Bernhard von Clairvauxs Verkehrung des Evangeliums in „An die Tempelritter über das Lob der neuen Ritterschaft“ (1128/9): „Wie ehrenvoll kehren die Sieger aus der Schlacht zurück! Wie selig sterben sie als Märtyrer im Kampf! Freue dich, starker Kämpfer, wenn du im Herrn lebst und siegst! Aber noch mehr frohlocke und rühme dich, wenn du stirbst und dich mit dem Herrn vereinst.“

Das ist ja das Erschreckende, dass ausgerechnete der um seiner Christus-Mystik gerühmte Bernhard von Clairvaux (Martin Luther: „Ist jemals ein gottesfürchtiger und frommer Mönch gewesen, so war’s St. Bernhard, den ich allein viel höher halte als alle Mönche und Pfaffen auf dem ganzen Erdboden.“) zugleich Kriegstheologe gewesen ist, der den Märtyrerbegriff evangeliumswidrig auf den Tod bei Kriegshandlungen „heilswirksam“ umgedeutet hat. So schreibt Bernhard um 1128/9:

An die Tempelritter über das Lob der neuen Ritterschaft (Liber ad milites templi de laude novae militiae)1

Von Bernhard von Clairvaux

I. MAHNREDE AN DIE TEMPELRITTER

1. Überall in den Ländern und in jener Gegend, die Christus in Menschengestalt und als aufstrahlendes Licht aus der Höhe besucht hat, hört man seit kurzem, es sei eine neue Schar von Rittern aufgetreten. Dort von wo er in der Kraft seines Armes die Fürsten der Finsternis verscheuchte will er auch ihre Anhänger, die Söhne des Unglaubens zersprengen und vernichten durch die Hand seiner starken Streiter. Er schafft auch heute seinem Volk Erlösung und errichtet uns das Horn des Heils im Hause seines Knechtes David. Es handelt sich sage ich um ein neues der Welt noch unbekanntes Rittertum das einen zweifachen Kampf zugleich unermüdlich kämpft nämlich den gegen Fleisch und Blut und den gegen die bösen Geister des himmlischen Bereiches. Wenn man nur mit Körperkraft einem körperlichen Feind Widerstand leistet so sehe ich das allerdings weder als wunderbar an noch halte ich es für eine Seltenheit. Aber auch dann, wenn man in tapferer Gesinnung den Lastern und Dämonen den Krieg erklärt, scheint mir das nicht so großartig zu sein auch wenn es lobenswert ist denn man sieht ja, dass die Welt voll von Mönchen ist. Aber wenn beide Menschen in einer Person, ein jeder sich kraftvoll mit dem Schwert umgürtet, sich ehrenvoll durch sein Zingulum auszeichnet wer würde einen solchen nicht aller Bewunderung für höchst würdig erachten zumal es sich ja um Außergewöhnliches handelt? Ein solcher ist jedenfalls ein unerschrockener Ritter allenthalben gefeit; er umgibt seinen Leib mit dem Panzer aus Eisen seine Seele aber mit dem des Glaubens. Da er nun durch beiderlei Waffen geschützt ist, fürchtet er weder Teufel noch Menschen. Nicht einmal vor dem Tode ist dem bange der sich zu sterben sehnt. Denn was könnte der im Leben oder im Tode fürchten dem Christus Leben und Sterben Gewinn ist? Er setzt sich treu und freudig für Christus ein; aber mehr sehnt er sich danach aufgelöst zu werden und bei Christus zu sein: Das ist nämlich besser. Schreitet also sicher voran ihr Ritter und vertreibt unerschrocken die Feinde des Kreuzes Christi in der Gewissheit, dass weder Tod noch Leben euch von der Liebe Gottes trennen kann die sich in Christus Jesus offenbart. In jeder Gefahr wiederholt für euch das Wort: „Ob wir leben oder ob wir sterben wir gehören dem Herrn.“ (Röm 14,8) Wie ehrenvoll kehren die Sieger aus der Schlacht zurück! Wie selig sterben sie als Märtyrer im Kampf! Freue dich, starker Kämpfer, wenn du im Herrn lebst und siegst! Aber noch mehr frohlocke und rühme dich, wenn du stirbst und dich mit dem Herrn vereinst. Das Leben ist fruchtbringend (an Werken), und der Sieg ist ruhmvoll. Beiden aber wird ein seliges Sterben zu Recht vorgezogen. Denn wenn schon die „selig sind, die im Herrn sterben“ (Offb 14,13), sind es dann nicht vielmehr jene, die für den Herrn sterben?

2. Ob nun einer auf seinem Lager oder auf dem Schlachtfeld stirbt, der Tod seiner Heiligen wird ohne Zweifel kostbar in den Augen des Herrn sein. In der Tat aber ist der Tod im Kampf um so kostbarer, je ruhmvoller er ist. O sicheres Leben, wenn das Gewissen rein ist! Ja, ich sage, sicher ist ein Leben dann, wo der Tod ohne Furcht erwartet, ja sogar voll Wonne ersehnt und mit Hingabe empfangen wird! O wahrhaft heiliger und sicherer Heeresdienst und von einer zweifachen Gefahr gänzlich frei, in die diese Art Menschen (die Ritter) oft zu geraten pflegt, wenn nicht Christus allein die Ursache des Kampfes ist. Denn sooft du dich in weltlichem Heeresdienst in den Kampf stürzt, ist allerdings zu befürchten, dass du entweder den Feind zwar leiblich, dich aber seelisch tötest – oder dass du von ihm zugleich dem Leib und der Seele nach getötet wirst. Die Gefahr oder der Sieg des Christen wird nämlich nach der inneren Gesinnung und nicht nach dem Kriegsglück beurteilt. Wenn nun die Sache des Kämpfenden eine gerechte ist, da wird ihr Ausgang nicht schlecht sein können, wie auch der Zweck nicht als gut beurteilt werden kann, wo ihm kein guter Beweggrund und keine rechte Absicht vorausgehen. Wenn es so kommt, dass du selber in der Absicht, einen anderen zu töten, getötet wirst, stirbst du als Mörder. Wenn du die Oberhand gewinnst und in der Absicht zu siegen und dich zu rächen, von ungefähr einen Menschen tötest, dann lebst du als Mörder. Es nützt aber weder dem Toten noch dem Lebenden, weder dem Sieger noch dem Besiegten, ein Mörder zu sein. Unglücklich der Sieg, bei dem du einen Menschen besiegst, dabei aber dem Laster unterliegst und dich vergeblich rühmst, einen überwunden zu haben, während du von Zorn und Hochmut beherrscht wirst. Es gibt freilich auch solche, die einen Menschen umbringen, nicht so sehr aus Rachsucht oder aus Siegesbegehren, sondern nur, um einer Gefahr zu entrinnen. Aber nicht einmal diesen Sieg würde ich gut nennen, da es von den beiden Übeln das leichtere ist, dem Leibe nach zu sterben als der Seele nach. Nicht aber weil der Leib getötet wird, stirbt auch die Seele, sondern „die Seele, die gesündigt hat, die wird sterben.“ (Ez 18,4)

II. DAS WELTLICHE RITTERTUM

3. Was ist der Zweck, was die Frucht dieser weltlichen, ich nenne sie nicht Ritterschaft, sondern Verderbtheit, wenn dabei sowohl der Tötende eine Todsünde begeht als auch der Getötete ewig zugrunde geht? In der Tat – ich bediene mich der Worte des Apostels: „Der Pflüger wie der Drescher sollen ihre Arbeit in der Erwartung tun, ihren Teil zu erhalten.“ (1Kor 9,10) Welch staunenerregender Irrtum also, ihr Ritter, welch unerträgliche Raserei, Kriegsdienst zu leisten unter so vielen Auslagen und Mühen! Bei keinem anderen Sold als entweder Tod oder Verbrechen! Ihr bedeckt eure Pferde mit seidenen Decken und eure Panzer mit allen möglichen Überhängen und Tüchern; ihr bemalt die Speere, die Schilder und die Sättel; die Zügel und Sporen schmückt ihr ringsum mit Gold und Silber und Edelsteinen; mit so großer Pracht eilt ihr in beschämender Raserei und schamlosem Stumpfsinn in den Tod. Sind das militärische Abzeichen oder nicht vielmehr weibischer Putz? Meint ihr vielleicht, dass der Dolch des Feindes vor dem Gold zurückscheut, die Edelsteine schont und die Seide nicht zu durchbohren vermag? Schließlich gibt es für den Kämpfenden, was ihr ganz sicher öfters erfahrt, drei Bedingungen, die besonders notwendig sind, nämlich: Der tapfere und fleißige Ritter sei umsichtig, um sich selbst zu schützen; er sei frei zur Bewegung und beherzt zum Treffen. Ihr aber lasst euren Haarschmuck nach Weiberart wachsen, wodurch ihr euch noch die Sicht erschwert; ihr verwickelt eure Schritte in lange, kostspielige Hemden, ihr versenkt eure zarten und feinen Hände in weite und wallende Ärmel. Obendrein ist das ein ganz leichtfertiger und frivoler Grund, warum man einen solchen und so gefährlichen Kriegsdienst auf sich nimmt – was das Gewissen eines Bewaffneten noch mehr schrecken sollte. Nur die unvernünftige Leidenschaft des Zorns oder die Gier nach eitlem Ruhm oder die Begierde nach irdischem Besitz erregen und wecken unter euch Kämpfe und Streitigkeiten. Bei solchen Anlässen gewährt weder das Töten noch das Sterben Sicherheit

III. DAS NEUE RITTERTUM

4. Die Ritter Christi aber kämpfen mit gutem Gewissen die Kämpfe des Herrn und fürchten niemals weder eine Sünde, weil sie Feinde erschlagen, noch die eigene Todesgefahr. Denn der Tod, den man für Christus erleidet oder verursacht, trägt keine Schuld an sich und verdient größten Ruhm. Hier nämlich wird für Christus, dort Christus (selbst) erworben. Er nimmt wahrlich den Tod des Feindes als Sühne gern an und bietet sich noch lieber seinem Streiter als Tröster dar. Ein Ritter Christi, sage ich, tötet mit gutem Gewissen, noch ruhiger stirbt er. Wenn er stirbt, nützt er sich selber, wenn er tötet, nützt er Christus. „Denn nicht ohne Grund trägt er das Schwert, er steht im Dienst Gottes und vollstreckt das Urteil an dem, der Böses tut, zum Ruhm aber für die Guten.“ (Röm 13,4; 1Petr 2,14) Ja. wenn er einen Übeltäter umbringt, ist er nicht ein Menschenmörder, sondern sozusagen ein Mörder der Bosheit, und mit Recht wird er als Christi Rächer gegen die Missetäter und als Verteidiger der Christenheit angesehen. Wenn er aber selbst umgebracht wird, ist es klar, dass er nicht untergegangen, sondern ans Ziel gelangt ist. Der Tod, den er verursacht, ist Christi Gewinn; wenn er ihn erleidet, sein eigener. Der Christ rühmt sich, wenn er einen Ungläubigen tötet, weil Christus zu Ehren kommt. Wenn ein Christ stirbt, offenbart sich die Hochherzigkeit des Königs, da der Ritter zur Belohnung geführt wird. Ja, über ihn wird der Gerechte frohlocken, wenn er die Vergeltung sieht. Über ihn „sagen die Menschen: Gibt es denn für den Gerechten einen Lohn? Gewiss, es gibt einen Gott, der auf Erden Gericht hält.“ (Ps 57,11f) Allerdings dürfte man die Heiden nicht töten, wenn man sie auf einem anderen Weg von den maßlosen Feindseligkeiten und von der Unterdrückung der Gläubigen abhalten könnte. Nun aber ist es besser, dass sie beseitigt werden, als dass das Zepter des Frevels auf dem Erbland der Gerechten lasten soll, damit die Gerechten nicht etwa ihre Hände nach Unrecht ausstrecken.

5. Was also? Wenn mit dem Schwert dreinzuschlagen für den Christen in keinem Fall erlaubt ist, warum hat dann der Vorläufer Christi den Soldaten auferlegt, sie sollen mit ihrem Sold zufrieden sein, anstatt ihnen den Kriegsdienst ganz und gar zu verbieten. Wenn es aber jedenfalls allen erlaubt ist, die dazu durch Gottes Anordnung bestimmt sind, und die sonst nichts Höheres gelobt haben, wem – so frage ich – steht es besser an, als denen, durch deren starke Hand Zion, unsere befestigte Stadt, zu unser aller Schutz gehalten wird? Sie wird gehalten, damit nach Vertreibung derer, die das göttliche Gesetz überschreiten, das gerechte Volk in Sicherheit einzieht, das dem Herrn die Treue bewahrt. Sicher sollen deshalb die Völker, die am Krieg Lust haben, zerstreut und zerhauen werden: solche Leute, die bei uns Unruhe stiften; alle sollen aus der Stadt des Herrn ausgerottet werden, die Unrecht tun. Sie arbeiten daran, die in Jerusalem niedergelegten unschätzbaren Reichtümer des christlichen Volkes zu rauben, das Heiligtum zu schänden und den heiligen Tempel Gottes in Besitz zu nehmen. Es sollen also beide Schwerter von den Gläubigen gegen die halsstarrigen Feinde gezückt werden, zu zerstören jeden Stolz, der sich gegen die Gotteserkenntnis erhebt, worin der christliche Glaube liegt. „Und die Heiden sollen nicht sagen können: Wo ist ihr Gott?“ (Ps 113,2)

6. Wenn diese ausgestoßen sind, wird er selbst in sein Erbe und in sein Haus zurückkehren, über das er erzürnt im Evangelium sagt: „Sieh“ so spricht er, „euer Haus wird verlassen“ (Mt 23,38), und durch den Propheten klagt er so: „Ich verließ mein Haus, ich verstieß mein Erbteil.“ (Jer 12,7) Und er wird so jenes Prophetenwort erfüllen: „Der Herr hat sein Volk erlöst und es befreit. Sie werden kommen und jubeln auf Zions Höhe, sie werden strahlen vor Freude über die Gaben des Herrn.“ (Jer 31,11f) Freue dich Jerusalem und erkenne die Zeit deiner Heimsuchung! „Brecht in Jubel aus, jauchzt alle zusammen, ihr Trümmer Jerusalems! Denn der Herr tröstete sein Volk, er erlöste Jerusalem. Der Herr machte seinen heiligen Arm frei vor den Augen aller Völker.“ (Jes 52,9f) Du Jungfrau Israel, du warst gefallen, und es war keiner da, der dich aufhob. Steh auf, schüttle den Staub von dir ab, Jungfrau, gefangene Tochter Zions! Steh auf, sage ich, und steig auf die Höhe! Schaue die Freude, die von deinem Gott zu dir kommt! „Nicht länger nennt man dich ‚Die Verlassene‘ und dein Land ‚Das Ödland‘. Denn der Herr hat an dir seine Freude, und dein Land wird bewohnt werden“ (Jes 62,4) „Blicke auf und schaue umher! Alle versammelten sich und kamen zu dir“. (Jes 49,18) Das ist die Hilfe, die dir vom Heiligtum gesandt wurde. Durch sie wird dir ja bald die alte Verheißung erfüllt: „Ich mache dich zum ewigem Stolz, zur Freude für alle Generationen. Du wirst die Milch der Völker saugen und an der Brust der Könige trinken.“ Und ebenso: „Wie eine Mutter ihre Kinder tröstet, so tröste ich euch, und in Jerusalem findet ihr Trost.“ (Jes 66,13). Siehst du nicht, wie das neue Rittertum so oft durch das Alte Testament bezeugt wird? Und dass wir es, „so wie wir es gehört haben, in der Stadt des Herrn der Heere schauen“? (Ps 47,9) Allerdings soll die wörtliche Auslegung die geistliche Bedeutung nicht beeinträchtigen: Wir erhoffen nämlich für die Ewigkeit, was wir zur Deutung dieser Zeit aus den Worten der Propheten entnehmen: Der Glaube möge durch das Sichtbare nicht verloren gehen, der jetzige Mangel den Reichtum an Hoffnung nicht mindern; die gegenwärtigen Guter mögen die künftigen nicht entkräften. Im übrigen zerstört der zeitliche Ruhm der irdischen Stadt nicht die himmlischen Güter, sondern vermehrt sie. Nur dürfen wir kein Bedenken haben, dass diese Stadt das Urbild jener darstellt, die unsere Mutter im Himmel ist.

1 Vgl. Joachim Rother, Das Martyrium im Templerorden. Eine Studie zur historisch-theologischen Relevanz des Opfertodes im geistlichen Ritterorden der Templer, Bamberg: University of Bamberg Press, 2017, S. 88-109.

Übersetzung von S. Giacomelli.

Quelle: Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke lateinisch/deutsch, Band I, herausgegeben von Gerhard Winkler, Innsbruck: Tyrola, 21992, S. 267ff.

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