Verheißen/Verheißung in der Bibel
Von Werner H. Schmidt und Gerhard Delling
Ein bestimmtes Wort ‚verheißen‘ bzw. ‚Verheißung‘ kennt das AT nicht, sondern nur die gebräuchlichen Ausdrücke der Mitteilung: reden (1. Mose 18,19), sagen (Jer 18,10) oder aufbieten, bestellen (Ps 133,3) usw. Erst vom Inhalt her ergibt sich der Charakter der Verheißung als Zuspruch des Kommenden.
So verheißt Gott den Erzvätern Nachkommenschaft und Landbesitz (vgl. 1. Mose 12; 15; 17; 18; 26,24f; 35), Mose den Auszug des Volkes wie die sichere Führung in das Land, in dem Milch und Honig fließt (2. Mose 3; vgl. 6,2ff; 7,1ff; 5. Mose 1,21 u. ö.). Oder Gott beauftragt Gideon, Israel von den Midianitern zu befreien, und verheißt ihm gleichzeitig seine Gegenwart, Hilfe und Schutz (Ri 6; 7).
1. Mose 15,5 (Der HERR) hieß ihn hinausgehen und sprach: Sieh gen Himmel und zähle die Sterne; kannst du sie zählen? Und sprach zu ihm: So zahlreich sollen deine Nachkommen sein!
Den Propheten gilt die Zusage Gottes weniger persönlich (vgl. Jer 1,15; Jes 6; Hes 1; 2; 33) als dem Volk oder den fremden Völkern, zu denen sie sprechen. Dabei interpretieren und aktualisieren sie die frühen Verheißungen von Landnahme, Nachkommenschaft, Führung oder Bundesschluß (vgl. Jer 31,31ff; 16,14f; Jes 55,3 u. ö.). Die vielfältigen Ankündigungen von Unheil (Amos 7; 8; Jer 1,13ff; Jona 3,4; Sach 14,2 u. ö.) und Heil (Amos 9,11; Sach 14,6ff; 1,16 u. ö.), die auch fast widersprüchlich beides verbinden können (z. B. Jes 6,11f; 7,4. 7; Hos 9,3. 6; 5,12. 14; 11,9f), wollen weniger. konkrete Einzelereignisse vorhersagen als das Kommen Gottes ansagen, der die Zukunft herbeiführt. Doch ist Gott in seinem Handeln frei (vgl. Jer 18,7ff; Joel 2,13f; Jona 4 u. ö.). Der Prophet verfügt nicht über das Wort Gottes (vgl. Jer 28,10ff); es kommt zu ihm, er muß es ausrichten (28,12; 20,7ff). Dabei liegt die Gewißheit der Verheißung in der persönlichen Anrede, dem Ereignis des Wortes (Am 3,8; Jes 44,6-8; vgl. 41,22-24. 26; 43,9), das die Hörer hineinnimmt in die neue Geschichte, die es ansagt und schafft (Jes 43,11f; 61,1ff).
2. Mose 3,8 Ich will sie erretten aus der Ägypter Hand und sie herausführen aus diesem Lande in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt.
Joel 3,5 Wer des HERRN Namen anrufen wird, der soll errettet werden.
Jer 31,34 Es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den HERRN«, sondern sie sollen mich alle erkennen, beide, klein und groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.
Jes 65,17 Siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, daß man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird.
Die Verheißungen, die mit dem Gesetz verbunden sind, wollen zum Gehorsam locken (3. Mose 26; 5. Mose 28). Darum soll sich der Mensch dauernd mit dem Gesetz befassen (Jos 1,8); er kann sagen, daß er es in seinem Herzen hat (Ps 37,31;40,9; vgl. 1,2), es liebt und preist (119). Wieder sind Heil und Unheil aufeinander bezogen; denn das Gesetz ist Wort Gottes (vgl. 2. Mose 20,1f u. ö,), das Zuspruch und Mahnung ist.
Ps 37,37 Bleibe fromm und halte dich recht; denn einem solchen wird es zuletzt gut gehen.
Verheißung meint im NT in erster Linie Gottes im AT gegebene Zusage des Heils, die für die Urchristenheit in Jesus erfüllt ist (s. beispielsweise Apg 13,23. 32f). Die Wortgruppe begegnet – überwiegend im Substantiv – häufiger in Röm 4 und 9, Gal 3 und 4 sowie im Hebräerbrief.
Für Paulus ist besonders das an Abraham (1. Mose 22,17; 17,5. 7; 15,5) ergangene Versprechen bedeutsam, Röm 4,13. 14. 16. 20; 9,9; Gal 3,16. 18. 29; 4,23. 28 (s. außerdem Hebr 6,13-15; 7,6; 11,17). Es ist einmal deshalb wichtig, weil die Abraham gegebene Zusage »viele Völker« einschließt, d. h. für Paulus die Heidenwelt, Röm 4,17f. Sodann wird in Röm 4 wie in Gal 3 die Verheißung dem Gesetz gegenübergestellt (Röm 4,13-16; Gal 3,18-21). Gesetz meint Tun des Menschen, Verheißung schließt in sich, daß der Mensch alles von Gott erwartet. Verheißung bedeutet für Paulus, daß der Mensch – und das zeigt er an Abraham – Gott gegenüber schlechthin auf das Zutrauen zu ihm gewiesen ist, auf den Glauben, gegen alles menschlich begründete Hoffen (Röm 4,18-21; Gal 3,21f). Die Aussagenreihen zeigen, daß für Paulus Verheißung zusammengehört mit anderen zentralen Begriffen, insbesondere Glauben und Rechtfertigung. In ihnen entspricht dem Begriff Verheißung der des Erbes (Röm 4,13f; Gal 3,18. 29; vgl. auch Eph 3,6).
Röm 4,20 (Abraham) zweifelte nicht durch Unglauben an der Verheißung Gottes, sondern ward stark im Glauben und gab Gott die Ehre.
Gal 3,18 Wenn das Erbe durch das Gesetz erworben würde, so würde es nicht durch Verheißung gegeben; Gott aber hat es Abraham durch Verheißung frei geschenkt.
Röm 4,13 Die Verheißung … ist Abraham … nicht geschehen durchs Gesetz, sondern durch die Gerechtigkeit des Glaubens.
Gal 3,22 … auf daß die Verheißung (das Verheißene) durch den Glauben an Jesus Christus gegeben würde denen, die da glauben.
Ist von der an die Väter ergangenen Zusage die Rede, so wird mit diesen das Volk Israel in der Vergangenheit gemeint sein; in den Zusammenhängen wird auf die Heilserwartung Israels Bezug genommen, Apg 13,32; 26,6, auch Röm 15,8 (vgl. V. 9-12). Zusammenfassend ist der Begriff in Röm 9,4 gebraucht. In Apg 13,23 ist dagegen an die David gegebene Zusage 2 Sm 7,12 oder an Jes 11,1 gedacht. – In Jesus erfüllt Gott alle im AT ergangenen Versprechen, 2 Kor 1,20.
Apg 13,32 Wir verkündigen euch die Verheißung, die unseren Vätern geschehen ist, (als erfüllt und damit) als frohe Botschaft.
Röm 15,8 Christus ist ein Diener geworden der Juden …, zu bestätigen die Verheißungen, die den Vätern gegeben sind.
Apg 13,23 Aus dessen (Davids) Geschlecht hat Gott, wie er verheißen hat, kommen lassen Jesus dem Volk Israel zum Heiland.
2. Kor 1,20 Auf alle Gottesverheißungen ist in ihm (Christus) das Ja.
In einer besonderen Aussagengruppe ist der heilige Geist das Verheißene. Außer in Eph 1,13 bezeichnet dabei das Substantiv die Ausführung der Zusage bzw. die verheißene Gabe selbst, Gal 3,14; Lk 24,49; Apg 1,4; 2,33 (diese Stelle deutet die beiden vorigen), wohl auch 2,39. Für die Lukasschriften ist wohl daran zu denken, daß die Zusage im AT geschehen ist (insbesondere Joel 3,1-5, siehe Apg 2,16-21; nach 1,4f hat Jesus die Jünger über das bevorstehende Eintreten der Verheißung unterrichtet). Der heilige Geist ist Gabe der mit dem Jesusgeschehen angebrochenen Endzeit.
Gal 3,14 … auf daß … wir den verheißenen Geist (wörtlich: die Verheißung des Geistes) empfingen durch den Glauben.
Apg 1,4 … daß sie nicht von Jerusalem wichen, sondern warteten auf die Verheißung des Vaters, welche ihr, so sprach er, gehört habt von mir.
Eine weitere Gruppe von Aussagen bezieht die Wörter auf die noch ausstehende Heilsvollendung; außer in Jak 2,5; 2. Petr 3,4. 9 ist speziell vom (ewigen) Leben die Rede, Jak 1,12; 2. Joh 2,25; Tit 1,2; 1. Tim 4,8 (wohl auch 2 Tim 1,1).
Jak 2,5 Hat nicht Gott erwählt die Armen auf dieser Welt, daß sie am Glauben reich seien und Erben des Reichs, welches er verheißen hat…?
Jak 1,12 … wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott verheißen hat denen, die ihn lieb haben.
1. Tim 4,8 Die Gottesfurcht … hat die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens.
Im Hebräerbrief wird diese Beziehung besonders bedeutsam. Einige Male ist auch in einem sozusagen vorläufigen Sinn davon die Rede, daß gewisse Zusagen Gottes in der Vergangenheit, meist im Bereich der Abrahamsgeschichte, erfüllt wurden (6,12-15; 11,9. 33), bzw. die Sätze haben sonst Bezug auf solche Zusagen (7,6; 11,11. 17). Schon dabei geht es aber dem Verfasser darum, vom Beispiel der im AT Gottes Versprechen Glaubenden her den Adressaten Mut zu machen, den Verheißungen Gottes für das Endheil zu trauen. Das ist das eine Ziel des Mahnschreibens, neben dem der Warnung vor Lauheit und Abfall, die Leser auf das Ziel zu richten, die verheißene Gottesruhe (4,1), die das Gottesvolk Israel nicht erlangt hat, ebensowenig wie die in 11,4-12. 17-38 Aufgeführten tatsächlich die verheißene Gabe erreichten (V. 13. 39). An dieser langen Reihe von Zeugen will der Verfasser zumal deutlich machen, daß es gilt, sich unbedingt an Gottes Zusage zu halten und sich nach dem unvergänglichen Erbe (9,15) auszustrecken, auf die neue Welt Gottes wartend (12,26) im Gehorsam gegen seinen Willen auszuharren (10,36). Kann man doch fest auf Gottes Zuverlässigkeit (10,23), auf sein unverbrüchliches Wort (6,17) trauen; die neue Heilsordnung gründet ja auf machtvollen Zusagen (8,6, vgl. 6,17f).
Hebr 6,12 … damit ihr … werdet … Nachfolger derer, die durch Glauben und Geduld ererben die Verheißungen (das Verheißene, vgl. oben).
Hebr 11,11 Durch den Glauben empfing auch Sara Kraft …; denn sie achtete den treu, der es verheißen hatte.
Hebr 4,5 So lasset uns nun mit Furcht darauf achten, daß euer keiner dahintenbleibe, solange die Verheißung noch besteht (aussteht), daß wir einkommen zu seiner Ruhe.
Hebr 11,13 Diese alle sind gestorben im Glauben und haben das Verheißene nicht erlangt, sondern es nur von ferne gesehen und gegrüßt.
Hebr 9,15 … auf daß durch seinen Tod … die, so berufen sind, das verheißene ewige Erbe empfangen.
Hebr 10,36 Geduld aber ist euch not, auf daß ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfanget.
Hebr 10,23 Lasset uns halten an dem Bekenntnis der Hoffnung …; denn er ist treu, der sie verheißen hat.
Quelle: Werner H. Schmidt/Gerhard Delling, Wörterbuch zur Bibel, Hamburg: Furche 1971, S. 604-608.