Auslegung zu 5. Mose 6,4–9 (1529)
Von Martin Luther
V. 1–5. Dies sind aber die Gebote, dass du den HERRn, deinen Gott, fürchtest. Höre, Israel: der HERR, unser Gott, ist ein einiger HERR etc.
Da sehen wir, dass Mose das erste Gebot meisterlich und fleißig auszulegen beginnt. Also hat er gesagt: „Ich bin der HERR, dein Gott“. Was heißt das? Darauf antwortet er: dass du dem Gott und HERRn vertraust und ihn fürchtest; dass du tust, was ihm wohlgefällt; dass du nicht anderswo hingehst, seine Gebote und Gesetze nicht übertrittst; sondern sollst dich zu ihm versehen, dass er dir alles Gute tun will, und es soll dir wohlgehen. Also haben wir es auch ausgelegt.
„Nicht andere Götter haben“ heißt: Gott lieben, fürchten und ihm vertrauen. „Fürchten“ ist, dass ich bei dem einigen Gott bleibe; ich fürchte mich vor ihm, dass ich nicht einen anderen Gott suche oder einen anderen ergreife, sondern mein Vertrauen auf diesen setze. Denn welcher einem anderen vertraut, der verachtet den vorigen; er fürchtet ihn nicht und ist so keck, dass er sich darf nach einem anderen Gott umsehen und darauf seine Zuversicht setzen; so traut er ihm auch nicht. Und da ist der Glaube mit dem ersten Gebot hinweg.
Des nimm ein Exempel aus dem Papsttum (ich wollte nicht gerne, dass man der Gräuel vergesse um Undankbarkeit willen). Wer sein Vertrauen, Hoffnung und Trost setzt auf St. Margaretha oder einen anderen Nothelfer und Heiligen, der schlägt Gott in die Schanze und verachtet ihn aufs Äußerste; er denkt: Wer weiß, was Gott tut? Er kann mir nicht helfen; aber die heilige Jungfrau St. Margaretha wird mir helfen, denn die hat es verdient. Und das heißt Gott verachten und auf die Kreatur sich begeben, welche heißt St. Margaretha oder St. Barbara, da man ihr in Kindes- und Todesnöten mehr traut und glaubt denn Gott, so doch unser Vertrauen allein auf Gott stehen sollte, dass er helfen würde. Aber der größte Teil unter den Menschen hält ihn für einen Klotz; darum rufen sie ihn nicht an.
Ein abgöttischer Krieger ruft St. Barbara an, dass sie ihn nicht lasse ohne das Sakrament sterben; oder fasst an St. Marcus, dass er ihm helfe. Er weiß von Gott nichts. Heißt das nicht Gott verachten? Man hält ihn nicht dafür, dass er den Kriegern zu Hilfe kommen könnte, da er doch sagt: „Ich bin der HERR, dein Gott.“ Ja, der tapfere Held David bekennt im 144. Psalm, Vers 1, dass Gott seine Hände und Fäuste zum Kriege abrichte. Und du hältst Gott nicht für den, der dir helfen könnte; aber dagegen St. Margaretha, St. Barbara und St. Marcus, die können dir helfen?
Maria, die liebe heilige Jungfrau und Mutter Gottes, ist auch die schändlichste Abgöttin worden; sie hat uns auch sollen gnädig sein und in höchsten Nöten aushelfen. Alle sind wir so geschickt gewesen, dass wir von Gott gefallen sind, und sie hat unsere gnädige Königin sein sollen; Christus ist nichts gewesen; dass alle Tempel und Altäre gemeiniglich in Mariä Ehren gestiftet und gebaut worden. Heißt das nicht Gott verachten? Hilft denn Gott, was darf ich denn Mariens Hilfe oder anderer Heiligen? Setze ich aber mein Herz auf die Jungfrau Maria, dass sie mir helfen soll und Gutes tun, was darf ich denn Gottes? Er sitzt nur müßig im Rauchloch.
Ja, sagt man dann: Man soll gleichwohl die lieben Heiligen ehren, denn sie haben es verdient. Wo steht das geschrieben? Allhier hörst du, dass Mose sagt: „Höre, Israel, der HERR, unser Gott, ist ein einiger HERR.“ Darfst du was? Rufe ihn an. Es ist ohne alle Not, dass du zu einem anderen laufest; denn er lässt dir sagen: „Ich bin dein Gott“; sagt nicht: Ich will dein Gott sein, ich werde es noch werden; sondern: Ich bin es allbereit; allein, gedenke und glaube mir, ich will dir wohl helfen.
Ebenso geht es auch mit den Mönchen und Nonnen. Wenn sie kommen in die böseste Abgötterei, so denken sie: Wir haben drei Gelübde getan, als Armut, Keuschheit und Gehorsam, und haben ihren Orden, Regel und Statut. Diese ihre Werke, so sie darinnen tun, sind ihr Abgott. Denn sie weichen von Gott ab, fürchten ihn nicht, dürsten nicht seiner Gnade und Gaben, als der Vergebung der Sünden, sondern kommen getrollt und wollen selig werden durch ihren Orden, Kappen und Plattenwerk, und dadurch Vergebung der Sünden erlangen. Und dadurch werden sie treulos, fallen von seiner Gnade und Barmherzigkeit ab, welche sie rechtfertigen sollte und aus Gnaden ihnen die Sünde vergeben. Aber sie dürfen es nicht; ihr Stand, Kappe und Abgötterei kann es wohl ausrichten. Das heißt Gott verachten, nicht fürchten, und einen anderen Gott ausrichten. Denn weil ihr Orden ihnen hilft, so dürfen sie Gottes nicht. Also haben sie Gott niemals vertraut noch ihn gefürchtet, und es hat Verzweiflung darauf folgen müssen.
Darum ist das der rechte Kern und Verstand des ersten Gebots: „Gott fürchten“, dass man keinen anderen suche und diesem traue, der dir alles Gute geben will. „Furcht“ dient, dass sie uns bei ihm behalte, dass wir nicht einen anderen Gott erwählen. „Vertrauen“ bringt mit sich alle Hilfe, dass du ihm allein in allen Nöten in seine Hände siehest und gewiss seiest, dass er das Beste bei dir tun werde, dir Rat und Hilfe schaffen, dieweil er es zugesagt hat und nicht lügt, derhalben du sonst keinem anderen anhängest.
So lauten ja seine Worte: „Ich bin dein Gott“, das ist: ein Helfer in der Not, der alles Gute gibt. Er kann nicht deutlicher reden, denn dass er sagt: Ich tue dir alles Gute und helfe dir aus allenthalben. Der nun den rechten Gott trifft, der hat das, nämlich alles Gute tun und aus aller Trübsal und Not helfen und dich erlösen. Das wird leichtlich gesagt, aber schwerlich geglaubt. Doch haben wir gesagt, dass Gott durch die Kreatur gibt; darum werden Könige, Fürsten, Prediger, Eltern und Christen auch Götter genannt.
Möchte einer aber sagen: Tue ich denn nicht Unrecht, wenn ich die Könige anbete und einem Fürsten Ehre erweise, den Priestern eine Reverenz durch Kniebeugen oder Hutabziehen? Warum sagst du dann, ich tue übel daran, dass ich die Heiligen anrufe, Maria anbete? Darauf antworte ich: Wenn du einen Fürsten also ehrst, dass du siehst, dass Gott dir durch ihn alles Gute gibt, da ist es recht, so tust du wohl. Denn du empfängst nicht den Frieden und Schutz hier in diesem Land von Herzog Johann, Kurfürsten; ich verlasse mich auch nicht auf ihn, sondern Gott gibt dir durch diesen Mann, dass du Frieden hast. Du bleibst also nicht haften an dem, durch den es dir geschieht, sondern kommst zu dem, der es dir durch den Fürsten gibt. Denn Friede ist ein Werk, das Gott allein zusteht zu geben, und ist nicht das Werk eines Fürsten oder anderer Obrigkeit.
Also empfängst du vom Pfarrherrn auch das Sakrament und hörst die Predigt des göttlichen Wortes; aber nicht als von ihm, er kann dir dies nicht geben, sondern Gott gibt es durch ihn. Er ist das Mittel und Instrument, durch das dir Gott es gibt. Denke also, dass der Fürst und der Pfarrherr nicht dein Gott sind, und dass sie das Sakrament, Wort und weltlichen Schutz nicht als ihr eigenes Werk reichen, sondern dass Gott es durch sie gibt. Darum ehre ich auch die Obrigkeit um Gottes willen, der mir solches durch diese Mittel gibt. Sonst mögen sie ein gutes Jahr haben, die die Fürsten fürchten und ihr Vertrauen auf sie setzen; denn sie müssten sonst scheitern und verflucht sein. Es ist ein wahres Wort, das man pflegt zu sagen: Fürstliche Gnade ist wie Aprilwetter, das währt nicht lange. Daher spricht der 146. Psalm, V.3: „Verlasset euch nicht auf Fürsten“, und Jeremia 17,5: „Verflucht sei, wer sich auf Fürsten verlässt.“ Psalm 146,3: „Fürsten sind Menschen, sie können ja nicht helfen.“ Solches bezeugt die heilige Schrift allenthalben, dass, wer sich auf Menschen verlässt, der geht zu Boden.
Nun ist es ein anderes Ding, Wohltaten durch einen Menschen zu empfangen, und den Menschen zu vertrauen oder sich auf ihn zu verlassen. Von Fürsten, Predigern und Eltern soll ich es als von Geschöpfen empfangen, wiewohl mir Gott, der Herr, es durch sie gibt; aber sie fürchten und vertrauen auf sie, als gäbe es keinen anderen Gott, das ist nicht zu tun. Ich soll sie nicht fürchten noch ihnen vertrauen; denn Furcht und Vertrauen gehört alles hinauf zu Gott. Da soll ich sagen: Was recht ist, dabei will ich bleiben; Gott gebe, es zürne Fürst, Herr, Vater oder Mutter.
Man findet aber überall viele, die wissentlich wider Gottes Gebot handeln, die Fürsten fürchten und um ihretwillen tun, was sie niemals verantworten könnten, und sie sonst wohl ließen anstehen. Diese fürchten nicht Gott, sondern den Fürsten. Darum geht es so: Wenn sie einen gnädigen Fürsten haben, sind sie stolz und niemand kann mit ihnen übereinkommen. Ja, unserem Herrn Gott selbst singen sie nicht vom Habersack. Ein Fürst und Obrigkeit müssen von wegen ihres Amtes und Befehls Gutes tun und ihren Untertanen helfen, darum soll man auf sie nicht vertrauen, sie nicht fürchten, noch um ihretwillen wider Gott handeln; von ihnen soll man aber Gutes empfangen als von Gott, und Gott durch sie ehren. Darum baue nicht auf Menschen.
Nun sagen einige: Was soll man mit den toten Heiligen tun? Soll man sie nicht ehren, wie man sonst die Eltern und Fürsten ehrt? Antwort: Du siehst nicht, dass die Heiligen, wie Maria, St. Margaretha und St. Barbara, dir helfen, so wie du erfährst, dass dir dein Fürst und Vater hilft; darum darfst du die toten Heiligen nicht anbeten. Der Fürst schützt dich, handhabt dich gerecht, wie die Obrigkeit geordnet ist; Gott will durch sie seine Gottheit dich sehen lassen und gibt dir durch sie Landesfrieden, damit sie dich vertreten. Das hast du nicht von den toten Heiligen, sie haben dafür keinen Befehl, Ordnung noch einen gesetzten Stand; darum sollst du die Heiligen nicht anrufen, sie nicht fürchten noch auf sie vertrauen. Dazu ist noch das Äußerste: Gott hat dir es nicht geheißen. Denn weil du dich nicht fürchten und ihnen nicht vertrauen sollst, welche doch Gott selbst dir geordnet hat zu Nutz und Gedeihen, und dass er durch sie dein Gott sei, viel weniger will er, dass du die Heiligen vorziehst und auf sie hoffst.
Durch deine Eltern gibt er dir Leib und Leben, ernährt und versorgt dich; dennoch sollst du ihnen nicht vertrauen. Gebrauchen magst du sie nach Gottes Ordnung, aber über Gott sie nicht achten; denn sie sollen nur ein Mittel sein, durch das er dich in diese Welt schafft und eine Zeitlang erhält. Aber die verstorbenen Heiligen sitzen nicht in diesem Stand, tun dir auch nichts; sie sind aus der Welt genommen; wir können ihrer nichts genießen, als sonst von den Lebenden nach Gottes Einsetzung.
Darum, wenn ich sage: Der Heilige hat das Amt im Himmel, erdichte ich dies aus meinem eigenen Kopf, ohne Gottes Wort, und der Teufel betrügt mich durch seine Verführung und falschen Schein. Und doch ist dahin das größte Vertrauen gerichtet, dass wir uns besondere und eigene Götter erwählt haben, die wir viel mehr fürchteten als unseren Herrn Gott selbst. So haben wir St. Valentin, Antonin und Sebastian gefürchtet. Denn weil es von uns erdichtet ist, gefällt es uns. Da hat man gesagt: Ja, St. Margaretha hat mir geholfen. Wie, wenn es der Teufel getan hätte? Denn der kann auch einem helfen. Aber das kannst du sehen, und hier hast du Gottes gewisses Gebot, dass er diese Stände geordnet hat, sodass dir dein Seelsorger, Fürst und Eltern vorstehen, und sie sind von Gott dazu verordnet, dass er durch sie dir helfen will; darum gebietet er auch, dass man sie ehren soll.
5. September
So ist es nun ein lauter Aberglaube und Abgötterei, wenn ich Hilfe und Rat anderswo suche als bei Gott. Ich soll zu denen keine Zuflucht haben, da Gott mir keine Hilfe verordnet hat, ich soll sie auch nicht ehren. Denn daraus folgt Verachtung und Misstrauen gegen Gott, sodass Gott so schwerlich zu glauben ist, und dem Teufel man so leichtlich glaubt; denn was Gott eine Zeitlang anzeigt, das gibt der Teufel bald. Aber hiervon wollen wir zu einer anderen Zeit reden.
Auf diesmal lasst uns behalten, dass Gott sei, der alles Gute tut und aus Nöten hilft; nicht allewege durch sich selbst, sondern es kommen allerlei seine Mittel auch dazu, als durch seine Engel, Fürsten, Herren, Eltern, Prediger, Christen etc., vor allen aber durch Christum. Das ist nun wohl recht, dass ich die Mittel weiß, durch welche mir von Gott Gutes widerfährt; aber ich soll nicht auf sie bauen, sie nicht über Gott erheben, um der Könige, Fürsten und Herren willen Unrecht zu tun und um ihrer Ungnade und Zorn willen das Recht zu belasten; sondern auf Gott, den Schöpfer, soll ich allein mein Vertrauen setzen.
Aus dieser Ursache ist David geehrt worden, denn er hatte die Hände voll Wohltaten; durch seine Hände ging diesem großen Volk Israel Regierung, Schutz und Schirm. Darum wurde David Gott genannt; nicht, dass er ein wesentlicher Gott wäre, sondern dass er Gottes Werk trieb und Gott durch ihn half aus Nöten, Gutes tat und das Volk von den Feinden erlöste. Darum war nicht weiter auf ihn zu bauen, denn er blieb allein Gottes getreues Diener und Instrument, an seinem Wort und Befehl festhaltend.
Wir haben im fünften Kapitel den Text der zehn Gebote gehört, und im Anfang des sechsten Kapitels wird folgen, wie Mose beginnt zu erklären, nämlich also: „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist ein einziger Herr“ etc. Da hören wir, dass die Auslegung des ersten Gebots diese sei: „Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allem Vermögen.“ Was aber das sei, haben wir oft im Evangelium hören predigen; da ist uns stets vorgehalten worden, dass dieses Gebot nicht so leicht und gering sei, wie es scheint, sondern es ist eine Summa und ein Beschluss aller Weisheit und Verstandes.
Denn „lieben von ganzem Herzen“ steht in den höchsten Affekten und ist kein schlechtes, kaltes Werk, das in äußerlichem Wandel oder Übertretungen nur beruht, wie es die Heiden und Papisten verstehen; als, vor den Bildern und Götzen nicht die Knie zu beugen oder die Hände gegen sie zu heben. Wenn sie das nicht getan haben, so meinen sie, sie hätten den rechten Gott, und an Abgötterei sich nicht vergriffen. Ebenso, wenn sie fasten, lange Kleider tragen, ihre Zeiten gebetet haben, sich äußerlich in allerlei Gebärden nach ihrer Weise gehalten haben, so denken sie: Wir sind heilige Leute und haben wohl gelebt; wie heutzutage ihrer noch viele gefunden werden, die sich mit solchen äußerlichen Dingen heilig dünken. Aber hier sagt Mose: Willst du das erste Gebot halten, und meinst, was da sei, nicht andere Götter zu haben? Höre: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen“, das ist, dass dir nichts Lieberes sei als Gott, sein Wort und sein Wille; in Summa, dass wir über ihn nichts im Himmel oder auf Erden lieben.
Wir haben zwei Sonntage nacheinander gehört, dass Gott nicht ergriffen werden könne, denn allein durchs Wort; ohne das könne man ihn nicht sehen noch fühlen (Joh. 14, 23). Stellt man sich recht zum Wort, dass man es liebt, und meint es von Herzen, so wird Gott auch geliebt. Nun kann man an uns nicht sehen, fühlen oder erfahren diese Liebe, damit wir Gott fürchten und lieben, wenn man sieht, wie wir uns zum Wort Gottes stellen oder wie wir uns gehorsam der Predigt halten. Wo dir dieses Wort, Geschäfte und Ordnung lieber ist als alles auf Erden, so ist die Sache recht; dann ist es ein Zeichen, dass man Gott liebt, und so wirst du die Eltern ehren, deinen Nächsten auch lieben, nicht töten, ehebrechen, stehlen etc. Darum, wenn dir das Wort lieber ist als dein Leib, Leben und was du sonst hast, so steht die Sache wohl; so wirst du deinem Nächsten an allem seinem nichts schaden, sondern alle anderen Gebote und Werke halten. Deshalb, sind dir die zehn Gebote lieb, so lebe ich darnach, ich lüge und trüge nicht, schade eher Leib, Leben und alles darüber (2 Makk. 7, 30; 7, 2 ff.).
Aber wo findet man sie? Wenn man sie zählen wollte, wären es sehr wenige. Der Teufel, die Welt und unser Fleisch lehren uns viel anders. Wir dürfen um eines losen Hellers willen wohl alle Gebote Gottes, sein Wort und den Nächsten in die Schanze schlagen. Denn heißt es Gottes Gebot und Wort lieben und halten, wenn du übel von deinem Nächsten redest, ihm sein Weib schändest oder ihn am Markt benachteiligst und sonst, wo du nur kannst? Den Teufel möchtest du wohl lieben; ja, einen schäbigen Heller liebst du mehr als deinen Gott. Du solltest dich aber eher in einen Finger beißen, als dass du etwas wider Gott und sein Wort tätest.
Also sollte es zugehen, wenn du Liebe zum Wort Gottes hättest: Ehe du deinen Nächsten um einen Heller betrügst oder ihm ein Wort zuwider redest, ließe du eher Leib, Ehre, Gut und alles fahren und setztest es dafür ein. Denn ein gottseliger Mensch setzt Gottes Wort allen Dingen voran, als den edelsten Schatz. Wenn du aber anfängst, solche zu zählen, würdest du keinen finden, der Gott von ganzem Herzen liebt. Denn die Gottlosen pflegen um eines Worts und (wie man sagt) Tanzes willen Gott und den Nächsten hintanzusetzen, zu lästern. So halten die Geizhälse den Mammon für ihren Gott.
Nun, dies ist das erste Gebot: „Du sollst nicht andere Götter haben“, das heißt, Gott, deinen Herrn, sollst du lieben, sein göttliches Wort hören und dir gefallen lassen; was sein Wort heißt und gebietet, das lass dir gesagt sein und halte dich daran. Ja, dieses Wort soll dir das edelste Kleinod auf Erden sein. Dir soll nicht lieber sein dein Leib, Leben, Ehre, Gut und alles, was du hast. Aber wir laufen über die Gebote Gottes wie eine Sau über das Heiligtum, um unserer eigenen Lüste und mannigfaltigen Begierden willen, gleich als wäre nie ein Gesetz von Gott gegeben. Folgt weiter im Mose:
V. 6–9. Und die Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen und sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt und auf dem Wege gehst, wenn du dich niederlegst oder aufstehst; und sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sollen dir ein Denkmal vor deinen Augen sein, und sollst sie über die Pfosten deines Hauses schreiben und an die Tür.
Siehe, wie heftig er zum ersten Gebot treibt, damit in unseren Herzen und innerlichen Affekten eitel Glaube und herzliche Liebe gegen Gott und den Nächsten brenne und herrsche. Und er spricht: „Du sollst diese Gebote einschärfen.“ Das ist ein Meisterwerk mit Predigen und Auslegen des Gesetzes. Er weiß, dass am ersten Gebot die meiste Macht und Kraft liegt, darum handelt er es auch mit hohem Fleiß. Will sagen: Lass dir diese Gebote, und sonderlich das erste, mit aller Treue befohlen sein, dass du sie nicht allein aufs Papier schreibst, oder in ein Buch fasst, darnach im Winkel liegen lässt, oder sie dir allein in die Ohren erschallen, vor den Augen gemalt stehen, sondern fasse und schreibe sie in dein Herz, dass du Tag und Nacht daran gedenkst, gerne davon redest und handelst, wenn du arbeitest, stehst oder gehst, gleich wo du willst. Summa: Diese Worte sollen dein höchster, liebster Schatz sein, denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz (Matth. 6,21). Du sollst sie zu jeder Zeit am meisten beachten.
Warum redet aber Mose also? Darum, dass er weiß, dass so viele Leute auf Erden sind, die die zehn Gebote hören und lernen und ins Leben ziehen sollen, so wissen sie dieselben schon allbereit auswendig und können sie zuvor alles. Darum ist es ihnen eben, als hörten sie eine Fabel oder ein Märchen, wenn man dieselben vorsagt und erzählt; oder wie eine neue Zeitung vom Türken oder vom König aus Frankreich; sie achten es nicht und meinen auch nicht, dass die zehn Gebote sie etwas angehen, viel weniger sinnen sie darauf, dass sie dieselben ins Herz schließen, darnach handeln und sich daran halten sollen. Sie meinen, es sei genug, wenn sie es zu Zeiten einmal hören und davon einigermaßen reden, wie wenn jemand sonst etwas Seltsames gehört hat und es nacherzählen kann. Und also ist der größere und der größte Teil und Haufen der Welt gesinnt, dass sie entweder nur darin suchen und waschen oder etwas zum Schein tun, das ihnen doch nicht ums Herz ist. Solches ist sehr verdrießlich, wenn die Leute so bald klug werden und des Wortes Gottes müde und überdrüssig sind, gleich als wäre es nur darum zu tun, dass man es bisweilen höre und es danach gut Wetter sei; wiewohl sehr viele auch das Zuhören verachten und aufschieben. Jene, die es gehört haben und es ausgesagt ist, denken schon nach etwas anderem, und wenn das andere kommt, suchen sie noch ein anderes, und so fort immerdar; vergessen danach das Erste und Nötigste.
Ich habe oft gesagt und sage es noch: Wer die zehn Gebote, und sonderlich das erste Gebot, recht kann, dem will ich von Herzen gerne zu Füßen sitzen und ihn meinen Doktor nennen. Ich halte mich gelehrter als die Schwärmer, denn sie können nicht die zehn Gebote. Ich kann sie aber, Gott Lob! Das weiß ich gleichwohl, dass die zehn Gebote noch mein Donat, ABC, ja meine Bibel sind; ich muss darin noch ein Schüler bleiben, obgleich ich die Bibel oft angelesen habe. Aber die Klugen und Naseweisen, wenn sie nur ein Sermönchen können, so meinen sie, sie könnten alles und treiben ihre Hoffart mit unmäßigem Wissen; aber den Teufel auf ihrem Kopf kennen sie.
Es ist ein feindseliges Volk, das so bald gelehrt wird. Denn sie denken nicht anders, als dass sie die zehn Gebote als gemeine Dinge hören und davon waschen, plaudern und schwatzen, als sonst von etwas anderem. Es gilt aber, lieber Gesell, nicht Schnattern, sondern dass du sie ins Leben und in die Tat hineinbringst und gegen jedermann öffentlich beweist, dass du also gesinnt seiest; ehe du wider eines Gebotes Gottes handeln wolltest, wolltest du lieber alles auf Erden darüber fahren lassen. Da sei nun Meister und beweise dich redlich.
So schließen wir derhalben, dass kein Mensch auf Erden die Gebote Gottes hält und erfüllt. Ja, auch solche Geister und Wäscher greifen es nicht mit einem Buchstaben oder dem geringsten Werk an. Darum ist dies ihre Art: An einem Tag lernen sie das Gesetz und Evangelium gar aus, dass sie viel nachwaschen können, aber im Treffen, in der Tat und im Beweis zu niemandem nach Hause. Es sind nur Federn und Haare.
Diesen bösen Geistern und schändlichen Plauderern zuwider setzt Mose diese Worte und spricht: „Du sollst sie zu Herzen nehmen.“ Das heißt: Werdet mir nur nicht zu bald klug; denke nicht, dass du es alles gefressen, verschlungen und längst auswendig hättest oder dass es so bald angelernt sei, wie es gehört wird. Nein; ich lasse mir nicht genügen, dass du es auf die Zunge und in die Ohren fasst, danach überhin rauschen und schweben lässt. Ins Herz sollst du es fassen und stecken, darin soll es dein Trost, Trotz und Behelf sein und bleiben. Danach strebe, dahin komme.
Nach diesem schärfe und wetze sie deinen Kindern. Erstlich gedenke für deine Person, dass du sie wohl lernst, nicht allein im Buche, in den Ohren und auf der Zunge tragst, sondern ins Herz senkst, dass es dir von Herzen gefalle, danach zu leben. Danach, wenn du diese Gebote im Herzen hast, so fahre fort, dass du sie auch deine Kinder lehrst. Und sagt eigentlich „schärfen“ und „wetzen“; es sagt nicht, dass du sie allein lehren und ihnen vorsagen sollst, sondern mit diesem Worte „schärfen“ zeigt er an, was wir für Gesellen sind. Es will mit schlechter Anweisung und Vermahnung nicht getan sein, sondern getrieben, geübt, angehalten und nachgedrungen werden. Denn unser Herz ist stumpf, verstockt und verrostet, dass es daran nicht haftet; es fällt sehr bald vom Wort, darum muss man es immer handeln. Sonst hat es einen Ekel vor dieser Speise, wird ihr bald überdrüssig; ja, es will immer Meister sein, ehe es Schüler geworden ist. Darum tut Anhalten stets Not bei denen, die uns Predigern befohlen sind, damit sie es desto besser lernen.
Ich kenne selbst etliche, die da meinen, wir dürsten keiner Prediger oder Pfarrherren, und man müsse die Pfaffen aus Gewohnheit und alten Herkommens halber dulden; man könnte die Besoldung und Unkosten, die aus ihnen jährlich gehen, wohl in andere und bessere Wege gebrauchen. Gleich als wären sie, wie jener sagt, ein notwendiges Übel. Sonderlich der Adel und etliche Klüglinge sagen: Haben wir doch Bücher, daraus wir es ebensowohl lesen können, als hörten wir es in der Kirche vom Pfaffen. Du liest den Teufel auf deinem Kopf, der dich besessen hat. Wenn unser Herr Gott gewusst hätte, dass das Predigtamt nicht nötig wäre, er wäre ja so weise und klug gewesen, dass er dir es nicht durch Mose hätte predigen lassen und wäre nach deinen gottlosen, teuflischen, törichten Gedanken und Reden ohne Not gewesen, dass er nachmals das levitische Priesteramt hätte geordnet und jederzeit Propheten ausgesendet, wie er selber sagt (Matth. 23,34). Er würde auch dieser Zeit Prediger und Seelsorger wohl daheim lassen. So hätte er auch den Eltern nicht geboten, dass sie es so ernstlich trieben und nicht hätten hinhängen lassen. Er weiß gar wohl, wo es uns mangelt.
Das folgt von Natur: Wenn du dahin kommst, dass du meinst, du könntest nur am besten das Evangelium, die zehn Gebote und Worte Gottes, so bist du verloren und der Teufel hat gewonnen. Darum, wenn man dieser Lehre überdrüssig wird und sie uns schmeckt wie eine Neige vom Fasten, will das Herz etwas Neues haben, des Vorigen ist es müde und übersatt (2 Tim. 4,3). Dann sagt man gemeinhin: „O, das habe ich vorhin lange gehört, sage mir etwas Anderes.“ So will man immerdar eine andere Lehre haben und stinkt den Leuten die Nase nach Neuerung. Wenn also das Herz Gottes Wort müde ist, es nicht mehr für seinen besten Schatz hält, dann ist die Tür hinten und vorne offen, dass der Teufel freien Zutritt hat und allerlei Irrtum einschleusen kann (Luk. 11,26).
Also ist es mit den Schwärmergeistern auch zugegangen, wie zuvor in allen Kirchengeschichten; hiermit sind sie vom Teufel herumgerückt, gefällt und übervorteilt worden, dadurch hat er Platz bekommen. Es war ihnen das Evangelium und der Glaube von Christo nicht ein großer Schatz, sie mussten etwas Neues haben; vor großer Kunst hatten sie einen Ekel vor dem Evangelium, Christus war ihnen zu geringe; sie konnten es alles; es war ihnen eine verdrießliche Lehre. Wenn ein Kranker nicht mehr Speise mag, sondern es ihm grauet und ekelt davor, so ist er nicht weit vom Tode, er stirbt bald. Also auch, wem die Himmelsspeise des göttlichen Wortes unangenehm ist und nicht mehr schmeckt, der wird es nicht lange antreiben.
Es gedenke niemand, solange er lebt, dass er das erste Gebot werde auslernen. Weil Gott selbst viel davon hält und will, dass man nichts Herrlicheres noch Besseres predigen könne, und Mose sich nicht schämt, dass er immerdar ein Lied aus einer Saite fiedelt, das heißt, ein und dasselbe treibt, so sei es uns auch nicht Schande, ein einig Ding stets zu lehren und zu hören. Ich sollte mich ja billiger schämen und einen Überdruß daran haben, dass ich immer dasselbe vorbläue und lehre, denn ihr, die ihr es von mir anhören sollt. Aber der Heilige Geist und Gott wird es nicht überdrüssig, ein und dasselbe zu lehren, und wir sind also ein feindseliges Volk und verachten alles. Der liebe Gott behüte uns vor demselben Geschmeiß, dass wir nicht auch dahin geraten, dass wir uns dünken lassen, wir könnten es gar. Wahrlich, der Text ist solchen sattsamen, ekeln Geistern zuwider hier gesetzt, auf dass niemand sich dünke, er habe es alles ausgelernt.
V. 7. Und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzest oder auf dem Wege gehst, wenn du dich niederlegst oder aufstehst.
Siehe, wie Mose dies so fleißig treibt: Du seiest daheim oder auf dem Felde, so sollst du von dem Wort reden; darum sollst du dessen nicht überdrüssig werden. Davon sollst du handeln, wenn du aufstehst, und wenn du schlafen gehst, es in die Hände malen und über die Tür schreiben, dass du es allezeit vor Augen hast und immer danach tust und allzeit ein Gedächtnis sei. Was ist das? Wie meint er das? Mose wollte dieses Gebot nicht allein gern ins Herz uns bläuen und geben, sondern auch ins ganze Leben.
Die Juden haben eine Weise aus diesem Text genommen, davon Matth. 23,5, dass sie eine Pergamenthandschrift ums Haupt machten, daran die zehn Gebote geschrieben waren, und schrieben sie auch um die Kleider; gleichwie wir jetzt Gottes Wort predigen, lesen, singen, malen, drucken und schreiben. Dies war bei den Juden nicht eine böse Weise und Gewohnheit; denn sie wollten Gottes Wort vor den Augen haben und malten es an allen Orten, auch in den Gärten, und haben diese Weise gewisslich aus diesem Text genommen. Aber es waren Buben und Schälke, wie man pflegt im Sprichwort zu sagen: Ein Paternoster am Hals tragen, einen Schalk im Herzen etc. Es ist zwar solches nicht böse, aber es ist nur ein Schein, da man sich gottselig stellt und mit der Tat es gar läßt anstehen; darum ist es eine Heuchelei, und Christus ist ihnen nicht freundlich und straft sie hart darum.
Darum meint es Mose also: Du sollst von diesem Gebot predigen und reden im Hause, das heißt, was du tust im Hause oder auf dem Felde, oder an welchem Ort du seiest, so sollst du immer daran gedenken, dass du dagegen nicht tust. Bin ich aus dem Markt, dass ich an Gottes Gebot gedenke, dass ich meinem Nächsten keinen Schaden tue; denn Gott hat mir geboten, ich soll nicht stehlen; wo dir das Gebot gefällt und von Herzen Gott liebst, so stiehlst du nicht. Wenn du dieses Gebot „Du sollst nicht stehlen“ auf dem Markt hast oder auf dem Acker, wo man Güter und Säcker an seinen Nächsten stoßen hat, so sei ihm gehorsam; hast du Gott und sein Wort lieb, so wirst du vor allem Betrug, Wucher, Geiz und Hinterlist dich hüten und nicht wider ihn handeln. Das heißt, davon handeln, dass man das Leben darnach richten soll.
Also, wenn du im Handel tätig bist, als Handwerksmann, Brauer, Schuster, Schneider, Bäcker etc., so gedenke: Ich will also handeln mit meinem Nächsten, dass ich keinem zu nahe trete, noch überteuere, übersetze, betrüge oder benachteilige. Denn Gott hat geboten im siebenten Gebot: Ich soll nicht stehlen, niemand übervorteilen oder betrügen etc. Liebe ich Gottes Wort und Gebot, so werde ich niemandem Unrecht tun. Aber wo sind solche? Christen sollen allezeit so sagen: Ich will mein Leben darnach richten, dass ich wider meinen Gott nicht sündige noch meinen Nächsten beleidige. Und diese halten und erfüllen dieses Gesetz, die es also ins Leben hineinbringen.
Die Pharisäer und Heuchler mag man fahren lassen, die das Gesetz auf die Hüte und an die Röcke schrieben und nie an Gottes Gebot gedachten und ihren Nächsten betrogen. Denn dieses Schreiben an die Hüte hilft nichts, wenn du es auch gleich mit Scheidewasser einreibst, denn ein solcher ist und bleibt doch ein Schalk. Aber ein frommer Christ soll also sagen: Ich will mein Leben, Werk und Geschäft mit Gottes Hilfe so richten, dass ich wider meinen Gott nicht sündige und niemandem Unrecht tue; dass du gedenkst, Gott zu lieben, zu fürchten und zu vertrauen, und niemandem Leid, sondern jedermann Gutes zu tun; da fahre fort, du bist auf dem rechten Wege.
Welche also die Gebote in ihr Leben treten und fortsetzen, die schreiben das Zeichen aus ihrer Hand. Es ist alles darum zu tun, dass du stets daran gedenkst in allen deinen Worten, Werken und Vorhaben, dass du Gott fürchtest, ihm traust und niemandem Schaden zufügst, nicht tötest, nicht ehebrechst, nicht stiehlst etc., sondern jedermann nützlich bist. Hebe das an und greife dein Leben an; treibe es ein Jahr lang und sage mir es nach einem Jahr wieder, was du kannst vom ersten und den anderen Geboten allen, so wirst du es gewahr werden. Gedenke, dass du nicht das Deine suchen, deinen Nächsten nicht hintergehen, niemanden überteuern sollst, dann wirst du sehen, was Gott lieben heißt, und wirst inne werden, dass du noch nicht gelernt hast das liebe ABC, auch dich für einen groben Sünder erkennen. Dann würde nicht so viel Diebstahl und böser Taten sein. Liebst du Gott, so würdest du nicht den Mammon anbeten. Dein ganzes Leben zeugt wider dich, dass du Gott nicht liebst, sondern vielmehr hassest.
V. 9. Und sollst sie über die Pfosten deines Hauses schreiben.
Das heißt: Du sollst gedenken, wenn du ausgehst oder eintrittst, du handelst daheim oder draußen mit deinem Nächsten, dass du also lebst, dass du nicht wider deinen Gott tust. Darum will Gott diese Gebote allemal vor die Augen geschrieben haben.
Das ist eine nötige Vermahnung, die Mose zum ersten Gebot tut. Denn er hat gesehen, dass die Leute aus Hoffart sich dünken lassen, wenn sie nur Gottes Wort gehört haben, so können und wissen sie es alles vollumfänglich, leben aber ärgerlich und tun wenig darnach. Darum will er sie weisen vom Gehör ins Herz und Leben, wie sie mit dem Herzen und in ihrem Wandel leben sollen. Dann werden die Leute auch sehen, wie sie dem Nächsten Schaden tun mit Worten und Werken, suchen stets das Ihre und denkt ein jeder nur auf seine Sache: Gott gebe, sein Nächster bleibe, wo er wolle. Denn die Welt hat den Mammon lieber als Gott.
Aber das sind erst die rechten hohen Stücke, wenn Gott, der Herr, uns nicht allein seine Gebote vorlegt, die wir verachtet haben, sondern wenn er uns auch angreift, Plagen und Unglück zuschickt, in das Kreuz und Verfolgung uns führt, Armut und Krankheit auferlegt, dass du meinst, Gott sei dein Feind. Dann siehe, ob du in solcher Trübsal und Jammer Gott lieben könntest, und wie geduldig du darinnen seist; ob du auch ohne Murren solches leidest, wie Hiob, der noch lobt und dankt in seinem Kreuz und spricht (Hiob 1,21; 2,10): „Haben mir Gutes empfangen von der Hand des Herrn, warum sollten wir das Böse nicht auch hinnehmen? Gelobet sei der Name des Herrn.“ Da wirst du die rechten Knoten befinden. Wenn du deinem Nächsten nichts Übles getan hast und dass du die zehn Gebote Gottes ein wenig gehalten hast, so wird sich gleichwohl finden, dass dir der Wille Gottes nicht gefällt, der doch dein höchster Trost und Schatz sein sollte. Ebenso, wenn du geschmäht und gesündigt wirst, siehe dann, ob du deinen ärgsten Feind auch mögest lieben.
Aber das lassen wir jetzt fahren und bleiben nur bei der gemeinen Weise, dass man diese Gebote nicht schlecht ansieht, als dass man Gott allein liebe mit der Zunge, sondern dass man es fasse ins Herz und in das ganze Leben, dass du stets gedenkst, was du nur redest, tust, vorhast und beginnst, in allen deinen Sachen und Leben, dass du die zehn Gebote nicht übertrittst, Gott und deinen Nächsten nicht erzürnst, damit das Wort Gottes dein bester Schatz sei und dir am allerliebsten.
Predigten vom 29. August und 5. September 1529, aus den Reihenpredigten über 5. Mose (1528/29), WA 28, 614-633.