Fragstück des christlichen Glaubens für die Jugend (1535)
Von Johann Brenz (1499-1570)
[Vorwort:]
Johann Brenz den Kindern zu Schwäbisch Hall.
Gottes Gnad durch Jesum Christum. Liebe Kinder! Es seien [= sind] Vorjahren etlich Kinderfrag unter meinem Namen im Druck ausgangen, in welchen, ob ich wohl etlich Fragstück [als] von mir gestellt [an]erkenne, so hab ich doch in vielen [nur] kleinen Gefallen: Jetzt seien [= sind] sie dem jungen Lehrschüler zu lang, jetzt zu unverständig, jetzt zu ungeschickt. Darum hab ich mit Rat und Verwilligung [= Einwilligung] unsers Pfarrers und anderer Kirchendiener diesen gegenwärtigen Katechismum auf das kürzest und klarest, so mir immer möglich gewesen, gestellt. Den befehlen wir euch [an], von Wort zu Wort auswendig zu lernen und nit allein dafür zu halten, daß er die Hauptstück des christlichen Glaubens auf das kürzest begreife, sondern auch, daß er euch den rechten Weg zur Seligkeit auf das getreulichst anzeige.
Hiemit Gott befohlen.
Katechismus
[1.] Frag: Was Glaubens bist du? Antwort: Ich bin ein Christ.
[2.] Frag: Warum bist du ein Christ? Antwort: Darum, daß ich glaub in Jesum Christum und bin in seim Namen getauft.
Von der Tauf
[3.] Frag: Was ist die Tauf? Antwort: Die Tauf ist ein Sakrament und ein göttlich Wortzeichen, damit sich Gott, der Vater, durch seinen Sohn Jesum Christum samt dem Heiligen Geist verspricht, daß er dem Getauften ein gnädiger Gott will sein und verzeihe ihm alle sein Sünd, nehm ihn auf an eins Kinds Statt und [zum] Erben aller himmlischen Güter.
[4.] Frag: Mit welchen Worten ist das Sakrament der Tauf von Jesu Christo eingesetzt? Antwort: Matthäi am letzten [28, V. 18b-20], da er zu sein[en] Jüngern sprach: Mir ist geben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Gehet hin und lehrt alle Völker und tauft sie in dem Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie alles, was ich euch befohlen hab. Desgleichen Marei am letzten [16, V. 15b. 16]: Gehet in alle Welt und predigt das Evangelium allen Kreaturen. Wer da glaubt und [ge] tauft wird, der wird selig; wer aber nit glaubt, der wird verdammt werden.
Vom christlichen Glauben
[5.] Frag: Was glaubest du? Antwort: Ich glaub in Gott, den allmächtigen Vater, Schöpfer Himmels und der Erden. Und in Jesum Christum, sein[en] einigen Sohn, unsern HERRN, der empfangen ist von dem Heiligen Geist, geborn aus Maria, der Jungfrauen, der gelitten hat unter Pontio Pilato, gekreuziget, gestorben und begraben worden. Er ist abgestiegen zu der Höll, am dritten Tag von den Toten auferstanden. Er ist aufgestiegen in die Himmel; da sitzt er zu der Rechten Gottes, seines allmächtigen Vaters, von dannen er zukünftig ist, zu richten die Lebendigen und die Toten. Ich glaub in den Heiligen Geist, ein heilige christliche Kirch, ein Gemeinschaft der Heiligen, Verzeihung der Sünden, Auferstehung des Fleischs und ein ewigs Leben.
[6.] Frag: Was Nutz bringt dir dieser Glaub? Antwort: Diesen Nutz bringt er mir, daß ich durch den Glauben von wegen Jesu Christi vor Gottes Gericht [als] fromm und gerecht geurteilt und mit dem Heiligen Geist begabt werd, daß ich zu Gott beten darf und ihn als ein Vater anrufen und mein Leben nach sein[en] Geboten anrichten mag.
Vom Vaterunser
[7.] Frag: Wie bet[et] man? Antwort: Wie uns unser HERR Jesus Christus gelernt [= gelehrt] hat:
Vater unser, der du bist im Himmel, dein Nam sei heilig. Dein Reich komme. Dein Will geschehe auf Erden wie im Himmel. Unser täglich Brot gib uns heut. Vergib uns unser Schuld, wie wir unsern Schuldigem vergeben. Führe uns nit in Versuchung, sondern erlös uns von dem Übel; denn dein ist das Reich, die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Von [den] Zehn Geboten
[8.] Frag: Was sind die Gebot Gottes? Antwort:
Das erst Gebot: Du sollst glauben an einen Gott. Das ander: Du sollst den Namen deines Gottes nit unnützlich führen. Das dritt: Du sollst den Feiertag heiligen. Das viert: Du sollst dein Vater und Mutter ehren, daß du langes Leben habest. Das fünft: Du sollst nit töten. Das sechst: Du sollst nit ehebrechen. Das siebent: Du sollst nit stehlen. Das acht: Du sollst nit falsche Zeugnis reden wider dein Nächsten. Das neunt: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. Das zehnt: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Viehe oder was sein ist.
[9.] Frag: Wozu sind die Gebot Gottes geben? Antwort: Zum ersten dazu, daß wir daraus lernen vor Gott unser Sünd erkennen. Zum andern, daß wir daraus lernen gute Werk tun und ein göttlich Leben führen.
[10.] Frag: [Vermögen wir auch die Gebot Gottes vollkommenlich mit unsern guten Werken [zu] erfüllen? Antwort: Nein, denn unsere guten Werk sind von wegen der Sünd, darin wir empfangen und geboren sind, nit ganz vollkommen gut. Aber unser HERR Gott hat uns sein[en] Sohn Jesum Christum, der nie kein Sünd hat getan und der alle Gebot Gottes vollkommenlich erfüllt hat, zu eim Eigentum geschenkt. So wir nun an denselben glauben, hält uns Gott aus Gnad und Barmherzigkeit von wegen Jesu Christi dafür, als hätten wir selbst alle seine Gebot erfüllet.
[11.] Frag: Warum sollen wir gute Werk tun? Antwort: Nicht darum, daß wir mit unserm Tun die Sünd büßen und ewigs Leben verdienen, – denn Christus hat allein die Sünd gebüßt und das ewig Leben verdient, – sondern darum, daß wir den Glauben mit guten Werken bezeugen und unserm HERRN Gott für seine Guttaten dankbar sein sollen.
Vom Nachtmahl
[Frage 11a, seit 1543: Wodurch wird der Glaub in Anfechtung gestärkt und das Gewissen in Betrübnis getrost? Antwort: Durch das Nachtmahl unsers Herren Jesu Christi.]
[12.] Frag: Was ist das Nachtmahl unsers HERRN Jesu Christ? Antwort: Es ist ein Sakrament und ein göttlich Wortzeichen, darin Christus uns wahrhaftiglich und gegenwärtiglich sein Leib und Blut darreicht, und vergewissert uns damit, daß wir haben Verzeihung der Sünd und das ewig Leben.
[13.] Frag: Wie lauten die Wort der Einsetzung des Nachtmahls? Antwort: In der Nacht, da der HERR Jesus verraten ward und mit sein[en] Jüngern zu Tisch saß, da nahm er das Brot, sagt[e] Dank seim himmlischen Vater, segnet’s, brach’s, gab’s sein[en] Jüngern und sprach: Nehmt hin und esset, das ist mein Leib, der für euch geben wird; solchs tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen nach dem Nachtmahl nahm er den Kelch, dankt[e] und sprach: Nehmt hin und trinket all daraus, das ist der Kelch des neuen Testaments in meinem Blut, das für euch und für viel vergossen wird zur Vergebung der Sünd; solchs tut, so oft ihr trinkt, zu meinem Gedächtnis.
Von den Schlüsseln des Himmelreichs
[14.] Frag: Welchs sind die Schlüssel des Himmelreichs? Antwort: Die Predigt des heiligen Evangeliums von Jesu Christo.
[15.] Frag: Wo ist dasselbig Predigtamt von Jesu Christo eingesetzt? Antwort: Lucä am zehnten [V. 16a] spricht Christus: Wer euch hört, der hört mich; wer euch verschmäht, der verschmäht mich. Matthäi am sechzehnten [V. 19] sagt Christus zu Petro und unter seinem Namen zu allen Aposteln und Predigern des Evangeliums: Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein. Johannis am zwanzigsten [V. 22b. 23]: Nehmt hin den Heiligen Geist. Welchen ihr die Sünd erlaßt, den[en] sind sie erlassen, und welchen ihr sie behaltet, den[en] sind sie behalten.
Gedruckt zu Hagenau durch Valentinum Kobian, 1535. Hier abgedruckt mit freundlicher Erlaubnis des Calwer Verlages aus: Christoph Weismann, Eine kleine Biblia. Die Katechismen von Luther und Brenz, Einführung und Texte, Calwer Verlag, Stuttgart 1985.
Quelle: Theologische Beiträge 24 (1993; Heft 6), S. 330-332.