Von Karl Barth
Der Gottesdienst als Zentrum des ganzen Lebens der Gemeinde hat sich seinerseits als ein Ganzes, und zwar als ein Ganzes der Anrufung des gnädigen Gottes darzustellen. Er beginnt nach der Begrüßung der Gemeinde als des Volkes dieses Gottes mit ihrem (wie ich denke: nicht genug wichtig zu nehmenden und zu pflegenden) gemeinsamen Gesang. Er geht fort in der Aussprache ihres Dankes, ihrer Buße, ihrer besonderen Bitte um Gottes Gegenwart und Beistand in dem besonderen Tun ihrer gottesdienstlichen Versammlung durch den Mund des als Leiter der Aktion dienenden Gemeindegliedes. Er steigt auf zur Predigt, in der die Anrufung in Auslegung und Anwendung eines (besser kurzen als langen!) Schriftwortes zur Anrede und Verkündung wird. Er gestaltet sich von da aus absteigend zum Schlußgebet, in welchem die Aussage der Predigt (nun wieder in direkter Anrufung Gottes) straff zusammenzufassen ist, in welchem sich aber der Gottesdienst vor allem als möglichst ausgebreitete Fürbitte (wird sie nicht zu oft vernachlässigt?) nach außen, nach allen andern Menschen, nach der übrigen Kirche und Welt hin zu öffnen hat. Im zweiten gemeinsamen Gesang macht sich die Versammlung dieses Schlußgebet zu eigen. Sie wird mit der Erteilung des Segens durch das dienende Gemeindeglied: »Der Herr segne euch …!« (nicht uns!) entlassen. (Auf denselben Linien würde sich, wenn es nach mir ginge, auch das Tauf- und das Abendmahlsformular zu bewegen haben.) Wobei die Würze in allen Stücken an aller geistlichen und theologischen Gesprächigkeit vorbei auch in der Kürze zu bestehen hat!
Quelle: Karl Barth, Gebete, München: Chr. Kaiser, 1963, S. 8f.