1 Könige 17,1-16 (Elia am Bach Kerit und bei der Witwe zu Sarepta) – eine Predigthilfe von Walter Brueggemann: „In einer extremen Mangelsituation verkündet der Prophet überfließenden Überfluss. Elia ist darüber hinaus so gut wie sein Wort (1. Könige 17,16). Nein, er ist so gut wie Jahwes Wort, denn es ist ‚das Wort des Herrn‘, das die Umstände außer Kraft setzt und Leben im Überfluss garantiert. Beachten Sie, dass die Erzählung keine Erklärung liefert. Sie hat kein Interesse daran, wie all dies geschehen ist. Es ist ein Wunder! Es ist eine Tat, die wie ein Magnet Staunen hervorruft.“

In der revidierten Perikopenordnung ist für den 7. Sonntag nach Trinitatis in der dritten Predigtreihe 1Könige 17,1-16 vorgesehen. Da geben die gängigen Kommentarreihen wie ATD oder NEB nicht viel her. Und homiletische Besinnungen fehlen bislang. Was wirklich weiterhilft sind englischsprachige Kommentare, allen voran Walter Brueggemanns Kommentar zu den Königsbüchern (Smyth & Helwys Bible Commentary 8). Brueggemann ist selbst ein begnadeter Prediger und steht als emeritierter Professor für Altes Testament in der Tradition von Gerhard von Rad bzw. von Hans Walter Wolff. Hier sein Kommentar zu 1Könige 17,1-7 bzw. 8-16:

Anfänge in der Wildnis, 1. Könige 17,1-7

Der Prophet erscheint im Bericht unvermittelt und ohne Erklärung vor dem König. Sein Name, Elia, bedeutet „Jah(we) ist mein Gott (El)“. Allein seine Existenz ist eine Gegendarstellung zum Bericht in 1. Könige 16,31-33, der Ahab inmitten anderer Götter zeigt. Elia verkörpert den Ruf zum Jahwismus und weist alle anderen Möglichkeiten zurück. Seine Eröffnungserklärung über eine Dürre bestimmt den konfrontativen Ton seiner gesamten Zeit in Israel (1. Könige 17,2). Die Ankündigung der Dürre kann auf zwei Arten verstanden werden. Erstens wird Dürre in der antiken Welt allgemein als göttlicher Fluch angesehen. Wenn Gott unzufrieden ist, wird der Regen zurückgehalten. Zudem ist die Behauptung, dass Jahwe eine Dürre verursachen wird, eine gezielte Widerlegung Baals, den Ahab verehrt, da Baal als „Fruchtbarkeitsgott“ auch ein Regenmacher ist (vgl. 1. Könige 16,31-32). Doch die prophetische Aussage stellt diese Behauptung infrage, indem sie darauf besteht, dass Regen und Dürre vollständig in der Herrschaft Jahwes liegen und keineswegs in der Macht Baals. Die Ankündigung der Dürre ist somit eine tiefgehende theologische Bestätigung und Polemik.

Zweitens liegt es in der Verantwortung des Königs, für Fruchtbarkeit (und damit Regen) zu sorgen. In der antiken Welt war die Verantwortung des Königs für Regen nicht unähnlich der heutigen Verantwortung eines Präsidenten für die Wirtschaft. Der Maßstab für einen erfolgreichen König ist der Regen, der Ernten hervorbringt. In dieser einfachen Aussage wird dem König die Fähigkeit genommen, Regen und damit Leben zu verwalten. Der König wird zu einer politischen Irrelevanz, seiner wesentlichen Funktion für die Gesellschaft beraubt. Der König wird seiner Daseinsberechtigung beraubt.

Elia ist ein Mann im Dienst des Wortes Jahwes. Jahwe befiehlt, und Elia ist vollständig und unmittelbar gehorsam (1. Könige 17,3-6). Jahwe weist ihn an, in die Wildnis zu gehen, sich von allen normalen Lebensgrundlagen zu entfernen, in einem Kontext extremer Verwundbarkeit zu leben und ein großes Risiko einzugehen. Er befindet sich östlich des Jordans, außerhalb der Zone des verwalteten Lebens, jenseits der königlichen Kontrolle.

Er gehorcht sofort. Er hat keine regelmäßige Nahrungsquelle. Er ist den Elementen ausgeliefert. Er wird nichts von dem königlichen Luxusessen genießen, sondern von der mageren Kost leben, die ihm von Raben zugeflogen wird, zusammen mit Wasser aus einem unzuverlässigen Bachbett. Die Erzählung macht keine großen Worte über diese Nahrungsversorgung. Vielleicht ist es eine Disziplin und ein Zeugnis. Vielleicht ist es ein Beweis seines Gehorsams. Vielleicht ist es eine narrative Strategie, um den Propheten außerhalb der Reichweite des Königs zu positionieren. Der Erzähler verrät uns nichts davon.

Alles, was wir erfahren, ist, dass „der Bach ausgetrocknet war“ (1. Könige 17,7). Sogar diese primitive Versorgung versagte. Der abschließende Satz könnte die Extremität von Elias Situation anzeigen und folglich die von Israel unter der Herrschaft des Königs. Oder das Urteil könnte eine Bestätigung der These aus Vers 1 sein: Eine Dürre wird verkündet und nun wird eine schwere Dürre vollzogen. Elia spricht die Wahrheit! Das Reich ist in Gefahr. Offensichtlich ist der König in Gefahr, denn er ist kein verlässlicher Versorger des Wohlergehens. Die Erzählung ist so geradlinig, dass wir vielleicht nicht sofort bemerken, wie bedrohlich und subversiv sie ist. Wir folgen nun dieser machtgeladenen Figur, die vollständig außerhalb der königlichen Kategorien lebt.

Leben für Witwen und Waisen, 1. Könige 17,8-16

Die zweite Episode beginnt mit ebenso plötzlicher Dramatik (1. Könige 17,8-16). Wieder wird Elia von „dem Wort des Herrn“ befohlen, denn er ist ein Geschöpf dieses Wortes (1. Könige 17,8). Jahwe schickt ihn nach Sidon, ein Gebiet außerhalb Israels. Diese Notiz zeigt nicht nur Jahwes Herrschaft über das Gebiet hinaus, das König Ahab regiert, sondern Sidon ist auch das Heimatgebiet von Isebel (1. Könige 16,31). Es ist, als ob dies ein Gegenangriff Jahwes gegen Isebels Einflussnahme in Israel ist. Elia wird zu einer namenlosen Witwe geschickt, die in der Erzählung als Symbol für die Machtlosen, Unbeachteten, Benachteiligten und Hoffnungslosen fungiert. Der Prophet bittet sie um Wasser—sein Bach ist ausgetrocknet und er braucht Wasser! Er bittet um Brot (Brot nur für den Tag), denn Jahwe hat versprochen, dass die Witwe ihn ernähren würde (1. Könige 17,10-11; vgl. V. 9). Ihre Reaktion auf den Propheten zeigt ihre extreme Not (1. Könige 17,12). Sie hat weder Trinkwasser noch Nahrung übrig. Tatsächlich verhungert sie. Ihre Aussage scheint eine Kritik an König Ahab zu sein, denn Witwen und Waisen, Arme und Bedürftige sind die besondere Aufgabe des Königs.

Bis zu diesem Punkt bereitet die Erzählung nur die Bühne für das Drama, in dem der Prophet das Kommando übernimmt. Seine Aufgabe besteht aus zwei Teilen. Zuerst hält er eine mächtige Rede (1. Könige 17,13-14), dann vollbringt er das Wunder, das er angekündigt hat (1. Könige 17,15-16). Die Rede ist eine typische Verheißungsrede. Sie beginnt mit der Zusicherung: „Fürchte dich nicht“. Dieses „Heilsorakel“ ist eine typische Formel, mit der eine kraftvolle Präsenz die Umstände verändert. Es wird gegen den Tod gesprochen, um Leben zu sichern. Es wird gegen das Exil gesprochen, um Heimkehr zu gewährleisten. Es wird gegen die Verzweiflung gesprochen, um Hoffnung zu geben. Die Rede mobilisiert die lebensspendende Macht Jahwes. Der Zusicherung folgt ein konkretes Versprechen von Mehl und Öl, das die Notlage der Witwe und ihres Sohnes umkehrt. In einer extremen Mangelsituation verkündet der Prophet überfließenden Überfluss. Elia ist darüber hinaus so gut wie sein Wort (1. Könige 17,16). Nein, er ist so gut wie Jahwes Wort, denn es ist „das Wort des Herrn“, das die Umstände außer Kraft setzt und Leben im Überfluss garantiert. Beachten Sie, dass die Erzählung keine Erklärung liefert. Sie hat kein Interesse daran, wie all dies geschehen ist. Es ist ein Wunder! Es ist eine Tat, die wie ein Magnet Staunen hervorruft. Die Geschichte wird immer wieder erzählt, und das Erstaunen über die Tat bleibt von Generation zu Generation bestehen, voller Verwunderung darüber, dass Gott durch diesen menschlichen Agenten die todbringende Knappheit mit überfließendem Überfluss überwinden kann.

Quelle: Walter Brueggemann, 1&2 Kings: A Commentary (Smyth & Helwys Bible Commentary 8), Smyth & Helwys, Macon, Georgia, S. 207-211.

Wilderness Beginnings, 17:1-7

The prophet appears to the king in the narrative unannounced and unexplained. His name, Elijah, means “Yah(weh) is my god (el).” His very existence is as assertion that counters the report of 16:31-33 that situates Ahab amidst other gods. Elijah embodies a summons to Yahwism and a dismissal of all other options. His opening assertion concerning a drought sets the confrontational tone for his entire sojourn in Israel (17:2). The assertion of drought may be understood in two ways. First, drought is widely understood in that ancient world as a divine curse. When God is displeased, rain is withheld. Moreover, the assertion that Yahweh will cause a drought is a deliberate refutation of Baal whom Ahab worships, because Baal, a “fertility god,” is a rainmaker (see 16:31-32). But the prophetic assertion challenges that claim by insisting that rain and drought are completely in the governance of Yahweh, and certainly not in the power of Baal. Thus the announcement of drought is a deeply theological affirmation and polemic.

Second, it is the work of the king to assure fertility (and therefore rain). In that ancient world royal responsibility for rain is not unlike contemporary presidential responsibility for the economy. The measure of an effective king is rain that produces corps. In this simple assertion the capacity to administer rain and therefore life is taken from the king. The king is made a political irrelevance, void of any critical function for society. The king is being robbed of his raison d’etre.

Elijah is a man at the behest of Yahweh’s word. Yahweh commands, Elijah is completely and immediately obedient (17:3-6). He is directed by Yahweh to enter the wilderness, to distance himself from all normal life-support systems, to live in a context of extreme vulnerability, to be deeply at risk. He is east of the Jordan, outside the zone of administered life, beyond the sphere of royal control.

He is immediately obedient. He has no regular food supply. He is at the mercy of the elements. He will eat nothing of the luxury of royal food, but subsists on the lean diet that ravens can fly in, matched by water only from the unreliable wadi. The narrative makes nothing of this food arrangement. Perhaps it is a discipline and a testimony. Perhaps it is an exhibit of his obedience. Perhaps it is a narrative strategy for placing the prophet beyond the reach of the king. The narrator tells us none of that.

All that we are told is that the “wadi dried up” (17:7). Even this primitive arrangement of sustenance failed. The concluding sentence may indicate the extremity of Elijah’s situation, and consequently the extremity of royal Israel. Or the verdict may be a verification of the thesis of v. 1. A drought is declared and now a severe drought is enacted. Elijah speaks the truth! The realm is endangered. Clearly the king is in jeopardy, because he is no reliable provider of well-being. The narrative is so straightforward that we may not easily notice how ominous and how subversive it is. We now follow this power-laden figure who lives completely outside royal categories.

Life for Widow and Orphan, 17:8-16

The second episode begins with equal abruptness (17:8-16). Again Elijah is commanded by “the word of the Lord,” for he is a creature of that word (17:8). He is dispatched by Yahweh to Sidon, a territory outside Israel. This note not only asserts Yahweh’s governance beyond the territory of Israel (more territory than King Ahab administers), but Sidon is the home territory of Jezebel (16:31). It is as though this is a counterthrust on the part of Yahweh against the incursion of Jezebel into Israel. Elijah is sent, moreover, to a nameless widow who functions in the narrative as a cipher for the powerless, uncredentialed, disadvantaged, and hopeless. The prophet asks her for water—his wadi has dried up and he needs water! He asks for bread (bread only for the day), for Yahweh has promised that the widow would feed him (17:10-11; cf. v. 9). Her response to the prophet is a measure of her destitution (17:12). She has neither drink nor food to spare. Indeed, she is starving to death; her statement would seem to suggest a critique of king Ahab, for widows and orphans, poor and needy, are the peculiar charge of the king.

Thus far, our narrative is only setting the stage for the drama in which the prophet takes command of the scene. His work is in two parts. He makes a lordly speech (17:13-14), and then he enacts the wonder he has just announced (17:15-16). The speech is a characteristic speech of promise. It begins with an assurance: “Do not fear.” This “salvation oracle” is a characteristic formula whereby an utterance of powerful presence alters circumstance. It is spoken against death in order to assure life. It is spoken against exile to assure homecoming. It is spoken against despair in order to assure hope. The speech mobilizes the life-giving power of Yahweh. The assurance is followed by a specific promise of meal and oil that reverses the destitution of the widow and her son. In a circumstance of extreme scarcity, the prophet speaks lavish abundance. Elijah is, moreover, as good as his word (17:16). No, he is as good as Yahweh’s word, for it is “the word of the Lord” that vetoes circumstance and guarantees abundant life. Note well, that the narrative does not explain. It has no curiosity about how this has all happened. It is a wonder! It is an act that draws amazement like a magnet. The story keeps being retold, and the astonishment of the act abides from generation to generation, endlessly amazed that God, through this human agent, can override killing scarcity with lavish abundance.

Quelle: Walter Brueggemann, 1&2 Kings: A Commentary (Smyth & Helwys Bible Commentary 8), Smyth & Helwys, Macon, Georgia, pp. 207-211.

Hier der englischsprachige Text als pdf.

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