Predigt über Lukas 9,10-17 zur Segnung des VaterunserBrotes: „Du bist mehr, als was du für dich selbst isst; du bist mehr, als was du für dich selbst denkst; du bist mehr, als was du für dich selbst entschieden hast; du bist mehr, als was du für dich selbst erarbeitet hast; du bist mehr, als was dir in deinem Leben schon alles widerfahren ist. Du bist derjenige, für den sich Jesus Christus selbst als Brot des Lebens hingegeben hat.“

Vaterunserbrot Wiedenmayer mit Stempel

Predigt über Lukas 9,10-17 zur Segnung des VaterunserBrotes

Aus dem Evangelium nach Lukas: 10 Und die Apostel kamen zurück und erzählten Jesus, wie große Dinge sie getan hatten. Und er nahm sie zu sich, und er zog sich mit ihnen allein in die Stadt zurück, die heißt Betsaida. 11 Als die Menge das merkte, zog sie ihm nach. Und er ließ sie zu sich und sprach zu ihnen vom Reich Gottes und machte gesund, die der Heilung bedurften. 12 Aber der Tag fing an, sich zu neigen. Da traten die Zwölf zu ihm und sprachen: Lass das Volk gehen, damit sie hingehen in die Dörfer und Höfe ringsum und Herberge und Essen finden; denn wir sind hier in der Wüste. 13 Er aber sprach zu ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen. Sie sprachen: Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische, es sei denn, dass wir hingehen sollen und für alle diese Leute Essen kaufen. 14 Denn es waren etwa fünftausend Mann. Er sprach aber zu seinen Jüngern: Lasst sie sich setzen in Gruppen zu je fünfzig. 15 Und sie taten das und ließen alle sich setzen. 16 Da nahm er die fünf Brote und zwei Fische und sah auf zum Himmel und dankte, brach sie und gab sie den Jüngern, damit sie dem Volk austeilten. 17 Und sie aßen und wurden alle satt; und es wurde aufgesammelt, was sie an Brocken übrig ließen, zwölf Körbe voll. (Lukas 9,10-17)

Liebe Schwestern und Brüder, ihr die Gemeinde,

fünf Brote und zwei Fisch, mehr haben wir nicht, sagen die Jünger zu Jesus. Die Menge, die es zu ernähren gilt, sind 5000 hungrige Menschen. Da lässt Jesus die Menge gruppenweise zu je fünfzig ins Gelände setzen. Die zwölf Jünger teilen das Brot aus und sammeln nach dem Essen auf, was übriggeblieben ist – und siehe da: zwölf Körbe gefüllt mit Brotbrocken.

In dieser Geschichte tritt uns eine herrliche Überfülle gegenüber. Und wir können nicht erklären, wie es geschehen ist. Es wird uns ja nicht einmal erzählt, dass sich das Brot auf wundersame Weise vermehrt habe. Bei den fünf Broten bleibt es, die Jesus selbst in seine Hand genommen hatte. Und die reichen mehr als aus für 5000 hungrige Menschen, ja eine Speisung in Überfülle.

Wer in unsere Supermärkte hier in Vöhringen blickt, ersehnt sich keine Wunder herbei. Die Überfülle an Lebensmitteln ist schon längst da. Sie verdankt sich keinem göttlichen Wunder, sondern der Nahrungsmittelindustrie. Hochraffiniert haltbar gemacht, portioniert, abgepackt. Die Regale sind voll, übervoll. Ein Datum ist ihnen aufgedruckt, MHD, Mindesthaltbarkeits­datum, für ein Drittel unserer Lebensmittel ist dies der Vernichtungstag.

Jährlich werden in Deutschland knapp elf Millionen Tonnen Lebensmittel als Abfall entsorgt, pro Kopf sind das 81,6 Kilogramm, die auf dem Müll landen. 61 Prozent dieser Abfälle – etwa 6,7 Millionen Tonnen – stammen aus Privathaushalten, jeweils rund 17 Prozent entfallen auf Großverbraucher wie Gaststätten, Schulen oder Kantinen sowie auf die Industrie. Die übrigen fünf Prozent fallen im Einzelhandel an. Jeder zweite Kopfsalat, jede zweite Kartoffel und jedes fünfte Brot werden zu Abfall, noch bevor sie überhaupt unseren Esstisch erreichen: Das hat seinen Grund in unserer anspruchsvollen Konsumentenhaltung: Alles was wir wollen soll jederzeit verfügbar sein; Supermärkte bieten durchgehend die ganze Warenpalette an, bis spät in den Abend hat das Brot in den Regalen frisch zu sein.

Wie sich das anhört: „Lebensmittelvernichtung“ – Mittel zum Leben werden da vernichtet. Wir leben in einer Überflussgesellschaft, die wegwerfen muss. Je mehr Auswahl wir haben wollen, je mehr Angebot uns zugemutet wird, umso mehr müssen wir undankbarerweise wegwerfen. Wie soll man in einer Überfluss- und Überdrussgesellschaft dankbar sein für das tägliche Essen, wenn mehr als die Hälfte der Bevölkerung mit dem Pfunden am eigenen Leib zu kämpfen hat.

Als Jesus damals in der Gegend um Betsaida die 5000 Menschen mit fünf Gerstebrote ernährt – Weizenbrot war den Wohlhabenden vorbehalten –, bleiben 12 Körbe Brotbrocken übrig, die nicht weggeworfen worden sind. Mit gutem Grund. Bevor nämlich Jesus die Jünger das Brot austeilen lässt, nimmt er es selbst in die eigenen Hände, richtig seinen Blick gen Himmel und spricht den Brotsegen: „Gepriesen bist du, HERR, unser Gott, König auf Ewigkeit, der du Brot aus der Erde hervorbringst.“

Wo Brot im Namen des Herrn gesegnet ist, kann man es nicht einfach wegwerfen. Lebens­mittel ins Gebet genommen sind geheiligt; sie gelten als etwas ganz Besonderes, im wahrsten Sinne des Wortes gottgegebene „Lebensmittel“. Mit gutem Grund ist uns im Vaterunser die Bitte aufgetragen: „unser tägliches Brot gib uns heute“. Martin Luther erklärt uns diese Bitte wie folgt: „Gott gibt das tägliche Brot auch ohne unsere Bitte allen bösen Menschen; aber wir bitten in diesem Gebet, dass er’s uns erkennen lasse und wir mit Danksagung empfangen unser tägliches Brot.“ Ja, das tägliche Brot kommt auch ohne Gebet auf unseren Tisch, aber wo Brot in das eigene Gebet genommen wird, ist es mehr als nur käufliches Nahrungsmittel. Es wird vielmehr zur Gottesgabe, die unserem eigenen Leben zugutekommt.

Was alles in gottgeschenkten Brot an Lebenskraft steckt, wird uns in der Geschichte von Elia am Ginsterstrauch vor Augen geführt (1Könige 19,1-8). Der Prophet ist lebensmüde. Zu viel ist ihm zugemutet worden, was über die eigenen Lebenskräfte geht. da bleibt ihm nur noch ein Verzweiflungsgebet. „Herr, ich kann nicht mehr!“, stöhnt er. „Lass mich sterben! Irgendwann wird es mich sowieso treffen, wie meine Vorfahren. Warum nicht jetzt?“ Als Elia in den Schlaf fällt, wird er von einem Engel wachgerüttelt: „Elia, steh auf und iss!“ Neben seinem Kopf liegt ein Brotfladen, der auf heißen Steinen gebacken war, und einen Krug Wasser. Er isst und trinkt und fällt noch einmal in den Schlaf. Ein zweites Mal ruft der Engel „Steh auf, Elia, und iss! Sonst schaffst du den langen Weg nicht, der vor dir liegt.“ Da steht Elia auf, isst und trinkt. Diese Speise gibt ihm so viel Kraft, dass er vierzig Tage und Nächte hindurch wandern kann, bis er schließlich zum Berg Gottes, dem Horeb, kommt.

Foto: Ursula Katharina Balken
Foto: Ursula Katharina Balken

Ja, Brot ist neben Wasser das Lebensmittel, das uns in Gottes Nähe bringt. Wo sonst könntest du Gottes Fürsorge für dein eigenes Leben besser begreifen als in einem Laib Brot und einem Krug Wasser. In der christlichen Tradition ist Brot mehr als nur ein Nahrungsmittel. Es gilt vielmehr als gottgegebenes Lebensmittel, das immer wieder neu in das eigene Gebet genom­men wird. So heißt es in Psalm 104: „Es warten alle auf dich, dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit. Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie; wenn du deine Hand auftust, so werden sie mit Gutem gesättigt.“ (V 27f; vgl. 145,15f) In Gestalt eines Brotlaibes lässt sich die göttliche Fürsorge für das eigene Leben eigenhändig, ja „laibhaftig“ begreifen. Und umgekehrt verdich­tet sich in unserer Bitte um das tägliche Brot all das, was uns von unserem himmlischen Vater zum guten Leben zukommen muss. So hat ja Martin Luther in seinem Kleinen Katechismus die Brotbitte erklärt: „Was heißt denn tägliches Brot? Alles, was not tut für Leib und Leben, wie Essen, Trinken, Kleider, Schuh, Haus, Hof, Acker, Vieh, Geld, Gut, fromme Eheleute, fromme Kinder, fromme Gehilfen, fromme und treue Oberherren, gute Regierung, gut Wetter, Friede, Gesundheit, Zucht, Ehre, gute Freunde, getreue Nachbarn und desgleichen.“

Die besondere Wertschätzung des Brotes bei Christen zeigt sich nicht zuletzt in der Brot­segnung. Früher wurde dazu der Brotlaib in den Haushalten vor dem Anschneiden mit einem Kreuzeszeichen gesegnet. Mitunter ritzte man dazu auf der Unterseite des Brotlaibs eines oder mehrere Kreuze mit dem Brotmesser ein. Schließlich brachten auch Brotstempel mit christlichen Symbolen zum Ausdruck, dass Brot uns Christen als Gottesgabe gilt.

Im Anschluss an die Predigt werden wir das Brot auf dem Altar segnen, so wie es unser Herr Jesus bei der Speisung der 5000 uns vorgemacht hat. Der Brotsegen verändert das Brot. Als Gottesgabe soll es eurem Leben zugutekommen. Wir werden euch das Brot zuteilen, so wie es die Jünger auf Jesu Anweisung gemacht haben.

Dankenswerterweise habe die beiden örtlichen Bäckereien Hesser und Wiedenmayer hier in Vöhringen für uns das Brot nach je eigenem Rezept gebacken. Wir nennen es „Vaterunser­Brot“, weil wir es mit der vierten Bitte des Vaterunsers „unser tägliches Brot gib uns heute“ dankbar in Empfang nehmen. Auf den Brotlaiben ist dazu ein eigenes Vaterunser- Zeichen aufgebracht: Auf diesem Signet ist der Buchstabe „V“ (für „Vater“) in den Buchstaben „U“ (für „unser“) bündig eingezeichnet. In der Mitte ist ein Kreuzzeichen aufgerichtet, dessen Querbalken beide Buchstaben überragt. Symbolisch lassen sich die beiden Flächen zwischen den beiden Buchstaben als Getreideähre oder als Keimblätter deuten, aus denen das Kreuz Christi erwächst.

Logo-mit-Typo-70-mm

In den Bäckereien Hesser und Wiedenmayer könnt ihr dieses Brot ab Montag kaufen, zu einem fairen Preis. Wir denken, es ist der richtige Ort. In einer richtigen Bäckerei kannst du dir das Brot nicht selbst aus einem Regal nehmen; „Selbstbedienung“ ist dort nicht vorgese­hen, mit gutem Grund: Was du zum Leben brauchst, sollst Du dir nicht einfach selbst nehmen. Es wird dir vielmehr auf deine Bitte hin gegeben. Den Brotlaiben wird eine Gebetskarte beigegeben, die einen Brotsegen und weitere Tischgebete enthält. Damit sollen Käufer des Vaterunserbrotes zuhause zur eigenen Brotsegnung und zum Tischgebet eingeladen werden.

So möchte die evangelische Kirchengemeinde Brot als elementares Lebensmittel hier in Vöhringen neu zur Wertschätzung bringen. Wo Brot in Namen Jesu Christi gesegnet wird, kommt es deinem Leben zugute. Es wird zum geistlichen Lebensmittel, das dir die göttliche Güte neu anvertraut. Jesu Wort sei dabei in deinem Ohr: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.“ (Matthäus 4,4)

Du bist mehr, als was du für dich selbst isst; du bist mehr, als was du für dich selbst denkst; du bist mehr, als was du für dich selbst entschieden hast; du bist mehr, als was du für dich selbst erarbeitet hast; du bist mehr, als was dir in deinem Leben schon alles widerfahren ist. Du bist derjenige, für den sich Jesus Christus selbst als Brot des Lebens hingegeben hat.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Hier meine Predigt als pdf.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s