Hei­den zusammengebracht, steht. So geht es noch immer: der Stein ist verworfen, heißt verworfen, bleibt verworfen. Aber nichtsdestoweniger ist und bleibt er für die Gerechten und Gläubigen, die nicht auf ihr eigenes Menschenwerk noch auf Fürstenmacht bauen, sondern auf diesen Stein: teuer, edel und wertvoll.

Merke aber, wer die sind, die diesen Stein verwerfen! Es sind keine schlechten Leute, sondern die Allerbesten, nämlich die Heiligsten, die Klügsten, die Gelehrtesten, die Größten, die Edel­sten. Sie müssen sich an dem Stein stoßen. Denn die elenden, armen Sünder, die Betrübten, Irrenden, Verachteten, Geringen, Ungelehrten werden seiner froh und haben ihn von Herzen gern. Jene aber heißen Bauleute, das ist: Leute, die das Volk erbauen, bessern und zu seinem Besten mit Lehren und Predigen regieren. Sie gelten nicht für Zerstörer, Schädliche, Untüchtige, sondern Bauleute sind sie, die nötigsten, nützlich­sten, besten Leute auf Erden. Wenn sie nicht wären, fiele gewißlich der Himmel ein, ehe es Abend würde, und Land und Leute würden verderben. Das geht auf die Regierenden sowohl in geistlichen wie in weltlichen Ständen, die durch ihre Rechts­satzungen [173] Land und Leute so eingeordnet haben, daß es Bestand hat, und darüber hinaus auch Gott selbst meistern wollen. Ebendiese waren es im jüdischen Volk, die Hohen­priester und Fürsten zu Jerusalem und Pilatus von Rom und Herodes aus Galiläa, die diesen Stein verwerfen mußten und nicht in ihrem Bauwerk bzw. in ihrer Herrschaft ertragen konnten; denn sie wußten es wohl besser.

Darum, wenn Könige, Fürsten, Bischöfe, Herren, heilige, weise, kluge, reiche, gelehrte Leute das Evangelium verfolgen, ist das ein Wunder? Wer sollte es sonst tun? Es kann doch sonst niemand tun. Wenn es ums Verfolgen geht, so müssen es diese tun; denn sie sind die Bauleute. Sie tun es auch von Amts wegen; denn sie müssen zusehen, daß ihr Bauwerk nicht eine Lücke, einen Riß oder eine Unförmigkeit erhalte. Darum sollen und können sie Gottes Wort und die, die es verkündigen, nicht ertragen. Christus entstellt ja ihr Bauwerk, macht Lücken und Risse hinein, ist ein Aufrührer und verführt das Volk, wel­ches sie so schön aufgebaut, geordnet und ihm eine Verfas­sung gegeben haben; er macht es völlig anders als sie.

Merke aber zum großen Trost, daß hier zwei Bauwerke ein­ander gegenüberstehen. Eines verwirft das andere. Aber das, das verworfen wird, hat einen mächtigen Baumeister, der an­statt eines Steines zwei feste, ewige Mauern aufrichtet. Wo bleiben inzwischen das Bauwerk und die Bauleute, die jenes verwerfen? Von ihnen wird hier ganz geschwiegen. Gott weiß nichts von ihnen. Das ist ein Zeichen, daß sie mit ihrem Bau­werk zunichte werden; denn er redet allein von dem verwor­fenen Stein. Dessen nimmt er sich an. Darum hüte dich und laß dich nicht innerhalb des Bauwerks finden, das allzugern ver­dammt, verwirft und die Oberhand behält! Denn Gott will dich nicht verworfen haben und die, die dich verwerfen, nicht kennen, so daß sie zugrunde gehen und du ewig bleibst. Es sollen doch keine Gerechtigkeit, kein Werk, keine Heiligkeit ohne diese einzige Bestand haben, die Christus ist, dieser Eckstein. Es gibt ja keinen anderen Eckstein. Unsere eigenen Werke – man baue auch ewig daran – können nicht dieser Eckstein, son­dern müssen Spreu vor dem Wind sein. Daran ändert sich nichts. Es heißt: Dieser verworfene Stein ist der Eckstein oder der Grundstein, auf dem alles steht (vgl. 1. Kor. 3,10 f.).

23. Das ist vom Herrn geschehen und ist ein Wunder vor unseren Augen.

Der Herr selbst, sagt er, ist dieser seltsame Baumeister, der die Weisen und Bauleute aller Welt zu Narren macht, der er­wählt und erhöht, was sie verwerfen, wie auch Paulus 1. Kor. 1,27 sagt: [174] „Was töricht ist vor der Weit, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache“ und der Prophet Habakuk:„Schaut hin unter die Heiden und verwun­dert euch! Denn ich will etwas tun zu euren Zeiten, was ihr nicht glauben werdet, wenn man davon sagen wird.“ Obgleich Gott, wie dieser Vers sagt, allezeit solche Werke tut, die kein Gottloser glaubt, und sie darüber zu Narren werden müssen, ist dies doch etwas Besonderes, daß er hier diesen verworfenen Stein zum auserwählten Eckstein macht. Das ist so ein großes, seltsames Werk, daß nicht allein alle Heiden mit all ihrer Weis­heit und Vernunft daran zu Narren geworden sind, sondern sich auch sein eigenes Volk – die Juden – so daran gestoßen und geärgert hat, daß es darüber ganz und gar zugrunde gegangen ist. Sie haben sowohl Königreich wie Priestertum, dazu Himmel und Erde verloren und sind durch kein Wunderzeichen, so zahl­reich und greifbar diese gewesen sind, bewahrt worden, und noch jetzt werden sie durch so lange Strafe und Plage nicht wie­derhergestellt werden können.

Und was verursacht noch heutigen Tages unter uns Christen solche Zwietracht, so viel Ketzerei und Sekten? Wer macht das Papsttum jetzt so tobend, wütend, blind, toll und töricht, so daß sie die Lehre nicht ertragen können, der Glaube ohne Werke mache fromm, selig, lebendig und frei von Sünden, Tod und Teufel? Und doch bekennen sie mit dem Munde, daß Christus dieser verworfene und erwählte Eckstein ist, und wollen es doch nicht Wirklichkeit wer­den lassen und mit der Tat zu­gestehen. Was ist es ein Wunder, daß irdisch gesinnte Leute und falsche Heuchler sich hieran stoßen, wenn doch David hier sagt, es sei auch selbst für unsere Augen ein Wunder? Denn wiewohl sich die lieben Heiligen und Christen nicht daran ärgern, ist es doch für ihre Herzen ein Wunder und schwer zu glauben. Sie haben auch ihr Leben lang daran zu lernen, daß sie es glauben. Was andere fühlen, das wissen sie am besten. Aber ich halte mich dennoch für einen Christen. Ich weiß aber wohl, wie sauer und schwer es mir geworden ist und noch täg­lich wird, daß ich diesen Eckstein ergreife und festhalte. Man mag mich „lutherisch“ nennen, aber man tut mir gar sehr Un­recht, oder ich bin jedenfalls ein geringer und schwacher Lutherischer. Gott stärke mich!

Ja, diese Worte[58] „Christus ist unser Heil“, „er ist unsere Ge­rechtigkeit“, „unsere Werke helfen uns nicht von Sünden und Tod“, „der einzigartige verworfene Eckstein muß es tun“ usw. sind schnell gelernt und ausgesprochen. Wie fein und gut auch ich sie kann, zeigen und bezeugen meine Büchlein. Aber wenn es zum Treffen kommt, daß ich mit dem Teufel, Sünden, Tod, Not und Welt mich herumbeißen soll, während sonst keine Hilfe, Rat und Trost außer dem einzigartigen Eckstein da ist, da empfinde [175] ich wohl, was ich kann und was für eine Kunst es ist, an Christus zu glauben. Dann sehe ich wohl, was David mit diesem Wort meint: „Es ist ein Wunder vor unseren Augen.“ Ja, freilich erscheint es uns verwunderlich und fast ärgerniserregend und überhaupt gar nichts. Aber meine Papisten, die singen es so dahin, und es ist bei ihnen ein Ge­ringes und Leichtes vor unseren Augen. „Was Glaube, Glaube?!“ sprechen sie. „Meinst du, daß wir Heiden oder Juden sind?“ So schnell kann diesen Vers niemand sprechen, wie sie ihn in einem Augenblick völlig „ausgeglaubt“ haben. Ja leider, allzu gänzlich ausgeglaubt, so daß sie weder uns noch sonst jemandem etwas davon übriggelassen haben!

Wohlan, die ganze Schrift sagt, daß Gott wunderbar in allen seinen Werken ist, und nennt ihn einen Wundertäter. Aber die Welt glaubt es nicht, bis sie es erfährt. Dagegen phantasiert ein jeder in seinem Herzen von Gott, wie es ihm recht und gut er­scheint, daß Gott so und so handeln werde. Sie malen ihm also alle Worte und Werke vor, wonach er sich richten müsse. Keiner denkt aber so bei sich: „Lieber, wenn er so täte, wie ich es denke und begreife, so wäre es ja nicht wundersam. Wie aber, wenn er es viel höher und anders macht, als ich es denke?“ „Nein, da wird nichts daraus“, spricht Jesaja (vgl. Jes. 55,8). Sie lassen von ihrem Denken nicht. Sie zimmern und hobeln sich einen Gott zurecht, wie sie ihn gern hätten. Ein Mönch zim­mert für sich selbst einen solchen Gott, der droben sitzt und so denkt: „Wer des heiligen Franziskus Regel hält, den will ich selig machen.“ Eine Nonne zimmert sich ihn so: „Wenn ich Jungfrau bin, so ist Gott mein Bräutigam“, ein Pfaff so: „Wer Messen opfert und Horen[59] betet, dem wird Gott den Himmel geben.“ Keiner denkt, daß Gott den verworfenen Eckstein allein erwählt und alle ihre Zimmerei und Bauerei verdammt. Auf diese Weise muß sich Gott allezeit vom Anfang bis zum Ende der Welt zurechtzimmern, meistern und führen lassen. Den Eckstein, auf den er uns baut und zimmert, will man nicht leiden.

24. Dies ist der Tag, den der Herr macht. Laßt uns froh und fröhlich darin sein!

Das ist die Zeit des Neuen Testaments, ein anderer Tag, als ihn die liebe Sonne täglich macht. Vielmehr ist der Herr selbst‘ hier die Sonne und macht diesen Tag mit seinen Strahlen und Glanz. Es ist solch ein Tag, dem keine Nacht mehr folgt. Er leuchtet auch nicht in die Augen des Leibes, sondern ins Herz. Er ist auch nicht das Licht der Vernunft, welche auch eine Son­ne ist und in äußeren Dingen bezüglich der Welt Werke und Rechte zeigt und lehrt. Nein, dies Licht lehrt Gnade, Friede, Ver­gebung der Sünden vor Gott, wovon keine Vernunft weiß. [176] Demgemäß heißt Christus auch „Sonne der Gerechtigkeit“, Mal. 3,20: „Euch, die ihr meinen Namen fürchtet, soll die Sonne der Gerechtigkeit (Christi) und Heil unter seinen Fit­tichen aufgehen.“ Diese Sonne soll Gerechtigkeit an den Tag bringen, das ist, alle von Sünden erlösen und gerecht machen, die an ihn glauben. Sie soll Heil geben oder allen vom Tod hel­fen, die sich unter seine Fittiche oder Strahlen begeben und dort ihre Zuflucht haben. Dieser Glanz ist nichts anderes als die Klarheit und Offenbarung des Evangeliums in aller Welt, das von Christus ausgeht, scheint und die Herzen der Gläubigen er­leuchtet, so wie von der Sonne der Glanz ausgeht und die Augen des Leibes und die äußere Welt erleuchtet.

Es ist auch ein fröhlicher Tag, wie er hier rühmt und sagt: „Laßt uns fröhlich sein!“ Denn solch Licht und Lehre von der Gnade schenkt dem Herzen Frieden, Ruhe und Freude in Christus. Es erkennt nämlich dadurch, daß ihm seine Sünde ohne eigenes Verdienst vergeben und es vom Tod erlöst ist und künf­tig ewig einen gnädigen Vater an Gott hat durch Christus, wie Paulus zu den Römern sagt: „Nun wir durch den Glauben ge­recht geworden sind, so haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus“ usw. (Röm. 5,1). Dort malt er auch diese Freude und diesen Frieden weiter aus, daß sie in An­fechtung und Trübsal Bestand haben und mutig machen. Von dieser Freude und diesem Frieden kann kein Ungläubiger etwas wissen, auch alle die nicht, die sich mit Werken abmühen, fromm zu werden und die Sünde zu tilgen, obwohl sie diesen schönen Vers laut heulen. Besonders tun sie es am Osterfest und verstehen doch darunter nur das irdische, äußere Oster­fest, wo sie fröhlich sind, wenn sie den Osterkuchen essen, und nicht auf Grund der Gnade und Erlösung durch Christus.

Es bedarf dessen aber sehr, daß der Prophet diesen Tag so hoch rühmt, weil er des Herrn selbsteigener Tag ist und uns zur Freude mahnt. Nach dem äußeren Anschein ist nämlich kein Tag finsterer, und er leuchtet – wie man so sagt – „wie ein Dreck in der Laterne“[60]. Er muß auch vor der Welt „Finsternis, Irrtum, Ketzerei“ und „des Teufels Nacht“ heißen und schlecht­hin verworfen sein, wie auch seine Sonne, der edle Eckstein, von welchem er seinen Glanz hat, verworfen sein muß. Des­wegen sind auch die Freude und der Friede, wovon er hier singt, eher Trübsal, Unfriede und alles Unglück, weil er von aller Welt so schändlich gehaßt und verfolgt wird, wie er selbst, Christus, unsere liebe Sonne, Matth. 10,22 spricht: „Ihr werdet von allen Menschen gehaßt werden um meines Namens willen.“ Darum wie dieses Tages Licht insgeheim und der Welt verborgen leuchtet, so ist auch die Freude an ihm geistlich und dem Fleisch unbekannt, obwohl es das edelste Licht und die höchste Freude ist. Was kann denn lieber und edler sein als ein Herz, das erleuchtet ist, [177] Gott und alle Dinge kennt und im Blick auf Gott über alle Dinge sicher urteilen und richtig reden kann? Und wo kann höhere und größere Freude sein als in einem fröhlichen, sicheren, mutigen Gewissen, das sich auf Gott verläßt und weder Welt noch Teufel fürchtet? Wo sind hin­gegen größere Traurigkeit und Schwermut als in einem bösen, verzagten, schuldigen Gewissen? Und was ist elender und jämmerlicher als ein irrendes, ungewisses Herz, das über keine Sache richtig urteilen kann?

25. O Herr, hilf! O Herr, laß wohl gelingen!

An dieser Stelle steht das Hosianna, das die Leute dem Chri­stus sangen, als er am Palmsonntag zu Jerusalem einritt.[61] Diesen und den folgenden Vers haben sie nämlich damals aus diesem Psalm genommen, so daß es einleuchtet, wie sehr dieser Psalm im Volk bekannt gewesen ist. „Hosia“ heißt nun „Hilf!“ oder „Leiste Hilfe!“ Das angehängte „na“ klingt flehentlich und bedeutet ein von Herzen kommendes Begehren. Wir sagen entsprechend zu deutsch „Ach, hilf! Lieber, hilf, hilf doch!“, wobei wir mit diesem „Ach!“ oder „doch!“ dem Flehen unseres Herzens Ausdruck geben und damit den, den wir bitten, gern bewegen wollen. Ebenso wirkt das „na“ im Hebräischen auch, wenn es dem „Hosia“ zugefügt wird. So be­deutet denn „Hosia na Herr!“ soviel wie „O Herr, hilf!“ oder „Ach, lieber Herr, hilf!“. Von demselben Wort„Hosia“ kommt im Hebräischen auch der Name „Jesus“, das bedeutet „ein Helfer“ oder „Heiland“, wie der Engel Matth. 1,21 zu Joseph sagt: „Du sollst seinen Namen ‚Jesus‘ nennen; denn er wird sein Volk von seinen Sünden retten.“ Das „Hosia“ und „Josua“ und „Jesus“ bedeuten fast dasselbe, und Josua ist der gleiche Name wie Jesus. Aber mit derzeit ist das Wort „Hosia“verändert worden, und sie haben „Osanna“ daraus gemacht, schließlich auch Frauen und Glocken„Osanna“ taufen und be­nennen lassen.

Demnach ist nun dieser Vers ein Gebet oder Freuden­wunsch, so wie man einem Glück und Heil wünscht, wenn er etwas Neues anfängt oder etwas Gutes bekommen hat. So taten die Frauen, welche der Elisabeth, der Mutter des Johannes, zu dem jungen Sohn fröhlich Glück wünschten: Luk. 1,58. Ebenso wünschte sie selbst mit großer Freude der Jungfrau Maria Glück, als sie zu ihr kam (vgl. Luk. 1,42 ff.). Genauso hier auch: Weil der fröhliche Tag des Evangeliums an­bricht und das Reich der Gnade anfängt, worin Sünde und Tod aufhören und Gerechtigkeit lebt und herrscht, springt der Psalmsänger vor Freude auf, schüttet sein Herz aus und spricht: „Hosia na Herr!“, „Ach, das walte Gott““, „Dafür sei Gott ge­lobt!“, „Selig und gesegnet sei der Tag, an dem das Licht auf­geht! Nun singt und springt mit uns, Himmel und Erde und alles, was darinnen ist, daß wir das [178] erlebt haben“ usw. Außerdem wünscht und bittet er, daß es so weitergeht, wie es angefangen hat, und spricht: „Ach Herr, laß es wohlgelingen!“, wie man bei solchem Freudenwunsch zu tun und zu sagen pflegt: „Ach, Gott gebe, daß es so bleibt und Bestand hat, daß es gut ausgeht und sich niemals mehr ändert!“

Denn das Reich Christi muß viel Widerwärtigkeit vom Teufel, von der Welt, vom Fleisch erleiden, und es steht mit ihm immer so, als wollte es jetzt fallen und untergehen, wenn die wütenden Tyrannen die Oberhand behalten. Aber dagegen steht dieses Wort fest „Hosia, Hosia, Hosia“, „Hilf, hilf, hilf!“ und das andere „Hazeliha, Hazeliha, Hazeliha“, „Laß wohlgelingen, laß wohlgelingen, laß wohlgelingen!“ Diese Worte halten durch, und der Freudenwunsch muß bleiben und siegen. Ja, wir können auch jetzt wohl ein solches „Hosia na!“ gegen unsere Papisten und Türken und Sekten singen. Es. singt ja doch sonst niemand als wir; denn sie benötigen ja weder„Hosia“noch Jesus. Sie verfügen über genug Fäuste und Kunstgriffe in ihrem Interesse. Sie singen viel lieber das Wort „Heah, heah“, Psalm 35,21, „Euge, Euge“; „Da, da“, „Heha, Heha“, „Hin­unter, hinunter mit den Ketzern!“, „Jauchze, jauchze“, „Gewon­nen, gewonnen!“-Wohlan, laß jauchzen! Ich habe kein hohes Alter und dennoch viele solcher Jauchzenden zuletzt heulen und das „Hosia na!“ mit Ehren (bei seinem Volk) bestehen sehen.

26. Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Wir segnen euch vom Haus des Herrn.

Das gehört noch alles zum Freudenwunsch, weil der König der Gnade, Christus, durch sein Evangelium einherreitet und im Namen des Herrn kommt. Solcher Freudenwunsch ist wohl doppelt notwendig; denn viele kommen in ihrem eigenen Namen dahergetrollt, die nicht das Gnadenwort, sondern die Lehre von den Werken und die Träume ihres Kopfes bringen. Diese alle samt der ganzen Welt empfangen ihren König so: „Verflucht sei, der da in aller Teufel Namen kommt! Tod, Tod ihm!“ Sie tun so, wie die Juden „Kreuzige, kreuzige!“, „Weg, weg und schnell gekreuzigt!“ riefen (vgl. Joh. 19,6.15). Er muß eben der verworfene und verdammte Eckstein und sein Wort eine verfluchte Ketzerei des Teufels sein. Auf diese Art singen jetzt die Stifte und Klöster diesen Vers. Allein die Gläubigen sin­gen so:„Gelobt und gesegnet ist, der da kommt im Namen des Herrn!

Ebenso geht es diesen Sängern auch mit dem Folgenden: „Wir segnen euch vom Haus des Herrn.“ Das heißt: diesen Freudenwunsch sprechen wir nicht allein dem König aus, son­dern auch euch allen, die ihr sein Hausgesinde seid, die ihr an ihn glaubt und ihn anerkennt. Gelobt, selig, gesegnet und oh: voll aller Gnaden und Seligkeitseid ihr, weil ihr vom Königshaus seid. Ihr seid nicht Gäste noch Fremdlinge, sondern Hausgesinde Gottes, die ihr auf diesem verworfenen Stein euch erbauen laßt (vgl. Eph. 2,19 f.). Wenn ihr deswegen auch verworfen werdet und des [179] Teufels Gesinde heißen müßt, schadet das nicht. Laßt sie lästern und fluchen! Laßt euch daran genügen, daß wir euch segnen, euch selig und reich preisen! Unser Zeugnis ist das Zeugnis Gottes, aller Engel, aller Heiligen und aller Geschöpfe Gottes. Was fragt ihr nach dem Teufel und der Welt?!

Ich nehme aber an, daß man wohl weiß, was „des Herrn Haus“ bedeutet, wo er nämlich wohnt, und daß er wohnt, wo sein Wort ist, es sei auf dem Feld, in der Kirche oder auf dem Meer. Wo dagegen sein Wort nicht ist, da wohnt er nicht, da ist auch sein Haus nicht. Der Teufel wohnt vielmehr dort, wäre es auch gleich eine goldene Kirche, von allen Bischöfen geweiht. Wo aber sein Haus ist, da kann nur Segen, Gnade und Leben sein, wie er hier sagt: „Wir segnen euch vom Haus des Herrn, weil ihr in des Herrn Haus seid, seid ihr selig.“ Genauso spricht er auch 2. Mose 20,24: „An jedem Ort, wo ich meines Namens Gedächtnis“ – das ist: mein Wort – „aufrichte, da will ich zu dir kommen und dich segnen.“ Aus diesem Text ist auch dieser Psalmvers geflossen, daß, wo Gott sein Wort hinsendet, dadurch sein Name und Werk, nicht unser Name und Werk ge­priesen werden. Er folgt da gewiß nach und kommt mit nichts als mit Segen und allen Gnadenerweisen, wie es eben aus dem Mosebuch zitiert ist. Wo aber der Teufel sein Wort hinsendet und es angenommen wird, da folgt er mit dem Fluch und ewigem Verderben hintennach, wiewohl die Welt nichts von dem glaubt und den Fluch für Segen, den Teufel für Gott und die Lüge für Wahrheit hält und preist.

27. Der Herr ist Gott, der uns erleuchtet. Schmückt das Fest mit Maien bis an die Hörner des Altars.

Hier nennt er das Kind beim Namen und drückt sich offen darüber aus, wer der König ist, der so im Namen des Herrn einreitet, und spricht: „Er ist Gott und der Herr selbst, der uns so erscheint und leuchtet.“ Es ist wohl ein verworfener Stein, aber dennoch ist er Gott. Er redet ja von dem, der uns erschienen ist und uns erleuchtet hat, dessen Evangelium mit seinem Glanz wir im Herzen fühlen. Dieser Erleuchter ist Gott der Herr selbst und kein anderer Gott. Was dürfte er sonst so herrlich daherrühmen: „Der Herr ist Gott!“ Kein Jude würde das bezweifeln, wenn es nicht von einem Menschen gesagt wäre. Aber hier ist es an der Zeit zu glauben, wenn man sagt, der verworfene Eck­stein, der die Welt mit einem neuen Tag erleuchtet, der ist Gott und Herr. Wenn er nicht Mensch wäre, so könnte er nicht der verworfene Eckstein sein; denn Gott ist seinem Wesen nach nicht verwertbar. Und doch ist er nicht nur ein Mensch, sondern auch [180] Gott selbst. Damit begegnet er hier dem Ekel und Ärgernis der Juden und all derer, die es zu hören graust, daß ein Mensch rechter Gott ist, und die Sorge vor Abgötterei haben, als wollte er sagen: „Fürchtet euch nicht! Abgötterei ist hier keine Gefahr. Er ist der rechte Gott selbst. Denn es kann auch niemandem den Segen im Gegensatz zu Sünden und Tod bringen noch geben, noch die Herzen erleuchten, wenn er nicht Gott selbst ist, so daß auch das Werk Zeugnis gibt, daß er Gott sein muß.

Danach fordert er auf, dieses Fest und den neuen Tag mit Maien zu schmücken. Damit hebt er das Alte Testament auf; denn die Juden hatten ein Fest, das „Sukkoth“, Laubrüste oder Laubhüttenfest, hieß. An ihm feierten sie acht Tage zum Ge­dächtnis daran, daß die Kinder Israel vierzig Tage in der Wüste in Zelten gewohnt hatten: 3. Mose 23,34. Das berührt er hier und will sagen: „Was prangt ihr weiter mit euren Maien und Laubhütten? Es gibt jetzt etwas anderes. Eure Weise hat ein Ende. Hier ist ein anderer Tag, ein anderes Gotteshaus, ein an­derer Altar, ein anderes Fest, etwas ganz anderes. Hier kommt her und schmückt dieses Fest mit Mai­en, an dem der neue König, und zwar Gott selbst, mit Gnade und Segen einreitet und aller Welt durch sein Wort erscheint. Hier steckt Maien auf, nicht draußen auf dem Feld oder in euren Gehöften, sondern im Haus des Herrn, ja, bis an die Hörner oder Ecken des Altars, da­mit es überall voller Maien und lustvoll dasteht!“ Hier gilt näm­lich kein Unterschied mehr zwischen den Leviten[62] und dem Volk. Es kann jeder, der da glaubt, bis zum Altar herantreten, was im Gesetz nicht sein durfte (vgl. 4. Mose 18,7).

Er erklärt aber außerdem, was die Maien und Laubrüste be­deutet haben, nämlich daß man Gottes Namen mit fröh­lichen, frischen, grünen, schönen Predigten und Gesängen schmücken, preisen, zieren, loben soll. Das sind die Maien von den schönen Bäumen, das ist aus den Propheten genommen (vgl. 3. Mose 23,40). Er setzt hinzu: „bis an die Stellen“ oder „Ecken“, die da des Altars „Hörner“ heißen. Das geht auf den Dankaltar, so daß man mit diesen Maien Dankopfer opfert und nicht mehr Kälber, Schafe, Vögel usw. darauf schlachtet. Es wird nun alles mit Danken und Loben, Predigen und Lehren voll­zogen, was vorzeiten durch die Leviten in äußerem Tun ge­schah.

28. Du bist mein Gott. Dir will ich danken. Mein Gott, ich will dich erhöhen.

Hier beschließt er diesen Psalm mit einem starken Bekennt­nis und Schluß entgegen allem Ärgernis und Beispiel der Ungläubigen und will damit sagen: „Wohlan, man will dich nicht für Gott halten. Du mußt der verworfene Stein sein und dich einen unter den Betrügern gekreuzigten Betrüger nennen lassen. Dein Wort und Dienst für Gott muß als des Teufels Wort und Dienst gelten, und ich muß deswegen alle [181] Schande und Gefahr leiden. Aber laß hingehen! Dennoch sollst du mein Gott sein. Dennoch will ich an dich glauben und weiß fürwahr, daß du mein Gott bist. Darum fahret hin, Gesetz, Tempel, Altar, aller Gottesdienst zu Jerusalem! Fahret hin, Freund und Feind! Fahret hin, alle Weisheit, Heiligkeit, Stärke, Gut, Ehre und was nicht bleiben kann und soll! Dich allein will ich haben Ich will dein armes Pfäfflein und Priesterlein sein und das richtige Opfer und den richtigen Gottesdienst leisten, nämlich das Dankopfer und den Lobgesang. Das soll mein Priesterdienst, mein Maien- und Laubhüttenfest sein, daß ich nichts zu predigen noch zu rühmen weiß als dich, den verworfenen Stein und gekreuzigten Gott. Dabei soll es für mich bleiben. Das soll das Ende vom Lied sein. Das habe ich mit diesem Psalm erstrebt und gemeint. Niemand sage mir etwas anderes, und ‚niemand mache mir weiter Mühe‘, sagt Paulus Gal. 6,17, ‚ich will die Narben meines Herrn Jesu Christi an meinem Leib tragen!‘ Amen. Hosianna. Amen.“

29. Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich.

So pflegt man die guten Lieder, wenn sie aus sind, wieder von vorn anzufangen, besonders wenn sie mit Lust und Liebe ge­sungen sind. Genauso bindet auch eine Braut ihrem Bräutigam den Kranz, das Vorder- und das Hinterende zusammen; damit ist es dann ein lieber Kranz und ziert das Haupt. So ver­fährt David mit diesem Psalm. Nachdem er alle Wohltat Gottes zu Ende gesungen und besonders die letzte und ewige Gnade herrlich gepriesen hat, spricht er: „Ach, wer kann dem Herrn je genug für seine Güte danken? Es ist, wie ich zu Anfang sagte, daß seine Güte ewig währt, und besonders währt sie ewig über der vierten armen Schar.“ Wer es nur glauben könnte! Men­schen spenden auch Wohltaten. Aber da gibt es keine Wohltat, die immerfort andauern kann. Menschennatur kann nämlich Undankbarkeit nicht ertragen. Es erweist auch kein Mensch um Gottes oder der Tugend willen eine Wohltat, sondern alles um seiner selbst willen.

Das kannst du gut merken, wenn du etwa auf einen achtest, der einigen Leuten wohltut. Wenn diese danach undankbar werden oder etwas reden und tun, was ihn verdrießt, so wirst du se­hen, wie er sich keinen Zwang antun und lichterloh aufflam­men, schelten, richten, Vorwürfe machen und sagen wird: „Wohlan, ich habe ihm das und das getan. Laß ihn fahren! Er komme ja nicht wieder!“ Wenn es danach Anlaß gibt, daß er sich rächen kann oder [182] er merkt, daß man sein bedarf, dann steht er wie ein Stock oder ein störriges Pferd da. Wenn er auch nicht mehr tun kann, so schafft er doch Hindernisse, wo er kann, und unterläßt, was er jenem zugute tun könnte. Dennoch meint er, er sei fromm, tue recht, und macht sich kein Gewissen daraus. Er kann sich nicht dazu aufschwingen, daß er denkt: „Wohlan, habe ich doch mit der Wohltat nicht um seiner Bos­heit willen angefangen, will ich auch um derentwillen nicht auf­hören. Wie tut mir Gott doch täglich Gutes, obwohl ich mein Lebtag nur getan habe, was ihn verdrossen hat!“ Nein, solche Gedanken gewinnt er aus dem Beispiel nicht, das ihm der, der gegen ihn undankbar ist, vor Augen stellt und damit auffordert, sich selbst bei der Nase zu nehmen und auch an seine Undank­barkeit zu denken.

Was sind nun die Wohltaten der Menschen im Grund an­deres als eine dreifache Übeltat, weil sie damit Dank, Ehre, ja außerdem Herrschaft über die erstreben, denen sie wohltun? Es ist eine hochmütige, ruhmsüchtige, rachgierige, eigen­nützige Wohltat, um derentwillen sie – später voll Zorn – ewig Leid und Schaden antun, wo sie nur können. Man kann deshalb im Blick auf Menschen diesen Vers wohl dahin umkehren: Schande über die Menschen, daß sie so bö­se sind! Ihr Schä­digen währt ewig, und ihr Wohltun ist kurz und zeitgebunden und geschieht nur dem gegenüber, der sie anbetet und feiert. Sie wollen keine Wohltat umsonst gewährt noch ohne Zinsen angelegt haben. Aber Gott und seine Kinder tun Gutes um­sonst, geben ihre Wohltat gern bei den Undankbaren verloren, wie davon geschrieben steht: „Der Herr tut alles um seiner selbst willen.[63] Darum läßt er auch nicht um der mensch­lichen Bosheit willen davon ab. Damit beweist er auch, daß seine Güte ihrer ganzen Natur nach gut ist. Sie steht oder fällt nicht mit eines anderen Tugend oder Untugend, wie mensch­liche Güte mit anderer Leute Tugend steht und mit eines an­deren Untugend fällt und ärger als diese wird. Davon spricht der ganze 37. Psalm. Damit ist auch dieser Vers oben für diesmal genügend ausgelegt. Christus, unser Herr, mache aus uns Menschen rechte, vollkommene Christen. Ihm sei Lob und Dank in Ewigkeit. Amen.

Quelle: Martin Luther Taschenausgabe. Auswahl in fünf Bänden, Bd. 4: Evangelium und Leben, bearbeitet von Horst Beintker, Berlin: Evangelische Verlagsanstalt 1983, S. 206-278.


[1] Luther meint die Einsamkeit, zu der er auf der Koburg als Gebannter und Geächteter verurteilt war, ähnlich wie früher auf der Wartburg.

[2] Die Übersetzung konnte erst 1532 erscheinen.

[3] D. h. für alle Christen. Luther beansprucht diesen Namen „Heiliger“ nicht bloß für eine Sonderklasse hervorragender Frommer, sondern für alle Glaubenden.

[4] Wörtlich „Marterhansen“; für die Flüche schlägt G. Koffmane (WA 31 I, 73 Anm. 1) mit Verweis auf entsprechende Stellen bei Luther vor: „Gottes Marter“, „Potz Veit“, „die Pest!“, „Gott müßt schänden!“.

[5] Stifte und Klöster einzurichten, galt als frommes Opfer.

[6] Timon lebte während des Peloponnesischen Krieges (431-404 v. Chr.) und kam aus Verstimmung über die Verderbtheit seinerzeit zum Menschenhaß.

[7] Hierbei sind Erwerbszweige verschiedener Art einbezogen.

[8] Wörtlich „Scharrhans“.

[9] Wörtlich „Meister Klügel“.

[10] Deutscher Bauernkrieg 1524-1525.

[11] Wörtlich „Scharrhans“.

[12] Wörtlich „Scharrhans“.

[13] Sie wollten dem Kaiser mit Gewalt widerstehen und ihre Untertanen zu Schutz und Trutz gegen ihn aufrufen.

[14] Kampfrufe, die in Flüche übergehen.

[15] Luther denkt an Seba, den Sohn des Bichri: 2. Sam. 20,1.

[16] Wörtlich „Scharrhans“.

[17] Luther bezeichnete bei der Auslegung von 1. Kor. 11,19 die „Spaltungen“ mit Rotten.

[18] Gemeint ist der teilweise Zerfall der christlichen Kirche unter türkisch-islamischer Herrschaft.

[19] Zur Abwehr des Teufels.

[20] Unten zu Vers 14 und im Großen Katechismus: WA 30 I, 134f.

[21] Wörtlich „Rückhalter“ im Sinne von Beschützer.

[22] Eine unmittelbare Wirkung, die Gott selbst ohne Vermittlung durch Christus und sein Wort in der Seele ausüben könnte – wie sie von Müntzer vertreten wurde –, weist Luther ab.

[23] Wörtlich: „Aber ich weise ihnen die Feigen“; vgl. dazu Dietz unter „Feige“ und WA 19,400,14.

[24] Luther meint hier Friedrich den Weisen, der als Herzog zu Sachsen mit seinem Bruder Johann gleichzeitig regierte, doch zugleich Kurfürst war.

[25] Vgl. Jes. 19,24; 30,7; 36,6; Jer. 2,18; Hos. 7,11.

[26] Wörtlich: „zu hoch angehoben“ im Sinne von „übertrieben“; vgl. WA 34 II, 2.5.

[27] Der Prior war Ulrich Adam: vgl. H. Boehmer: Der junge Luther, Leipzig 41951,163.

[28] Bezeichnung des Dominikanerordens.

[29] Luther erzählt diese Geschichte öfter, z. B. WA 25,203; 31 II, 188.

[30] 27 Im „Fehdebrief“ wird dem Gegner der Krieg bzw. im Ritterstand der Kleinkrieg angekündet.

[31] Z.B. WA 11,245ff. („Von weltlicher Obrigkeit …“) und WA 16,506.

[32] WA 30 II,610,17.

[33] In Rom als der Hauptstadt der antiken Welt besaßen viele Religionen und Kulte Tempel und Heiligtümer.

[34] Im Sinne von betrügen.

[35] Verspotten; vgl. WA 10 I, 1,533,17 f. Für die sprichwörtliche Redensart bei Luther, die den Bart, das Würdezeichen des Mannes, mit dem Stroh als Sym­bol der Lächerlichkeit und Leere verbindet, gibt es nur bei Grimm einige Ver­weise.

[36] Die sprichwörtliche Redensart „den Rain anstecken“ meint „etwas Un­erhörtes tun“; vgl. WA 18,399,31.

[37] Wörtlich: „mit einerlei Stücke“: ein ,,Stück“ ist hier ein Feldgeschütz, mit dem der Gegner, im Bilde gesprochen, seinen Kampf führen will.

[38] Wörtlich „Sängerin“; gemeint ist eine große Kanone.

[39] Ps. 18,18.35.39.40.

[40] Ps. 13,4-6; 27,11-13.

[41] In den Bürgerkriegen der späteren Kaiserzeit, die entscheidend für den Untergang des weströmischen Reiches wurden.

[42] Der „Frevel von Bern“ vom Jahre 1509, den der Prior und drei Mönche des Dominikanerklosters mit dem Feuertode büßen mußten, war den Zeitgenos­sen wohlbekannt (betrügerische Inszenierung eines Wunders); vgl. WA 19,13,4 f.

[43] Damit ist auch der Dominikaner Eck gemeint, der als Luthers Hauptgegner 1530 mit drei anderen Predigermönchen in Augsburg die evangelische Lehre deutlich verfolgte.

[44] Diese Überzeugung stützt sich auf Jes. 40,6-8, was 1. Petr. 1,25 zitiert wird. Auf dem Augsburger Reichstag gaben die Evangelischen dem Ausdruck, indem sie die lateinischen Anfangsbuchstaben VDMIA (Verbum Dei manet in aeternum) gestickt auf dem Ärmel trugen. Vgl. H. Beintker: Verbum Domini manet in aeternum. In: ThLZ 107, 1982, 161-176.

[45] In verschiedener Fassung gebräuchliches Sprichwort; Wander zu ,,Trost“ Nr. 3,6,8 und zu „Unglück“ Nr. 157, allerdings auf die lateinische Form be­zogen.

[46] 2Zum Sprichwort vgl. WA 10 I, 1,188,5; 26,531,35, ferner Thiele, Luthers Sprichwörtersammlung Nr. 167 und 121 sowie Röhrich, 867.

[47] Vgl. zu diesem Sprichwort WA 19,224,7 und die heute gebräuchliche Redensart: „Nicht über seinen Schatten springen können“, dazu Röhrich, 804.

[48] Also zur Seligkeit.

[49] Nach dieser Redensart kommt der Teufel zu spät.

[50] Zu dieser sprichwörtlichen Redensart vgl. WA 7,682, und Luthers handschriftliche Sammlung Nr. 174.

[51] Mark. 12,27 und Parallelstellen.

[52] Leonhard Kaiser aus Süddeutschland (1480-1527) kam 1525 nach Witten­berg. Bei einem Besuch in seiner Heimat wurde er wegen seiner evan­gelischen Predigt auf Befehl des Bischofs von Passau verbrannt.

[53] Confutatio = Widerlegung; tapinosis = Erniedrigung; interpretatio = Auslegung.

[54] Ps. 111,1; Sir. 10,2; 21,20.

[55] Z. B. Röm. 3,19 f; 7,7ff.; Gal. 2,16; 3,10f.

[56] Vgl. Matth. 23 und Parallelen.

[57] Das Konzil zu Konstanz, auf. dem Hus verurteilt wurde, tagte 1414-1418 als Reformkonzil.

[58] In diesen Worten sind keine wörtlichen Formulierungen aus der Bibel aufgenommen.

[59] Stundengebete.

[60] Zu dieser Redensart vgl. WA 26,267,12 und WA 33,52,22 mit weiteren Stellen WA 33,677; Wander, III, 48 Nr. 5.

[61] Hier hat sich der hebr. Hosianna-Ruf im neutestamentlichen Zitat unübersetzt erhalten: Matth. 21,9; Mark. 11,9 und 10; Joh. 12,13.

[62] Priester.

[63] Vgl Ps. 135,6; Jes. 46,10.

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