Martin Luthers Predigt über Johannes 3,16 (1534): „Sie sind eine recht schöne Predigt, die man niemals auslernen kann. Es ist der Hauptspruch, der uns Christus vor Augen malt und was ein Christ besitzt, was die Welt ist und was Gott ist. Wir wollen Gott anrufen, daß wir’s glauben können, fröhlich darüber leiden und sterben und selig werden. Dazu helfe uns unser lieber Gott! Amen.“

»Er selbst, der Vater, hat euch lieb.« Predigt über Johannes 3,16

Von Martin Luther

EVANGELIUM Johannes 3,16: Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.

Das ist eines der herrlichsten Evangelien im Neuen Testament. Wenn es sein könnte, wäre es billig, daß man’s mit goldenen Buchstaben ins Herz schriebe, und jeder Christ sollte sich solche Worte geläufig machen und täglich wenigstens einmal sich im Herzen vorsprechen, so daß man sie gut auswendig könnte. Denn da hört man Worte, die aus einem Traurigen einen Fröhlichen, aus einem Toten einen Lebendigen machen, wenn man nur fest daran glaubt. Wir können nicht alles fassen und begreifen, aber wir wollen’s doch mit dem Munde bekennen und darum bitten, daß der Geist diese Worte im Herzen verkläre und so licht und glühend mache, daß man’s recht ins Herz kriege. Es ist ein reiches und trostvolles Evangelium. »Gott hat die Welt geliebt«, und zwar so sehr, »daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß sie alle, die an ihn glauben, nicht sterben, sondern das ewige Leben haben sollen.« Was das bedeutet, das will ich in einem Bilde darstellen. Da ist der Geber da und der Nehmer, das Geschenk und die Frucht oder der Nutzen des Geschenks; das alles ist so groß, daß es unsagbar ist.

Der Geber ist der Größte. Es heißt nicht: ›Der Kaiser gab‹, sondern: ›Gott gab‹, er, der unerforschlich ist, er, der alles erschaffen hat. Aber was heißt das? Man kann es nicht zureichend mit Worten ausdrücken. Gott ist über alles; alle Kreaturen sind ihm gegenüber wie ein Sandkörnlein gegenüber Himmel und Erde. So ein großer Gebhart ist er; er mag mit Recht so heißen? Das ist also die Person des Gebers. Wenn man das Wörtlein ›Gott‹ hört, dann soll man dran denken, daß ihm gegenüber alle Könige und Kaiser mit ihren Gaben und Personen lauter Dreck sind; da soll das Herz so schwellen und weit werden, daß alle Dinge gegen Gott klein werden. So hoch soll man’s erheben.

Weiter: Dieser Gott gibt auch auf eine solche Weise, daß es gleichfalls über alle Maße geht. Er gibt’s nicht als Lohn für Verdienste unsrerseits, oder aus Unkenntnis unserer Unwürdigkeit, sondern aus Liebe; er hat die Welt »geliebt«. Er ist ein Geber, der von Herzen und aus grundloser und göttlicher Liebe ein Geber ist. Es gibt weder bei Gott noch bei den Menschen eine größere Tugend, als die Liebe. Denn wenn man etwas lieb hat, so setzt man Leib und Leben daran. Geduld, Keuschheit, Gerechtigkeit usw. sind wohl auch feine Tugenden; und in ihnen allen steckt ein Stück Liebe zum Nächsten. Aber sie sind doch gering gegenüber der Tugend, die ganz und gar die Liebe selber, ist. Wenn einer gerecht ist, so gibt er Preis und Lohn nach Verdienst. Aber wenn ich jemand lieb habe, so gebe ich mich ihm ganz hin, und wozu er meiner bedarf, dazu findet er mich bereit. So gibt unser Herr Gott nicht bloß, weil er geduldig ist, nicht bloß, weil er das Recht verwaltet, sondern kraft der höchsten Tugend, und das ist die Liebe. Da soll das Herz aufwachen; alle Traurigkeit soll dadurch hinweggerissen und die abgrundtiefe Liebe des göttlichen Herzens ins Auge gefaßt werden. Denn er ist der größte Gebhart und gibt so, daß es aus der höchsten Tugend fließt, welche die Gabe köstlich macht: nämlich, daß sie aus der Liebe kommt. Wenn das Herz des Gebern dabei ist, sagt man: ›Das ist mir lieb; denn es kommt von lieber Hand.‹ Man sieht nicht so sehr das Geschenk an als das Herz; denn das gibt dem Geschenk ein großes Gewicht. Hätte mir Gott nur ein Auge, einen Fuß, eine Hand geschenkt, und ich wüßte, er habe das aus göttlicher und väterlicher Liebe getan, so müßte ich sagen: Dieses Auge ist mir lieber als sonst tausend Augen. Ebenso wenn du dir bewußt wirst, daß er dir die Taufe gibt, soll dir das alle Tage wie ein Himmelreich sein; denn man spürt hier nicht so sehr das große Ansehen, welches der Taufe zukommt, sondern die große Liebe, die Gott dabei hat.

So ist das Herz groß und der Geber ist auch groß; und zum dritten ist auch die Gabe unaussprechlich groß. Was gibt er? ›Seinen Sohn!‹ D. h. wahrlich: er gibt nicht einen Groschen, ein Auge, ein Pferd, eine Kuh, ein Königreich, auch nicht den Himmel mit der Sonne und den Sternen, auch nicht die ganze Kreatur, sondern seinen Sohn, der so groß ist als er selbst. Das muß in unsern Herzen lauter Licht, ja ein Feuer machen, daß wir vor Freude immer tanzten; denn wie der Geber und die Absicht unendlich und unaussprechlich ist, so auch die Gabe. Wenn er den Sohn gibt, was behielt er dann noch zurück? Er gibt sich selber mit wie Paulus Röm 8,32 sagt: ›Weil er den Sohn gab, so hat er also uns in ihm auch alles geschenkt.‹ Es müssen demnach alle Dinge mit dabei sein, gleichviel ob es nun Teufel, Tod, Leben, Hölle, Himmel, Sünde, Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit heiße; es muß alles unser sein Denn der Sohn ist uns gegeben, in dem alle Dinge sind. Wenn wir also an diesen glauben und dieses Geschenk annehmen, so muß alle Kreatur, sie sei gut oder böse, tot oder lebendig, uns dienen. In diesem Sinne heißt es 1.Kor 3,22. »Alles ist euer, es sei Paulus oder Apollos, es sei Kephas oder die Welt, es sei das Leben oder der Tod, es sei das Gegenwärtige oder das Zukünftige — alles ist euer; denn ihr seid Christi, Christus aber ist Gottes.« Es ist alles in Christus eingeschlossen. Das mag mir eine Gabe heißen! Du mußt wahrlich sagen, wenn du das recht erwogen hast: was ist Gold und Silber und Ruhm usw. gegenüber diesem Schatz? Aber da ist der leidige Unglaube (wie Christus nachher klagt) und die große, blinde Finsternis, daß wir das zwar hören, aber nicht glauben und diese herrlichen und tröstlichen Worte an den Ohren vorübergehen lassen. Wie eifrig ist man beim Kaufen, wenn ein Schloß oder ein Haus feil ist, gerade als hinge unser Leben allein an diesem zeitlichen Gut! Hier aber, wo so herrlich gepredigt wird, daß Gott den Sohn gegeben hat, sind wir von einer Lässigkeit, die nicht überboten werden kann. Wer macht’s, daß man diese Gabe so gering achten, sie nicht ins Herz schreiben und nicht dafür danken soll? Der leidige Teufel hat unser Herz besessen; der macht, daß wir so starr und kalt sind. Daher habe ich gesagt, man solle diese Worte alle Tage mit aus dem Bett nehmen und Gott dafür danken. »Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab«: Das sind die drei Stücke, der Geber, die Liebe des Gebers und die Gabe, nämlich Jesus Christus. Damit ist alles gegeben.

Nun ist noch eines wichtig: daß er die Gabe nicht als Lohn und Verdienst ansieht, sondern es soll wirklich eine Gabe heißen. Es wird nicht geborgt, wird nicht geliehen oder bezahlt; man soll nichts dafür geben, sondern man soll nicht mehr tun, als die Hand hinhalten. (Ach, daß es Gott erbarme!) Er will dich’s nicht bloß befühlen lassen, sondern will dir’s wirklich geben; es soll kein Lohn sein, sondern dein Eigentum; nimm’s nur! Aber rate, wie heißen die Leute, von denen man sagt: ›Gegen seinen Willen schenkt man niemand etwas‹? Angenommen, da wäre ein freigebiger Fürst; der böte einem Armen, der nichts zum Leben und nichts zum Anziehen hätte, umsonst ein Schloß an, das ihm jährlich 2000 Gulden einbrächte; dieser aber würde antworten: ›Ich will’s nicht haben.‹ Da würde die Welt schreien: ›Einen verrückteren Menschen habe ich nie gesehen noch gehört; das ist kein Mensch mehr!‹ Das täte man vor der Welt. Hier aber wird nicht bloß ein Schloß, sondern der Sohn gegeben, und das umsonst. Denn es wird gesagt: ›Halt doch die Hand her, nimm’s doch.‹ Wir sollen nur Nehmer sein. Aber das mögen wir nicht tun. Da erwäge du, was für eine Sünde der Unglaube ist. Es ist nicht menschlich, daß man sich gegen den Herrn sperren soll, der uns seinen eigenen Sohn geben will. Aber daraus ersehet ihr, daß die ganze Welt toll und töricht und vom Teufel besessen ist. Denn sie kann sich der Gabe nicht freuen. Sie ertragen’s nicht, daß sie nur die Nehmenden sein sollen. Wenn’s ein Gulden wäre, was uns angeboten wird, so machte es einen fröhlich, aber Gottes Sohn nicht. So ist die Welt besessen. Das ist der vierte Punkt. Es soll ganz einfach eine Gabe heißen; wir sollen nicht drum dienen, sie nicht bezahlen.

Zum fünften wird auch der Nehmer abgemalt: die Welt. Das will mir als ein abscheulicher Nehmer vorkommen; es ist nicht auszureden. Womit verdient sie das Geschenk? Sie ist des Teufels Braut und Gottes Feind und der größte Gotteslästerer. Nächst dem Teufel hat unser Herr Gott keinen größeren Feind als uns, die wir ohne Christus des Teufels Kinder sind. Das schreibe nun auch in dein Herz, was die Welt ist, so wie du dir gemerkt hast, was Gott, was sein Sohn ist, und in welcher Art er Gottes Gabe ist. Die Welt ist nichts anderes als ein Haufe von Leuten, die Gott nicht glauben, Gott Lügen strafen, seinen Namen lästern, sein Wort verachten, Vater und Mutter nicht gehorchen, und Ehebrecher, Verräter, Diebe und Bösewichter sind. Und man sieht’s vor Augen, daß lauter Untreue, Gotteslästerung usw. in der Welt regiert. Dieser lieben Braut und Tochter, die Gottes Feind ist, schenkt er seinen Sohn. Das macht die Gabe noch einmal groß, daß unser Herr Gott sich nicht daran kehrt. Er schluckt auf einen Bissen alle Laster der Menschen: daß sie seinen Namen schänden und alle seine Gebote übertreten. Auch wenn Gott also der Geber noch so groß wäre, so müßte ihn eigentlich die Bosheit der Welt zurückstoßen; denn die Sünden der Welt sind unendlich. Und doch überwindet er sie; er nimmt die Sünden gegen die erste und zweite Gesetzestafeln hinweg und will nichts davon wissen. Sollte man den nicht lieb haben und ihm nicht trauen, der die Sünden wegnimmt und die Welt samt allen ihren Sünden liebt? Und diese sind doch unzählig; wenn schon ein einzelner Mensch seine eigenen Sünden nicht zählen kann, wer vermöchte die Sünden der ganzen Welt zu zählen? Und doch heißt es, Gott habe es der Welt geschenkt! Da muß Vergebung der Sünden da sein, wenn er die Welt liebt, die ihn lästert! Kann er der Welt so viel geben, die sein Feind ist, ja gibt er ihr sich selber, wie kann sie ihn hassen? Welches Herz wollte nicht darüber fröhlich sein, daß Gott eingreift und schenkt seinen lieben Sohn den Bösewichtern? Was für einer bin z. B. ich selber gewesen, der ich 15 Jahre lang Messe gelesen und Christus gekreuzigt habe und alle Abgötterei im Klosterleben getrieben habe! Trotz alledem, daß ich ihn so geplagt habe, offenbarte er mir seinen Sohn und sich selber; er hat den Verworfenen so lieb, daß er all meine böse Art vergißt. O Herr Gott, was muß das für ein Mensch sein, der hier noch undankbar ist! Da sollten wir doch so froh werden und ihm nicht allein gerne dienen, sondern auch alles gern leiden und dazu lachen, wenn wir sterben müßten um seinetwillen, der uns einen solchen Schatz gegeben hat! Sollte ich mich nicht gerne als sein Zeuget mit Feuer verbrennen lassen, wenn ich das glaube? Aber bedanken wir uns bei unserem Unglauben, der uns daran hindert! — So ist es etwas Großes um den Geber, um seine Liebe und sein Geschenk, um das Nehmen und um die Person, welcher die Gabe zuteil wird.

Nun folgt der Endzweck dieses göttlichen Gebens: Was beabsichtigt er damit? Er gibt mir’s nicht dazu, daß ich davon essen und trinken soll; nein, sondern den besten Nutzen soll ich davon haben. Er will es nicht geben zu einer bloßen Aussteuer, wie er auch die Taufe und das Abendmahl nicht zur bloßen Mitgift gibt, vielmehr dazu, daß man nicht verloren werde, sondern das ewige Leben habe. Es handelt sich nicht darum, daß er mir ein Königreich oder die ganze Welt gibt, sondern das will er mir schenken, daß ich von Hölle und Tod frei sein und nicht verlorengehen soll. Das soll der Sohn tun; der Teufel soll aufgefressen und die Hölle soll ausgelöscht sein; aus dem ewigen Jammer soll ich herauskommen. Das soll die Gabe wirken: Sie soll die Hölle verstopfen und aus einem schwachen ein sicheres und fröhliches Herz machen, und nicht nur das, sondern sie soll Leben und zwar ewiges Leben schaffen. Das heißt eine Gabe! Wer nun sein Herz vor Freuden schwellen lassen kann, hat hier Anlaß genug dazu: ein ewiges Leben wird hier verheißen, wo der Tod nicht mehr gesehen wird, wo lauter Freude ist, und wo wir dessen gewiß werden, daß wir einen gnädigen Gott haben. Deshalb sind diese Worte von der Art, daß niemand sie genugsam ergründen kann. Täglich soll man sie betend sprechen und den Heiligen Geist bitten, daß er sie uns ins Herz drücke. Der soll dann einen guten Theologen aus uns machen, einen, der von Christus reden und über alle Lehre urteilen und alles leiden könnte, was ihn trifft. Aber wenn wir so mit einem Gähnen daran vorübergehen, so haften die Worte auch nicht und das Herz bleibt, wie es zuvor war. Aber es ist stets von neuem schade und beklagenswert, und die, die diese Worte so an sich vorübergehen lassen, die werden es in der Hölle beklagen.

Welches ist nun die Weise, mit der ich’s nehmen soll? Was ist die Tasche, das Kästchen, darein man den Schatz legt? Es ist der Glaube, nämlich der Glaube, mit welchem man glaubt. Der hält die Hände hin und tut den Sack auf. Denn wie Gott durch die Liebe der Geber ist, so sind wir durch den Glauben die Nehmer. Du brauchst es nicht durch mönchisches Leben zu verdienen. Deine eigenen Werke gehören nicht dazu. Du hast allein darauf zu sehen, daß du dir’s geben lässest; halte nur den Mund offen. Da habe ich selber nichts dabei zu tun; ich halte nur stille und laß mir’s hineinschieben. So wird dies Geschenk durch die Liebe gegeben und durch den Glauben empfangen. Glaubst du das: »Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben«, so bist du gewiß selig. Denn das Geschenk ist zu groß, als daß es nicht den Tod verschlänge. Wie wenn du ein Tröpflein Wasser in ein Herdfeuer hineintropfen lässest, so ist die Sünde aller Welt gegenüber dieser Gabe. Wenn sie mit Christus nur in Berührung kommt, so ist sie auch schon verschlungen, wie ein kleines Fünklein an einem Strohhalm, wenn er ins Meer fällt. Das geschieht aber nur dann, wenn einer durch den Glauben diesen Schatz annimmt und an den Sohn glaubt. Das will der Text sagen: »Also hat Gott die Welt geliebt.« Es sind goldene und lebendige Worte. Gott gebe, daß wir sie zu fassen vermögen! Denn wer an diese Worte denkt, den kann kein Teufel schrecken; er muß fröhlich sein und sagen: ›Ich habe deinen Sohn, und du hast mir das Evangelium gleichsam als Zeugen dazu gegeben, also dein eigenes Wort, und sie werden mich dann nicht betrügen. Herr, ich glaube es; ich brauche nicht mehr zu tun. Oder wenn ich zweifle, so gib Gnade, daß ich’s glaube.‹ So lerne denn ein jeglicher immer mehr und mehr glauben; denn es muß geglaubt sein. So wird ein Mensch fröhlich und voller Lust, daß er gerne alles tut und leidet, weil er spürt, daß er einen gnädigen Gott hat.

›Ja‹, sagst du, ›das könnte ich fassen, wenn ich Petrus oder Paulus oder Maria wäre. Sie sind heilige Leute: deshalb glaube ich wohl, daß ihnen dieses Geschenk gegeben worden ist. Aber wie kann ich wissen, daß es auch mir gegeben sei? Ich bin ein Sünder und bin dieser Gabe nicht wert.‹ — So sieh doch die Worte an, wem er den Sohn gegeben hat! Der Welt! ›Welt‹ heißt nicht Petrus und Paulus, sondern alles, was Menschennatur hat. Glaubst du also, daß du ein Mensch bist? Greife dir an die Nase, ob du nicht ebensogut ein Mensch bist als ein anderer. Der Text sagt doch, der Welt sei der Sohn gegeben worden. Darum soll alles, was Menschenkinder heißt, sich das aneignen. Darf ich mir’s und du dir’s nicht aneignen, so wäre es nichts. Denn es geht dich an; du bist ein Mensch und ein Stück der Welt. Er hat ihn nicht dem Teufel, oder den Hunden usw., sondern den Menschen gegeben. Also soll man Gott nicht Lügen strafen und sagen: ›Wer weiß, ob er ihn mir gegeben hat?‹ Das heißt unsern Herrn Gott zum Lügner machen; da bekreuzige dich davor, daß diese Gedanken dich nicht betrügen oder dir eingehen. Sage lieber: ›Was frage ich darnach, daß ich nicht Petrus oder Paulus bin? Hätte Gott seine Gabe den Würdigen geben wollen, so hätte er sie den Engeln gegeben oder der Sonne und dem Mond; die wären rein gewesen. Was aber war David? Und die Apostel waren auch Sünder!‹ Daher soll niemand dem Einwand nachgeben: ›Ich bin ein Sünder und bin dieses Geschenks nicht würdig wie Petrus.‹ Vielmehr sag so: ›Ich mag sein, was ich will, jedenfalls darf ich meinen Gott nicht Lügen strafen. Ich gehöre zu der Welt, die er geliebt hat. Und wenn ich mir’s nicht aneignete, so fügte ich zu allen anderen Sünden auch noch die, daß ich Gott der Lüge beschuldigte.‹ ›Ja‹ meinst du, ›er sollte es mir allein zusagen?‹ Nein, er faßt alle insgemein zusammen, und so kann ich nicht zweifeln, daß er niemand ausschließt. Schließt sich aber jemand selbst aus, so wird er es selbst verantworten müssen. Ich will sie nicht richten, aber ihr eigner Mund wird sie richten, daß sie es nicht annehmen.

Soviel über diese Worte. Sie sind eine recht schöne Predigt, die man niemals auslernen kann. Es ist der Hauptspruch, der uns Christus vor Augen malt und was ein Christ besitzt, was die Welt ist und was Gott ist. Wir wollen Gott anrufen, daß wir’s glauben können, fröhlich darüber leiden und sterben und selig werden. Dazu helfe uns unser lieber Gott! Amen.

Gehalten am Pfingstmontag, 25. Mai 1534 im eigenen Haus in Wittenberg.

WA 37, 409-414 (Rörer)

Hier der Text als pdf.

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