Wenn die Rede über das Glück sich nicht in Vieldeutigkeit verlieren soll, empfehlen sich folgende Unterscheidungen:
1. Glück versus Glücksgefühl
Ist von Glücksgefühlen die Rede, bezieht sich dies auf positive Empfindungen, die von stiller bis zu überschießender Art (Euphorie) sein können. Neurobiologisch lassen sich Glücksgefühle auf körpereigene Endorphine und Oxytocin bzw. auf Neurotransmitter Dopamin und Serotonin sowie auf fremdinduzierte Wirkstoffe (Drogen) zurückführen.
2. Zufälliges versus zukommendes Glück
Bezüglich des Glücks ist zwischen Zufallsglück (eutychia/fortuna) im Sinne des englischen luck („Glück gehabt“) und dem zukommenden Glück im Sinne des happiness („glücklich sein“) unterschieden. Erörterungen des Glücks erstrecken sich im Wesentlichen auf Zweiteres.
3. Weisen des zukommenden Glücks
- Das momentane Glück zeigt sich in Ereignissen bzw. Erlebnissen, in denen einem etwas zukommt, was erfreut, beispielsweise ein Geschenk. Über den Moment hinaus kann sich das Glück erneut einstellen, wenn das Erlebnis in der Erinnerung einem noch einmal nahekommt oder wenn man sich zu dem Zugekommenen neu in Beziehung setzt. Wird hingegen das Zugekommene vereinnahmt bzw. zur Gewohnheit, verliert sich das jeweilige Glück. Werden die persönliche Freude bzw. der eigene Genuss („the pursuit of happiness“ – Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten) zur Lebensmaxime erklärt, spricht man von einem Hedonismus (von griechisch hedoné = Lust).
- Beim erstrebten Glück geht einem herstellungs- bzw. handlungsbezogenen Erfolg ein Strebensprozess mit eigenen Anstrengungen bzw. mit eigenem Mitteleinsatz voran, beispielsweise im Hinblick auf eine alpine Gipfelbesteigung. Wird das Erstrebte schließlich erreicht, verlängert bzw. intensiviert dies den finalen Glücksmoment.
- Das ermöglichende Glück gilt dem eigenen Besitz, Vermögen bzw. Status, die einem neue, beglückende Erlebnisse oder Handlungen ermöglichen. So kann also Geld glücklich machen, wenn damit eine erlebnisreiche Urlaubsreise finanziert wird. Die eigene Gesundheit müsste ebenfalls dazugezählt werden, auch wenn man sich deren Tragweite erst im Krankheits- bzw. Behinderungsfall bewusst wird.
- Das kommunikative Glück entsteht in dauerhaften Beziehungen innerhalb einer Partnerschaft, Freundschaft oder Familie, wo Menschen sich einander zuwenden und am Leben des/der Anderen positiv Anteil nehmen.
- Das angewiesene Glück basiert auf der eigenen Einhaltung von moralischen Regeln bzw. Lehren z.B. im chinesischen Konfuzianismus oder in der philosophischen Stoa, die als lebens- bzw. glücksdienlich angesehen werden.
- Das tugendhafte Glück erwächst aus eigenen, in der Praxis gefestigten positive Lebenshaltungen (Tugenden). Diese richten Menschen erlebnis- und handlungsübergreifend auf ein gutes, glückendes Leben im Sinne der eudaimonia (griechisch, wörtlich: „Gutgeistigkeit“) aus. Nicht länger das, was einem widerfährt bzw. was man erreicht hat, macht das eigene Glück aus. Vielmehr erweist sich das Lebensglück darin, wie man tugendhaft mit positiven oder negativen Erlebnissen bzw. Widerfahrnissen, als auch mit eigenen Bestrebungen und Handlungen auf den eigenen Lebensverlauf hin zurechtkommt.
- Das kalkulierte Glück bezieht sich auf die Beförderung eines überindividuellen Glücks. Dazu gleicht der Utilitarismus (von lateinisch utilitas = Nutzen) Handlungsanweisungen bzw. Handlungsregeln auf die Beförderung des größtmöglichen Glücksempfindens aller, die direkt oder indirekt involviert sind („the greatest happiness for the greatest number“) ab.
4. Zugesagtes Glück (Seligkeit)
In der biblischen Tradition werden göttlich autorisierte Lebensweisungen mit einer Seligkeitszusage versehen. So heißt eingangs in Psalm 1:
„Selig der Mann, der nicht nach dem Rat der Frevler geht, / nicht auf dem Weg der Sünder steht, nicht im Kreis der Spötter sitzt, sondern sein Gefallen hat an der Weisung (Tora) des HERRN, bei Tag und bei Nacht über seine Weisung nachsinnt. Er ist wie ein Baum, gepflanzt an Bächen voll Wasser, der zur rechten Zeit seine Frucht bringt und dessen Blätter nicht welken. Alles, was er tut, es wird ihm gelingen.“ (Verse 1-3; vgl. Psalm 119,1-3; Sprüche 3,13-18; Jesus Sirach 14,20-15,1)
Wird menschliches Glück auf extrinsische Erlebnisse oder aber intrinsische Lebenshaltungen reflektiert, unterliegt das jeweilige Glücklich-Sein dem eigenen Glücksempfinden bzw. dem eigenen Urteil. In der christlichen Lehre wird – ausgehend von Jesu Seligpreisungen und dessen Paschamysterium (Kreuzestod und Auferstehung von den Toten) – Lebensglück als Seligkeit konträr zur eigenen Erfahrung und jenseits eigener Selbstbestimmung göttlich zugesagt: „Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.“ (Matthäus 5,8) Menschen, die sich unter Anfechtung, Entbehrung und Verfolgung in der Christusgemeinschaft wiederfinden, ist die seligmachende Gottesschau (visio beatifica) zugesagt. In ihr wird der „Selige“ so sehr von der göttlichen Gegenwart vereinnahmt ist, dass Selbstbestimmung keinen Anhalt mehr findet.