Das Hohelied der Liebe (1. Korinther 13, 1-13) in der Übertragung von Jörg Zink: „Die Liebe hat Zeit. / Sie liebt mit langem Atem. / Sie ist freundlich. / Sie erzwingt nichts / und nimmt den Geliebten, wie er ist. // Sie fällt nicht auf / und stellt sich nicht zur Schau. / Sie verletzt nicht. / Sie greift nicht an. / Sie sucht keinen Gewinn. // Sie wird nicht bitter / durch bittere Erfahrung. / Sie rechnet das Böse nicht zu. / Sie trauert über das Unrecht / und freut sich über die Wahrheit.“

Das Hohelied der Liebe (1. Korinther 13, 1-13) in der Übertragung von Jörg Zink

Spräche ich in allen Sprachen der Menschen,
sänge ich in den Tönen der Engel
und liebte nicht,
ich gliche einer dumpfen Glocke
oder einer klingenden Schelle.

Wüsste ich Gottes Gedanken,
schaute ich alles Geheimnis,
erfüllte mich alle Weisheit,
versetzte ich Berge
durch die Kraft meines Glaubens
und liebte nicht,
es wäre vertan.

Verteilte ich alle meine Habe,
ginge ins Feuer,
ließe meinen Leib brennen
und liebte nicht,
es wäre vertan.

Die Liebe hat Zeit.
Sie liebt mit langem Atem.
Sie ist freundlich.
Sie erzwingt nichts
und nimmt den Geliebten, wie er ist.

Sie fällt nicht auf
und stellt sich nicht zur Schau.
Sie verletzt nicht.
Sie greift nicht an.
Sie sucht keinen Gewinn.

Sie wird nicht bitter
durch bittere Erfahrung.
Sie rechnet das Böse nicht zu.
Sie trauert über das Unrecht
und freut sich über die Wahrheit.

Die Liebe trägt alles.
Die Liebe glaubt alles.
Die Liebe hofft alles.
Sie beugt sich der Last
und bleibt geduldig gebeugt.

Unvergänglich ist die Liebe.
Menschliches Wissen um Gott
wird verwehen,
was Menschen geredet,
verhallen
was sie forschten und dachten,
zu Ende gehen.

Stückwerk ist, was wir wissen,
Stückwerk, was wir erkennen.
Nimmt das Vollkommene uns auf,
schauen wir die Fülle,
so endet das Stückwerk.

Einst war ich ein Kind.
Ich sprach wie ein Kind.
Ich war klug wie ein Kind.
Ich träumte kindliche Träume.
Als ich ein Mann ward,
legte ich die Kindheit ab.

Heute ahnen wir Gott
wie unser eigenes dunkles Gesicht
in kupfernem Spiegel,
fremd, verschattet und rätselvoll.
Morgen schauen wir, nahe und klar,
sein Angesicht.

Viel ist, was wir verstehen,
und dennoch: Stückwerk ist es.
Dann aber werden wir schauen
in der Klarheit,
in der Gott uns heute erkennt.

Nun aber bleiben
Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei.
Aber die größte unter ihnen ist die Liebe.

Quelle: Jörg Zink, Was bleibt, stiften die Liebenden, Stuttgart: Kreuz, 1979, S. 9-11.

Hier der Text als pdf.

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