Alfons Deissler, Die theologische Botschaft des Jonabuchs: „In seiner diese Verkündigung aufnehmenden und in einer »theologia narrativa« entfaltenden Bot­schaft stößt das Buch Jona vor bis zur Grenze und zugleich Erfüllung des JHWH-Israel-Bundes in Jesus, dem Christus, in welchem die be­sondere Heilsgeschichte Gottes mit Israel auf die ganze Menschen­welt hin entgrenzt wird. Unser Buch bereitet die Verkündigung Jesu von der abgründigen Barmherzigkeit des göttlichen Vaters vor, die sich insbesondere an allen Sündern, welche es auch seien, als heil­schaffend erweisen will.“

Was „kritische“ Schriftexegese positiv zum Verständnis eines biblischen Buches im Sinne des göttlichen Wortes beitragen kann, zeigt der Kommentar zum Buch Jona (Neue Echter Bibel) aus der Feder des verstorbenen katholischen Professors für alttestamentliche Theologie Alfons Deissler (1914-2005). Als theologische Botschaft dieses Buches fasst er zusammen:

Theologische Botschaft des Buches Jona

Jona ist durch und durch theozentrisch. Der Hauptakteur ist JHWH selbst, so daß man dem Buch die Überschrift geben könnte: »Die Geschichte JHWHs mit seinem Propheten Jona.« Jona ist dabei ein Partner JHWHs, der dem Ideal eines Propheten nicht entspricht. Er hat nicht nur einige Schwierigkeiten mit seinem Gott wie Mose und vorab Jeremia, sondern er leistet fundamental und durchhaltend Widerstand gegen seinen Sonder­auftrag für Ni­nive. Er will seinem Gott aufzwingen, nur für Israel ein gnädiger und barm­herziger Bundesgott zu sein und über die Israel feindselige Völkerwelt nur als ein strenger Gott der vergeltenden Gerechtigkeit zu walten. Jona ist dabei gewiß auch als Repräsentant bestimmter und vielleicht auch bestimmender Kreise in der nachexilischen JHWH-Gemeinde anzusehen. Gegen solches die JHWH-Offenbarung ver­engendes, ja verstellendes Denken und Wünschen muß der inspirierte Verfasser des Jonabuches aufstehen, und er tut es sichtlich mit Mut und beredter Zunge. Auf ihn und nicht auf Jona kann darum das Michawort (3,8) vom wahren Propheten Anwendung finden.

Das Erwählungsprivileg Israels wird vom Autor des Buches nicht in Frage gestellt, aber daß man es ausspielen könnte gegen die Souverä­nität des Waltens Gottes an den Völkern, wie Jona es tut, wird nicht einmal im Angesicht der »bösesten« aller Städte und Mächte toleriert. Das Jonabuch steht mit dieser Verkündigung vom universalen Heilswillen JHWHs nicht allein. Schon die Vätergeschichte hat in Gen 12,3 den Ausgriff Gottes nach Abraham als Vorgriff auf die Völkerwelt er­klärt. In der Exilszeit haben Deutero-Jesaja und insbesondere die JHWH­-Knecht-Lieder Israel mit einem allumfassenden Heilshorizont konfrontiert. Dem entspricht Mal 1,11; Jes 19,16-25, ein Text aus der Epoche des Jonabuches, verheißt einen gemeinsamen Gottesbund zwischen Ägypten, Assur und Israel. In seiner diese Verkündigung aufnehmenden und in einer »theologia narrativa« entfaltenden Bot­schaft stößt das Buch Jona vor bis zur Grenze und zugleich Erfüllung des JHWH-Israel-Bundes in Jesus, dem Christus, in welchem die be­sondere Heilsgeschichte Gottes mit Israel auf die ganze Menschen­welt hin entgrenzt wird. Unser Buch bereitet die Verkündigung Jesu von der abgründigen Barmherzigkeit des göttlichen Vaters vor, die sich insbesondere an allen Sündern, welche es auch seien, als heil­schaffend erweisen will.

Hier der Text als pdf.

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