Edmund Schlink über den Heiligen Geist (Ökumenische Dogmatik, 1983): „Durch den seit Pfingsten ausgegossenen Heiligen Geist vollzieht Gott sein neuschaffendes Wirken. Durch ihn durchbricht er die Taubheit und Blindheit des Menschen und öffnet ihn für die Erkenntnis der Heilstat in Jesus Christus und zum Glauben an ihn. Durch den Heiligen Geist vereinigt er die Glaubenden zum Volk des Neuen Bundes und nimmt sie in Dienst für die Bezeugung Jesu Christi in aller Welt.“

Der Heilige Geist

Von Edmund Schlink

Kapitel XVIII: Die Ausgießung des heiligen Geistes

1. Das Pfingstereignis

Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott den Heiligen Geist. Die Aussendung des Geistes geschah als Gottes freie Tat, wie die Sendung seines Sohnes. Sie war nicht begründet in dem Verhalten der Menschen, sondern allein in dem Erlösungs- und Vollendungswillen Gottes. Die Ausgießung des Gottesgeistes war bereits verheißen im alten Bund (z. B. Ez 36,27; 37,14; Joel 2,28 ff.). Aber nicht die Erwartung der Frommen, sondern Gott bestimmte souverän den Zeitpunkt und die Art der Erfüllung, so wie er souverän die Zeit und die Erfüllung der messianischen Verheißung bestimmt hatte. In diesem Sinn ist der Begriff der Erfüllung in der christologischen Aussage Gal 4,4 und am Beginn des Pfingstberichts Apg 2,1 derselbe.

Die pfingstliche Ausgießung des Heiligen Geistes stand im engsten Zusammenhang mit der Heilstat Gottes in Jesus Christus. Nachdem Gott Jesus, den Gekreuzigten, von den Toten auferweckt und zu seiner Rechten eingesetzt hatte, sandte er den Heiligen Geist. Ja, als der zur Rechten Gottes Eingesetzte sandte Jesus Christus den Heiligen Geist, den Geist vom Vater. Durch den Heiligen Geist herrscht der erhöhte Christus in göttlicher Kraft. Der irdischen Sichtbarkeit entschwunden, ist Christus durch den Heiligen Geist gegenwärtig und vollendet an der Menschheit das Werk, das er am Kreuz vollbracht hat. Durch dieses Wirken handelt Gott selbst, um das, was er in seiner Schöpfungstat am Anfang begonnen hat, trotz allen Widerspruchs der Menschen, zu vollenden.

Bei aller Zusammengehörigkeit waren die Sendung des Sohnes und die Sendung des Heiligen Geistes nicht ein und dieselbe Sendung. Das Kommen des Geistes war ein anderes Kommen Gottes, das zu seinem Kommen im Sohn hinzutrat. Der Heilige Geist kam als „der andere Beistand“ (Joh 14,16) und legte von Christus Zeugnis ab als von dem von ihm Unterschiedenen (z. B. Joh 15,26). Nachdem Jesus Christus für die Sünder gestorben und auferstanden war, erschloß sie der Heilige Geist für Jesus Christus und machte sie zu Gliedern und Werkzeugen dieses erhöhten Herrn. Die Ausgießung des Heiligen Geistes ist so die Heilstat Gottes, die zum Tod und zur Auferweckung Jesu Christi hinzukommt und durch die Gott den Menschen hineinnimmt in das Reich des Erhöhten. Daß Gott nach der Auferweckung Jesu Christi den Heiligen Geist ausgegossen hat, ist ganz besonders von Lukas hervorgehoben worden. Denn hier ist — im Unterschied zu Joh 20,22 — zwischen dem Ende der Erscheinungen des Auferstandenen und der Sendung des Geistes ein besonderer zeitlicher Abstand des Wartens angegeben. Aber wie man auch zu den historischen Fragen steht, die durch den lukanischen Pfingstbericht gestellt sind — daß die Ausgießung des Geistes nach Jesu Tod und Auferstehung erfolgte, ist neutestamentliches Zeugnis überhaupt, seien es die Abschiedsreden des Johannesevangeliums, sei es, daß Paulus vom „Dienst des neuen Bundes“ (2.Kor 3,3.6.8 u.ö.) oder der 1. Johannesbrief von der „empfangenen Salbung“ spricht (2,20.27). In jedem Fall geht es hierbei um eine geschichtliche Heilstat Gottes, die das irdische Wirken Jesu als abgeschlossen voraus-[538] setzt. Damit wird nicht bestritten, daß Gottes Geist auch schon zuvor im alten Bund gewirkt hat. Trotzdem gilt von der vorchristlichen Zeit: „Der Geist war noch nicht da, denn Jesus war noch nicht verherrlicht“ (Joh 7,39). Als der vom Vater durch den Sohn Gesandte ist so der Heilige Geist in die Welt gekommen, um in ihr sein besonderes Werk zu tun. Vom Vater und dem Sohn unterschieden, ist er gekommen, um in der Welt vom Vater und vom Sohn Zeugnis abzulegen. Er steht zugleich dem Vater und dem Sohn gegenüber, indem er in den Menschenherzen die Anrufung des Vaters und das Christusbekenntnis wirkt. So begegnet der Heilige Geist als Anwalt Gottes und als Stellvertreter des erhöhten Christus der Welt in ihrem Streit mit Gott. Zugleich wirkt er als Beistand und Stellvertreter des Menschen im Rechtsstreit Gottes mit den Menschen: Er tritt für den Menschen ein, der nicht weiß, wie er vor Gott bestehen kann.

Auch in anderer Hinsicht sind die Sendung des Sohnes und die Sendung des Heiligen Geistes unterschieden. Im Unterschied zur Menschwerdung des Sohnes Gottes geschah die Ausgießung des Heiligen Geistes nicht als ein einmaliges, sondern als erstmaliges Ereignis. Gottes Sohn ist ein für allemal Mensch geworden, gestorben und auferstanden. „Wir wissen, daß Christus, von den Toten auferweckt, hinfort nicht stirbt … Denn was er gestorben ist, das ist er der Sünde gestorben ein für allemal“ (Röm 6,9f.). Der Heilige Geist aber wurde Pfingsten ausgegossen, um immer wieder ausgegossen zu werden. Die Erniedrigung des Sohnes Gottes ist endgültig vollbracht auf dem Wege von der Geburt bis zum Tode am Kreuz. Das Herabkommen des Geistes aber ist nicht nur das Ereignis der Pfingsten, sondern der Anfang einer in der folgenden Zeit sich über die ganze Erde ausbreitenden Geistausgießung. So wird derselbe Gottesgeist auf immer neue Menschen ausgegossen (z.B. Apg 2,38 auf die dreitausend; 8,17 auf die Samariter; 10,45 auf Kornelius und sein Haus; 19,6 auf die Johannesjünger). Aber der Geist kommt nicht nur weitereilend auf Menschen, die ihn vorher nicht empfangen hatten, sondern er erfüllt auch immer wieder von neuem die, auf die er bereits ausgegossen worden ist. Von denselben Menschen, die Pfingsten den Heiligen Geist empfingen, berichtet die Apostelgeschichte später nochmals: „Sie wurden alle des Heiligen Geistes voll und redeten das Wort Gottes mit Freudigkeit“ (4,31). Auch von demselben Paulus, der bei seiner Bekehrung vom Geist erfüllt worden war (9,17f.), wird später abermals berichtet, daß er „voll Freude und Heiligen Geistes wurde“ (13,52). Das Kommen des Heiligen Geistes ist ein immer neues göttliches Kommen und Wirken. Seine Ausgießung darf nicht auf Pfingsten oder auch auf den Beginn des Christenlebens in der Taufe beschränkt werden. Wir haben immer wieder von neuem aufgrund von Pfingsten die Ausgießung des Heiligen Geistes zu erwarten und zu erbitten. Der Empfang des Heiligen Geistes treibt den Menschen nach vorwärts zum Empfang immer neuer Geistesgaben bis hin zur völligen Verwandlung seiner Vergänglichkeit in die neue Kreatur.

Was wirkt der Heilige Geist in seiner Ausgießung an denen, denen er zuteil wird? Angesichts der großen Mannigfaltigkeit der neutestamentlichen Aussagen über das die ganze menschliche Existenz ergreifende und neuschaffende Geisteswirken darf nicht einen Augenblick übersehen werden, daß es in allen urchristlichen Zeugnissen nie nur um das Wirken des Geistes an denen geht, die den Geist empfangen, sondern immer zugleich um das Wirken des Geistes durch die von ihm Erfüllten an der Welt. Geistempfang ist immer Indienstnahme des Menschen durch den Heiligen Geist. Die Einheit des Geisteswirkens am Menschen und zugleich durch den Menschen hindurch an der Welt ist so unauflösbar, daß der Empfang des Geistes in Frage gestellt [539] wäre, wo der Dienst im Geist fehlen würde. Ist den neutestamentlichen Schriften gemeinsam, daß geistliche Wirkungen sich nicht auf den Empfänger selbst beschränken, so erweist sich darüber hinaus die Apostelgeschichte geradezu uninteressiert an dem, was der Geist an denen wirkt, die ihn empfangen. Alles Interesse ihrer zahlreichen Aussagen über geistliche Wirkungen ist vielmehr darauf ausgerichtet, was Gottes Geist durch diese Menschen an denen wirkt, die fern stehen und ihn noch nicht empfangen haben. Von hier aus gilt es in der Apostelgeschichte sogar als etwas Selbstverständliches, daß gläubig werden und vom Geist ergriffen werden verschiedene Vorgänge sind. Hermann Gunkel hat darauf besonders hingewiesen, daß hier zwar nur der Gläubige den Geist empfangen kann, daß aber deshalb noch nicht, wer den Glauben hat, auch schon im Besitz des Geistes ist (H. Gunkel, Die Wirkungen des Heiligen Geistes nach populären Anschauungen der apostolischen Zeit und die Lehre des Apostels Paulus3, 1909). Dasselbe gilt von der Gemeinschaft der Liebe. So setzt die Apostelgeschichte am Beginn des Pfingstberichts bereits voraus: „Sie waren alle einmütig beieinander“, noch bevor der Heilige Geist über die Versammelten ausgegossen war. Da im Verlauf der Kirchengeschichte — nicht nur unter dem Einfluß mystischer Strömungen — oft eine einengende Verschiebung des pneumatologischen Interesses auf Geisteserfahrungen des Empfängers selbst stattgefunden hat, soll hier eingesetzt werden gerade mit der Frage nach dem, was Gottes Geist inmitten dieser Welt durch diejenigen tut, denen er zuteil wird:

a) Die Ausgießung des Heiligen Geistes ist mehr als nur die Entstehung des Glaubens, mehr auch als die Entstehung brüderlicher Gemeinschaft. Das Wirken des Geistes geht — nicht nur nach den Berichten der Apostelgeschichte — über die Entstehung von Glauben, Liebe und Hoffnung und über die Rettung der einzelnen Glaubenden und über die Gemeinschaft der Geretteten miteinander weit hinaus. Der Heilige Geist wirkt den Lobpreis „der großen Taten Gottes“ vor der Welt (2,11). Das heißt vor allem: der Heilige Geist wirkt die öffentliche Verkündigung der Auferweckung des gekreuzigten Jesus und seiner Einsetzung zum Christus und Herrn durch Gott (z.B. 2,14ff.; 4,8ff.; 4,31; 13,52). Die Wirkung des Heiligen Geistes ist die Parresia, der Freimut und die Unerschrockenheit zum Angriff auf die Welt, zur Proklamation des Kreuzessieges Jesu in aller Öffentlichkeit und zwar dies ohne das Fragen der Sorge nach den nachteiligen Folgen, die solche revolutionäre Botschaft für die Zeugen mit sich bringt. Die Wirkung des Heiligen Geistes ist das Freiwerden der Glaubenden von sich selbst zur Freudigkeit der Selbstpreisgabe im Zeugendienst. Dabei wirkt der Heilige Geist auch den Durchbruch dieser Botschaft zum Gehört- und Verstandenwerden bei denen, die fernstehen. Wie auch die wunderbare „Zungenrede“ (Glossolalie) der lukanischen Pfingstgeschichte zu deuten ist — ob als Sprachwunder oder als Hörwunder oder als beides —, in jedem Fall gehören im Wirken des Geistes das Zeugnis und das Vernommenwerden des Zeugnisses zusammen. Aber auch hier geht es nicht nur um das Vernehmen und Zum-Glauben-Kommen der Hörer, sondern wiederum werden sie vom Heiligen Geist in Dienst genommen, so daß auch sie der Welt die Rettung durch den Christusnamen verkündigen und somit dasselbe Zeugnis weitergeben, durch das sie zum Glauben gekommen sind. Die neutestamentlichen Aussagen verbieten es, das Wirken des Heiligen Geistes zu reduzieren auf die Herbeiführung der subjektiven Möglichkeit der Gotteserkenntnis und somit auf die Entstehung des Glaubens. Sie verbieten ebenso, von einem stillen Besitz und Genuß der Geistesgabe in der privaten Innerlichkeit des Glaubenden zu träumen. Der Heilige Geist ist vielmehr der Vorstoß des erhöhten Christus in die Öffentlichkeit dieser Welt. Geistesgabe ist wesensgemäß „Dienst“ (1.Kor [540] 12,4ff.). Der vom Geist Ergriffene ist Werkzeug der in die Welt hereinbrechenden Königsherrschaft Christi.

b) Schon im alten Bunde hatte Gottes Geist öffentliche Zeugen erweckt. Dies gilt vor allem von den alttestamentlichen Propheten, aber auch von einzelnen Königen und davor von Mose und anderen charismatischen Führern des Volkes in der Frühzeit. Das Neue der Geistausgießung nach der Erhöhung Jesu Christi besteht darin, daß nun der Heilige Geist ausgegossen wird „über alles Fleisch“ (Apg 2,17), allen Versammelten wird er zuteil. Im Unterschied zum alten Bund steht nicht mehr der charismatische Zeuge und Führer dem Volk gegenüber, sondern allen Gliedern des neutestamentlichen Bundesvolkes ist Gottes Geist für das öffentliche Zeugnis zuteil geworden. Die alttestamentlichen Verheißungen sind nunmehr erfüllt: „Ich will ausgießen von meinem Geist über alles Fleisch; und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte haben, und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in denselben Tagen von meinem Geiste ausgießen, und sie sollen weissagen“ (Jo 3,1 f., vgl. Apg 2,17 ff.). „Da wird keiner mehr den anderen, keiner seinen Bruder belehren und sprechen: ‚Erkenne den Herrn!‘, sondern sie werden mich erkennen, Klein und Groß, spricht der Herr“ (Jer 31,34; vgl. 1.Joh 2,20 u. 27). Unbeschadet der Mannigfaltigkeit der Art und Weise, wie das Zeugnis der einzelnen Glieder des neutestamentlichen Gottesvolkes laut wird, gilt, daß jedes Glied Gottes Geist empfangen hat und durch Gottes Geist in Dienst gestellt ist. Jedem wird der Geist „zum allgemeinen Nutzen“ gegeben (1.Kor 12,7). Es wäre ein Anachronismus, wenn sich die Kirche nach Pfingsten damit abfinden würde, daß nur einzelne ihrer Glieder, vom Geist getrieben, Gottes Heilstat in Jesus Christus preisen. „Tempel des heiligen Geistes“ ist die neutestamentliche Gemeinde (2.Kor 6,16), indem jedes ihrer Glieder (1.Kor 6,19) und alle ihre Glieder zusammen (1.Kor 3,16 f.) Tempel Gottes und seines Geistes sind. Der „geistliche Bau“ des ganzen Gottesvolkes und aller seiner Glieder, aus denen er als aus „lebendigen Steinen“ zusammengefügt ist, hat der Verkündigung der Machttaten des Gottes zu dienen, der die Menschheit aus der Finsternis in sein Licht berufen hat (1.Petr 2,5-10).

c) Der Heilige Geist hat in seiner Ausgießung die Schranken zwischen Israel und den Heiden beseitigt. Zwar zielte er schon im alten Bund in den Verheißungen für die anderen Völker über die Grenzen Israels hinaus, aber noch war die Verheißung nur laut geworden innerhalb Israels. Nun aber schuf Gottes Geist das neutestamentliche Gottesvolk aus Juden und Heiden zum gemeinsamen Lobpreis der großen Taten Gottes. So erging das Zeugnis nach dem Pfingstbericht von vornherein nicht nur an die aus der Diaspora versammelten Juden, sondern auch an die Proselyten. Gottes Geist machte aber auch nicht bei ihnen halt, sondern er greift weit darüber hinaus nach denen, die noch fern stehen in allen Völkern der Erde. Das ist das Thema der Apostelgeschichte und darüber hinaus der Kirchengeschichte bis zum Ende der Welt. Der Heilige Geist nimmt die Getrennten hinein in den Frieden, den Jesus Christus gestiftet hat. Jede Spaltung der Kirche unter völkischen oder rassischen Gesichtspunkten und vollends die Spaltung in juden- und heidenchristliche Gemeinden wäre die Verleugnung des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist ist als der Sturmwind gekommen, der diese Trennungswände umwirft, als das Feuer, das die trennenden Gehäuse verbrennt.

In alledem erweist sich die Ausgießung des Heiligen Geistes als ein Ereignis, das auf das tiefste eingreift in den Bestand dieser Welt und ihre anerkannten Fundamente erschüttert. Denn was ist selbstverständlicher für die Orientierung in dieser Welt als die Anerkennung der Verschiedenheiten der Völker, der Rassen, der Sprachen und [541] damit der fest und hart gewordenen Ergebnisse der Weltgeschichte überhaupt? Was ist selbstverständlicher in dieser Welt als die Unterschiede zwischen Knecht und Herrn, Arm und Reich, Toren und Weisen? Alle diese Unterschiede werden von Gottes Geist weggefegt. Die Ausgießung des Heiligen Geistes ist somit der Anbruch der „letzten Tage“ (Apg 2,17) — des Endes der Welt und eines radikalen Neubeginns. Er deckt nicht deshalb die Vergangenheit vergebend zu, damit der Mensch in dieser Welt zu Hause bleibt, sondern er ergreift den Menschen, reißt ihn heraus aus den Bindungen dieser Welt und schafft ein neues Volk, das nicht von dieser Welt ist. Er deckt diese Erde auf als ein Feld voller Totengebeine, aus denen er das neue Gottesvolk erstehen läßt (Ez 37,1 ff.). In der Ausgießung des Heiligen Geistes bricht das Ende der Welt und die allumfassende Neuschöpfung herein, die in der Auferstehung Jesu Christi begonnen hat.

Von hier aus wird das Wort verständlich: „Der Geist war noch nicht da, denn Jesus war noch nicht verherrlicht“ (Joh 7,39). Diese Aussage ist deshalb so auffallend, weil Gottes Geist doch schon zuvor am Werke war. Er war bereits die Vollmacht des irdischen Jesus. Er war bereits der Erwecker der alttestamentlichen Propheten und Führer. Er war schon am Werk, wo und wann auch immer wahre Gottesfurcht und wahre Erkenntnis entstand. Darüber hinaus war er von Anfang an am Werke, wo überhaupt geschöpfliches Leben sich regte: „Sendest du deinen Geist aus, so werden sie geschaffen“ (Ps 104,30). Und trotzdem gilt: Er war noch nicht da. Denn erst Pfingsten brach er herein als der Neuschöpfer, der den Bestand dieser durch Abfall und Tod gezeichneten alten Welt von Grund auf verwandelt. Sein Wirken zuvor war ein erhaltendes und hinführendes und in diesem Hinführen ein begrenztes Wirken gewesen im Vergleich zu dem, was dann Pfingsten begann. Die alttestamentliche Geistesverheißung war im alten Bunde selbst noch nicht erfüllt, wenngleich die Propheten sie in der Kraft des Geistes verkündigt hatten. Der Geist Gottes war in diesem Sinn zuvor noch nicht da, wenngleich er schon da war, wie die Herrlichkeit des alten Bundes sich als gering, ja nichtig erwiesen hat angesichts der überschwenglichen Herrlichkeit des neuen Bundes (2.Kor 3,10). Gottes Geist war zuvor noch nicht in der Fülle ausgegossen. Nun aber fließen „Ströme des lebendigen Wassers“ (Joh 7,38).

2. Die Neuschöpfung durch den Heiligen Geist

Indem der Heilige Geist den Menschen in Dienst nimmt, wandelt er ihn. Er handelt an ihm und in ihm, wenn er durch ihn handelt:

a) Der Heilige Geist befreit den Menschen für den Glauben. Er durchbricht die Blindheit, die das Evangelium für bloßes Menschenwort und die Sakramente für bloß irdische Geschehnisse hält — die Blindheit, für die das Wort vom Kreuz eine Torheit ist. Er wirkt das Verstehen des Evangeliums als Gottes Anrede und Tat, die Erkenntnis der Torheit des Wortes vom Kreuz als Offenbarung der göttlichen Weisheit. Der Heilige Geist durchbricht die Versklavtheit, in der der Sünder gegenüber Gott verschlossen ist, und gibt ihm die Freiheit für Gott. Der Heilige Geist ermöglicht somit den Glauben. Indessen wird der Glaubende bei dieser Aussage nicht stehenbleiben. Nicht als ob der Geist nur die Möglichkeit des Glaubens, aber der Mensch dann den Glauben selbst gewirkt hätte! Ist doch der Glaube gerade das Ende alles menschlichen Tuns und Wirkens, auch wenn der Kampf des Glaubens mit noch so intensivem Einsatz vom Menschen geführt worden ist. Der Glaubende wird immer bekennen, daß Gottes Geist ihm nicht nur die Möglichkeit zu glauben, sondern den Glauben [542] selbst geschenkt hat und erhält. Gewiß, nicht der Geist glaubt in mir, sondern ich glaube. Und doch gilt: „Ich glaube, daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesum Christum, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann, sondern der Heilige Geist hat mich durchs Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten“ (Luther, Kleiner Katechismus, aaO.).

b) Der Heilige Geist übereignet den Glaubenden durch die Taufe Christus dem Herrn. Er ernährt und erbaut die Glaubenden durch die Gabe des Herrenmahls als Glieder des Leibes Christi. Durch Evangelium, Taufe und Herrenmahl gibt er den Glaubenden Anteil an Christi Gerechtigkeit, Heiligkeit, Leben und Herrlichkeit. Er entmächtigt den zeitlichen Abstand, der uns von Jesu Tod und Auferstehung trennt. Er entmächtigt auch die Zeit, die uns noch von der Parusie des Erhöhten trennt. So versetzt er den Glaubenden in die Herrschaft Christ, die zugleich Gemeinschaft mit Christus ist. Ja, er versetzt in Christus, der zugleich unser Herr und Bruder ist. So ist Jesus Christus durch den Geist gegenwärtig als der Herr über uns, für uns, in uns und mit uns, und der Heilige Geist bestimmt unsere Existenz als Leben unter ihm, von ihm her, in ihm und mit ihm. So wirkt der Heilige Geist als der Geist Christi, indem er den Glaubenden in Christus versetzt und indem Christus durch den Heiligen Geist im Glaubenden lebt.

c) Indem der Heilige Geist uns durch den Glauben Christus übereignet, macht er uns zu Gottes Kindern. „Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder“ (Röm 8,14). Ist doch Christus der ewige menschgewordene Gottessohn und macht uns doch der Heilige Geist nicht zu Knechten, sondern zu Christi Brüdern. Er macht die Glaubenden zu adoptierten Söhnen Gottes in ihm, dem menschgewordenen „eingeborenen“ Sohn. „Ihr seid nun Gottes Kinder durch den Glauben an Jesus Christus“ (Gal 3,26). Und zwar „heißen“ wir nicht nur Gottes Kinder, sondern „sind“ es, und wir werden nicht nur einst Gottes Kinder sein, sondern wir sind es schon jetzt (1.Joh 3,1). Daß wir Gottes Kinder sind und daß wir als Gotteskinder leben dürfen, ist das Werk des Geistes. Denn er erweckt in den Herzen der Glaubenden den Gebetsruf der Kinder zu Gott dem Vater. „Ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, daß ihr euch abermals fürchten müßtet, sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch welchen wir rufen: ‚Abba, lieber Vater!‘“ (Röm 8,15 vgl. Gal 4,6). Zwar geschieht im Beten ein sich Ausstrecken und Rufen des Menschen und oft genug ist es ein Ringen, in dem der Beter mit letzter Kraft Gott seine Verheißung vorhält und ihn bei ihr behaftet. Und doch wird jeder Beter bekennen, daß nicht nur die Gebetserhörung, sondern bereits das Beten selbst von Gott gegeben ist. In uns, die wir aus eigener Kraft nicht zu beten vermögen, hat Gottes Geist den Antrieb zum Gebet und das Ringen und Nichtnachlassen im Gebet gewirkt. Wir sind ratlos und unfähig zum Gebet und liegen in Schwachheit darnieder. Aber Gottes Geist „hilft unserer Schwachheit auf“ und „vertritt uns aufs beste mit unaussprechlichem Seufzen“ (Röm 8,26). So gibt der Heilige Geist „Zeugnis unserem Geist, daß wir Gottes Kinder sind“ (Röm 8,16). Er wirkt als Gottes Geist, indem er die Glaubenden zu Gottes Söhnen macht und in ihren Herzen nach Gott dem Vater ruft.

d) Indem der Heilige Geist den Sünder durch den Glauben Christus übereignet und zum Kind Gottes macht, macht er ihn lebendig (vgl. 1.Kor 15,45; 2.Kor 3,6; Joh 6,63). Denn indem er ihn hineingibt in Jesu Tod, gibt er ihm Anteil am Leben des Auferstandenen. Indem aber Christus in ihm lebt, hat er Anteil am Leben Gottes, das in Jesus Christus erschienen ist und in das der Mensch hineingenommen wird. So entreißt der Heilige Geist den Menschen der Vergänglichkeit, dem Tod und der [543] Verwesung und versetzt ihn in das ewige Leben mit Christus in Gott. Diese Lebendigmachung ist nicht nur die Wiederaufrichtung der Verheißung des Lebens, die Gott von Anbeginn dem Menschen gegeben hatte, vielmehr versetzt der Heilige Geist in das ewige Leben, das einst verheißen war und das der Mensch verfehlte, das aber nun in Jesu Auferweckung von den Toten erschienen ist. So erweckt der Heilige Geist im Menschen nicht nur einzelne Impulse, sondern er gebiert ihn neu (Joh 3,5ff.). Er schafft ein neues Sein des Menschen: das Sein im Geist (Röm 8,9a), das Sein in Christus, das Sein der Kinder Gottes. Der Heilige Geist kommt in seiner Ausgießung über den Menschen als der Neuschöpfer. Nun gilt: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur. Das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden“ (2.Kor 5,17).

Zwar ist dies neue Leben noch verdeckt von der Vergänglichkeit. Noch gilt: „Euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott“ (Kol 3,3), „Es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden“ (1.Joh 3,2). Die Gabe des Geistes ist erst das „Angeld“ für das zukünftige Verschlungenwerden des Sterblichen vom Leben (2.Kor 5,4f.), — „die Erstlingsgabe“ der kommenden Erlösung unseres Leibes (Röm 8,23), — die „Anzahlung auf das Erbe“ (Eph 1,14), das uns in Christi Tod und Auferstehung erschlossen ist. Noch begegnet uns dieses Leben im Imperativ: Ergreift das Leben, ringt und kämpft, auf daß ihr die Krone des Lebens erlangt! Vom Tode bedroht und von der Angst bedrängt, ist uns geboten, zu glauben und im Gebet nicht müde zu werden.

Aber der Heilige Geist, ausgegossen in unsere Herzen, verbürgt als Angeld und Erstlingsgabe die kommende völlige Neuschöpfung, nämlich die kommende Verwandlung unsres „Leibes der Niedrigkeit, daß er Christi Herrlichkeitsleib gleichgestaltet werde“ (Phil 3,21). Weil er das Angeld und die Erstlingsgabe ist, ist er der Geist der Hoffnung, der die Erwartung der kommenden Vollendung rechtskräftig macht. „Wenn aber der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, dann wird er auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt“ (Röm 8,11). Hat der Geist uns in Christus, den himmlischen, geistlichen Menschen versetzt, so wird er auch unseren irdischen Leib verwandeln, daß er ähnlich werde seinem „geistlichen Leib“. „Es wird getötet ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib“, „wie wir getragen haben das Bild des Irdischen, so werden wir auch tragen das Bild des Himmlischen“ (1.Kor 15,44.48). Der Heilige Geist wirkt nicht einmal hier und einmal da, einmal so und dann wieder anders. In seiner Freiheit, in der er „weht, wo er will“ (Joh 3,8) und einem jeden die Gaben schenkt, „wie er will“ (1.Kor 12,11), wird er das Begonnene vollenden. Gott „versiegelt“ durch den Geist den Glaubenden und „gibt Festigkeit auf Christus hin“ (2.Kor 1,21 f.). So umgreift der Geist in seinem Wirken den ganzen Menschen, seine Entscheidungen und seine Leiblichkeit, seine Gegenwart und seine Zukunft. Die Ausgießung des Geistes ist das lebendigmachende Ereignis, das die ganze Zukunft des Menschen bestimmt. Zwar kann man dieses Ereignis im Abfall vom Glauben verleugnen, aber man kann es nicht ungeschehen machen, auch wenn es sich dann auswirkt zum Gericht.

e) „Die Frucht des Geistes“ ist „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Milde, Güte, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit“ (Gal 5,22), „Güte, Gerechtigkeit, Wahrheit“ (Eph 5,9). So wirkt der Heilige Geist die neue Gemeinschaft, in der alle miteinander verbunden sind, die an Jesus Christus glauben. Diese Gemeinschaft des Geistes ist Gemeinschaft gegenseitigen Dienens. Niemand empfängt eine Geistesgabe allein für sich selbst, sondern zum Dienst an der Gemeinde (vgl. 1.Kor 12,7). Gabe des Geistes und Erweckung zum Dienst ist ein und dasselbe. Darum gilt: „Strebet nach der [544] Liebe“ (1. Kor 14,1). Sie ist die Geistesgabe, die alle anderen durchdringt und umschließt.

Weil Gottes Liebe in Christus der Welt zugewandt ist, kann die Gemeinde keine Geistesgabe für sich behalten wollen. Der Heilige Geist stellt sie durch seine Gaben in den Dienst an der Welt. Schlechthin entscheidend ist das Christuszeugnis vor der Welt. Darum sind alle Aussagen der Apostelgeschichte über die Geisteswirkungen auf dies öffentliche Zeugnis konzentriert. Darum nennt Paulus bei der Aufzählung der vielen Geisteswirkungen und -gaben das prophetische Zeugnis nach dem Apostolat an erster Stelle (1.Kor 12,29; vgl. 14,1). Indem der Heilige Geist die Bezeugung der großen Taten Gottes in der Welt wirkt, bricht durch dieses sein Wirken die Herrschaft des erhöhten Christus in die Welt herein.

Im Verlauf der Theologiegeschichte ist das Wirken des Heiligen Geistes durch die Glaubenden an der Welt oft zurückgetreten hinter der Reflexion über das Geisteswirken in den Glaubenden und mehr oder weniger auf das kirchliche Amt beschränkt worden. Dies geschah stärker in der römischen Kirche als in der Ostkirche, wie z. B. an dem verschiedenen Verständnis der Rezeption von Konzilsbeschlüssen durch die Gemeinden und auch an der unterschiedlichen Struktur des Mönchtums deutlich wird. Aber auch in den Reformationskirchen war trotz der Lehre vom allgemeinen Priestertum dem öffentlichen Geisteswirken durch die Glaubenden außerhalb des kirchlichen Amtes lange Zeit nur wenig Raum gelassen. Er mußte von pietistischen Erweckungsbewegungen erst erkämpft werden. Es bedeutet daher ein wichtiges Ereignis, daß heute quer durch die kirchlichen Grenzen hindurch die allen Christen gegebene Aufgabe des Christuszeugnisses zunehmend erkannt wird, womit die besondere Aufgabe des kirchlichen Amtes keineswegs angetastet zu werden braucht.

Blicken wir zurück auf die beiden ersten Abschnitte dieses Kapitels, so wird deutlich, daß in den Wirkungen des Heiligen Geistes in neuer Weise wiederkehrt, was in der Lehre von der Schöpfung als die dreifache Bestimmung des Menschen zum Ebenbild Gottes hervorgehoben wurde (Kap. V). Hat Gott den Menschen geschaffen zur ebenbildlichen Antwort der Liebe zu dem, der ihn zuerst geliebt und durch sein Wort ins Leben gerufen hat, so wirkt der Heilige Geist diese Antwort im Vaterruf derer, über die er ausgegossen ist. Hat Gott den Menschen geschaffen zur ebenbildlichen Gemeinschaft der Menschen untereinander, in der die Liebe herrscht, so wirkt der Heilige Geist diese Gemeinschaft unter denen, die ihn empfangen. Hat Gott den Menschen geschaffen als seinen Statthalter zur ebenbildlichen Herrschaft über die Erde, so durchbricht nun der Heilige Geist die Grenzen der Länder und die Mauern zwischen den Völkern und nimmt die Glaubenden hinein in die Bewegung eines kosmischen Durchbruchs. Nun gilt: „Alles ist euer“, denn „ihr seid Christi, Christus aber ist Gottes“ (1.Kor 3,22 f.). Dem Gehorsam gegenüber dieser dreifachen Bestimmung zu seinem Ebenbild hatte der Schöpfer das ewige Leben verheißen. Durch die Ausgießung des Geistes aber schenkt Gott den Ungehorsamen das verheißene Leben. Aus freier Gnade macht er die Toten lebendig in Jesus Christus. Er selbst verwandelt den Menschen durch das Wirken, die Gaben und Früchte des Heiligen Geistes in sein Ebenbild, das der Sünder verfehlt hat, das aber in Jesus Christus erschienen ist.

3. Der Heilige Geist als Kraft

Der Heilige Geist ist als Gottes Geist vom geschöpflichen Menschen und seinem Geist unterschieden, ja er steht als der Heilige zum Sünder, zum „Fleisch“ schlechthin im [545] Gegensatz. Als der ganz andere kommt er über den Menschen, „erfüllt“ den Menschen (z.B. Apg 9,17.31), „wohnt“ in ihm (Röm 8,9.11; 1.Kor 3,16). Dabei ist der Ort seines Wohnens das menschliche „Herz“, die Mitte der menschlichen Existenz (Röm 5,5; 2.Kor 1,22; Gal 4,6). Als „Kraft aus der Höhe“ (Lk 24,49; vgl. Apg 1,8) kommt er über den Menschen und ist in ihm wirkend in mannigfachen Impulsen und „Kraftbetätigungen“ (1.Kor 12,6 u. 10). Als Kraft erfüllt er den Menschen, treibt ihn an (Röm 8,14) und nimmt ihn in Dienst.

Mit gleichen Worten reden die neutestamentlichen Schriften von dem Wirken der „Geister“, der Verderbensmächte, die den Sünder versklaven. Auch sie dringen in den Menschen ein, nehmen in ihm Wohnung, treiben ihn an, nehmen seinen Mund und seine Glieder in ihren Dienst, sind durch ihn tätig in Kraftwirkungen. Von derartigen Erfahrungen ist die ganze Religionsgeschichte voll.

Der Heilige Geist aber macht den Menschen, von dem er Besitz nimmt und in dem er wohnt, frei. Er überkommt den Menschen nicht als eine vergewaltigende Kraft, er schaltet das menschliche Ich nicht aus und benutzt nicht die menschlichen Glieder zu Worten und Taten, die der Mensch ablehnt. Die Vergleiche mit Zwangsvorstellungen und Zwangshandlungen sowie mit dem psychopathologischen Phänomen der Besessenheit müssen hier ausgeschaltet werden. Der Heilige Geist befreit den Menschen zu der ihm vom Schöpfer gegebenen Bestimmung. Er öffnet ihn dafür, in freiem Ja zu dieser Bestimmung zu leben. Der Heilige Geist nimmt das menschliche Reden und Tun in Dienst, indem er den Menschen zum freien Zeugen und zum Mitarbeiter Gottes macht, — und zwar gilt das auch da, wo von einem Gehindert- (Apg 16,6f.) und einem Gebundenwerden (20,22) durch den Geist gesprochen wird. Die göttliche Inspiration des neutestamentlichen Gottesvolkes ist nicht der Zwang zum Aussprechen unbejahter Worte, sondern die Gabe des Freimuts, der Freudigkeit und Furchtlosigkeit, in eigenen Worten die großen Taten Gottes zu preisen. „Ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, daß ihr euch abermals fürchten müßtet, sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen“ (Röm 8,15). „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ (2.Kor 3,17). So ist das Wirken der „Geister“ und „Mächte“ vom Wirken des Heiligen Geistes unterschieden wie Tod und Leben, wie Finsternis und Licht. Denn hier wirkt Gott, der Schöpfer, Erlöser und Neuschöpfer, der dem Menschen das Leben in der Freiheit neu erschließt, das er verfehlt und verloren hat. Dort aber wirken geschöpfliche Kräfte in der Verneinung der Bestimmung, die Gott dem Menschen gegeben hat. Sie wirken, indem sie im Sünder das Ich vergewaltigen, ihm seine eigene Stimme und seine eigenen Glieder zu anderen Zwecken entfremden und ihn ins Verderben stürzen.

So ist das neue Sein in Christus, das durch den Heiligen Geist geschaffen wird, nicht die Auslöschung des menschlichen Ich. Gewiß, der Mensch, über den Gottes Geist regiert, lebt nicht mehr sich selbst. Das „ich selbst“, als das er sich im Nein zu seinem Schöpfer konstituierte und als das er wähnte, frei zu sein, wird vom Feuer des Heiligen Geistes verbrannt und in Christi Tod hineingegeben. Aber durch dieses Mit-Christus-Sterben empfängt der Glaubende das Leben und wird zu Gottes Du und zum neuen Ich in der Gemeinschaft mit Jesus Christus. Gewiß, durch den Heiligen Geist lebt Christus im Glaubenden, und der Glaubende lebt in ihm. Aber dieses Leben in Christus ist das Ende des eigenmächtigen Lebens, indem es zugleich der Anfang eines neuen Lebens für Gott ist. Es geht hier um die Erlösung des Menschen von seinem Leben aus sich selbst, das der Tod ist, durch Christus, in dem das Leben erschienen ist. Alle Vorstellungen von einem Aufgehen des Menschen in Gott, wie sie aus der religionsgeschichtlichen Umwelt immer wieder in die Kirchengeschichte [546] eingedrungen sind, müssen hier ferngehalten werden. Wenn christliche Theologie von einer unio mystica spricht, meint sie nicht eine Auslöschung des menschlichen Ich in Gott sondern das Mysterium der Gemeinschaft mit Gott. „Nicht besteht die unio mystica in einer unio personalis oder in einer Vereinigung der beiden verschiedenen Geeinten zu einer Person, wie die der göttlichen und menschlichen Natur in Christo, daß der mit Christo vereinte Glaubende sagen könnte: ,Ich bin Christus‘„ (so der lutherische Dogmatiker Quenstädt, Theologia didactica-polemica, 1691, III, 624). „Christus und die Gläubigen bleiben mystisch geeint getrennte Personen“ (Hollaz, Examen theologiae acroamaticae, ed. Teller, 1750, S. 339; vgl. H. Schmidt, Dogmatik, Gütersloh 1893 S. 350ff.). Diesen lutherischen Aussagen lassen sich entsprechende der ostkirchlichen und der römisch-katholischen Theologie hinzufügen — vgl. auch Calvins Lehre von der „Einpflanzung in Christus durch den Heiligen Geist“ (Institutio 1559 III, 1,1 ff.). In dem paulinischen Satz „Ich lebe, — aber nicht mehr als ich selbst, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20) ist jeder Satzteil im Zusammenhang mit den anderen in gleicher Weise ernstzunehmen. Indem ich mit Christus sterbe und Christus in mir lebt, lebe ich. Das ist meine Freiheit.

Weil der Heilige Geist den Menschen, in dem er Wohnung nimmt, frei macht, gilt nicht nur: der Geist hat den Glaubenden, sondern auch umgekehrt: der Glaubende „hat“ den Geist (z. B. Röm 8,9; 1.Kor 7,40; 2.Kor 4,13) — nicht nur: der Mensch ist dem Heiligen Geist gegeben, sondern auch umgekehrt: der Heilige Geist ist dem Glaubenden „gegeben“ (z. B. 1.Kor 12,7 f.; 2.Kor 1,22; Apg 5,32), er hat den heiligen Geist „empfangen“ (Apg passim). Ja, der Heilige Geist, der als Kraft über den Menschen hereinbricht, wird ausdrücklich als „Gabe“ bezeichnet, aufgrund deren der Glaubende ähnlich wie aufgrund einer natürlichen Begabung wirkt, wenngleich die Geistesgabe von natürlichen menschlichen Anlagen unterschieden ist. Das gnädige Paradox, daß der den Menschen überwindende Geist nun eine dem Menschen zuteilgewordene Gabe ist und daß die den Menschen antreibenden Kraftwirkungen des Geistes nun Begabungen sind, aufgrund deren der Mensch in Freiheit wirkt, ja daß der Geist der Boden ist, auf den nun der Glaubende zu „säen“ und von dem er zu „ernten“ hat (Gal 6,7 ff.), darf nicht abgeschwächt werden.

Weil der Mensch dadurch, daß Gottes Geist in ihn eingeht, frei wird, deshalb gilt beides zugleich: der Geist schreit in unseren Herzen: Abba, lieber Vater (Gal 4,6) und: wir rufen durch den Geist: Abba, lieber Vater (Röm 8,15). Der Geist wirkt durch die Glaubenden, und die Glaubenden wirken durch ihn. Der Geist erfüllt den Glaubenden, und der Glaubende ist es, der voll des Heiligen Geistes redet. So stellt der Heilige Geist — im Gegensatz zur Besessenheit — die Menschen, von denen er Besitz ergreift, als freie Zeugen Jesu Christi neben sich: „Der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird zeugen von mir, und ihr werdet Zeugen sein“ (Joh 15,26f.). Weil Gottes Geist frei macht, deshalb dürfen die vom Geist Getriebenen sagen: „Wir sind seine Zeugen und der Heilige Geist …“ (Apg 5,32). Aus dem gleichen Grund kann die Kirche mit den Worten des Dekrets des Apostelkonzils sagen: „es hat dem Heiligen Geist und uns gefallen …“ (15,28).

4. Der Heilige Geist als Herr

Wenngleich der Geist ausgegossen ist, bleibt er doch der Kommende. Wenngleich er im Herzen des Glaubenden wohnt, bleibt er zugleich der dem Glaubenden Begegnende und ihn Umgreifende. Ja, daß Gottes Geist im Menschen wohnt, erweist sich [547] gerade darin, daß der Mensch sich nach dem Geiste sehnt, nach seinen Gaben sich ausstreckt und nach ihnen strebt (1. Kor 12,31). Durch das Sich-Geben verwandelt sich Gottes Geist nicht in eine geschöpfliche Kraft, sondern er bleibt Gottes Geist und Christi Geist, der im menschlichen Geist wohnt und die menschlichen Kräfte erneuert und verwandelt. Als Gabe bleibt der Geist des Menschen Gegenüber, als empfangene Kraft bleibt er des Menschen Herr. Er bleibt der sich Gebende in der Freiheit seines Willens: „Der Geist weht, wo er will“ (Joh 3,8). Niemals wird der Glaubende Herr über Gottes Geist.

Wort und Sakrament sind den Menschen von Christus aufgetragen zur Verkündigung und Spendung. Hierbei dürfen sie darauf vertrauen, daß Gottes Geist durch dieses menschliche Tun seine Taten tut. Aber der Mensch wird dadurch nicht Herr über den Geist, sondern der Geist wirkt durch des Menschen Tun in seiner Freiheit. Er bestimmt souverän, wann durch die Botschaft der Durchbruch in die Herzen der Hörer erfolgt und wann die große Reue und die Erweckung des Glaubens entsteht. Darauf, daß Gottes Geist durch die Taufe dem Glaubenden zuteil wird und daß dies auch nach der Taufe immer wieder geschieht, dürfen wir vertrauen. Aber durch Taufe und Handauflegung bekommt der Mensch nicht Gewalt über den Geist. Der Geist gibt nicht einem jeden Glaubenden dieselben Gaben. „Er teilt einem jeden das Seine zu, wie er will“ (1.Kor 12,11). Daß der dem Menschen innewohnende Geist nicht aufhört, des Menschen Herr zu sein, tritt am deutlichsten darin hervor, daß er dem Menschen, dem er zuteil wurde, als Führer, Lehrer, Beistand und Warner begegnet. Der Verheißung des „anderen Parakleten“, der die Glaubenden „in alle Wahrheit leiten“ wird (Joh 16,13), entspricht die große Zahl von neutestamentlichen Aussagen, die ein konkretes weisunggebendes Reden des Geistes bezeugen. Nach den Berichten der Apostelgeschichte hat der Geist Philippus zum Wagen des Äthiopiers gesandt (8,29) und Petrus für sein Verhalten gegenüber den Boten des Cornelius Weisung gegeben (10,19). Zu den in Antiochien versammelten Propheten und Lehrern „sprach der Heilige Geist: Sondert mir aus Barnabas und Saulus zu dem Werk, dazu ich sie berufen habe“, und sie zogen dann aus „ausgesandt vom Heiligen Geist“ (13,2.4). Wiederum wurde Paulus und Silas „von dem Heiligen Geist gewehrt, das Wort in Asia zu verkündigen“ (16,6f.). Auch im Galaterbrief ist auf ein Reden des Geistes im Herzen Bezug genommen (4,6). Die Sendschreiben der Apokalypse wollen gehört werden als das aufdeckende, warnende und weisunggebende Wort des Geistes: „Wer Ohren hat zu hören, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt“ (2,7.11.17 usw.). Weil der dem Menschen einwohnende Gottesgeist sich als der gebietende Herr manifestiert, wird davor gewarnt, daß der Glaubende den Heiligen Geist „betrüge“ (Apg 5,3), ihm „widerstrebe“ (7,51), ihn „schmähe“ (Hebr 10,29). Diese und ähnliche Aussagen wären sinnlos, wenn der Heilige Geist nur als Kraft verstanden worden wäre. Die grauenhafte Möglichkeit der Sünde wider den Heiligen Geist (Mt 12,31) hat zur Voraussetzung die vom Geist geschenkte Freiheit, über die der Geist einen Herrschaftsanspruch behält. Der Heilige Geist gibt nicht nur Leben und Gerechtigkeit, sondern er straft auch und richtet den Unglauben (Joh 16,8; 1.Kor 14,24).

Dieses Reden, Leiten und Regieren des Geistes ist in den neutestamentlichen Schriften so selbstverständlich vorausgesetzt und so grundsätzlich bezeugt, daß es unmöglich ist, dieses Geisteswirken auf die urchristlichen Gemeinden beschränken zu wollen, ebensowenig wie die Geistausgießung und die Mannigfaltigkeit der Geistesgaben. Der Verheißung, daß der Heilige Geist die Gemeinde leiten wird, entsprechen auch die vielen Zeugnisse aus der späteren Geschichte des missionarischen [548] Vorstoßes der Kirche in die Welt, — Zeugnisse von ähnlichen Erfahrungen der Geistesführung, wie sie in den Berichten der Apostelgeschichte enthalten sind. In solchem Leiten, Mahnen, Warnen erweist sich der Heilige Geist als der Herr. Er ist Gottes Kraft, denn Gott regiert durch ihn die Glaubenden. Er ist Christi Kraft, denn der erhöhte Christus nimmt durch ihn die Glaubenden in seinen Dienst und vollzieht durch ihr Zeugnis seinen Siegeszug durch die Welt. Und doch ist er nicht nur Kraft von Christus her, sondern als „der andere Paraklet“ der Zeuge, der auf Jesus Christus als den von ihm Unterschiedenen, als den vor ihm Gekommenen und als den gegenwärtigen Erhöhten hinweist. Er ist nicht nur Gottes Kraft, sondern auch das Gegenüber zu Gott dem Vater. Denn er ruft in den Herzen der Glaubenden Gott als den Vater an. Nach der Schöpfungstat des Vaters und nach der Sendung des Sohnes tut so der Heilige Geist als der vom Vater durch den Sohn Gesandte sein besonderes Werk.

Die Aussagen über den Geist als Gabe und als Herr gehören somit engstens zusammen. Gottes Geist ist nicht im Menschen, ohne zugleich als Gegenüber am Menschen zu handeln. Gottes Geist ist nicht göttliche Kraft, ohne zugleich wollende, gebietende, handelnde göttliche Person zu sein. Man wird nicht die personalen pneumatologischen Aussagen des Neuen Testamentes als „animistische“ den „dynamistischen“ gegenüberstellen und abwerten können (so Rudolf Bultmann, Theologie des Neuen Testamentes 11953, S. 153 f.). Indem die Person des Geistes als Kraft in uns wirkt, indem der Geist, der Herr, sich uns als Gabe schenkt, vollendet Gott seine Selbsthingabe in der Liebe. Weil Gottes Geist Gabe und Herr zugleich ist, antwortet die Kirche auf die Heilstat der Geistausgießung, indem sie den Heiligen Geist als göttliches Du anruft und im Gebet herbeifleht: „Komm, Heiliger Geist, erfüll die Herzen deiner Gläubigen!“ Wenngleich das Gebet zum Geist sich in den neutestamentlichen Schriften nicht findet, ist es doch die angemessene Antwort auf die neutestamentlichen Zeugnisse vom Geist als Herrn. Denn gerade dies ist die Botschaft von der Ausgießung des Geistes: Gott, der Herr, hat sich herabgelassen zu uns in Jesus Christus und geht in uns ein durch seinen Geist. Er hört darum nicht auf, der Herr Himmels und der Erde zu sein, aber als der Herr ist er unser Diener, ja uns gegebene Gabe geworden, damit wir durch ihn, unter ihm, mit ihm und in ihm leben. Er ergreift die Glaubenden von außen durch das Wort und von innen durch den Geist, um sie hineinzuziehen in sein göttliches Leben.

Es ist im Rahmen dieser „Grundzüge“ nicht möglich, auf die bisher merkwürdig unvollständig erforschte Geschichte der Pneumatologie näher einzugehen, wobei sowohl die Geschichte der Erfahrungen als auch die der Lehre vom Heiligen Geist in ihren Wechselwirkungen berücksichtigt werden müßten. Es kann im Rahmen einer ökumenischen Dogmatik jedoch nicht unterlassen werden, auf die verschiedenen Antworten hinzuweisen, die in der abendländischen und in der östlichen Kirche des Mittelalters auf die Frage nach dem Verhältnis zwischen den personalen und den dynamischen Aussagen über den Heiligen Geist, beziehungsweise zwischen den Aussagen über den Heiligen Geist als Geber und als Gabe gegeben worden sind. Denn diese Verschiedenheiten haben bei den Kirchentrennungen zwischen Ost und West und dann wieder innerhalb der westlichen Christenheit des 16. Jahrhunderts eine erhebliche Rolle gespielt.

In der Patristik war es nicht als Schwierigkeit empfunden worden, den Heiligen Geist als Geber der Gnade und die empfangene Gnade als empfangene Geisteskraft zu verstehen. Hatte ja auch Paulus den Heiligen Geist nicht nur als Urheber der Charismen, sondern als in den Charismen wirksam gelehrt (vgl. z.B. 1.Kor 12,4-11). Es war daher eine folgenschwere Entscheidung, als im frühen Mittelalter die Scholastik im Unterschied zu Petrus Lombardus, der die Gnade und den innewohnenden Heiligen Geist gleichgesetzt hatte, die Lehre von der Gnade von der Lehre vom Geist weitgehend verselbständigte. Unter dem Einfluß der aristotelischen [549] Philosophie war das theologische Interesse weniger auf das Geisteswirken, als auf den neuen übernatürlichen Zustand konzentriert, der dem Menschen durch die Gnade als qualitas inhaerens zuteil wurde. Diese ontologische Verschiebung hatte die Unterscheidung von vielerlei Arten von vorbereitender und heiligmachender Gnade zur Folge, die in freilich sehr unterschiedlicher Weise zur Präzisierung des Ineinandergreifens von göttlicher Gnade und menschlichem Tun in Anspruch genommen wurden. Hiermit hing auch die hochscholastische Weiterentwicklung der Lehre von den Verdiensten zusammen. Diese scholastische Weichenstellung blieb durch die folgenden Jahrhunderte in der römisch-katholischen Kirche bestehen bis zu den Neuansätzen der französischen „Théologie nouvelle“ in diesem Jahrhundert (vgl. bes. Henri de Lubac).

Eine sehr andere Verschiebung im Verständnis des Wirkens des Heiligen Geistes erfolgte etwa einhundert Jahre später im byzantinischen Mittelalter durch die Interpretation der hesychastischen Frömmigkeit durch Gregorios Palamas. Es ging in dieser Frömmigkeit um eine Vereinigung mit Gott nicht auf dem Wege philosophischer Welt- oder Selbstbetrachtung, auch nicht primär durch das Studium der biblischen und kirchlichen Traditionen, sondern durch das unablässige Jesusgebet, auf das hin Gottes Erscheinung im Taborlicht erfahren wurde. Diese Erfahrung unmittelbarer Einheit mit Gott in den Lichtvisionen ist von Palamas nicht durch die Einwohnung des Heiligen Geistes im Menschen, sondern durch von Gott ausgehende Energien erklärt worden. Sie sind mit Gottes Wesen in ähnlicher Weise eins, wie die drei Hypostasen der Trinität. Aber die Aussagen über den Heiligen Geist blieben auf die trinitarische Immanenz beschränkt und die Aussagen über sein heilsgeschichtliches Wirken ersetzt durch die Lehre von den Energien. Die Lehre von Gregorios Palamas wurde 1341 durch zwei orthodoxe Synoden anerkannt, und er wurde zehn Jahre später zum offiziellen Lehrer der byzantinischen Kirche erklärt.

Die Energienlehre von Palamas wurde von der abendländischen, zumal von der thomistischen Scholastik scharf abgelehnt, wie auch umgekehrt von Palamas die Scholastik. Es ging hier einmal um den Streit zwischen verschiedenartigen mystischen Gotteserfahrungen. Es ging auch um die Frage der Verwendung oder Verwerfung der Philosophie in der mystischen Theologie. Aber beides wurde sowohl im Westen wie im Osten vertreten. Als tiefgreifendster Gegensatz dürfte der zwischen der scholastischen Gnadenlehre und der palamitischen Energienlehre anzusehen sein mit ihren Konsequenzen für und gegen die Lehre von den Verdiensten. Man sollte jedoch nicht übersehen, daß es auf beiden Seiten — wenn auch in sehr verschiedener Weise — um eine Zurückdrängung der Anerkennung der unmittelbaren Einwohnung des Heiligen Geistes in den Glaubenden ging; im Westen durch die ausgedehnte Entfaltung der Gnadenlehre, im Osten durch die Lehre von den göttlichen Energien.

Die Reformatoren haben mit großem Nachdruck die scholastische Gnadenlehre mit ihren Konsequenzen für das Verhältnis von Gnade und menschlichen Werken sowie für die Bewertung menschlicher Verdienste abgelehnt. Sie hatten dabei vor allem die spätscholastische Lehre und ihre Auswirkungen in der kirchlichen Praxis vor Augen. In diesen Auseinandersetzungen haben sie die Gnade keineswegs nur als gnädige Gesinnung Gottes, sondern zugleich als das durch den Heiligen Geist geschehende göttliche Tun des Vergebens und Erneuerns verstanden. So trat nun wieder der zu den Menschen kommende und in ihnen Wohnung nehmende Heilige Geist selbst in die Mitte der Reflexion. Aber es kann nicht übersehen werden, daß in der Abwehr schwarmgeistiger Exzesse des 16. Jahrhunderts die neutestamentlichen Aussagen über das personale Führen, Weisunggeben und Warnen des Heiligen Geistes nur mit Zurückhaltung aufgenommen worden sind. Eine Auseinandersetzung der Reformatoren mit der palamitischen Lehre hat nicht stattgefunden, da sie ihnen unbekannt war. Wohl aber ist sie heute angesichts des in der Ostkirche sich ausbreitenden Neopalamismus unumgänglich geworden.

Das Gespräch zwischen den orthodoxen, der römischen und den Reformationskirchen über diese Fragen würde wahrscheinlich scheitern, wenn man sich darauf beschränken würde, die Gnadenbegriffe in allen drei Kirchen zu erheben, miteinander zu vergleichen und die Gemeinsamkeit zu suchen. Ebenso würde es scheitern, wenn man die Begriffe der göttlichen Energie und der Gnade in gleicher Weise vergleichen würde. Die eigentlichen Probleme werden erst sichtbar, wenn man nicht nur die Aussagen über die Gnade oder über die Energie, sondern auch die über [550] das Wirken des Heiligen Geistes herausarbeitet und die Begrifflichkeit der westlichen Scholastik und des Gregorios Palamas nicht für sich nimmt, sondern von den neutestamentlichen und altkirchlichen Aussagen über den Heiligen Geist her zu deuten sucht, in denen sie ja auch letztlich ihre Wurzel haben. Der ökumenische Dialog erfordert hier eine keineswegs leichte Rückübersetzung, um hinter die sehr verschiedenen Begrifflichkeiten zur Sache vorzudringen, sei es zu der Frage, in wieweit der scholastische Begriff der qualitas inhaerens als Bezeugung der Beständigkeit des freien personalen Geisteswirkens gedeutet werden kann, sei es zu der anderen Frage, in wieweit nicht die problematische Unterscheidung von Heiligem Geist und göttlichen Energien als Korrektiv der außerordentlich stark betonten hesychastischen Erfahrung der Einheit des Menschen mit Gott im Taborlicht zu verstehen ist.

5. Die Erkenntnis des Geisteswirkens

Das Wirken des Heiligen Geistes wird vor der Welt offenbar im öffentlichen Zeugnis der Glaubenden und in ihrem Wandel, in ihrem Dienst aneinander und an der Welt. Und doch geschieht es verborgen unter manchen Vieldeutigkeiten, und die Erkenntnis des Heiligen Geistes ist keineswegs selbstverständlich.

a) Jesus, in der Vollmacht des Geistes, erschien seinen Angehörigen als von Sinnen (Mk 3,21), und den Schriftgelehrten als vom Teufel besessen (22; vgl. Joh 7,20; 8,48). Die Pfingstgemeinde erschien den Umstehenden betrunken (Apg 2,13). Paulus erschien dem Stadthalter Festus rasend (26,24). Oft genug erscheint der Freimut des Geistes als Vermessenheit, und die Kraft des Geistes erscheint widerlegt durch die Unscheinbarkeit der Menschen, durch die Gottes Geist wirkt. Oft genug erscheint der Geist der Liebe als Geist der Strenge und des Streites. In mannigfacher Weise ist das Geisteswirken in der Welt verborgen: unter Schwachheit und Leiden derer, durch die er wirkt, und unter der Zweideutigkeit und Verwechselbarkeit mit den Geistern dieser Welt. Alles Geisteswirken kann man versuchen, auch anderweitig zu erklären. Die Erkenntnis des Heiligen Geistes ist nur im Glauben und somit im Ergriffensein durch den Heiligen Geist möglich. Die Unterscheidung der Geister ist selbst eine Geistesgabe.

b) Die Offenbarung des Heiligen Geistes ist aber auch immer wieder verborgen für die Selbstbeobachtung der Glaubenden, ja oft genug verborgen unter dem Gegenteil. Die Gewißheit, mit der in den neutestamentlichen Zeugnissen vom „Haben“ des Geistes die Rede ist, darf darüber nicht hinwegtäuschen. So war die Kraft Christi in Paulus wirksam, verborgen unter der Schwachheit und Erniedrigung des von Verderbensmächten Geschlagenen (2.Kor 12,7ff.). Höchst dialektisch hat Paulus von dem Leben gesprochen, das Gottes Geist den Glaubenden gegeben hat: „Wir beweisen uns als die Gehilfen Gottes, … als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die, die gezüchtigt werden, und doch nicht getötet“ … (2.Kor 6,4.9), — „stets das Todessiegel Jesu am Leibe herumtragend, damit auch das Leben Jesu an unserem Leibe geoffenbart werde“ (4,10). Höchst dialektisch ist so auch von der Freude die Rede, die die Frucht des Geistes ist: ,,… die da betrübt werden und sich allezeit freuen“ (6,10). Die vom Heiligen Geist Erfüllten sind „die Armen, die viele reich machen, die da nichts haben und alles besitzen“ (10). So ist auch das Beten des Geistes oft genug verborgen unter radikaler menschlicher Ratlosigkeit und unter „unaussprechlichem Seufzen“ (Röm 8,26). Nicht als ob Gottes Geist nicht aus noch ein wüßte, wohl aber der Mensch, in dem und für den Gottes Geist das „Abba, lieber Vater!“ ruft.

Gerade als neuer Mensch ist der Mensch sich selbst zum Rätsel geworden. Er ist neues Ich, indem er zugleich bekennen muß: „nicht ich“ (Gal 2,20). Indem er sein Ich [551] in den Tod Christi hineingibt, daß dieser in ihm lebe, ist er neues Ich. Indem er sich sehnt nach dem kommenden Tag Christi und nach der Verwandlung seiner sterblichen Leiblichkeit, ist er neues Ich. Das neue Ich ist Wirklichkeit in der Bewegung des Glaubenden weg von sich und im immer neuen Empfangen des Lebens, das ihm in Christus durch den Geist erschlossen ist. Die Dialektik der Verborgenheit des Geisteswirkens geht durch das Selbsterlebnis der Glaubenden mitten hindurch. Das Neue wird paradox gegenwärtig in der Erfahrung des Vergehens des Gegenwärtigen und im Leiden unter dem Noch-Nicht. Die Verborgenheit Gottes im Wort, von der im I. Kapitel die Rede war, findet ihre Entsprechung in der Verborgenheit des Geisteswirkens.

Zugleich aber sind die neutestamentlichen Schriften voll Gewißheit des Geisteswirkens. Der Heilige Geist ist über uns ausgegossen, er wohnt in unseren Herzen, er treibt und führt uns, wir haben den Heiligen Geist — das ist der Jubel der neutestamentlichen Gemeinde. Und zwar stehen diese Aussagen aber das offenbare Geisteswirken ebensowenig im Gegensatz zu denen über seine Verborgenheit, wie im I. Kapitel die Offenbarung Gottes im Wort im Gegensatz stand zu der Verborgenheit Gottes in eben diesem Wort. Denn gerade in der Verborgenheit ist das Wirken des Geistes offenbar. Diese Verborgenheit darf freilich nicht verwechselt werden mit der geistlosen Trägheit, die über so vielen Christen liegt. Offenbarung in der Verborgenheit heißt vielmehr, daß in der Ohnmacht des Menschen die Kraft Gottes mächtig ist, — daß in dem Sterben des Menschen sich die Auferstehungsmacht Christi manifestiert und daß in der Ratlosigkeit des Menschen der Geist die Führung übernimmt. Die Dialektik von Verborgenheit und Offenbarung ist auch hier keine gleichbetonte Dialektik, vielmehr behält die Freude, die Freiheit, das Leben den Sieg inmitten der Angst, der Versklavung und der Niederlagen. Weil Gottes Geist offenbar wird in der Verborgenheit, deshalb sind die neutestamentlichen Schriften in einer dem modernen Denken so befremdlichen Weise uninteressiert an den psychologischen Abläufen „pneumatischen Erlebens“. Sie ermöglichen keine psychologische Beschreibung des Redens im Geist und der Freude im Geist. Denn die Freude ist geistliche Wirklichkeit auch unter Gefühlen der Traurigkeit, und das Reden des Geistes geschieht auch in Erfahrung von Verlassenheit und Ratlosigkeit. Nicht der Ablauf von Erlebnissen kann hier Gegenstand theologischen Interesses sein, auch wenn sie gewiß in höchst mannigfacher Weise den Glaubenden zuteil werden. Vielmehr weist die pneumatische Dialektik von Leben und Sterben, Reichtum und Armut, Freudigkeit und Traurigkeit den Christen immer wieder auf den Glauben. Das Geisteswirken macht den Glauben gerade nicht überflüssig, es setzt nicht das Schauen an Stelle des Glaubens. Vielmehr ist auch das Geisteswirken nur im Glauben zu erkennen, und zwar gilt dies sowohl für seine Erkenntnis durch die Außenstehenden als auch für die durch die Glaubenden selbst.

c) Freilich gibt es auch enthusiastische Erlebnisse, in denen der Mensch meint, die Schwachheit hinter sich gelassen zu haben und des Glaubens nicht mehr zu bedürfen. Im Enthusiasmus scheint der Glaube vom Schauen bereits abgelöst und die jetzt noch verborgene Neuschöpfung bereits vollendet. Die Gestalten der Schwärmereien, die von dem gnostisierenden Spiritualismus in Korinth an über den Montanismus, die mittelalterlichen Spiritualisten und die Schwarmgeister der Reformationszeit bis in unsere Gegenwart die Kirchengeschichte begleiten und zu manchen Spaltungen geführt haben, sind sehr mannigfaltig. Gerade weil sie sich auf das Wirken des Heiligen Geistes berufen haben, ist die Frage entscheidend: Woran kann erkannt werden, daß Gottes Geist gebietet und nicht andere Geister oder die Wünsche und [552] Ängste, die aus dem Unterbewußten der eigenen Seele aufsteigen und als fremde Weisung dem Bewußtsein begegnen?

Ist das Wirken des Heiligen Geistes zu erkennen an der überwältigenden Kraft und zwingenden Gewalt des Erlebnisses, mit der es über den Menschen hereinbricht? So hat die religionsgeschichtliche Schule die neutestamentlichen Aussagen gedeutet (vgl. Gunkel, a.a.O., S. 11-14,20). Aber das Erlebnis des Überwältigenden als solches kann nicht Kriterium der Wahrheit sein. Ist doch das Wesen des Geisteswirkens gerade nicht die Vergewaltigung, sondern die Befreiung. Oder ist das Reden des Heiligen Geistes mit Sicherheit an den Folgen zu erkennen, die sich bei denen einstellen, die seinen Weisungen gehorchen? Wenngleich der Heilige Geist der Geist der Liebe und der Gemeinschaft ist, ist doch die Wahrheit seines Redens nicht dadurch verbürgt, daß der Gehorchende äußere Erfolge hat und eine Anhängerschaft findet. Oft genug führt der Heilige Geist vielmehr in große Einsamkeit, und es bricht die Liebe Gottes störend hinein in die Gemeinschaftsbindungen dieser Welt. Die Weisung des Heiligen Geistes ist aber auch nicht daran mit Sicherheit zu erkennen, daß dem ihr Gehorchenden Erlebnisse des Friedens und der Freude zuteil werden. So gewiß der Heilige Geist der Geist des Friedens und der Freude ist, führt er doch oft genug in Anfechtungen und Leiden.

Gottes Geist ist vielmehr im Entscheidenden allein an dem Inhalt seines Zeugnisses zu erkennen, nämlich daran, daß er an Jesu Worte „erinnert“ (Joh 14,26) und Jesus „verherrlicht“ (16,14). Bezeichnend für das Reden des Geistes ist, daß er „nicht von sich selber“ redet, sondern von sich weg weist auf Jesu Wort und Werk: „von dem Meinigen (von Jesus) wird er es nehmen und euch verkündigen“ (Joh 16,13ff.). Nachdem Gott zuvor gesprochen hat durch das alttestamentliche Gesetz und die Propheten und zuletzt und endgültig durch seinen Sohn, fügt der Heilige Geist dieser Endgültigkeit nichts anderes und Neues hinzu, sondern er bestätigt sie und tut sie der Welt kund. „Die ganze Wahrheit“, in die er leitet (V.13a), ist keine andere als die in Jesus Christus erschienene. „Das Zukünftige“, das er verkündigt (V.13b), ist keine andere Zukunft als die in Jesus Christus angebrochene und erschlossene. Das Wirken des Geistes durch das Evangelium bedeutet nicht, daß er Apostolat, Taufe und Herrenmahl gestiftet hätte, sondern er wirkt durch sie, indem er daran erinnert, daß Jesus Christus als der dem Kreuz Entgegengehende und als der Auferstandene sie gegeben und geboten hat. Indem der Heilige Geist an Christi Wort und Werk erinnert, tut er nichts anderes, als daß er die ein für allemal geschehene Heilstat Gottes in Christus vergegenwärtigt und so die späteren Geschlechter mit dieser Heilstat gleichzeitig macht.

So hat Paulus gegenüber den korinthischen Schwärmern den gekreuzigten Jesus gepredigt und gelehrt, das Wirken des Heiligen Geistes daran zu erkennen, daß der Gekreuzigte als der Herr bekannt wird. Entsprechend lautet die Weisung des 1.Johannesbriefs „Daran sollt ihr den Geist Gottes erkennen: ein jeder Geist, der bekennt, daß Jesus Christus im Fleisch gekommen ist, ist von Gott, und ein jeder Geist, der Jesus nicht bekennt, ist nicht von Gott“ (4,2f.). Die Mahnung: „Prüft die Geister, ob sie aus Gott sind“ (V.1) ist also das Gebot, alle Worte, die unter Berufung auf den Heiligen Geist laut werden, zu prüfen an der Überlieferung von Gottes geschichtlicher Heilstat in Jesus Christus.

Von diesem eigentümlichen Wegweisen des Heiligen Geistes von sich auf Jesus Christus ist es zu verstehen, daß es in der altkirchlichen Theologiegeschichte zunächst um die Klärung des christologischen Bekenntnisses gegangen ist und daß die der pneumatologischen Aussagen erst später erfolgte. Zwar war der Heilige Geist schon ganz früh zusammen mit Gott dem Vater und dem Sohn bekannt worden, aber die Reflexion über den Geist blieb lange Zeit tastend und widerspruchsvoll. Wenn es für das Wirken des Heiligen Geistes charakteristisch ist, daß er nicht [553] sich selbst, sondern Jesus Christus und Gott den Vater zum Thema macht, dann ist es nur folgerichtig, daß seine Wesenseinheit mit dem Vater nicht bereits 325 in Nicaea, also gleichzeitig mit der Wesenseinheit des Sohnes mit dem Vater, sondern erst 381 in Konstantinopel in voller Bewußtheit bezeugt worden ist.

Indem der Heilige Geist an Jesus Christus erinnert, tut er freilich mehr, als daß er nur historische Jesusworte ins Bewußtsein ruft, sondern er konkretisiert sie, und entfaltet sie in die jeweils neue geschichtliche Entscheidungssituation des Glaubenden hinein. Er erinnert an Jesu Wirken, indem er es im Heute vergegenwärtigt und seine Bedeutung für die Glaubenden in ihrer Jeweiligkeit entfaltet. Die Geschichte der synoptischen Tradition und der darin aufweisbaren Abwandlungen von Jesusworten, und noch mehr das Johannesevangelium, darf als Zeugnis für dieses konkretisierende und vergegenwärtigende Erinnern des Geistes verstanden werden. Auch das Reden des Geistes nach den Zeugnissen der Apostelgeschichte war nicht nur ein historisches Erinnern, vielmehr konkretisierende Vergegenwärtigung des Auftrages, den Jesus Christus den Seinen gegeben hatte. War von Jesus seinen Jüngern die Heilsbotschaft aufgetragen, so folgt daraus ja noch nicht ohne weiteres, daß gerade Paulus und Barna­bas ausgesandt werden sollten und wohin sie zu gehen hätten (Apg 13,2). Mit solcher sendenden Konkretisierung des grundlegenden Auftrags Jesu Christi in der weiteren Geschichte der Kirche rechnen auch z. B. die Pastoralbriefe mit ihren Aussagen über das der Handauflegung vorausgehende Geisteszeugnis der Propheten (vgl. S. 601).

So stimmen die Worte des Geistes mit Jesu ursprünglichen Worten nicht einfach überein, wenngleich sie daran erinnern. Wenngleich sie nichts anderes und nichts Neues sagen, so sagen sie dasselbe doch weithin mit anderen und neuen Worten. Der Geist entfaltet die Worte, die Jesus gesagt hat, und in diesem Sinne sagt er „vieles“, was Jesus vor seinem Abschied von den Seinen noch nicht gesagt hatte (Joh 16,12). Die Wahrheit der Geistesführung läßt sich also noch nicht allein auf dem Wege einer historischen Vergleichung mit den Worten und Taten des irdischen Jesus feststellen, auch wenn viele pneumatische Anmaßungen schon von hier aus enthüllt und gerichtet werden. Vielmehr ist letztlich die „Unterscheidung der Geister“ wiederum selbst eine Gabe des Geistes (1.Kor 12,10). Die Gefahren, die mit der Anerkennung eines konkretisierenden Geisteswirkens und vollends mit der Berufung auf einen solchen pneumatischen Zirkel für die Kontinuität der apostolischen Nachfolge und damit für die Identität der Kirche aufbrechen, sind nicht gering. Aber die Kirche kann auf ihrem Weg durch die ständig wechselnden geschichtlichen Fronten hindurch nicht dieselbe bleiben, wenn nicht Gottes Geist die grundlegende geschichtliche Heilstat und das apostolische Zeugnis immer neu in die konkrete Situation hinein vergegenwärtigt. Paulus jedenfalls hat trotz der Gefahr einer pneumatischen Verwilderung in seinen eigenen Gemeinden gemahnt: „Dämpfet den Geist nicht“ (1.Thess 5,19), „eifert nach den Geistesgaben“ (1.Kor 14,1 vgl. 12,31). Er hat darauf vertraut, daß die Kirche nie ohne die Gabe der Geisterunterscheidung sein wird.

[720] Kapitel XXIV: Das Bekenntnis Gottes des Neuschöpfers

1. Der Heilige Geist, der Neuschöpfer

Wie antworten wir Gott auf sein neuschaffendes Tun? Indem wir den Heiligen Geist als den Neuschöpfer bekennen — „den Herrn und Lebendigmachenden“ (Constantinopolitanum).

Bekennen wir den Glauben an den Heiligen Geist, so ist freilich nicht zu übersehen, daß sich in den neutestamentlichen Schriften — trotz vieler Aussagen über das Wirken des Geistes — kein Bekenntnis des Glaubens an den Heiligen Geist findet, das in seiner Struktur den zahlreichen christologischen Bekenntnissen entspräche. Der Heilige Geist wird nicht als der zu Bekennende, sondern als Urheber des Bekenntnisses (vgl. z.B. Mk 13,11 Par.), vor allem des Christusbekenntnisses (z.B. 1.Kor 12,3) genannt. Es fehlen in den neutestamentlichen Schriften im Unterschied zur Anrufung Christi (z. B. 1.Kor 16,22 und Apk 23,20) Anrufungen des Heiligen Geistes, an ihn gerichtete Bitten um sein Kommen. Vielmehr wird Gott der Vater (z. B. Lk 11,13) um die Sendung des Heiligen Geistes gebeten. Auch finden sich keine Verherrlichungen des Heiligen Geistes in der Struktur der Doxologie und des Hymnus, mit denen Gott der Vater und Jesus Christus angebetet und gepriesen werden.

Der Grund hierfür dürfte vor allem darin zu suchen sein, daß der Heilige Geist dem Menschen nicht in gleicher Weise begegnet wie Jesus Christus. Dieser tritt dem Menschen gegenüber, — der Heilige Geist aber wirkt in dem Menschen. In ihm wohnend weist er zu allen Zeiten auf den einen hin, in dem Gott ein für allemal Mensch geworden ist. Gottes Geist wurde zu Pfingsten ausgegossen und wird in allen Zeiten und Völkern immer wieder ausgegossen, um das Christusbekenntnis zu erwecken. Dabei kommt der Geist nicht in einer bestimmten gleichbleibenden Gestalt, sondern er gleicht dem Hauch des Windes (Joh 3,8). Im übrigen braucht hier nicht wiederholt zu werden, was am Anfang der Lehre von der Neuschöpfung über den Unterschied zwischen der Menschwerdung des Sohnes Gottes und der Ausgießung des Heiligen Geistes bereits ausgeführt wurde (o. S. 537f.).

Wenn alle Kirchen in ihrem Credo über die neutestamentlichen Aussagen hinaus den Glauben an den Heiligen Geist bekennen und Gott nicht nur um die Gabe des Geistes bitten, sondern den Heiligen Geist selbst anrufen: „Komm, Schöpfer Heiliger Geist!“, so ist dies gleichwohl nicht in Willkür geschehen, sondern hat Voraussetzungen in den neutestamentlichen Aussagen selbst. Aber es dürfen die aufgezeigten Unterschiede zwischen den neutestamentlichen Christusbekenntnissen und den Aussagen über den Geist als Urheber dieser Bekenntnisse nicht vergessen werden.

a) Durch den seit Pfingsten ausgegossenen Heiligen Geist vollzieht Gott sein neuschaffendes Wirken. Durch ihn durchbricht er die Taubheit und Blindheit des Menschen und öffnet ihn für die Erkenntnis der Heilstat in Jesus Christus und zum Glauben an ihn. Durch den Heiligen Geist vereinigt er die Glaubenden zum Volk des Neuen Bundes und nimmt sie in Dienst für die Bezeugung Jesu Christi in aller Welt. Durch den Heiligen Geist wird Gott die Glaubenden auferwecken und in das Ebenbild des auferstandenen Christus verwandeln. So vollzieht Gott durch den Geist am Menschen eine Neuschöpfung und gibt ihm Anteil am ewigen Leben. Er macht durch [721] Der Heilige Geist, der Neuschöpfer [721] den Heiligen Geist das möglich, was dem menschlichen Geist in seiner Gefangenschaft in Schuld und Gerichtsverfallenheit unmöglich ist.

Diese Geistesausgießung hat bereits vor Pfingsten in Gottes Handeln an Jesus begonnen. Nach allen Evangelien ist auf ihn in der Taufe durch Johannes der Heilige Geist herabgekommen. In der Vollmacht des Heiligen Geistes hat Jesus gepredigt und geheilt (bes. hervorgehoben im Lukasevangelium, vgl. z. B. 4,18) und als der Erhöhte hat Jesus den Geist gesandt. Darum wird in den neutestamentlichen Schriften der Heilige Geist sowohl als Gottes Geist, als auch als Christi Geist, sowohl als Geist des Vaters, wie auch als Geist des Sohnes bezeichnet. Beide, Gott und der in die Macht Gottes eingesetzte Jesus, ergreifen durch den Heiligen Geist vergebend, befreiend, erneuernd die todverfallenen Menschen und führen sie zur Vollendung in der Auferstehung zum ewigen Leben. Gott der Vater und der Sohn sind in der Kraft des Geistes neuschaffend inmitten der Menschheit gegenwärtig.

b) Der seit Pfingsten ausgegossene Heilige Geist ist in den neutestamentlichen Schriften nicht nur als Kraft bezeichnet, durch die Gott und der erhöhte Christus Menschen lebendig macht, vielmehr ist auch er selbst in vielen Aussagen als der Lebendigmachende bezeugt.

Er begegnet den Menschen nicht nur als Organ Gottes, sondern er tritt auch Gott gegenüber zugunsten der Menschen. „Wir wissen nicht, was wir beten sollen, so wie es sich gehört, sondern der Geist tritt selbst für uns ein mit unaussprechlichem Seufzen“ (Röm 8,26b). „Durch ihn rufen wir: Abba, Vater“ (V.15), — ja, der Geist ruft in unseren Herzen: „Abba, Vater“ (Gal 4,6).

Der Geist begegnet auch nicht nur als Organ-des erhöhten Christus, sondern er tritt Christus gegenüber, indem er in den Glaubenden das Bekenntnis wirkt: „Jesus ist der Herr“ (1.Kor 12,3). Mit der Gemeinde zusammen bittet er Christus um sein Kommen (Apk 22,17).

Von solchem personalen Gegenüber des Heiligen Geistes zu Gott dem Vater und zu Christus her ist es unmöglich, die zahlreichen neutestamentlichen Bezeugungen seines personalen Wirkens im Menschen auf Aussagen über die Kraft Gottes und Christi zu reduzieren. Daß der Heilige Geist spricht, lehrt, erinnert, Weisungen gibt, warnt, überführt, straft etc., — daß der Geist „seine Gabe zuteil werden läßt, wie er will“ (1.Kor 12,11), — all diese Aussagen machen die Anerkennung seines eigenen personalen Wirkens unumgänglich. „Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt“ — dieser siebenmal wiederkehrende Aufruf fordert dazu auf, die sieben Sendschreiben der Offenbarung (2 u. 3) als Verheißung und Urteil des Heiligen Geistes selbst zu vernehmen.

Aber im Reden des Geistes ist im Unterschied zum Reden Gottes und des auferstandenen Christus das redende Ich des Geistes nicht hervorgehoben. Es fehlen z. B. Ich-bin-Worte, die im alten Bund für Jahwe charakteristisch waren und die im Johannesevangelium als Worte Jesu von zentraler Bedeutung sind. Der Heilige Geist weist von sich weg auf den Sohn und damit zugleich auf den Vater. Er konkretisiert und vergegenwärtigt die Worte Jesu im hic et nunc der angesprochenen Menschen und führt sie durch den Sohn zum Vater. Er verbindet so die Glaubenden mit dem Vater und dem Sohn und nimmt sie hinein in ihr Gegenüber und Miteinander. In einer— vom menschlichen Geist unterschiedenen — Selbständigkeit im Menschen wirkend ist er ganz hingewandt auf Gott den Vater und den Sohn.

c) Wie das Herrschen Jesu Christi nicht in Konkurrenz steht zum Herrschen Gottes des Vaters, so steht auch das Lebendigmachen des Geistes nicht in Konkurrenz zum Lebendigmachen Gottes und Jesu Christi. Es geschieht hier ein Neuschaffen [722] durch den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist. Das Neuschaffen des Geistes ist auch als eigenes personales Tun kein anderes als das des Vaters und des Sohnes. Dasselbe „gleich wie“, durch welches das Lebendigmachen des Vaters und des Sohnes als ein Tun bezeichnet ist (Joh 5,21), gilt auch vom Heiligen Geist. Auch im personalen Gegenüber des Geistes zum Vater und dem Sohn ist das Wollen des Vaters und des Sohnes und des Geistes ein Wollen. Das Erleuchten, Erneuern, Heiligen, Sammeln des Heiligen Geistes ist zugleich das Wirken des Vaters und des Sohnes.

Über die Einheit des Wirkens hinaus bekennen alle Kirchen die Einheit des Geistes mit Gott dem Vater und dem Sohn, wie auch der Vater und der Sohn eins sind. Wie im Erlösungswerk der Vater im Sohn und der Sohn im Vater ist, so sind im Werk der Neuschöpfung Gott der Vater und der Sohn im Heiligen Geist und der Geist im Vater und im Sohn. Hat Gott sich im Sohn und hat der Sohn Gott den Vater geoffenbart, so offenbart der Geist Gott den Vater und den Sohn. Denn er erweckt die Erkenntnis des in Jesus Christus offenbaren Gottes. Ist Gott in Jesus offenbar in der Verborgenheit eines uns begegnenden Menschen und der menschlichen Worte, die ihn bezeugen, so wird er in dieser Verborgenheit und gerade in ihr offenbar durch den Geist, welcher den Glauben weckt, der in der Verborgenheit Jesu und des Evangeliums Gottes Herrlichkeit „sieht“.

Die Einheit des Heiligen Geistes mit Gott dem Vater und Jesus Christus ergibt sich bereits unausweichlich aus den zahlreichen Aussagen über sein Wirken als Geist Gottes und Geist Christi. Darüber hinaus aber ist sie auch direkt ausgesprochen in der johanneischen Identifizierung: „Gott ist Geist“ (Joh 4,24) und in den christologisch-pneumatologischen Aussagen des Paulus: „Gott machte ,den letzten Adam‘, Christus, ,zum lebendigmachenden Geist — (1.Kor 15,45), und: „Der Herr ist der Geist, und wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ (2.Kor 3,17).

Daß die Kirche im Unterschied zu den neutestamentlichen Aussagen in ihrem Credo auch den Heiligen Geist bekennt, hat seinen Grund einmal in der Taufformel (Mt 28,19). Da hier der eine Name des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes über dem Täufling ausgesprochen wird, liegt es nahe, nach dem Vater und dem Sohn auch den Geist zu bekennen. Und doch handelt es sich in dem Bekenntnis des Geistes nicht um eine formale Anpassung an das Bekenntnis Gottes des Vaters und Jesu Christi. Für die Entstehung des pneumatologischen Bekenntnisses war es außerdem von großer Bedeutung, daß der Geist nicht nur als Kraft Gottes und Christi im Menschen wirkt, sondern daß er zugleich dem Menschen tröstend, gebietend und warnend gegenübertritt. So begegnet er dem Menschen in seinem Innern als personales Gegenüber, wie Gott dem Menschen von außen in Jesus Christus begegnet. Auch von hier aus lag es nahe, den Glauben an den Geist zu bekennen. Dies geschah im Romanum und im Nicaenum mit den einfachen Worten: „Ich glaube an den Heiligen Geist.“ Das Moment des Gegenübers zum Menschen wurde in Konstantinopel 381 stärker hervorgehoben durch den Zusatz: „… den Herrschenden und Lebendigmachenden.“ Da im Bekenntnis alle Strukturen der Glaubensaussagen konzentriert sind, konnte es nicht ausbleiben, daß der Heilige Geist dann auch angerufen und angebetet wurde. Indessen ist diese Entfaltung wahrscheinlich nicht bereits mit der Erwähnung des Geistes im Credo durchgängig erfolgt. Jedenfalls dürfte, wie aus den damaligen Protesten ersichtlich ist, z. Zt. des Konzils von Konstantinopel die Anbetung und die Verherrlichung des Geistes zusammen mit dem Vater und dem Sohn zwar in Kappadozien und wohl auch in Konstantinopel, aber nicht allgemein üblich gewesen sein. Die direkte Anrede des Heiligen Geistes als Du im Gebet hat sich wohl erst später allgemein durchgesetzt. [723]

2. Der ewige Geist Gottes

Die pfingstliche Ausgießung des Heiligen Geistes auf Jesu Anhänger war nicht der Anfang des Wirkens des Geistes Gottes in der Geschichte. Vielmehr wirkte er schon zuvor in der Geschichte Israels und in dem Geschehen allen geschöpflichen Lebens.

a) So hat Gottes Geist nach den alttestamentlichen Überlieferungen Israel in bedrohlichen Situationen heroische Erretter (wie z. B. Gideon, Simson, Saul) erweckt. Während es sich hier um vorübergehende Indienstnahme dieser Menschen bei bestimmter Gelegenheit handelte, stellten sich Vorstellungen einer dauernden pneumatischen Begabung mit der Institutionalisierung des Königtums ein. Im Unterschied zu frühen ekstatischen Prophetengruppen sind die Reden der vorexilischen Schriftpropheten kaum auf das Wirken des Gottesgeistes zurückgeführt worden. Für sie war bestimmend die Beauftragung durch Gottes Wort und die Verkündigung dieses Wortes im Gegensatz zu Ekstasen und Träumen falscher Propheten. Erst nach dem Exil wurde das Reden von Propheten, Lehrern und Psalmdichtern in einen engeren Zusammenhang mit Geisteswirkungen gebracht, wobei diese freilich auf einzelne beschränkt blieben. Eine Geistausgießung über alle Glieder des Volkes (Jo 3,1-5) und die geistgewirkte Auferstehung des Volkes (Ez 37) wurden erst von der Zukunft erwartet.

Über Gottes Heilstaten an Israel hinaus ist im alten Bund alles geschöpfliche Leben als Wirkung des Geistes Gottes verstanden worden. Durch Gottes Anhauchung ist das Leben des Menschen entstanden (Gen 2,7; Hi 33,4), und es bleibt davon abhängig, daß Gott seinen Geist nicht entzieht. „Wenn er seinen Geist zurücknähme und seinen Odem an sich zöge, — verschwinden müßte alles Fleisch, und zu Staub kehrte der Mensch zurück“ (Hi 34,14f.). Auch das tierische Leben hat im Wirken des Gottesgeistes seinen Ursprung und seinen Bestand. „Sendest du deinen Odem aus, so werden sie geschaffen“, — „nimmst du ihren Odem hin, so verschwinden sie und werden wieder zu Staub“ (Ps 104,30 u. 29). Gen 1,2 ist in der kirchlichen Überlieferung meist so gedeutet worden, daß Gottes Geist an der Erschaffung des Alls und der Überwindung des Tohuwabohu mitgewirkt habe. Es ist heute umstritten, ob hier nur von einem gewaltigen Sturm als einem dritten Moment in der Schilderung des Zustandes vor Gottes erster Schöpfungstat durch das Wort die Rede ist. Für den Zusammenhang von Gottes Geist und Wort sprechen jedoch auch andere alttestamentliche Schöpfungsaussagen, wie z.B. Psalm 33,6: „Der Himmel ist durchs Wort Jahwes gemacht und all sein Heer durch den Hauch seines Mundes.“

Auch abgesehen von Gen 1,2 ist deutlich, daß Gottes Geist den Geschöpfen in souveräner Freiheit gegenübersteht und, Leben gebend und nehmend, wie Gott der Schöpfer von allem Geschaffenen unterschieden ist. Zwar spielen in den neutestamentlichen Schriften die alttestamentlichen Aussagen über das von Anfang an geschehende Schöpferwirken des Geistes keine Rolle. Die neutestamentlichen Aussagen über den Heiligen Geist sind ganz konzentriert auf sein erneuerndes und neuschaffendes Tun. Aber sowohl die neutestamentlichen Aussagen über den Neuschöpfer wie auch die alttestamentlichen über den Schöpfer dieses irdischen Lebens bezeugen so stark die allen Geschöpfen vorgegebene Macht des Geistes, daß er von allen Kirchen als der ewige Geist gepriesen wird.

b) Der Heilige Geist hat als der ewige Geist in Gott dem Vater seinen ewigen Ursprung. Er hat somit denselben Ursprung wie der ewige Sohn. Wie der ewige Sohn von seinem Ursprung in Gott dem Vater nicht getrennt werden kann, — so auch nicht der Heilige Geist. [724]

Von hier aus ergibt sich die Frage, wie sich der Ursprung des Geistes zum Ursprung des Sohnes verhält. Geht der Geist vom Vater allein oder vom Vater und dem Sohn aus? Diese Frage hat zum Streit um das Filioque geführt, der bei der Entstehung der Spaltung zwischen der östlichen und der westlichen Kirche eine große Rolle gespielt hat und auch heute noch nicht beendet ist. Hierbei ist von vornherein zu beachten, daß in den neutestamentlichen Schriften sich zwar zahlreiche explizite Aussagen über den geschichtlichen Ausgang des Heiligen Geistes von dem erhöhten Christus, aber keine über seinen ewigen Ausgang aus dem Sohne finden. Insofern liegen die Aussagen über die Beteiligung oder Nichtbeteiligung des Sohnes an dem ewigen Ausgang des Heiligen Geistes auf einer anderen Ebene als das Bekenntnis des Ausgangs des Sohnes und des Heiligen Geistes vom Vater. Da bei den Kämpfen um das Filioque unterschiedliche Auslegungen des trinitarischen Dogmas eine wichtige Rolle gespielt haben, sei die Erörterung der Frage des Filioque bis zum Abschluß der Trinitätslehre zurückgestellt (s. Kap. XXVI,7).

c) Weil der Heilige Geist der ewige Geist ist, kann seine Einheit mit Gott dem Vater und dem Sohn weder auf die Zeit seines pfingstlichen und nachpfingstlichen Wirkens, noch auch auf die vorausgegangene Zeit seines Wirkens in der Schöpfung und dem alten Bund beschränkt werden. Vielmehr ist die ewige Einheit des Geistes mit dem Vater und dem Sohn zu preisen. Ist Gott in Christus durch die Ausgießung des Geistes offenbar geworden, dann wird diese Offenbarung nur dann anerkannt, wenn das Ineinandersein und die Einheit von Vater, Sohn und Heiligem Geist als ewiges Ineinander- und Einssein bekannt wird. Das Wort „Gott ist Geist“ kann nicht auf das geschichtliche Wirken Gottes durch den Geist an den Geschöpfen beschränkt werden. Vielmehr ist Gottes ewiges Geist-Sein zu bekennen.

So ist die Heiligkeit des Geistes dieselbe wie die des Vaters und des Sohnes. Er ist ebenso Licht und Leben wie Gott der Vater und der Sohn. So ist der Heilige Geist eines Wesens mit Gott dem Vater und dem Sohn. Zwar ist das Wort homoúsios in den Aussagen des Constantinopolitanums über den Heiligen Geist nicht verwendet, aber der Inhalt wird unzweideutig bekannt: der Heilige Geist wird „mit dem Vater und dem Sohn zugleich angebetet und verherrlicht“. Alle Vollkommenheiten Gottes sind auch als Vollkommenheiten des Heiligen Geistes zu preisen.

Quelle: Edmund Schlink, Ökumenische Dogmatik. Grundzüge, Göttingen 1983, Seiten 537-553.720-724.

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