Heute ist wirklich ein schwarzer Freitag. Aus Andrei Tarkowskis Tagebuch vom Dezember 1985: „Ein Mensch weiß sein Leben lang, dass er sterben wird – aber nicht wann. Um leben zu können, schiebt er diesen Moment in eine unbestimmte Zukunft. Doch ich weiß es, und nichts erleichtert mir jetzt das Leben. Das ist qualvoll. Doch am schlimmsten ist Larissa – wie soll ich es ihr sagen? Wie kann ich ihr diese entsetzliche Last selbst aufladen?“

Heute ist wirklich ein schwarzer Freitag. Aus Andrei Tarkowskis Tagebuch vom Dezember 1985

11. Dezember
Je älter ich werde, desto rätselhafter erscheinen mir die Menschen. Sie entgleiten meinem Blick. Das bedeutet, dass mein Beurteilungssystem zusammenbricht und ich die Fähigkeit verliere, Menschen einzuschätzen. In gewisser Weise ist es gut, wenn ein Bewertungssystem zerfällt – aber kann es gut sein, wenn alle Systeme kollabieren? Gott bewahre mich davor, alles zu verlieren!

Was ist nur mit mir? Wird die Tuberkulose wieder schlimmer? Lungenentzündung? Oder gar Krebs? Am 13. Dezember werde ich es erfahren.

Ich bin krank und liege im Bett. Starke Schmerzen im unteren Lungenbereich.

Letzte Nacht träumte ich von Wassja Schukschin. Wir spielten Karten. Ich fragte ihn: „Schreibst du gerade etwas?“„Ja“, antwortete er zerstreut, völlig vertieft ins Spiel. Dann standen alle auf, und jemand sagte, es sei Zeit abzurechnen – das Spiel war vorbei, die Punkte mussten gezählt werden.


12. Dezember
Vor einigen Tagen lag ich wach im Bett. Plötzlich sah ich meine Lunge von innen, genauer eine Stelle, an der ein blutiges Loch klaffte und Blut sickerte. So eine Vision hatte ich noch nie.

Mir geht es schlecht. Heftiger Husten, stechende Lungenschmerzen. Kopfschmerzen.


13. Dezember
Heute ist wirklich ein schwarzer Freitag. Ich war in der Klinik. Die Ärzte waren ungewöhnlich nett und aufmerksam – fast zu nett. Sie führten die Tests in ihrer Freizeit durch. Slawa Rostropowitsch muss seine Beziehungen gespielt haben.

In der linken Lunge ist etwas. Der Arzt sagte, es könne eine Entzündung sein, aber das stimmt offensichtlich nicht, denn die dunkle Stelle verschwand nicht durch die Antibiotika. Oder TB? Oder ein Tumor? Er fragte, wo ich operiert werden wolle, falls es schlimm kommt. Sollte ich mich überhaupt operieren lassen? Wozu sinnlose Qualen? Eine Lunge ist schließlich kein Frauenbusen.

Man untersucht das rätselhafte Knötchen an meinem Kopf, das vor einem Monat grundlos auftauchte. TB-Tests laufen. Bis zum 20. Dezember liegen alle Ergebnisse vor.

Ich bin auf das Schlimmste gefasst. Als ich damals ohnmächtig wurde und meine Lunge sah, glich das Loch eher einer klaffenden Wunde als einem Tumor – obwohl ich nichts sicher weiß. Ich habe nie einen Tumor gesehen. Doch der Bereich um die Wunde erschien mir sauber, ohne bösartige Spuren.

Ich hätte in Italien eine Lebensversicherung abschließen sollen. Jetzt wäre das wohl kaum möglich.


15. Dezember
Ein Mensch weiß sein Leben lang, dass er sterben wird – aber nicht wann. Um leben zu können, schiebt er diesen Moment in eine unbestimmte Zukunft. Doch ich weiß es, und nichts erleichtert mir jetzt das Leben. Das ist qualvoll. Doch am schlimmsten ist Larissa – wie soll ich es ihr sagen? Wie kann ich ihr diese entsetzliche Last selbst aufladen?


16. Dezember
Den ganzen Tag im Krankenhaus. Sie öffneten die Kopfgeschwulst und entnahmen eine Probe. Der Arzt sagt, die Ergebnisse seien schlecht. Der Tumor sei unheilbar – es sei denn, es handelt sich um einen bestimmten Typ, dann gebe es eine 80%ige Heilungschance.

Eins ist klar: Mir geht es sehr schlecht. Wie soll ich mit Larissa reden?


21. Dezember
Am 23. fliege ich nach Italien – mit all meinen Sachen. Mein Zustand verschlechtert sich täglich.

Boris Leonidowitsch Pasternak hatte recht: Ich würde noch vier Filme drehen. Ich erinnere mich an die Séancen bei Roerich. Boris Leonidowitschs Berechnung war nicht ganz exakt. Er wusste, dass ich insgesamt sieben Filme machen würde, zählte aber Der Dampfwalzer und die Geige mit, die eigentlich nicht zählt. Doch im Großen und Ganzen hatte er recht!

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