Hans Joachim Iwands Hiobspredigt vom Juli 1944 im Hinblick auf Hiob 19,19-27: „Gerade weil es Gott ist, an dem er leidet, ist es auch Gott der ihm hilft. Hiob kann nicht dabei stehen bleiben, daß Gott sein Feind ist, er kann nicht dabei stehen bleiben, daß er von Gott selbst an den Satan preisgegeben ist. Zu allerletzt wird es anders sein.“

Im Sommer 1944 predigte Hans Joachim Iwand in den Wochenschlussgottesdiensten in der St.-Marien-Kirche in Dortmund über Hiob. Hier seine siebte Predigt über Hiob 18-19 vom 15. Juli 1944:

Wieder: Bildad. Hiob 18-19

Von Hans Joachim Iwand

Immer mehr wendet sich das Gespräch der Frage nach dem Schicksal der Gottlosen zu. Bil­dad, der jetzt wieder an die Reihe kommt, spricht von nichts Anderem. Er streitet mit Hiob um die Frage:

Und doch wird das Licht der Gottlosen verlöschen und der Funke seines Feuers wird nicht leuchten (18,5).

Dies und doch ist bezeichnend. Hiobs Freunde wüßten gar nicht, was es für einen Sinn haben sollte, fromm zu sein, wenn es anders wäre. Mag Hiob noch so viel dagegen sagen, sein Un­glück, sein Elend, sein ganzes eigenes Schicksal rührt sie nicht. Sie leben davon, daß der Fromme am Ende doch besteht und der Gottlose schließlich doch fällt. Das ist das »Doch«, an dem sie hängen. Alles Unglück, was man sich nur denken kann, sehen sie über den Gottlosen kommen. Eines Tages fängt er sich in seiner eigenen Falle, sein eigener Anschlag kehrt sich gegen ihn, Furcht wird ihn ergreifen, ohne daß er weiß, wohin er noch fliehen soll. Er, der jetzt so üppig tafelt, wird die Pein des Hungers kennenlernen, der Aussatz, der Erstgeborene des Todes, wie er im Morgenland heißt, wird seinem Dasein alle Hoffnung nehmen, seine Hoffnung wird aus seiner Hütte ausgerottet werden und es wird ihn treiben zum König des Schreckens (18,10-14).

In der Geschichte wird sein Name getilgt sein, als ein Gedächtnis des Schreckens wird er unter den Menschen lebendig bleiben. Das ist die Stätte des, der Gott nicht achtet (18,21). Was Bildad hier sagt, ist ja eigentlich nichts anderes, als was im Gedanken des Gerichtes Gottes beschlossen liegt. Es geht durchs ganze Alte Testament und Neue Testament, es ist der Unterschied der Menschen, die ihr Haus auf Sand bauen und die es auf einen Felsen bauen, wie das Jesus am Ende der Bergpredigt sagt. Es kann ja auch nicht anders sein, denn das, woran der Gottlose sein Herz hängt, ist ja nicht Gott, was aber nicht Gott ist, vergeht. Alles vergeht, Gott aber steht! Was ist denn so falsch an dem Gedanken, den die Freunde Hiobs immer wieder gegen Hiob verteidigen? Hiob selbst ist die Widerlegung ihrer Rede. Das Kreuz Jesu Christi ist die Widerlegung ihrer Rede. Der Ge­gensatz der Gottlosen und der Frommen ist nicht so greifbar, wie das dar­gestellt wird. Das Kreuz fehlt in allem, das Geheimnis des Kreuzes: Es fehlt das Wissen darum, daß Gott den Menschen prüft und anficht. Es ist eine Theorie über das wirkliche Leben, es ist nicht das Leben selbst. Das Leben selbst ist Hiob. Die Erwählung Gottes selbst ist Hiob so verborgen, ja dem Menschen selbst ist die Erwählung und Liebe Gottes verborgen. Verborgen, auch ihnen selbst verborgen, ist die Verwerfung Gottes. Nur vom Kreuz her gibt es eine Enthüllung dieses Geheimnisses, der Schlüssel dieses Lebens heißt Jesus Christus. Ohne ihn bleibt alles dunkel. Die Frömmigkeit der Freunde Hiobs ist auch ohne Christus perfekt. Sie ist nicht offen nach dem Kreuz hin. Sie endet nicht mit einer Frage, sie nimmt die Antwort Gottes vorweg. Hiob sitzt gleichsam als Gottesfrage seinen Freunden ge­genüber. Sein Leib ist bis zum Gerippe abgezehrt, sein Schädel kaum noch von der Haut bedeckt, fast schon ein Totenkopf.

Erbarmt euch mein, ihr meine Freunde, denn Gottes Hand hat mich ge­rührt (19,21).

Alles Rufen ist umsonst, Gott hat seinen Weg verstellt (19,8), er kommt nicht weiter. Er hat mich zerbrochen um und um (19,10). Wie ein Krieg mit Gott erscheint ihm sein Leben. Alles Unglück, das ihn trifft, erscheint ihm als Gottes Kriegsscharen, die wider ihn anlaufen. Er, ist umlagert von Un­glück, wie ein Wild, das vom Jäger gestellt ist. Alle seine Freunde sind von ihm gewichen, seine Hausgenossen achten ihn für fremd (19,12.15). Mein Odem ist zuwider meinem Weibe (19,17). Wenn das Unglück über einen Menschen kommt, dann gewinnt es solch eine beredte Sprache, daß alles, was geschieht, wie in einem Zusammenhang mitein­ander steht. Dann er­scheint die ganze Welt wie eine feurige Glut, der Zorn Gottes brennt und der Mensch ist ihm ausgeliefert. Das ist das Kreuz, wie es über Christus gekommen ist, der Zorn Gottes, an den er ausgeliefert wurde. Hier in Chri­stus ist die große Umkehrung anschau­lich geworden, daß die Gottlosen leben und grünen und der Sohn Gottes, der Liebling Gottes, seinem Zorn preisgegeben ist. In Jesus Christus ist die Weltanschauung der Freunde Hiobs endgültig zunichte geworden, in seinem stellvertretenden Leiden, von dem sie alle nichts wis­sen. Und weil sie ihn alle nicht verstehen, weil Hiob weiß, daß niemand ihn versteht, darum möchte er, daß seine Worte in ein Buch geschrieben würden; zu ewigem Gedächtnis in Fels gehauen wür­den (19,23 f.). Damit ist gleichsam der Sinn des Buches Hiob im Kanon der heiligen Schrift angegeben. Die Schrift ist ein Dokument seiner Reden zur Unzeit. Niemand hat ihn verstanden und doch hatte er allein Recht. Als ein Zeuge Jesu Christi steht er da. Seine Schrift ist verschlossen bis jener an­dere kommt, der Hiob rechtfertigen wird, der Sohn der Maria, Jesus von Nazareth.

Und nun, gleichsam über sich hinausgreifend, folgt sein großes Be­kenntnis: Ich weiß, daß mein Erlöser lebt. Zu allerletzt wird er sich über dem Staub erheben. Und nachdem meine Haut geschunden ist, werde ich ohne mein Fleisch Gott schauen. Ich – ihn – mir schauen, meine Augen sehen, nicht ein Fremder (19,25 ff.).

Die Wendung ist eine ungeheure. Derselbe Hiob, der sich eben noch vom Zorn Gottes ver­folgt, von der Hand Gottes zerschlagen wußte, bekennt diesen Gott als den, der ihn allein lösen kann. Gerade weil es Gott ist, an dem er leidet, ist es auch Gott der ihm hilft. Hiob kann nicht dabei stehen bleiben, daß Gott sein Feind ist, er kann nicht dabei stehen bleiben, daß er von Gott selbst an den Satan preisgegeben ist. Zu allerletzt wird es anders sein. Zu allerletzt wird der Sieg Gottes stehen, der Sieg Gottes über den Satan ünd die mit ihm verbundenen Gewalten. »Der letzte Feind, der auf­gehoben wird, ist der Tod.« Und dieser Sieg Gottes soll und wird auch sein Sieg sein. Gerade in ihm, in dem angefochtenen, sterbenden, preisgegebe­nen Hiob wird Gott siegen. »Dieser, meiner Augen Licht, wird ihn meinen Heiland kennen, ich, ich selbst, kein Fremder nicht, werd in seiner Liebe brennen«. Am Ende aller Leiden, aller Anfechtungen, steht die Auferste­hung als Sieg Gottes. Das ist Hiobs Zuflucht, das ist ein Trost, wie ihn kei­ner der Freunde Hiobs geben konnte. Das ist mehr als die Lehre von der absoluten Gerechtigkeit. Auch in der Auferstehung wird Gerechtigkeit Gottes offenbar. »Um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt« ist Christus. Aber eben so, daß er unsere Gerechtig­keit ist, daß er als Hoherpriester vor Gott für uns eintritt, daß Gott selbst vor Gott für uns ein­tritt. Daß der Sieg, auf den wir setzen, auf den wir hoffen, in Gott selbst begründet ist, in Got­tes Gottheit. Das nennt die Bibel Glauben, das ist Hoffnung, von der sie sagt, daß sie nicht beschämt werden soll. Das ist der Glaube, den Jesus zu suchen kam, der blinde Glaube, der hofft wider Hoffnung, der an Gott fest­hält mitten in aller Finsternis, der Gott nicht läßt, er segne ihn denn. Als Zeuge solchen Glaubens steht Hiob vor uns. Ob er ohne sein Leiden zu diesem wunderbaren Glauben an Gott hätte durchbrechen können? Ob wir es könnten? Ohne unser Leiden? Ob es nicht doch wahr ist, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge müssen zum besten dienen?

Weil Hiob weiß, daß niemand ihn versteht, darum möchte er, daß seine Worte in ein Buch geschrieben würden, zu ewigem Gedächtnis in Fels gehauen (19,23 f.).

Predigt beim Wochenschlussgottesdienst am 15. Juli 1944 in der St.-Marien-Kirche in Dortmund im Rahmen einer Predigtreihe über das Buch Hiob.

Quelle: Hans Joachim Iwand, Nachgelassene Werke. Neue Folge, Bd. 5: Predigten und Predigtlehre, Gütersloh: Chr. Kaiser. Gütersloher Verlagshaus 2004, Seiten 30-32.

Hier die Predigt als pdf.

1 Kommentar

  1. Wir sind
    Geworfene
    ungefragt
    in unser Leben

    jeden Tag
    mit Demut
    unsere Rechtfertigung
    unsere Verantwortung
    dem Tun
    zum Besseren
    der Versuch
    die Gestaltung

Schreibe eine Antwort zu hgamma Antwort abbrechen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s