Caesarius von Arles als Nothelfer
Von Arnold Angenendt
Als Nothelfer hat sich auch Galliens bekanntester Bischof in der Spätantike erwiesen: Caesarius von Arles († 542). Als der Frankenkönig Chlodwig nach dem Sieg über die Westgoten Arles zu erobern suchte, griff in diese Kämpfe der Ostgote Theoderich ein, indem er von Ravenna aus Truppen an die Rhône entsandte und Arles entsetzte. Die belagernden Franken und Burgunder wurden in großer Zahl gefangengenommen und in die Kirchen der Stadt eingesperrt. Caesarius ging nun hin, versorgte die Gefangenen zunächst einmal mit Lebensmitteln und Kleidung und begann sie dann loszukaufen. Er nahm dazu das Geld aus der Kirchenkasse, und als diese erschöpft war, ließ er das Silbergerät der Kirche, Kelche, Patenen und andere wertvolle Metallarbeiten, einschmelzen. Im Klerus aber, der weitgehend aus der Kirchenkasse seinen Lebensunterhalt bezog, löste das Vorgehen des Bischofs Entsetzen und Protest aus; nicht nur, daß es die Feinde von gestern waren, die losgekauft wurden, diese waren obendrein auch noch Heiden. Caesarius verteidigte sich damit, daß Christus zur Erlösung der Menschen sein Leben hingegeben habe und der Gefangenenloskauf den wahren Tempel Gottes auferbaue; jeder Gefangene sei ein ›rationabilis homo sanguine Christi redemptus‹ (ein geistbegabter Mensch und von Christi Blut losgekauft) und durch den Loskauf würden sie von der Sklaverei wie auch von der Gefahr befreit, sich dem arianischen oder jüdischen Glauben anschließen zu müssen. Daß aber Caesarius seine Freigekauften zum katholischen Glauben gedrängt oder auch nur – was völlig rechtens gewesen wäre – als abhängige Dienstleute bei sich behalten hätte, davon hören wir nichts. Die Gefangenen konnten offenbar als Freie zu den Ihren zurückkehren. Wenige Jahre später initiierte Caesarius einen weiteren Loskauf von noch größerem Ausmaß. Theoderichs Truppen hatten bei ihrer Aktion 508 einen Vorstoß gegen das Burgunderreich unternommen und dabei die Einwohnerschaft von Orange als Gefangenenbeute nach Italien verschleppt. Als sich Caesarius 513 bei Theoderich in Ravenna wegen politischer Verdächtigungen rehabilitieren konnte, zahlte sich die wiedergewonnene Gunst auch in königlichen Geschenken aus: Caesarius erhielt einen Betrag von 300 Solidi und eine auf den gleichen Wert geschätzte Silberschüssel. Zum Entsetzen des Hofes aber versetzte er die Schüssel, nahm dazu alles Geld und kaufte die Einwohnerschaft von Orange frei, ja besorgte zuletzt noch Pferde und Wagen für ihre Heimkehr. Das Engagement des Caesarius war in seinen Ausmaßen und in seiner Entschiedenheit zweifellos ungewöhnlich, nicht aber im Gefangenenloskauf als solchem. Er galt allgemein als Christenpflicht, den Bischöfen sogar als erstrangige Hirtenaufgabe und den Asketen als unabdingbares Erfordernis ihrer Heiligkeit. Immer wieder hören wir von der Hingabe persönlichen Besitzes, oft auch des Kirchenschmuckes und im Notfall selbst der heiligen Geräte. Freilich handelten nicht alle so generös wie der Bischof von Arles. Nach herkömmlichem Recht hatte nämlich der Freigekaufte seinem Befreier das Lösegeld zu erstatten oder sich in dessen Abhängigkeit zu begeben, so daß die Befreiung aus der Gefangenschaft häufig mit der – zweifellos erheblich milderen – Halbfreiheit erkauft werden mußte. Auch die Kirchenleute hielten die Freigekauften oft bei sich und machten sie zu ihren hörigen Dienstleuten.
Quelle: Arnold Angenendt, Das Frühmittelalter. Die abendländische Christenheit von 400-900, Stuttgart: Kohlhammer, 1990, S. 136f.