„Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?“ (Hiob 2,10) Die Frage stellt sich: Hat etwa Gott gegenüber Menschen auch Böses im Sinn?

Hat Gott gegenüber Menschen auch Böses im Sinn? Zur fälligen Neuübersetzung von Hiob 2,10

Die heutige Herrnhuter Tageslosung aus dem Munde Hiobs hat es in sich: „Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?“ (Hiob 2,10) Die Frage stellt sich dem unbedarften Leser: Hat etwa Gott gegenüber Menschen auch Böses im Sinn? Im Deutschen denken wir bei Bösem zugleich an „Bosheit“ (malitia bzw. malevolentia), die im Sinne des malum morale gewollt ist. Wird Gott willentlich Böses zugetraut, ist kein Vertrauensverhältnis zu ihm möglich. Damit würde sich die Vater-unser-Bitte „erlöse uns von dem Bösen“ (Matthäus 6,13) erübrigen.

Nun bedeutet ra‘ im Hebräischen nicht nur willentliches Böse, sondern auch das willenlos widerfahrende Übel bzw. Unglück im Sinne eines malum physicum (dem wohl noch ein malum technicum hinzuzufügen wäre). Angesichts des heutigen Sprachverständnisses ist es angebracht, Hiob 2,10 neu zu übersetzen, wie dies in der englischsprachige New Revised Standard Version Bible (NRSV) geschehen ist. Dort heißt es: „Shall we receive the good at the hand of God, and not receive the bad?“ (In der King James Version liest es sich hingegen: „Shall we receive good at the hand of God, and shall we not receive evil?“)

Nehmen wir das Gute an von Gott, sollen wir dann nicht auch das Übel annehmen?“ (Hiob 2,10) Zumutung und Anfechtung sind damit nicht aufgehoben, aber eine göttliche „Böswilligkeit“ bleibt außen vor.

Hier der Text als pdf.

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