Hermann J Kassel – „Aeternus-Kreuz“ aus korrodiertem Stahl. Rezension einer Devotionalie
Das ist es – das Kreuz. Es hängt als Altarkreuz im Chorraum der katholischen Pfarrkirche St. Evergislus in Bonn-Plittersdorf – sakrale Kunst mit Rostdekor. Der Bildhauer Hermann J Kassel hat es 2001 als Doppelkreuz aus Stahl mit den Maßen 180 x 160 x 40 cm und mit einem Gewicht von 350 kg geschaffen. Aus dem Rahmenkreuz biegt sich das ausgeschnittene Binnenkreuz körperähnlich hervor. Aus der Distanz ähnelt es einem Kruzifix, aber wo bei näherem Hinsehen der Lichtspalt zwischen Rahmen- und Binnenkreuz sichtbar wird, zeigt sich die göttliche Heilsenergie andeutungsweise im hervorgebogenen Stahl.
Das Doppelkreuz setzt eine lebensentscheidende Spannung frei – die zwischen dem Kreuzestod Christi an Karfreitag und seiner Auferstehung an Ostern. In der Form des Binnenkreuzes ist der Auferstandene der Gemeinde mit ausgebreiteten Armen segnend zugeneigt. Das Kreuzesgeschehen reicht als Pascha-Mysterium über den Tod hinaus. Kreuzesleid und Osterfreude sind in diesem Stahlkreuz vereint. So sieht es jedenfalls der Künstler selbst: „Während das äußere Kreuz Leiden und Tod andeutet, symbolisiert das herausgebogene und dem Betrachter entgegenkommende innere Kreuz, das auf den Corpus anspielt, die Dimension der Loslösung vom Leid und die Auferstehung. Somit wird das gesamte Ostergeschehen von Karfreitag und Ostersonntag, Kreuzestod und Auferstehung, in ein und derselben Darstellung sichtbar.“
Das von Hermann J Kassel handgefertigte Aeternus-Kreuz kann mit seinen Maßen von 12 x 11 x 2 cm nicht die raumergreifende Wirkung eines Altarkreuzes entfalten. Und doch hebt es sich von gängigen Devotionalien deutlich ab. Schließlich ist jedes Kreuz vom Künstler aus massiven Stahl mittels Laser herausgearbeitet und sandgestrahlt worden, bevor es dann mehrere Wochen lang mit Wasser und Essig auf seine Patina hin bearbeitet wurde. Auf der Rückseite ist das Aeternus-Kreuz mit der Signatur des Künstlers versehen. Außerdem wird von jedem Kreuz ein signierter Korrosionsabdruck auf Büttenpapier angefertigt. Erhältlich ist das Aeternus-Kreuz beim katholischen St. Benno Verlag in Leipzig über dessen Online-Shop „Vivat“ zum Preis von 249,- €.
Hermann J Kassel schreibt dazu:
1998 wurde ich gefragt ob ich mir vorstellen könne, ein Altarkreuz für die Kirche St. Evergislus in Bonn Bad-Godesberg zu entwerfen. Hier waren schon mein Großvater und Vater Organisten.
In einer Kirchenmusikerfamilie aufgewachsen und entsprechend sozialisiert war meine Kindheit und Jugend entsprechend geprägt und ich war in der Kirche durchaus engagiert.
Aber schon mit meiner ausgehenden Jugend entfernte ich mich, nicht von „(m)einer Spiritualität“, aber doch immer weiter von der Kirche.
So habe ich lange überlegt, ob ich mich mit der Gestaltung eines Altarkreuzes für eine Kirche auseinandersetzen wolle.
Meine oben kurz angesprochene Sozialisation inkl. Klosteraufenthalten hatte mir sicher ausreichend inhaltlichen „Background“ hierfür mitgegeben; aber wollte ich die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema „Kreuz“, dem Symbol in dessen Namen im Laufe von Jahrhunderten eben auch schon soviel Unheil angerichtet wurde.
Letztlich habe ich mich dieser vielschichtig herausfordernden Thematik gestellt und mich an die Entwurfsarbeit gemacht.
Nachdem sich der damalige Kölner Kardinal Meisner noch gegen die Realisierung meines Altarkreuz-Entwurfes vehement gestellt hat, konnte ich das Kreuz doch noch realisieren und es wurde schließlich im Jahre 1999/2000 in der Kirche installiert.
Seitdem findet das Kreuz, das inzwischen „Aeternus-Kreuz“ als Titel trägt, bei christlich orientierten Menschen aber eben auch darüber hinaus eine nennenswerte Resonanz.
Der Schriftsteller und Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels Navid Kermani schreibt mir 2012 zu dem Kreuz: „Das aus seiner Fassung herauswehende, sich herausbeugende, damit auch menschwerdende Kreuz ist wirklich sehr ungewöhnlich und beeindruckend.“
Ein Video mit Hermann J Kassel über sein Aeternus-Kreuz findet sich hier.
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