Über amerikanische Agitatoren (Prophetes of Deceit)
Von Leo Löwenthal und Norbert Guterman
Die Tirade des Agitators mag einfach als das Toben eines Verrückten erscheinen – und als solches ignoriert werden. Dennoch ziehen Reden und Artikel, die im Wesentlichen dieselben Ideen zum Ausdruck bringen und in einer ähnlichen Sprache verfasst sind, in diesem Land ein festes Publikum an, wenn auch vorerst nur ein kleines. Was sind die sozialen und psychologischen Auswirkungen solcher Materialien?
Die amerikanische Agitation befindet sich in einem fließenden Stadium. Einige Agitatoren sind gelegentlich der nationalen politischen Bühne recht nahe gekommen. Ausgehend von der Annahme, dass sich Amerika einer schweren Krise nähert, haben sie versucht, eine Massenbewegung aufzubauen – mit bemerkenswertem Erfolg in den Jahren des New Deal und kurz vor dem Kriegseintritt Amerikas. Doch im Großen und Ganzen war dies die Ausnahme.
Weitaus zahlreicher sind die weniger auffälligen Agitatoren, die auf lokaler Ebene aktiv sind und die keineswegs das Bild eines von Massen von Anhängern verehrten Führers vermitteln, sondern eher an einen Quacksalber erinnern. Ihre Tätigkeit weist viele Merkmale einer psychologischen Masche auf: Sie spielen mit vagen Ängsten oder Erwartungen an einen radikalen Wandel. Einige dieser Agitatoren scheinen ihre eigenen Ideen kaum ernst zu nehmen, und es ist wahrscheinlich, dass ihr Ziel lediglich darin besteht, mit der Herausgabe einer Zeitung oder dem Abhalten von Versammlungen ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Was sie ihrem Eintritt zahlenden Publikum bieten, ist eher eine Art Schauspiel – eine Mischung aus tragischem Vortrag und clownesker Pantomime – als eine politische Rede. Die Erörterung politischer Themen dient ihnen stets als Anlass für vage und heftige Beschimpfungen und oft scheinbar irrelevante persönliche Beleidigungen. Die Grenze zwischen dem ehrgeizigen Politiker und dem kleinen Hausierer des Unmuts ist schwer zu ziehen, denn es gibt viele Zwischenformen. Wichtig ist jedoch, dass sich die amerikanische Agitation in einem Vorstadium befindet, in dem sich Bewegung und Schlägerei vermischen können.
Wie unterschiedlich die amerikanischen Agitatoren auch sein mögen, sie gehören alle zur selben Spezies. Selbst dem unvorbereiteten Zuhörer oder Leser fällt sofort die unverkennbare Ähnlichkeit von Inhalt und Tonfall auf. Eine sorgfältige Untersuchung agitatorischer Reden und Schriften zeigt, dass diese Ähnlichkeit nicht zufällig ist, sondern dass sie auf einem verbindenden Muster beruht – auf bestimmten wiederkehrenden Motiven, den Konstanten der Agitation. Da diese nicht ausdrücklich als solche benannt werden, besteht die erste Aufgabe des Agitationsanalytikers darin, sie zu isolieren. Dies ist also die grundlegende Aufgabe der vorliegenden Studie: die sozialen und psychologischen Belastungen der Agitation durch die Isolierung und Beschreibung ihrer grundlegenden Themen zu entdecken.
Im Unterschied zu propagandistischen Slogans spiegeln agitatorische Themen direkt die Prädispositionen des Publikums wider. Der Agitator tritt seinem Publikum nicht von außen gegenüber, sondern erscheint vielmehr als jemand, der aus dessen Mitte auftaucht, um dessen innerste Gedanken auszudrücken. Er wirkt sozusagen aus dem Inneren des Publikums heraus und rüttelt auf, was dort schlummert.
Die Themen werden mit einer frivolen Leichtigkeit vorgetragen. Die Aussagen des Agitators sind oft zweideutig und unseriös. Es ist schwierig, ihn auf irgendetwas festzulegen, und er erweckt den Eindruck, dass er absichtlich schauspielert. Er scheint zu versuchen, sich einen Spielraum der Unsicherheit zu lassen, eine Rückzugsmöglichkeit, falls eine seiner Improvisationen fehlschlägt. Er legt sich nicht fest, denn er ist bereit, zumindest vorübergehend, mit seinen Vorstellungen zu jonglieren und seine Kräfte zu testen. Er bewegt sich in einem Zwielicht zwischen dem Anständigen und dem Verbotenen und ist zu jedem Mittel bereit, von Witzen über Doppelzüngigkeit bis hin zu wilden Extravaganzen.
Diese scheinbare Unernsthaftigkeit hat jedoch mit sehr ernsten Dingen zu tun. In seiner Beziehung zum Publikum versucht der Agitator, eine zaghafte Verständigung herzustellen, die zu nichts Geringerem als zur Verführung führen soll. Zwischen ihm und den Zuhörern besteht eine Art unbewusste Komplizenschaft oder Zusammenarbeit; wie bei der individuellen Verführung ist keiner der beiden Partner völlig passiv, und es ist nicht immer klar, wer die Verführung initiiert. Bei der Verführung spielen nicht nur falsche Vorstellungen oder Fehleinschätzungen eine Rolle, die das Ergebnis von Täuschungen sind, sondern auch und vor allem psychologische Faktoren, die die tiefe bewusste und unbewusste Beteiligung beider Parteien widerspiegeln. Dieser Zusammenhang ist in allen Themen der Erregung vorhanden.
Als die Schlange Eva vorschlägt, die verbotene Frucht zu essen, weiß Eva, dass sie damit gegen Gottes Gebot verstoßen würde. Die Schlange präsentiert ihr keine ihr völlig fremde Idee, sondern spielt mit ihrem latenten Wunsch, das Verbotene zu tun, der wiederum auf ihrer inneren Rebellion gegen das Gebot beruht.
Quelle: Löwenthal, Leo; Guterman, Norbert (1949). Prophets Of Deceit: A Study Of The Techniques Of The American Agitator. Studies in Prejudice Series. Vol. 5. Harper & Brothers, American Jewish Committee.