Warum der aus Finnningen stammende Bauer Jacob Aubelin nach seinem Umzug ins evangelische Dorf Reutti (bei Ulm) weiterhin bei seinem katholischen Glauben bleiben und dazu „auslaufen“ wollte (1624)

Der „Ulmer Winkel“ bezeichnet Dörfer rechts der Donau, die zur ehemalige Reichsstadt Ulm gehörten und damit weithin evangelisch waren. Dazwischen befanden sich aber einige Dörfer, die einem Kloster oder der österreichischen Marktgrafschaft Burgau zugehörig und demzufolge katholisch waren. Als der aus dem katholischen Finningen stammende Bauer Jacob Aubelin ins evangelische Nachbardorf Reutti umzog, richtete dieser am 8. November 1624 schriftlich eine Bitte an den Ulmer Rat, bei seinem angestammten Glauben bleiben zu dürfen. Er begründete dies wie folgt:

„Da ich mir deswegen niemals irgendwelche Gedanken gemacht habe, vor allem nicht, dass ich als einfacher, ungebildeter und bäuerlicher Mensch irgendeine Ketzerei anfangen oder jemandem eine Anleitung dazu geben könnte, da ich dazu weder befugt noch fähig bin. Zudem ist es bis heute so gewesen, dass diejenigen Personen, die nicht zu ihrer eigenen Pfarrkirche gehen, sondern an andere Orte, unangefochten bleiben. Insbesondere, was Conrad Widenman von Finningen betrifft: Er ist in Finningen ansässig und geht nach Reutti in die Kirche, ohne dass er daran gehindert wird. Ebenso der Wirt von Jedelhausen, der nach Aufheim gehört, geht mit seinem gesamten Haushalt nach Reutti in die Kirche, ohne dass das beanstandet wird. Und auch die Leute in Neuhausen, die eigentlich nach Finningen gehören, aber teilweise nach Holzheim [erst 1635 „rekatholisiert“] zur Predigt gehen, sowie diejenigen, die nach Holzheim gehören und nach Finningen gehen, dürfen das tun. Somit ist die ganze Zeit über und ohne Widerspruch jedem seine Ausübung der Religion freigelassen worden. Auch Leonhardt Vilhalm von besagtem Jedelhausen, dessen Hof zur Ulmer Münsterbauhütte gehört, ist immer nach Aufheim in die Kirche gegangen und wurde niemals dazu aufgefordert, nach Reutti zu gehen […]

[…]. Sintemahln ich mir deshalben niemahls einichen gedanckhen gemacht, sonderlichen vnd bevorab, das ich als ein einfältiger idiot vnnd baursman einiche ketzerey anzufangen noch iemandts anlaitung zu geben nicht befuegt noch daugentlich. Zue dem, so sein bisanhero die iehnige leilut vnd personen, welche nicht wo sie pfarrig, zur kürchen, sondern anderen ortten gehn, ohnangefochten verbleiben. Vnd namblichen, souiel Conrad Widenman von Finningen berüert, ist er dahin pfarzig, noch dannoch da er gehn Reittin zu kürchen gehet, geduldet. Desgleichen der wärt zu Jedelhausen, so gehn Aufheim pfarzig, nichts desto weniger mit seinem gantzen hausgesindt gehn Reittin in die kürchen kommen thut. Vnd als viel zu Newhausen, so gehn Finningen pfarzig, aber zum theil gehn Holtzen [Holzheim] die predig besuchen, wie nicht weniger die gehn Holtzen pfarzig, gen Finningen gehen dörffen. Vnd also die gantze zeit hero vnd ohne alle widerred iedem sein exercitium religionis freigelassen. Auch Leonhardt Vilhalm von bemeltem Jedelhausen, welches hoff auf die hüettin [Ulmer Dombauhüttenamt] gehörtig, allzeit gehn Aufheim in die kürchen gehet vnd niemahln gehn Reuttin sich zuuerfüegen erinnert worden […]“

Quelle: Sarah Hadry, Neu-Ulm, Historische Atlas von Bayern Teil Schwaben, Reihe I, Heft 18, München 2011, S. 304.

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