Wilhelm Freiherr von Pechmanns vergeblicher Brief an den bayerischen Landesbischof Hans Meiser in Sachen kirchliches Wort wider die Judenverfolgung vom November 1941: „Hemmungslos und ungehemmt wirkt sich eine Verfolgung aus, die immer neue Mittel erfindet, um wehrlose und schuldlose Christen jüdischer Abstammung ganz ebenso wie Juden dergestalt zu quälen, dass sich schon der gesunde Sinn unseres Volkes dagegen empört.“

Wilhelm Freiherr von Pechmanns Brief an den bayerischen Landesbischof Hans Meiser in Sachen kirchliches Wort wider die Judenverfolgung vom November 1941

D. Wilhelm Freiherr von Pechmann                                     München 27,   8. November 1941
Friedrich-Herschel-Straße 16

An den hochwürdigsten Herrn Landesbischof Herrn D. Hans Meiser
München.

Hochwürdigster und hochverehrter Herr Landesbischof!

Lassen Sie mich von dem Antrag aus gehen, den ich in unserem Deutschen Evangelischen Kirchenausschuss gestellt (und mit unwidersprechlichen Gründen gerechtfertigt) habe, als ich am 26.April 1933 zum letzten Male an einer Sitzung teilgenommen habe. Er lautete, wie Sie sich erinnern, folgendermassen:

„Wir bekennen uns zu allen Gliedern unserer Kirche ohne Unterschied der Abstammung; auch, und heute gerade auch zu denjenigen Gliedern, die ganz oder teilweise jüdischer Abstammung sind. Wir fühlen mit ihnen; und wir werden für sie eintreten bis zu den Grenzen des Möglichen.

An die Träger der öffentlichen Gewalt aber richten wir die ernste Mahnung, bei allem, was zur Abstellung von Mißständen geschehen soll, die Grenzen nicht zu überschreiten, die durch die Gebote der Gerechtigkeit und der christlichen Liebe gesogen werden.“

Was wir seitdem erlebt haben und immer von neuem erleben, geht über die Wahrnehmungen, welche mir diesen Antrag zur unabweislichen Pflicht gemacht hatten, weit, weit hinaus. Hemmungslos und ungehemmt wirkt sich eine Verfolgung aus, die immer neue Mittel erfindet, um wehrlose und schuldlose Christen jüdischer Abstammung ganz ebenso wie Juden dergestalt zu quälen, dass sich schon der gesunde Sinn unseres Volkes dagegen empört.

Wäre es nun aber nicht Sache der christlichen Kirchen, ein ernstes Wort der Mahnung und Warnung an den Chef der Reichskanzlei Herrn Reichsminister Dr. Lammers zu richten? So zwei­felhaft leider der Erfolg sein wird, so unzweifelhaft scheint es mir zu sein, dass heute noch ungleich schwerer ins Gewicht fällt, was ich im April 1933 bei Begründung meines Antrags nicht zuletzt geltend gemacht habe: dass nämlich, ganz abgesehen von den an sich schon durchschlagenden kirchlichen Erwägungen, unsere Kirchen „Volk und Vaterland keinen Dienst von annähernd glei­cher Tragweite erweisen könnten“ als durch eine derartige Vorstellung.

Zur vollen Wirkung käme der Schritt, an den ich denke, wenn er nicht von einzelnen Kirchen aus ginge, sondern gemeinsam von unserer evangelischen und der katholischen Kirche, also in Bayern von unserer Landeskirche in Verbindung mit dem katholischen Episkopate.

Ich bin davon durchdrungen, dass vielen der treuesten Glie­der unserer Landeskirche geradezu ein Stein vom Herzen fiele, wenn es endlich, endlich aus solchem Anlass zu einem Zusammenwirken der christlichen Kirchen in Bayern käme. Auch zweifle ich nicht daran, dass auf katholischer Seite volle Bereitwilligkeit dazu vorhanden sein würde; und selbstverständlich stände ich gerne zur Verfügung, um Vermittlerdienste zu leisten.

Es ist geradezu himmelschreiend, wenn man hört und sieht, dass neuerdings sämtlichen Juden ohne Ausnahme die Benützung der Strassenbahn verboten ist, dass aber die in Arbeit stehen­den Juden trotzdem angehalten werden, ihre Arbeitszeiten genau einzuhalten. Auch die Sperrung öffentlicher Anlagen, sogar des Hofgartens und der Maximiliansanlagen u.s.w. für Juden gehört zu den Dingen, die, vom christlichen Standpunkt gar nicht zu reden, schon aus Gründen der Menschlichkeit geeignet sind, nicht weniger den deutschen Namen zu belasten, als die Opfer eines derartigen Sadismus zur Verzweiflung zu treiben.

Es fehlt, das sehen wir nur allzu deutlich, keineswegs an ernsten Zeichen, die dafür sprechen, dass die Leute, welche hinter dieser Judenverfolgung stehen, unter Umständen ganz ebenso gegen Christen vorgehen werden wie heute gegen die Juden. Wollen wir es darauf ankommen lassen, dass wir uns dann werden sagen müssen, wir haben es durch unser Schweigen verdient, dass es nun auch uns nicht besser geht?

Ich bitte Sie inständig, hochwürdigster Herr Landesbischof, dieser ernsten Anregung Folge zu geben. Ich habe mir überlegt, ob ich nicht, wie ich es schon so oft getan habe, auch hier rein per­sönlich an Herrn Dr. Lammers schreiben solle. Aber ich hänge viel zu sehr an meiner Kirche, als dass es mir nicht Herzenssache wäre, zunächst das meinige zu tun, um die Kirche – die nur zu lange und nur zu oft geschwiegen hat – zur Erfüllung einer mehr als naheliegenden Aufgabe zu bestimmen.

In wahrer Ehrerbietung und alter hoher Verehrung bin ich, hochwürdigster Herr Landesbischof,

Ihr ganz ergebenster

Gez. W. Pechmann

Hier der Brief als pdf.

1 Kommentar

Hinterlasse einen Kommentar