Eine getreue Warnung an die Christen der Burgauischen Mark, sich auch forthin zu hüten vor Aufruhr und vor falschen Propheten (Ein getrewe warnung an die Chrißten, in der Burgawischen marck, sich auch füro hin zu hüten vor aufrur, vnnd vor falschen predigernn, 1526)
Das 18 Blatt starke Büchlein erschien 1526 bei B. Müller in Würzburg. Es erlebte nur eine Auflage, wurde aber rund 50 Jahre später noch einmal nachgedruckt (Basel: 1573). Art und Charakter der Schrift sind in der Vergangenheit nicht immer zureichend erkannt worden. So ist man auch erst in jüngerer Zeit darauf aufmerksam geworden, ein wie vielschichtiges Gebilde Eberlins »Warnung« tatsächlich ist. Man hat es hier nämlich nicht nur mit einem beachtlichen seelsorgerlichen Mahnschreiben, sondern auch mit einer »Verteidigungsschrift«, ja, einem theologischen Rechenschaftsbericht Eberlins zu tun. Obwohl erst 1526 und damit nach Niederschlagung der Unruhen erschienen, steht das Büchlein doch noch in direktem Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen des Vorjahres. Immerhin setzt Eberlin bei einem konkreten Anlass ein: den ihm zu Gehör gekommenen Gerüchten über eine bevorstehende Erhebung in der bislang ruhigen, habsburgischen Mark Burgau. Damit wird deutlich, dass es die Sorge um ein Neuaufflammen des Konfliktes ist, die ihn nun noch einmal zur Feder greifen lässt. Theologisch fundiert wird dann das ganze Problemfeld von »Bauernkrieg und Reformation« vor den Augen der Leser entrollt Dabei erweist sich Eberlin einmal mehr als ein treuer Schüler seiner Wittenberger Lehrer. (Christian Peters, Johann Eberlin von Günzburg, Gütersloh: GVH, 1994, S. 283f.)
Von Johann Eberlin von Günzburg
Gnade und Friede von Gott, unserem Vater, und von unserem Herrn Jesus Christus.
Liebe Freunde, ich habe beschlossen, euch ein Schreiben in Form einer Warnung zukommen zu lassen, nicht mit der Absicht, mich über euch zu erheben, als ob ich ein Prediger oder Pfarrer von Gott wäre, ohne dass ihr mich dazu berufen oder gewählt hättet. Ich tue dies vielmehr, weil ich euch als meine Landsleute, Nachbarn, Mitbürger und (viele von euch) meine Verwandten in Blutsverwandtschaft oder angeborener Freundschaft erkenne. Außerdem (und das ist noch wichtiger) sind wir gemeinsam am Evangelium Gottes und am Bekenntnis des christlichen Glaubens beteiligt, von dem ich von euch Gutes gehört habe. Aus diesem Grund fühle ich mich verpflichtet, euch aus brüderlicher und christlicher Liebe so gut es mir (mit Gottes Hilfe) möglich ist, beratend, helfend und tröstend beizustehen, wenn ich euren Schaden sehe, so wie ich mich auch mit euch freuen soll, wenn ich euer Glück und Heil erkenne.
Da ich mich aber sehr freue über die Gaben Gottes, die er euch in seinem Wort mitgeteilt hat, welches ihr begierig gehört habt, wie der weite Weg beweist, den ihr oft gegangen seid, um die Lehre Christi zu hören, mit großer Mühe, Hunger und Durst und anderem Kummer. Und ich hoffe, dass eure Arbeit von Gott reichlich belohnt wird mit Frieden und Ruhe für euer Gewissen, mit Trost und Hoffnung auf Gottes Hilfe in aller Art von Übeln und Zufällen dieser Zeit, und letztlich mit ewigem Frieden.
Inzwischen sehe ich es als notwendig an, euch rechtzeitig treu zu warnen, da mich beunruhigende Nachrichten erreicht haben, dass Satan seine Boten unter die Kinder Gottes (zu denen ihr auch durch Christus gehört) ausgesandt hat, um unter ihnen bösen Samen zu säen, ein verderbliches Feuer zu entzünden, und all dies unter dem Anschein des Guten, sodass man es nicht merkt, bis unser Haus in hohen Flammen steht. Auch wenn ich dies vielleicht nicht schön und ansprechend formuliere, so hoffe ich doch, dass ihr so fromm seid und meinen Fleiß anerkennt, und mehr auf meine Treue achtet als auf den Schmuck der Rede oder die Feinheit des Vortrags. Und auch wenn ich einfach und bescheiden in meinen Gedanken und meinem Schreiben bin, mögt ihr mich besser verstehen als die Hochsinnigen, wie man sagt, ein Stotterer versteht den anderen wohl. Und damit ihr meine Mahnung versteht: Ich höre, es gibt viele unruhige Leute im Land, die raten, sich nicht vom Verlust des letzten Jahres abschrecken zu lassen. Man solle sich wieder sammeln und gegen die Feinde Gottes und die Verderber des Landes kämpfen. Und auch wenn der gottlose, mutwillige Haufen (so pflegen sie zu reden) wieder angreift, werde ihnen der Sieg doch nicht lange dauern, ebenso wenig wie den Gibeonitern, Richter 20. Es sei Gottes Wille, dass man nicht aufhöre, gegen sie zu kämpfen, da ihre Bosheit durch das Vergießen unschuldigen Blutes (wie sie mahnen) und durch zweifache Gotteslästerung beim Beschirmen und Erneuern des Reiches des Antichrists groß geworden sei, deshalb habe Gott sie verlassen, Judith 5, und die Stärke Gottes habe sie verlassen, Richter 16. Man solle nicht dulden, dass Gottes Wort so zertreten werde von diesen Schweinen und alle Bekenner Gottes von diesen Hunden zerrissen werden, Matthäus 7. Dazu kommt vielleicht der Schmerz über den Verlust vieler guter Freunde, auch das Mitgefühl mit den Elenden und Betrübten, einigen Unschuldigen, anderen Schuldigen (wie das Fleisch und Blut auch manchmal barmherzig ist, aber selten zur rechten Zeit und mit rechtem Maß). Dieser Schmerz treibt auch stark, gibt heftigen Rat und mischt sich, verdeckt sich in und mit einem göttlichen Eifer (wie es David gegen Nabal geschah, 1. Samuel 25).
So nehmen dann die genannten unruhigen Leute solche Vorschläge und Einbildungen für sich, besprechen sich hin und her mit den Einfältigen, scheinbar einfältig, und versuchen ihr Heil, ob sie den gemeinen einfältigen Haufen (durch die Hoffnung auf Gewinn) in größeren Schaden stürzen können. Ob sie wieder zu einer Erhebung bewegt werden oder (falls es nicht zur offenen Revolte kommt) dass sie doch durch heimliche Ratschläge, Gemurmel und Anschläge so wirken, dass man mit Recht wieder Ansprüche an sie haben könnte. Alles aber geschieht mehr auf Anstiften des Teufels als derer, die es vorgeben, sodass der Teufel fortwährend seine Lust daran hätte, in dem Unglück, dem Schaden und dem Blut der Menschen zu baden.
Nun schreibe ich diesen Brief nur an diejenigen, die am vorherigen Aufruhr keinen Anteil hatten und Gott dafür loben, dass er sie behütet hat, und die auch geneigt sind, dem Wort Gottes mehr zu folgen als aller menschlichen Klugheit in Liebe und in Leid. Diese will ich hiermit warnen vor dem Pfeil, der bei Tag fliegt, vor der Pest, die im Dunkeln schleicht, vor der Seuche, die am Mittag verderbt, Psalm 90. Und da ich sie für unschuldig halte, achte ich sie auch für unbeschädigt, weshalb ich keinen Trostbrief schreibe. Aber (so Gott will) denke ich später einmal, wenn ich Muße habe, auch an diejenigen zu schreiben, die durch ihre Schuld Schaden erlitten haben und doch so selten zur Handlung gekommen sind, dass sie sich darüber wundern und es ihnen leidtut. Auch an diejenigen, die vielleicht unschuldig Schaden an Leib oder Gut oder Ehre erleiden und dennoch durch die Schuldigen mitschuldig gemacht werden, wie man sagt: Ein Nachbar ist dem anderen eine Brandstätte schuldig, und selten wird eine Menge der Schuldigen bestraft ohne Schaden der Unschuldigen. Diejenigen aber, die Gottes Wort nicht achten, seine Gerichte nicht fürchten, sollen wissen, dass ich nicht so töricht bin zu glauben, dass ich etwas gegen sie ausrichten könnte mit dem Evangelium des Reiches. Ich weiß wohl, dass Gottes Wort allein den Kindern Gottes, also den Weisen, vorgetragen werden soll, Johannes 8. Aber das Pferd gehört zur Peitsche, der Esel zum Zaum, und der Narr zur Rute auf den Rücken, Sprüche 26.
Und ich meine mit diesem Schreiben, euch von der gefährlichen, verderblichen Gemeinschaft der oben genannten giftigen unruhigen Leute abzuhalten, deren Atem glühende Kohlen sind und aus deren Mund Fackeln und feurige Brände fahren. Sie haben Freude daran, wo sie etwas verderben können (Hiob 16). Unter ihrer Zunge ist Mühe und Arbeit (Psalm 10). Denn der Teufel, ihr Fürst, weiß, dass Gott solch ein Vorhaben nie ungestraft gelassen hat und umso weniger ungestraft lässt in der Zeit der Offenbarung des Evangeliums. Auch weiß der Satan, dass nichts für törichte Menschen als gerechter erachtet wird, als dass man die gottlosen, schädlichen Handlungen der Oberen und Unteren scharf bestraft. Daher werden so oft die Aufstände unserer Zeit angefacht, und zuvor, wodurch die Unweisen hoffen, Erleichterung in ihren Beschwerden zu erlangen und (wie man jetzt behauptet) Gottes Wort und Dienst zu fördern. So beginnt nun der Satan seine Verführung durch dieses Mittel, welches ihm derzeit das tauglichste erscheint. Auch weiß der Satan, dass solch ein Vorhaben mehr Gottes Zorn entfacht und somit die Tyrannei über uns verstärkt, denn in Gottes Zorn regieren die Tyrannen. Und dass Aufruhr ganz und gar kein geeignetes Mittel ist, um Frieden zu erlangen. Er merkt auch, dass Gott gedenkt, der Bosheit in den Oberen und Unteren durch die Verkündigung des Evangeliums ein Ende zu bereiten. Was dem Satan missfällt, darum gedenkt er, die Leute (insbesondere die Liebhaber des Wortes) so in Unruhe, Neid, Hass und Ungehorsam zu erwecken, dass Gottes Name unseretwegen unter den Heiden gelästert wird (Römer 2) und Gott erzürnt wird, sein Wort und alles, was unternommen wurde, von uns wendet, sodass wir unentrinnbar im Reich des Satans gefangen bleiben. Der Satan hat es so böse im Sinn, dass seine Jäger und Posten selbst nicht denken können, wie man es an Judas sieht. Er hatte niemals gedacht, dass sein Verrat den Herrn zum Tode führen sollte; er hatte es sonst nicht getan, und als er sah, dass der Herr zum Tode verurteilt war, jammerte es ihn so sehr, dass er sich vor Leid erhängte (Matthäus 27). Ich vertraue auf Gott, er wird euch durch dieses geschriebene Schreiben oder durch andere dergleichen so erleuchten und festigen in Ruhe, Frieden, Gehorsam, dass euch auch alle List der alten Schlange nicht blenden noch wenden kann, und dass ihr selbst andere von unruhigen Vorhaben abhalten werdet und so Frieden schaffen, dass ihr Gottes Kinder genannt werdet (Matthäus 5). So habt ihr nun deutlich und ausführlich (wie es für die Einfachen nötig ist) verstanden, was mich bewegt, euch zu schreiben, und wie nützlich es für euch sein wird, und wie notwendig es ist, dass ihr diese Ermahnung annehmt und in euren Herzen bewegt.
Und da Satan der Rhetorik wohl kundig ist, mit der er die Zuhörer von nützlichen Dingen ablenkt, bemüht er sich manchmal, den Redner verdächtig zu machen, als sei er nicht redlich und treu oder der Sache nicht verständig. Daher muss ich zuvor eine mögliche zukünftige Verleumdung aus dem Weg räumen, damit meine Rede für euch nützlicher sei, und das ist dies: Es könnten einige sagen zu oder über mich: „Lieber, du hast leicht reden, das Leid der Armen ist dir nicht bekannt, oder es geht dir nicht zu Herzen,“ oder „du heuchelst den Herren mit diesem Schreiben, du weißt, wie man ihnen gefällig ist.“ Dazu antworte ich: Wahrlich, ich erkenne die Beschwerden des armen Mannes wohl, es geht mir auch nahe zu Herzen, das weiß Gott. Ich bitte auch fleißig für sie. So hat mich Gott von meiner Kindheit bis heute durch viele Leiden und Trübsale geführt, dass ich den Beladenen wohl glauben und verstehen kann. Und wo ich ihnen bei den Herren nützlich sein kann, da spare ich weder Mühe noch Arbeit, und wenn ich hoffen kann, den Betrübten gerechte Hilfe und Rat zu erlangen, achte ich oft nicht darauf, ob ich großen Ungunst auf mich lade. Meinen Fleiß haben viele Betrübte erfahren, auch wissen viele Herren und Edle, wie ernstlich ich oft mit ihnen über die Anliegen der Armen gesprochen habe. So habe ich an vielen Orten, wo ich gepredigt habe, unter dem Papst und jetzt, gezeigt, wie wenig ich mich davor gefürchtet habe, den Großen zu sagen, was und wann es mir nützlich und notwendig schien, das Wasser auch auf ihre Mühlen zu lenken. Dazu bin ich es gewohnt, Verleumdung zu erleiden, solange ich mich unschuldig weiß. Während ich gepredigt habe, hat man mich auf der einen Seite als Heuchler der Herren beschimpft, auf der anderen als Heuchler der Gemeinde, ich lasse mich durch solches Wolfsgeheul nicht erschrecken, denn mein Herz gibt mir das Zeugnis, dass ich stets das Glück und Heil der Herren und der Untertanen gesucht habe. Ich habe es auch oft in der Tat bewiesen, wie ich am Ende in diesem Büchlein aus vielen Geschichten eine erzählen werde. Auch bin ich so glücklich, dass meine Ankläger mich selbst rechtfertigen, denn diejenigen, die mich beschuldigen, ich heuchle den Herren, rechtfertigen mich gegenüber denen, die mich einen Heuchler der Gemeinde nennen und umgekehrt. Diejenigen, die mich beschuldigen, ich heuchle der Gemeinde, rechtfertigen mich gegenüber denen, die mich beschuldigen, ich heuchle den Herren und sei der Gemeinde abtrünnig, so werde ich als lobenswert in der Mitte gefunden, und meine Ankläger enden in ihrer Verleumdung.
Wenn ich den Großen sage, was Gott gefällt und nicht gefällt von und an ihnen, so ist das nicht aufrührerisch, da ich immer sage, die Untertanen sollen dennoch mit Geduld und Willen gehorsam sein (auch in schweren Dingen) den ungeschlachten, ja bösen Herren, solange Gott sie im Regiment lässt, ebenso wie den Guten. Und wer sich gegen sie erhebt, der ist ungerecht vor Gott und vor der Welt straffällig. Wenn ich aber gesagt hätte: „Ihr Untertanen sollt dies und das nicht dulden, sollt gegen die Herren kämpfen,“ das wäre unrecht gepredigt und zu Aufruhr aufgefordert. Das habe ich aber nie getan (Gott sei gelobt) und werde mich auch mein Leben lang mit Gottes Hilfe davor hüten. Hingegen soll mir nicht vorgeworfen werden, dass ich keinen Rat oder Hilfe zu einem Aufstand gegen die Obrigkeit gebe, und dass ich eine Abneigung gegen die Aufrührer habe. Das soll mir nicht als Heuchelei ausgelegt werden, denn wenn ich mich anders verhalten hätte, wäre ich dem gemeinen Mann am meisten schädlich gewesen, wie ich hier in diesem Büchlein beweisen will. Und das wäre gegen das göttliche und natürliche Recht, auch gegen alle Ehrbarkeit.
Nun wollen wir zur Sache kommen. Alle Not und Übel unter den Menschen rühren daher, dass sie entweder das Evangelium nicht haben oder nicht wissen, wie sie es nutzen sollen. Manche kennen das Evangelium gar nicht, andere wissen nicht, was sie darin suchen sollen, und erleiden dadurch mehr Schaden, als wenn sie gar kein Evangelium hätten. Ihr habt das Evangelium gehört und gelesen, also hütet euch davor, zu denken, dass ihr dadurch den allgemeinen Lauf der Welt umstürzen könnt (wie einige meinen). Es wird nicht so sein, dass es in Zukunft keine Ungleichheit in Gütern mehr gibt, keinen Armen und keinen Reichen, sondern dass die Güter gleichmäßig verteilt werden, dass wir alle denselben Stand haben, niemand mächtiger ist als der andere, weil wir alle gleich durch das Blut Christi erlöst sind und Kinder eines Vaters. Man sollte keine gottlosen Menschen ungestraft lassen oder in öffentlichen Ämtern dulden. Kurz gesagt, es sollte auf Erden so zugehen, wie wir Deutschen es uns im Schlaraffenland vorstellen, die Dichter von den glücklichen Inseln erzählen und die Juden von den Zeiten ihres Messias träumen. So dachten auch teilweise die Jünger Christi vom Reich Gottes, Matthäus 20, Lukas 22, Apostelgeschichte 1.
Hütet euch vor falschem Verstand, liebe Freunde. Denn er hindert viele an der Erkenntnis Christi und führt dazu, dass man unter dem Anschein des Guten Dinge tut, die gegen Gott, Ehre und Recht sind. Der Schein und Anfang wird von den Toren als recht und billig angesehen, aber aus dieser vermeintlich weisen Blüte kommt eine schwarze Frucht, wie wir leider an vielen erfahren haben, die durch solchen verführerischen Verstand eine Tür zu großen und mehr als heidnischen Lastern geöffnet haben, zu ihrem eigenen Schaden an Leib und Seele.
Christi Wort muss wahr bleiben, dass er in Johannes 16 spricht: In der Welt werdet ihr Bedrängnis leiden. Christen müssen mit ihrem Haufen eine Rose sein unter den Dornen der Gottlosen, Hohelied 2. Er muss herrschen mitten unter seinen Feinden, Psalm 110. Bedrängnis, Dornen und Feinde umgeben den Christen, solange er in der Welt ist, aber sie schaden ihm nicht. Christus spricht: Seid getrost, ich habe die Welt überwunden, und Psalm 34 sagt: Der Gerechte muss viel leiden, aber der Herr hilft ihm aus allem. So werden sie im Leiden stärker, und damit sie sich in der Trübsal nicht ängstigen, in Bedrängnis nicht verzagen, in Verfolgung nicht verlassen werden, und in der Unterdrückung nicht zugrunde gehen, 2. Korinther 4. Wer nun daran denkt, Anfechtung und Leiden, das heißt das Kreuz, zu vermeiden, der schafft erst Raum für alles Unglück und hindert Christus daran, sein Werk des Trostes und der Hilfe zu vollenden.
Auch sagt Christus öffentlich vor Pilatus: Mein Reich ist nicht von dieser Welt, und Paulus schreibt im 1. Korinther 5: Was geht es mich an, die zu richten, die draußen sind (gemeint sind diejenigen, die das Evangelium nicht haben oder nicht achten)? Gott wird die richten, die draußen sind. Daraus kann ein Christ wohl erkennen, dass er sich mit dem Lauf oder Regiment der Welt nicht befassen soll, außer um der Welt ihre Sünden zu verkünden, die Gläubigen in allem Unrecht zu trösten, das sie erleiden müssen, mehr aber Gott anzuvertrauen, dass er richten möge, und das Evangelium auf sich selbst auszurichten.
Wir armen sündigen Kinder Adams sind in dieser Welt, im Tal der Tränen, umgeben von und durchdrungen von allerlei Übel, wie ein Gefangener in einem stinkenden, kalten Turm, der voller Ungeziefer und Feuchtigkeit ist, wo er Hunger, Durst und allerlei Angst und Furcht genug hat. Dazu muss er jede Stunde auf das Urteil eines grausamen, schändlichen Todes warten, den er wohl verdient hat, und hat einen strengen Richter, der ihm nichts schenken wird. Wie meinst du, dass einem solchen Menschen zumute ist? Die Gefangenschaft ist ihm unerträglich, doch er kann nicht entkommen. Dazu stirbt er jeden Tag hundertmal, ja immerdar, da er sich des Todes schuldig weiß und die Strenge des Richters erkennt. Niemand kann hier fröhlich sein, es sei denn, er ist wahnsinnig (Dieses Gleichnis hat vor mir gegeben, Sankt Bernhard und nach ihm Martin Luther). Wenn sich nun jemand des Armen annimmt und ihn oft erquickt, mit guter Lagerstatt, mit Speise und Trank, ihn vielleicht einmal frische Luft schnappen lässt und seine Augen erfreut, oder wenn der Sohn des Richters, der dem Vater lieb und mächtig ist, diesen Armen oft tröstet und ihm sagt, er solle sich wohl verhalten, er hoffe, der Richter könnte noch umgestimmt werden. Sag mir, wie wohl wäre diesem Armen zumute? Er würde sich einbilden, er wäre schon gerettet und im Paradies, wenn er diesen Trost mit dem vorherigen Elend vergleicht. Sein Herz würde oft von Freude durchströmt, er würde nicht viel darüber nachdenken, wie er selbst den Turm zerreißt und sich befreit, denn er wüsste wohl, dass er dem Richter nicht entkommen könnte, und würde danach um des Ausbruchs willen doppelt so viel Strafe leiden. Mehr aber hofft er in Geduld, bis der Königssohn ihn rechtmäßig befreit. Wenn aber der Richter den Gefangenen nicht anders freilassen wollte, es sei denn, dass sein Sohn an seiner Stelle steht und für ihn leidet, auch den Tod auf sich nimmt, und der Sohn dieses Abkommen annimmt und sich in all die genannten Marter und auch in den Tod für den Gefangenen begibt, wie froh wäre der Gefangene, wenn er diese Nachricht hörte? Wie dankbar wäre er dem Richter? Wie lieb würde er den Sohn gewinnen? Darüber könnte kein Herz genug nachdenken.
Hast du dieses Gleichnis verstanden, so nimm daraus den Nutzen des Wortes Gottes. Du bist der elende, arme, gefangene und betrübte Mensch. Diese Welt ist dein Kerker, auch dein eigener Leib. Darin liegst du gefangen, darin plagt, straft und peinigt dich Gott, und du kannst ihm nicht entkommen. Wenn du dich tötest, so fällst du erst recht in seine Hand. Kein Mensch, kein Engel, kein Teufel kann dir helfen, und du dir selbst auch nicht. Hier musst du Hunger, Durst, Armut, Schande, Elend, Krankheit, Furcht, Sorge, Angst und unzählige Unglücke und Trübsal erleiden. Und wenn du einem entkommen willst, so fällst du in drei andere. Dazu stehst du jede Stunde in Todesfurcht und auch vor der ewigen Hölle.
Dazu gibt dein eigenes Herz Zeugnis wider dich, dass du dies und Schlimmeres verdient hast. Willst du den Richter zu deinem Freund machen, so schaffst du es nicht. Du und all deine Gedanken, Worte und Werke gefallen ihm nicht. So hat er beschlossen, keinen Engel noch Menschen für dich zu erhören. Für dich ist die Hölle mit dem Teufel und seinen Engeln bereitet. Hier sollen ganze Wagen voll Unglück über dich kommen, und selbst wenn du aller Welt Gut, Ehre, Macht usw. hättest, so will er dir keinen Frieden noch Freude darin lassen.
In dieser Not und Bedrängnis kommt zu dir Christus, der Sohn des strengen Richters, durch die Verkündigung seines Wortes. Er kommt, wie es im Psalm 41 heißt: „Der Herr wird dich stärken auf dem Lager deiner Krankheit; dein ganzes Lager wird er in deiner Krankheit wenden.“ Er will dich bewahren und am Leben erhalten und in deiner Not bei dir sein (Psalm 91). Er will dich retten und zu Ehren bringen. In Armut sollst du genug haben, in Schande in Ehren bleiben, in Verfolgung sicher sein (Psalm 27 und 118). Oft lässt er dich einen frischen Hauch seiner inneren Tröstung spüren und auch äußeres Glück, das er dir von vielen Seiten zusendet. Dazu lässt er die Augen deines Herzens Luft haben in der Anschauung der zukünftigen Seligkeit und sagt zu dir: „Halte dich an mich, du musst niemals sterben, du wirst ewig leben“ (Johannes 5). Und dass du je von all deinem Unglück und Leid befreit bist und aller Furcht vor dem zukünftigen Übel, will ich an deiner Stelle stehen und meinem Vater alles mit meinem Fleisch bezahlen, was du verschuldet hast. Ich will dich in alle Würde, Ehre, Güter und Freude einsetzen, die ich von meinem Vater empfangen habe, welche kein Herz weiß, kein Ohr gehört hat, kein Auge gesehen hat; ich allein weiß es, und wem ich es offenbare.
Wer diesen Trost des Sohnes Gottes mit Glauben erfasst und sich darauf verlässt, dem geschieht nach seinem Glauben. Die Hoffnung wird ihn nicht zuschanden werden lassen. Er empfängt solchen Trost, Kraft, Erkenntnis und Sicherheit seines Gemüts, dass er sich oft selbst darüber wundert. Er erkennt die Freundschaft des Richters gegenüber sich selbst und bemerkt, dass alle Bissen Brot, alle Tropfen Wasser besondere, freundliche Gaben sind, die ihm nicht als von einem Richter, sondern als von einem Vater zugesandt werden. Nun ist er ohne Furcht vor Verderbnis (Johannes 10). Er erkennt, dass er vom Sohn wirklich befreit wurde (Johannes 8), dass ihm weder Tod, Hölle, Hunger, Dürftigkeit etc. schaden können (Römer 8), und dass der Tod für ihn ein seliger Tod ist, mehr noch ein Eingang in das ewige Leben, dass die Hölle vor ihm verschlossen ist und das Himmelreich geöffnet. Er erfährt auch die süße Liebe Christi gegenüber sich, der sich aus Liebe für ihn hingegeben hat (Galater 2). Welche Freude, Frieden, Lust, Danksagung und Jubel mögen in diesem gläubigen Menschen sein? Da herrscht kein Murren, keine Ungeduld im Leiden oder Tod, die für ihn nicht mehr Tod oder Leiden sind, sondern ein Spiegel, in dem Gottes Ehre und Liebe erkannt wird (Johannes 9). In diesem Gläubigen wohnt der Geist Christi, der ihn fortwährend lehrt, führt und bewahrt, bis wir auch aus dem Schein und Schatten des Leidens (denn das Wesen des Leidens, die Kraft des Todes, nämlich die Sünde, sind jetzt auch weggenommen, und uns sind Güter des ewigen Lebens anstelle dessen verheißen, aber noch mit dem Schein des Leidens und Todes bedeckt) in die klare Offenbarung der Seligkeit versetzt werden. Auch wird der Geist Christi in uns einen guten Willen zu Gott in allerlei Leiden erzeugen, die er uns auferlegt, und wir danken ihm dafür, dass er uns seinem Sohn gleichmacht und wissen (wie gesagt wurde), dass uns Leiden kein Leiden ist, sondern eine Offenbarung und Erfahrung der Herrlichkeit und des Trostes Gottes in uns (Römer 8).
Nun habt ihr, warum wir das Evangelium brauchen und welchen Nutzen wir davon haben. So habe ich das Evangelium von den frommen Lehrern Martin Luther, Philipp Melanchthon, Johannes Bugenhagen und anderen gelernt. Gott gebe mir Gnade, dass ich folge und verfolge, was ich erkannt habe. Wenn wir also den rechten Gebrauch des Evangeliums fassen, werden wir bald auch in uns selbst die Salbung (1. Johannes 2) erkennen und wissen, wie wir uns in allerlei Zufällen dieses Lebens verhalten sollen, und werden gerne solche Sprüche und Ermahnungen der Heiligen Schrift und frommer Leute hören und lesen, welche uns lehren, was dem Geist Christi gemäß ist. Gott will, dass wir einander mündlich und schriftlich ermahnen und durch die Heilige Schrift ermahnen, die der Geist Gottes zu unserem Heil gebraucht und sie in unseren Herzen lebendig und wirksam macht.
Solche echten Christen verachten täglich mehr und mehr das Reich dieser Welt und all ihren Schmuck. Sie suchen, was droben ist, wo Christus sitzt zur Rechten Gottes. Sie sind auf das bedacht, was droben ist, nicht auf das, was auf Erden ist (Kolosser 3). Der Geist hat sie geneigt von Mutwillen zur Tapferkeit, von Freude zur Gottesfurcht, vom Verwundern über diese Kinderspiele, die von den Kindern der Welt hoch geachtet werden, zum Verwundern und Begehren der tapferen innerlichen ewigen Güter. Fällt ihnen Leiden zu durch Teufel oder Menschen, so nehmen sie es nicht von ihnen an, sondern von Gott; sie zürnen nicht, sie widerstreben nicht, sondern sagen mit Hiob: „Gott hat’s gegeben, Gott hat’s genommen, der Name des Herrn sei gelobt.“ Und wenn sie ihre Herzen anders gesinnt finden als so, seufzen und schreien sie zu Gott um Hilfe und um Besserung ihres Herzens in Gott im Glauben (Römer 7, 1. Timotheus 1). Das ist die tägliche Übung der Christen, dass dieser Trostbrunnen in ihrem eigenen Haus gegraben wird, damit sie nicht auslaufen müssen durch falsches Vertrauen auf trügerische ohnmächtige Hilfe, Trost und Rat. Dazu gebrauchen sie die Predigt, die Sakramente und alle äußeren und inneren Übungen, damit sie das Reich Gottes zuerst suchen und es anderen zeigen.
Dazu sind auch die Prediger verordnet, dass sie täglich Christus in das Leiden bringen sollen, das heißt, uns Christus mit all seiner Gnade und seinen Gütern vor Augen führen. Damit wir in unserem Leiden und unserer Arbeit Hilfe, Trost und Rat von ihm erbitten und finden, und auch darum soll man gegen alles reden, was antichristlich ist, damit die Herzen ohne Betrug ernsthaft an Christus hängen. So soll aber das Predigen förderlich sein, Christus uns vor Augen zu malen, wie er die Armen tröstet, die Zerschlagenen heilt, die Gefangenen erlöst, die Blinden erleuchtet, die Zerschlagenen in die Freiheit setzt (Jesaja 61 und Lukas 4). Und wie er einst das Kreuz auf Erden getragen hat, so hilft er uns nun täglich, unser Kreuz zu tragen. In diesem Stück soll ein Prediger vornehm, ernsthaft geübt und vollständig sein und den größeren Teil der Zeit davon reden. Man soll größeren Fleiß darauf verwenden, das Gute zu lehren und dazu zu ermahnen, als das böse Leben und die Lehre zu tadeln. Dies können viele Heuchler und Schwätzer, jenes kann allein ein gottesfürchtiger, erleuchteter Mann tun. Darum rede nicht so oft von der Narrheit des Papstes als von den wesentlichen Punkten, besonders in diesen Tagen in unseren Ländern, da das zeremonielle Papsttum beinahe völlig verspottet wird und das Übrige nicht viel Schaden anrichten kann, aus Gottes Gnade. Aber der Teufel hat (leider) fast gewonnen, auch auf dieser Seite, da man das Papsttum nicht mehr achten will. So richtet er eine bissige, zänkische (und wie man sagt) geschwätzige Lästerung gegen das Papsttum auf, dass man so viel zu schaffen hat mit solchen streitsüchtigen Geschäften und Heuchelei, dass man ebenso wenig Christus erkennen und erfassen kann wie vor dem vorherigen Papsttum. Und eben so, wie man uns zu brüderlicher Liebe ermahnen sollte und zur Erkenntnis unserer eigenen Sünden, so richtet man wenig anderes aus, als die Papisten zu tadeln, ihre Laster und auch ihre heimlichsten Untugenden (nicht allein die Irrlehre) offenzulegen, vielleicht auch mit Lügen, was doch keinem guten Herzen gefallen soll oder mag. Und damit ich nicht allein meine Worte setze (weil ich oft gegen solche verführerische Prediger und Zuhörer gesprochen und geschrieben habe, aber wenig beachtet wurde), so will ich ein übereinstimmendes Zeugnis von Johannes Bugenhagen in seinem Büchlein Über den Ehestand der Bischöfe und Diakone[1]sehen, der spricht:
„Etliche wollen genannt sein evangelische Prediger und sind es nicht, wissen nichts anderes zu sagen, als gegen die papistischen Mönche und Priester, gegen das Fasten am Freitag, gegen das Weihwasser, gegen den unnützen Gottesdienst und den Tempelschmuck und gegen anderes, worin wir zuvor belehrt worden sind. Sie wissen wohl den Widersacher zu stoßen, aber (spricht er) sie predigen kein Evangelium, durch das die Zuhörer zum Heil gebessert würden, vielmehr werden ihre Zuhörer zu Verächtern aller Ehrbarkeit. Und dazu lästern sie auch Gott, indem sie sagen, das sei evangelisch. Nicht allein predigen sie kein Evangelium, sie können es auch nicht predigen, weil sie selbst keinen Anteil daran haben. Darum ist es auch kein Wunder, dass sie Christus nicht predigen noch lehren. Christus spricht (Johannes 7): ‚Mein Wort ist nicht in euch.‘ Was mag daraus folgen? ‚Es wird aus euch hervorgehen.‘ Sie haben auch den Tod nicht in sich, darum haben sie auch kein Leben in sich.“
Was wir also aus diesem Büchlein erfahren, das kann und will ich auch mit Gottes Hilfe eurer aller Wissens aufzeigen, wie unsere Lehre und unser christliches Leben in Gottes Zorn geraten sind, und wie man den Glauben so leicht verdreht. Gott gebe Gnade, dass wir die wirkliche heilsame Lehre und das rechte Evangelium so fleißig erkennen, lehren und üben, dass wir in allem diesem falschen Evangelium und der falschen Predigt bewahrt und erleuchtet werden. Amen.
Der Teufel hat einen Plan, wie er ganz Deutschland ins Unglück stürzen und zerstören kann. Dieser Plan besteht aus zwei trügerischen Teilen: einem falschen Eifer für Gott und der Hoffnung, eigenen Nutzen zu fördern und Schaden abzuwenden. Der Teufel verführt dabei zwei unterschiedliche Arten von Menschen, je nachdem, wie es ihm passt.
Die erste Art von Menschen ist gutherzig. Sie wollen niemandem etwas Schlechtes tun und handeln nicht gegen ihr Gewissen. Sie bemühen sich, Gott zu dienen, und fallen dennoch der Wahrheit zum Opfer, da sie nicht den richtigen Verstand haben. So war auch Paulus, bevor er bekehrt wurde (1. Timotheus 1). Einige Juden (Römer 11) gehörten ebenfalls dazu. Für solche Menschen sollte man mehr beten als sie zu verurteilen.
Die zweite Art von Menschen sind jene, die auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und versuchen, Schaden abzuwenden. Sie möchten niemandem Unrecht tun, aber wer ihnen im Weg steht, muss mit Schwierigkeiten rechnen. Diese Gruppe umfasst auch viele zwielichtige Personen, die nichts Eigenes haben oder behalten wollen und anderen mit allen Mitteln schaden.
Der Teufel geht nun folgendermaßen vor: Er spricht zu den ersten Menschen: „Schau doch, wie tyrannisch die Gottlosen gegen das Wort Gottes vorgehen. Sie wollen es weder hören noch andere hören lassen. Wie viele Seelen könnten durch das Wort Gottes getröstet werden, wenn man es predigen ließe? Wie viele könnten in einem guten Leben unterwiesen werden? Wie viele könnten vom Bösen abgehalten werden? Diese Gottlosen verhindern das. Wenn man früher Leib und Leben gegen die Türken gewagt hat, um wie viel mehr sollte man es gegen diese gottlosen Menschen wagen? Man sollte sich gegen sie stellen wie Jehu gegen das Haus Ahab (2. Könige 9) und wie Elias gegen die Baals-Anhänger. Oh, wenn nur ein neuer Elias aufstünde, der diese Tyrannen bestrafen könnte. So viele fromme Menschen werden entehrt, hart bestraft, verleumdet und manchmal sogar getötet, zum Schande Gottes und zum Leid vieler frommer Herzen. Wenn man doch jetzt einen Samuel hätte, der diese Übeltäter bestrafen könnte, so wie Samuel Agag bestrafte (1. Samuel 15).“
Wenn nun ein frommes Herz von solchen Gedanken erschreckt wird, als handle es sich um die schlimmste Ungerechtigkeit, dann fährt der Teufel fort und führt viele Bibelstellen und Geschichten an, um zu überzeugen. Er sagt: „Siehst du nicht, dass man kämpfen muss, um Seelen zu retten, um Witwen und Waisen zu schützen und Unschuldige zu befreien?“ So schießt der Teufel feurige Pfeile in ein unwissendes Herz, wie man es in manchen Predigten und Büchern hören und lesen kann. Er sagt auch: „Du sollst den Priestern und Mönchen keine Opfer geben, damit du ihre falsche Messe nicht unterstützt, noch sollst du Zinsen oder Zehnten zahlen, damit du ihre Bosheit nicht stärkst, gegen Gott, Ehre und Recht.“
Mit der zweiten Art von Menschen, die das Wort Gottes nicht oder nur wenig achten, spricht der Teufel anders. Er sagt: „Es gibt kein Ende des Unrechts und der Lasten, die uns andere auferlegen. Unsere Herrscher sind nicht nur nutzlos, sondern auch schädlich für das Land, mit ihrer Völlerei, Hurerei, Unzucht und Ungerechtigkeit. Wir sollten das nicht dulden.“ Der Teufel führt dann Geschichten von Heiden und anderen an, wie die Gemeinschaft oft gegen Tyrannen gekämpft hat. Er zeigt, dass es gerecht sei, einen Tyrannen zu töten (als auch zur Zeit des Gersons dieser Irrtum gelehrt wurde und Gerson ihm heftig widersprochen hatte). Der Teufel bringt viele Argumente vor (wie es in einigen aufrührerischen Büchern zu sehen ist). Diese üblen Menschen geben vor, nicht ihren eigenen Vorteil zu suchen, sondern wollen auch evangelisch sein und Gottes Ehre und das Heil der Seelen fördern. Sie versuchen, die ersten Menschen zu überzeugen und ihre Reihen zu stärken, in der Hoffnung, dass sie, wenn sie die Ersten überzeugen könnten, ihre Ziele erreichen würden.
Der Teufel ist darauf bedacht, die Tyrannen zu unvernünftigen Handlungen gegen Gottes Wort und seine Bekenner, gegen alle Gerechtigkeit an den Armen und Untergebenen zu drängen, sodass man erkennen muss, wie groß die Ursache ist, gegen sie vorzugehen. Der Teufel will damit einen Aufstand entfachen und ein Blutbad anrichten, einen Mordgrube für die Seelen.
Wenn es kein richtiges Verständnis göttlicher Weisheit gibt, kann die Vernunft keine Rache zurückhalten, besonders wenn man durch die Masse Hoffnung auf Erfolg hat. Dann sagt das Fleisch und Blut: „Ja, ich will mein Leben für das Gute wagen, entweder werde ich ganz zugrunde gehen, oder ich werde eine Besserung erreichen.“ Der Schmerz über erlittenes Unrecht und die Sorgen um die Zukunft sind so groß, dass man nicht sehen kann, was göttlich, was recht, was ehrenhaft ist. Man bedenkt nicht, wie unsicher der Sieg ist und dass man keinen Tyrannen schaden kann, ohne großen Schaden für das Volk und das Land zu riskieren. Oft entkommen die größten Übeltäter und richten noch mehr Unglück an, bevor der Teufel sie hinführt. Wenn ein Aufstand beginnt, kommen die Mönche der Verdammten hinzu, die nichts zu verlieren haben, aber helfen wollen, den Brotkorb zu leeren und allen Mutwillen auszuleben. Danach kann man sie nicht mehr stoppen, weil ihre Menge zu groß ist, und was sie anrichten, müssen andere mitbüßen, auch jene, denen der übermäßige Frevel Leid getan hat. Aber da sie am Anfang zur Tat ermutigt und zur Rotte geholfen haben, müssen sie auch den daraus entstehenden Unrat ertragen.
Für das zweite Geschlecht der Menschen weiß ich keinen Rat, der mit dem Wort Gottes vereinbar wäre, weil es bei ihnen keine Geltung hat. Wenn weder Furcht vor Schande noch Schaden sie abhalten, hilft nichts mehr, als dass die Christen ernsthaft für sie beten, dass Gott sie bewahren möge, damit sie sich nicht selbst und andere ins Verderben stürzen. In diesem Fall kann ein Christ für ein ganzes Land nützlich sein, erst recht, wenn in jeder Stadt oder jedem Dorf mehr als ein Christ ist. Darum handeln die Tyrannen sehr töricht, wenn sie die Christen verfolgen, die für das Glück und Heil ihres Landes bei Gott eintreten. Ich glaube auch, wäre der Aufstand des letzten Sommers vor der Zeit der Offenbarung des Evangeliums ausgebrochen, wäre alles untergegangen. Es ist ein Wunder, dass eine so große Menge unverständiger, wütender Leute, die so viel Schaden erlitten hatten, doch nur so wenig Schaden angerichtet hat. Wirklich, die frommen Christen haben so treu zu Gott geschrien, dass er dieses Vorhaben verhindert hat, wie der fromme Mann Martin Luther sich und andere dazu ermahnte in seinem Büchlein „An die Bauern“[2]. Gott hat mächtig das Vorhaben der Bauern verhindert, obwohl man hören musste, dass die Evangelischen oder Christen diesen Aufstand verursacht hätten. Aber Gott wird seine Ehre bewahren, und der Widerstand der Herren wäre vergeblich gewesen.
Nun, da ihr Christen gelernt habt (wie oben beschrieben), was uns Gott durch Christus im Evangelium versprochen hat, solltet ihr auch erkennen, dass dieser gnädige Gott auch allmächtig und allwissend ist, ohne den nichts geschehen kann. Das beweist der heilige Paulus im Epheserbrief (Kapitel 1), wo er sagt, dass Gott alles nach dem Rat seines Willens bewirkt. Wenn er sagt, er wirkt alles, zeigt das seine Allmacht, und wenn er sagt, nach dem Rat seines Willens, zeigt das seine Allwissenheit. Auch dass er keinen Menschen oder Engel zu Rate zieht in seinen Taten, sondern allein seinen Willen befragt. Wenn du im Glaubensbekenntnis sagst, „Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater“, dann verstehe, dass all das Leid der Untertanen von Gott, deinem Vater, kommt. Dazu gibt es auch ein Zeugnis im 105. Psalm, wo der Prophet vom Leiden der Israeliten in Ägypten spricht: „Gott verwandelte das Herz der Ägypter, dass sie seinem Volk feindlich gesinnt wurden und tückisch mit seinen Knechten umgingen.“ Sieh, Gott wendet die Herzen der Herrschenden, damit sie dem Volk so feindlich werden und sich allerlei böse Pläne ausdenken, um die Untertanen zu bedrücken, und auch die evangelischen Prediger und Hörer schlecht behandeln. Höre, was der heilige Petrus über das Leiden und den Tod des ersten Christen und höchsten Predigers, der von Gott gesandt wurde, nämlich von Christus selbst, sagt: „Jesus von Nazareth war nach dem festgelegten Ratschluss und der Vorsehung Gottes ausgeliefert worden; den habt ihr durch die Hände von Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und getötet.“ Sieh, das gesamte Leiden Christi ist von Gott vorherbestimmt worden. So ist auch jedes Leid, das Christen an ihrem Besitz, ihrer Ehre, ihrem Körper erfahren, ob es durch den Teufel oder durch Menschen kommt, nach Gottes Willen. Deshalb sollen wir uns in jedem Leiden so verhalten, wie sich Christus verhalten hat. Jesaja 53 und Apostelgeschichte 9 sagen: „Er wurde wie ein Schaf zur Schlachtbank geführt, und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer stumm ist, so hat er seinen Mund nicht aufgetan.“
Der heilige Petrus mahnt in seinem ersten Brief (Kapitel 2) alle Untertanen zur Geduld und sagt: „Christus hat für uns gelitten und uns ein Vorbild hinterlassen, damit ihr seinen Fußstapfen folgt. Er beging keine Sünde, und kein Betrug war in seinem Mund. Als er geschmäht wurde, schalt er nicht zurück; als er litt, drohte er nicht, sondern überließ es dem, der gerecht richtet.“ Wer dieser Weise im Leiden nicht folgen will, ist kein Christ. Und weil er durch Rebellion und Kämpfen gegen Gottes Ordnung handelt, wird er niemals Ruhe finden, wie es im Buch Hiob (Kapitel 9) und im Buch Jesaja (Kapitel 58) beschrieben wird.
Darum, liebe Freunde, tragt diesen Artikel von der Allmacht Gottes tief in eure Herzen; er wird euch viel Trost und Frieden bringen, das werdet ihr bald erfahren. Die genannten Bibelstellen widerlegen alle ungehorsamen Christen, die sagen: „Sieh, die Prediger legen uns Armen immer nur das Kreuz auf den Hals, warum reden sie nicht auch von der Ungerechtigkeit der Obrigkeit?“ Die Antwort ist: Wie soll man anders predigen als das Leben und die Lehre Christi und seiner Apostel? Ihr habt doch lange nach dem reinen Wort Gottes gerufen; jetzt, da ihr es habt, wollt ihr es nicht hören. Es scheint, ihr habt nur danach gestrebt, um euch von den Gesetzen des Papstes zu befreien, und nicht um das Heil eurer Seelen. Jetzt, da ihr frei vom Papst seid, wollt ihr auch vom Leiden befreit sein, wollt im Wohlstand leben, das Kreuz Christi mit Füßen treten, sein Beispiel verachten und so schlimmer werden als die Papisten, ja sogar schlimmer als die Menschen in Tyrus, Sidon und Sodom (Matthäus 11). Darum werden es die Leute von Sodom am Tag des Gerichts leichter haben als ihr. Ich fürchte auch, dass ihr noch weniger bereit sein werdet, das wahre Evangelium zu hören, als die Papisten, und die wahren Prediger noch mehr verfolgen werdet als sie.
Wenn du im Wort Gottes erkennst, dass alles Leiden von Gott kommt und dass er allein helfen kann, und dass er dir ein Vater ist, dann lerne auch, allein zu ihm um Hilfe zu beten. Wie im Psalm 17 steht: „Wenn mir Angst ist, rufe ich den Herrn an und schreie zu meinem Gott; so erhört er meine Stimme.“ Darum schickt Gott Leid über uns, damit wir zu ihm laufen um Hilfe vor allen Dingen und sehen, wie wunderbar er hilft. Im Psalm 91 spricht Gott vom betrübten Menschen: „Er ruft mich an, so will ich ihn erhören; ich bin bei ihm in der Not, ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen.“ Und Christus sagt in Matthäus 11: „Kommt zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“ Hörst du, dass Gott spricht: „Kommt zu mir, ruft zu mir, ich, ich, ich will helfen.“ Lies Martin Luthers Schriften über die sieben Bußpsalmen[3] und das Büchlein „Trost im Leiden“, das als Tessaradecas [consolatoria pro laborantibus et oneratis] betitelt ist.[4] Darum sagt der Fromme im Psalm 44: „Ich verlasse mich nicht auf meinen Bogen, und mein Schwert wird mir nicht helfen, sondern du, Herr, hilfst uns von unseren Feinden und machst die zuschanden, die uns hassen.“ So handeln nicht jene, die sich unter dem Anschein des Evangeliums zusammentun, hoffen auf große Scharen, auf Speere und Rüstungen, wollen sich selbst trösten und schützen und ihre Widersacher kreuzigen, die nichts anderes tun, als dass sie Gottes Wort von sich weisen und zu Gott sprechen: „Heb dich von uns, uns gefällt die Erkenntnis deiner Wege nicht“ (Hiob 21). Wer kann immerdar das Kreuz tragen? So fallen sie von einem kleinen Unglück in ein größeres. Sie fürchten sich vor dem Reif, und der Schnee fällt über sie (Hiob 6). Zu ihnen sagt Christus nicht: „Ich will euch erquicken“, sondern vielmehr: „Wer das Schwert nimmt, soll durch das Schwert umkommen“ (Matthäus 26) und im Psalm 36: „Alle, die Böses tun, werden ausgerottet.“ Merkt auf: Alle, ob sie Vernunft besitzen oder nicht. Beachte auch, wie falsch und irreführend das Verständnis des Evangeliums war bei allen, die im vergangenen Sommer Gottes Wort mit dem Schwert verteidigen wollten. Das bedeutet, sie haben Unglück über sich selbst gebracht, gegen Gott gehandelt, Gottes Werk behindert und dem Teufel ein leichtes Spiel bereitet. Es ist erschreckend, an das grausame Urteil Gottes über die großen Bauernaufstände zu denken, dass sie so viele Sprüche gegen den Aufruhr ignoriert haben und dadurch die falsche Lehre der aufrührerischen Pfaffen getadelt wurde, dass sie gegen das Beispiel und die Lehre Christi, ja gegen jede Gerechtigkeit und Vernunft gehandelt haben. Wir wollen Gott bitten, dass er solch ein Übel, solche Dunkelheit und verkehrten Sinn von uns abwendet.
Sprichst du: „Man hat uns Bibelstellen und Beispiele vorgelegt, um uns zu überzeugen, als würden wir Gott damit einen Dienst erweisen?“ Die Antwort ist: Man hätte gewarnt sein müssen durch das Beispiel Christi, dem der Satan auch die Schrift vorhielt, aber nicht auf richtige Weise (Matthäus 4). Und wie Christus uns lehrt, solchen falschen Verstand mit dem rechten zu widerlegen. Ihr sagt: „Warum hat man uns das nicht gepredigt?“ Die Antwort: „Warum habt ihr nicht zugelassen, dass eure Prediger geprüft werden, bevor ihr sie annehmt?“ Warum habt ihr ohne Rat jeden losen Fischer predigen lassen, obwohl durch Martin Luther das Wort Gottes uns ursprünglich gesandt wurde? Man hätte sich auch an ihn wenden sollen, um Prediger zu schicken, bis man einige Orte gut mit guten Predigern besetzt hatte, die dann auch andere prüfen könnten. Wenn es schon Luther manchmal misslungen ist, obwohl er die Prediger fleißig geprüft hat, wie könnte es euch dann nicht misslingen, die weder Verständnis noch Eifer dafür gehabt haben? Ich kam nach Wittenberg vor viereinhalb Jahren und dachte, ich wüsste viel vom Evangelium, aber als ich mit den Wittenbergern sprach, erkannte ich, dass ich nichts wusste. Sprichst du: „Haben nur die in Wittenberg das Evangelium verstanden?“ Die Antwort ist: „Ich sehe wohl, dass diejenigen, die nicht bei Luther geblieben sind und seinem Weg gefolgt sind, nicht viel Gutes bewirkt haben, wie man jetzt leider erfährt.“ Liebe Freunde, die wahren evangelischen Prediger sind nicht so zahlreich und verbreitet, wie man meint; es ist eine kostbare, aber seltene Sache. Darum seid gewarnt, dass euch kein Seelenverführer unter einem guten Schein gegen Gottes Wort und Kraft verführt, zum Schaden eurer Seelen und Leiber, eures Gutes und eurer Ehre. Behaltet euer Schwert in der Scheide, steckt die Hände in die Ärmel, und wie Gott im 45. Psalm sagt: „Lasst ab und erkennt, dass ich Gott bin; ich werde erhöht sein unter den Heiden, ich werde erhöht sein auf der Erde.“
Zu Gott sollen wir um Hilfe fliehen, wie es im Psalm 27 heißt: „Harre des Herrn, sei getrost, und lass dein Herz festhalten und harre des Herrn.“ Wir werden in Sanftmut das Erdreich erben (Matthäus 5), nicht durch Zank und Streit. Wer euch also von Geduld, Langmut und dem Warten auf Gottes Hilfe abbringen will und euch auf eigene Macht und Weisheit verweist, der führt euch in die Irre. Er nimmt euch Gott und sein Wort und macht euch zu Heuchlern, selbst wenn ihr behauptet, gegen die Heuchler nach Gottes Wort zu handeln. Der heilige Paulus sagt, dass ein Christ sich vor allem Bösen hüten soll. Wie könnte es Paulus gefallen, dass die Armen neidisch auf die Reichen sind und selbst gerne reich wären? Auch die Untertanen reden schlecht über die Obrigkeit und wollen selbst gerne Herren sein. Solche Leute zeigen durch ihre Taten, dass sie nicht das Heil der Reichen und Mächtigen suchen, sondern vielmehr wollen, dass die Mächtigen und Reichen genauso unglücklich werden wie andere oder dass andere in deren Positionen sitzen. Das, denke ich, war der Grund derer, die alles gleich und gemeinschaftlich machen wollten, obwohl keine Gleichheit einen Tag Bestand hätte. Denn selbst wenn man alle Güter auf der Erde gleich verteilen würde, würden Hurer, Verschwender und Spieler es nicht lange gleich lassen. Sie würden ihren Teil verschleudern und dann mehr fordern. Diejenigen, die ihren Anteil und Ausbeute behalten wollen, würden das nicht zulassen, und so würden sie Leib und Gut verlieren, so wie sie zuvor das Gut anderer ausgebeutet haben. Auch wird Gott das nicht zulassen (das vertrauen wir ihm), es wäre kein Glück dabei. Darum folge du den Worten Gottes in Sprüche 1, wo er dich vor solchen mörderischen und räuberischen Banden warnt und spricht: „Mein Sohn, wenn dich die Sünder locken, so folge ihnen nicht. Wenn sie sagen, komm mit uns, wir wollen viel Beute machen, wir wollen unsere Häuser mit Raub füllen, wage es mit uns, es soll unser aller Beutel sein.“ Mein Sohn, gehe ihren Weg nicht mit, halte deinen Fuß fern von ihrem Pfad, denn ihre Füße laufen zum Bösen und eilen, Blut zu vergießen. Siehst du, wie der Heilige Geist die Herzen aller räuberischen Menschen beschreibt? Weiter sagt er, sie lauern einander auf das Blut und trachten einander nach dem Leben. So enden die Wege aller Habsüchtigen, die einander die Seele rauben. So rotten sich zuerst die Räuber zusammen unter dem Vorwand gemeinsamer Hilfe, um Beute zu gewinnen und Herren zu werden. Dann erwürgen sie sich selbst untereinander.
Wenn man wissen will, wie man sich gegenüber der Obrigkeit verhalten soll, vor der wir uns Sorgen machen müssen wegen Unfrieden und Hindernissen im Christentum, der lerne von Sankt Paulus in 1. Timotheus 2, wo er sagt: „Ich ermahne euch, dass man vor allem Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen halten soll, für die Könige und alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit.“ Das ist der christliche Weg, gute Obrigkeiten zu machen, nämlich für sie ernsthaft zu beten und fleißig zu sein, ein ruhiges und stilles Leben (ohne Murren und Schimpfen) in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit zu führen und treu zu tun und zu tragen, was die Obrigkeit auflegt (solange es nicht gegen Gott ist), so wie auch Christus den unschuldigen Zoll bezahlte. Auch wenn dich ein Herr besonders verfolgt, folge dem Rat von Paulus in Römer 12: „Wenn dein Feind hungrig ist, so gib ihm zu essen; dürstet ihn, so gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln. Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ Wahrlich, wenn ein Herr merkt, dass es keine gehorsameren, tugendhafteren und ehrbareren Menschen im Land gibt als die Evangelischen, dann könnte er ihnen nicht feindlich gesinnt sein. Und wenn sie falsch beschuldigt würden, so wird Gott es richten nach dem Wort in 1. Petrus 2: „Wenn sie von euch wie von Übeltätern reden, werden sie eure guten Werke sehen und Gott preisen.“ Wenn es also ans Licht kommt, dann seid untertan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen, sei es dem König als dem Obersten oder den Pflegern als den Gesandten von ihm (gegen die, die ohne Mittel unter dem Kaiser sein wollen und keinen Amtmann oder Edelmann dulden, als solle der Kaiser überall persönlich anwesend sein – das wird nicht funktionieren), zur Bestrafung der Übeltäter und zum Lob der Wohltäter. Denn das ist der Wille Gottes, dass ihr mit gutem Tun die Unwissenheit der törichten Menschen zum Schweigen bringt. Wir sollen weder in Predigten noch sonst häufig gegen die Misshandlungen der Großen wettern. Wenn man einmal, zweimal, dreimal sagt, was ihrem Stand gemäß ist oder nicht, nach Gottes Willen, und sie es nicht annehmen, sollen wir sie Gottes Gericht überlassen und uns nicht nach ihrem Besitz oder Vermögen sehnen, dass wir nach dem Wort Christi auch den Staub von den Schuhen schütteln, damit man merkt, dass wir allein ihr Heil suchen und nicht ihren Schaden. Ich weiß wohl, dass Prediger oft vom Büffel gereizt werden, ihre Ohren mit leichtfertigem Geschrei gegen die Reichen, Mächtigen usw. zu kühlen. Davor soll sich ein frommer Prediger hüten und niemanden schelten, es sei denn, er könnte die Strafe von ihnen ertragen. Er soll aber jedem einfach, freundlich und treu sagen, was Gott vorgeschrieben hat. Eine besonders scharfe Zurechtweisung gegen einen oder mehrere Stände erfordert auch einen besonderen Geist, darauf soll sich jeder selbst prüfen und gut überlegen, ob er nicht zu größerem Schaden kommen würde vor Gott und seinen Engeln. Folge mir, wer will, ich weiß, was ich sage. Es ist nicht jedermanns Sache, gegen Gorgias zu kämpfen (1. Makkabäer 5). Noch weniger sollten wir daran denken, die gottlosen Priester, Mönche, Nonnen und Edelleute von ihren Gütern zu vertreiben und ihre Häuser zu zerstören, damit nicht Gottes Name unseretwegen bei den Gottlosen gelästert wird. Denn Gott will nicht, dass man jemanden gegen das Recht beraubt. Ich fürchte, wir werden es nie erleben, dass all unsere Oberherren evangelisch werden. Darum sollen wir allein Gott um Schutz bitten und geduldig auf ihn warten. Wer war gottloser als die Römer? Wer war eigennütziger und Christus mehr zuwider als die Pharisäer, Schriftgelehrten und Ältesten der Juden? Und doch hatte Christus oft Mitleid mit dem armen Volk. Dennoch floh er, als man ihn zum König machen wollte; wie könnte sich dann ein Christ unterstehen, einen gottlosen Herrn vom Thron zu stürzen und selbst darauf zu sitzen? Als ein Mann Christus um eine Entscheidung zwischen ihm und seinem Bruder in einer Erbsache bat, antwortete Christus: „Wer hat mich zum Richter über euch gesetzt?“ Warum sollte dann ein Christ sich ein Gerichtsverfahren annehmen, um Recht zu schaffen und den Armen mit dem Schwert zu helfen, wenn er doch für sich selbst nicht streiten soll, noch sein eigenes Unrecht rächen?
Wie sich ein Christ in der weltlichen Ordnung verhalten soll, kann man in Martin Luthers Büchlein dazu nachlesen. Ich habe in keinem anderen Lehrer über dieses Thema so gute Informationen gefunden wie in besagtem Büchlein. Wie kann jemand dann ernsthaft sagen, dass es Gottes Wille sei, gegen gottlose Herrscher mit dem Schwert zu kämpfen und dabei das arme, einfache Volk zu verführen? Deshalb sollte man klug sein, wenn man mit großen Herren, Nemetern[5] und Kanaanäern umgehen will. Man sollte heimliche und private Vermahungen und öffentliche Predigten vermeiden und auch das Stechen, Schelten und Murren gegen sie unterlassen. Man sollte nicht die Gottes Wort verwirren und anderen Verfolgung bringen. Wenn ein gewöhnlicher Fischer einen großen Herrn gut abbekommen hat und dadurch gegen alle Evangelischen aufbringt, soll er aus dem Gestank herausgehen und andere nicht belasten. So sieht man, worüber er gescholten hat.
Wenn Gott einem großen Herrn Gnade gewährt, dass er ein gottgefälliges Leben anstrebt, wird er selbst mehr wissen wollen, wie er handeln soll, ohne zu schelten und zu stechen. Man soll auch keine Aufrührungen machen, um evangelische Prediger zu fangen und zu töten. Was ist schlimmer oder schädlicher, als dass man den heiligen Johannes den Täufer, dem auch Christus die Heiligkeit bescheinigt hat, wegen einer Hure oder Ehebrecherin enthaupten lässt? Als Christus dies hörte, machte er kein Geschrei darüber, sondern schwieg und ging fort.
Als Petrus für den ersten Prediger Christus kämpfen wollte, wies Christus ihn zurecht und sagte: „Steck dein Schwert in die Scheide, denn wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen.“ Dies zeigt auch die glaubwürdige Legende der Apostel, die von den Ältesten der Gemeinde in Achaia aufgezeichnet wurde. Dort wird berichtet, dass ein Aufstand des Volkes gegen den Richter, der Andreas gefangen genommen hatte, entstand. Doch Sankt Andreas überzeugte das Volk, dass sie seine Martyrien nicht verhindern sollten. Auch wenn Christus und seine Jünger große Anhänger des Volkes hatten und viele große Herren (wie Johannes 12, Apostelgeschichte 6) die Tyrannen oft fürchteten, hat Gott immer verhindert, dass Christen gekämpft oder aufgeregt wurden. Christen geben nichts zurück für Böses, kämpfen oder rächen sich nicht, sondern lieben ihre Feinde, segnen die, die sie verfluchen, und beten für die, die sie beleidigen.
Du fragst, wer ertragen kann, das Toben und Schinden der Tyrannen und Wucherer? Antwort: Allein die Christen können das ertragen. Deshalb lässt Gott das Evangelium mitten im Zwang und in der Angst predigen, um den Erwählten Trost zu geben. Ein Christ weiß, dass die Leiden von seinem lieben Gott kommen, der auch helfen will und ehrenhaft beenden wird, und gibt länger standhaft durch als alle Tyrannen schinden und plagen können. Auch haben die Christen Prediger und Schreiber, die nur Trost in Geduld verkünden. Deshalb sollen sie die Gottlosen murmeln lassen gegen die Schinderei, die vom ewigen Leben nichts halten, keinen Gott haben und keinen Trost darin finden. Deshalb kämpfen sie um das Zeitliche und haben keine starke, trostvolle Lehre von ihren Predigern, die sie zur Geduld anregen.
Wenn jemand sagt, das sei zu streng, antwortet man: Wie meinst du das? Denkst du, Christus habe umsonst gesagt: „Die Tür ist eng und der Weg ist schmal, der zum Leben führt, und wenige sind, die ihn finden“? Es muss so sein und so weitergehen. Wer einen anderen, friedlicheren Weg sucht, um sich zu retten, der höre, was Christus sagt: „Wer seine Seele findet, wird sie verlieren.“ Wenn du den Weg des evangelischen Glaubens von Christus nicht mit großer Dankbarkeit annehmen willst, dann geh weiter, zögere nicht. Christus findet wohl Menschen, die Tag und Nacht um Gnade beten, seinen Weg zu gehen und sich weder von Tod noch Schwert abhalten zu lassen (Römer 8).
Wenn jemand fragt, wie lange die gottlosen Tyrannen gegen Gott toben werden, antwortet man: Solange es Gott gefällt. Gott hat im Evangelium allen Hochmütigen, Mächtigen und Reichen angekündigt, dass ihnen eine heiße Badewanne bevorsteht, und Unglück vor der Tür steht. Den Gottgefälligen, Demütigen und Hungrigen hingegen wird großer Trost zuteil (Lukas 1). Und keine weltliche Macht oder Reichtum kann vor diesem Zorn Gottes bestehen oder sich ihm entziehen. Denn bei Gott steht beschlossen (1. Korinther 1), dass nicht viele Weisen nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Edle berufen sind.
Dies ist nun in Oberdeutschland ausreichend verkündet worden, und es ist wenig Gottesfurcht daraus hervorgegangen, ja, ihre viele sind wütender gegen Gott als zuvor. Sie sind so zeitnah zum Fall gekommen, wie reife Trauben, sie können sich nicht mehr halten. Und wenn niemand auf sie achten wollte, werden sie sich selbst umbringen, wie Haman und Achitophel. Dies merkt der Teufel gut und denkt daran, auch die Christen durch Ungeduld und Unruhe in Unglück zu bringen, da sein Reich nicht allein in Sünden und Schaden liegt.
Darum, liebe Freunde, seid klug, haltet Hände und Zungen still, harret in Geduld. Ihr werdet bald die Wunder Gottes sehen, der für euch kämpfen wird (Exodus 14). Mit eurem Murren und Kämpfen hindert ihr Gott an seinem Vorhaben gegen die Gottlosen und zieht Gottes Zorn gegen euch selbst auf. Gott wird sie bestrafen; bittet allein Gott, dass ihr nicht Henker an ihnen werden müsst. Ihr seid zu wenig in der Lage, die Gottlosen nach ihrem Verdienst zu bestrafen. Ihr wisst und könnt die Sache nicht richtig tun. Wenn ihr einen Teufel besiegen wollt, bringt ihr drei ins Land. Was wollt ihr, dass euch in Sünde und Schaden gebracht wird durch fremde Misshandlungen? Euer Strafgericht wird nicht herzukommen, und selbst wenn Mose, Noah, Hiob, Daniel und Jeremia für sie beten würden, würde es ihnen nicht helfen (Hesekiel 14).
Wenn sie sich dann anders an Gott wenden als bisher, dann nehmt das Beispiel Davids (2. Samuel 26). Auch wenn er von Gott zum König gesalbt wurde, konnte er oder seine Freunde viele Jahre lang keine Ruhe vor Saul haben. Schließlich wurde er und seine Freunde unter die Heiden verbannt. David kam zweimal so nahe an Saul heran, dass er ihn ohne alle Hindernisse hätte töten können, und seine Diener drängten ihn dazu. Aber er sagte: „So wahr der Herr lebt, wenn der Herr nicht in Übel ist oder seine Zeit gekommen ist, dass er stirbt oder in einen Streit zieht und umkommt, so lasse der Herr fern von mir sein, dass ich meine Hand gegen den Gesalbten des Herrn lege.“
Man sieht auch, dass Gott immer große Dinge vollbringt, die weltliche Gewalt nicht bewältigen kann. Und alles geschieht ohne, über und gegen unser Wohl und Hilfe, allein durch die Predigt des göttlichen Wortes. Gott will den Preis allein haben. Er leidet nicht, dass jemand seine Hand daran legt, sodass man nicht sagen kann, dass unsere Gewalt und unser Rat geholfen haben. Darum werden auch die weisesten Irrenden nicht den Maßstab finden und nicht wissen, was sie tun sollen. Wer sich des Evangeliums anders annimmt als der Meinung, dass er dadurch zu christlichem und ewigem Leben kommen kann, den stößt Gott in Schande und Schaden, ja, er verflucht sie völlig, sodass sie anfangen, öffentlich das Wort Gottes zu verwerfen und zu verfolgen, das sie zuvor gelobt haben. Wenn man sieht, wie viele vom Evangelium abfallen, wenn es nicht nach ihrem aufrührerischen Herzen gegangen ist oder gehen wird.
Darum sage ich zum Schluss: Gott würde es auch nicht zulassen, dass sich das gemeine Volk unter dem Vorwand evangelischer Lehre gegen die Obrigkeit erhebt. Nein, nein, liebe Freunde, eher würde Gott noch hunderttausend Menschen darüber erschlagen lassen, bevor dies geschieht. Doch durch sein Wort allein wird er die Nimrode [leidenschaftliche Jäger] stürzen, wie er einst die Baalsdiener allein durch sein Wort gestürzt hat.
Aber Herren und Untertanen mögen merken, wie treu ich gegenüber beiden Seiten oft und viel gehandelt habe. Ich werde einige historische Ereignisse beschreiben. Ich kam im Jahr 1524 nach Erfurt in Thüringen und predigte dort ein ganzes Jahr. Ich begann damit, jedem Stand zu erklären, was Paulus und Petrus vorschreiben. Es war vielen erstaunlich, dass ich lehrte, was mehr zu einem Christen gehört als das Schimpfen über Pfaffen, Fleisch essen, nicht opfern und nicht beten. Ich tadelte auch das unsittliche Verhalten der sogenannten evangelischen Menge, die sich durch Essen, Trinken, Huren, Wucher, Fluchen, und falsche Anschuldigungen auszeichnete.
Dazu sagte ich den Herren in vier Punkten, wie sie handeln sollten: Erstens sollten sie die liederlichen, ärgerlichen und bösen Leute bestrafen, oder Gott würde verhindern, dass sie selbst bestraft werden. Zweitens sollten sie sich treu um die armen Witwen und Waisen kümmern, sie freundlich anhören und ernsthaft vertreten, ohne das Recht der Armen oder der Reichen zu verbiegen. Drittens sollten sie sich um die Kranken in der Gemeinde, wie in Krankenhäusern, kümmern, damit sie treu versorgt werden. Solche Menschen sollten nicht die geringsten in einer christlichen Gemeinde sein. Viertens sollten sie darauf achten, dass durch ihr Verhalten der Gemeinde kein Schaden entsteht und dass sie vor Gott und vor ehrbaren Menschen bestehen können. Auch wenn ihre Verwaltung nicht jedem übelgenommen wird, ist das nicht von Bedeutung. Wer der Gemeinde dient, muss viel arbeiten und wenig Dank erhalten. Aber Gott wird es wohl belohnen.
Auf solche Weise blieb ich immer dabei, von allen Ständen zu predigen. Der eine lobte mich, der andere floh. In allen meinen Predigten mahnte ich die christliche Gemeinde, sich nicht durch Ungeduld gegenüber Herren, Reichen oder anderen, von denen sie sich ungerecht behandelt fühlten, verderben zu lassen. Ich führte Sprüche und Beispiele an, die in diesem Büchlein verzeichnet sind.
Falls einige meiner aufmerksamen Zuhörer in Erfurt dieses Büchlein lesen und meinen Namen oder Titel erfahren, werden sie sagen, dass es Eberleins Predigt war. Als mir der Zettel mit den 12 Artikeln der Schwaben vorgelegt wurde, warnte ich das Volk vor dem Tod, und niemand hielt es für gut, dass ich solche Artikel tadelte. Ich sorgte auch dafür, dass es in Erfurt nicht zu einem Aufstand kommen würde. Es hätte niemals dazu kommen müssen, hätte der Teufel nicht falsche Männer erweckt, die das Erfurter Landvolk unter falschem Schein aufhetzten und etwa 4.000 Leute anführten.
Als ich an einem Freitagmorgen bei den Herren im Rathaus war, um über eine Sache zu sprechen und nun zu gehen, standen alle auf und baten mich kläglich und ernst, dass ich ihnen beistehen und Rat geben sollte. Ich fragte, was ihr Anliegen sei, und sie sagten, es sei eine Botschaft gekommen, dass sich das Stadtvolk gegen die Augustiner Mönche wenden wollte. Herr Hans Koch, hinter St. Gilgen [der Aegidiuskirche], der Ratsherr, sprach: „Oh Herr, tun Sie uns den Gefallen, wir brauchen Ihre Hilfe.“ Ich sagte, wenn das Volk gegen einen ehrbaren Rat aufbegehren wolle, würde ich mein Leben einsetzen, um Frieden zu schaffen. Doch, sagte ich, euer Oberster, Herr Adolarius Hüttener, ist nicht hier, wer weiß, was ihm zustößt.
So bat und ersuchte mich Herr Adolarius [Hüttener] (vor dem Ratssaal) um mögliche Hilfe und Unterstützung. Ich nahm mir Herr Christoph Milwitz, Herrn N. Rindtflaisch (die nun auch genannte Herren sind) und Herrn Matthes Schwengefelt sowie andere, und wir gingen gemeinsam zum Augustiner Tor zu der Menge. Als wir dort ankamen, erkannten die genannten Herren die Lage. Ich sagte zum Volk, ich sei als Freund gekommen und sie sollten mich unter die Menge lassen.
Als ich zu den Herren kam, rief ich der Menge zu, dass sie mich als Freund betrachten sollten und mich im Frieden hören sollten. Als das Volk still wurde, kamen noch zwei Prediger dazu. Ich sagte: „Liebe Freunde, ihr wisst, wie ich euch ein ganzes Jahr lang das Evangelium gepredigt und euch zu Geduld, Gehorsam und Frieden ermahnt habe. Viele haben meine Mühen gelobt und für gut befunden, und ich hoffte, dass Gottes Wort euch in Frieden gehalten hätte. Aber, Gott erbarmʼs, ich sehe euch heute in einer Lage, die ich nicht für den Willen Gottes halten kann. Wenn ihr nicht aufhört, werdet ihr euch selbst in Angst und Not vor Gott und der Welt bringen. Oh, liebe Freunde, denkt an etwas Besseres, folgt mir. Liebe Freunde, ihr habt mich immer treu in euren Notlagen gefunden, und ich will euch auch weiterhin treu sein. Ach Gott, wie groß ist der Schaden, den ihr dem Evangelium zufügt. Ihr solltet nicht denken, ich würde eure Herren täuschen, um sie neben mir zu stellen. Nein, ich habe sie bisher nicht getäuscht und will es auch künftig nicht tun. Ich bin allein für die Obrigkeit zuständig, und wenn es der Gemeinde nützt, soll die gesamte Obrigkeit daran beteiligt sein. Daher denke ich daran, euch mit euren Herren zu einem rechtmäßigen Frieden zu bringen, was für die Stadt am nötigsten ist. Deshalb habe ich sie mit mir geführt. Wenn ihr meine Freunde seid und euch meine Lehre gefällt, gebt mir ein Zeichen, nämlich, legt das Fähnlein nieder.“
Sobald sie es niederlegten, fasste ich einen Entschluss und sagte, wenn sie alle niederknien und um Gnade bitten, würde ich ihnen mehr sagen. Das taten sie, und ich erklärte ihnen in aller Kürze, was in diesem Büchlein geschrieben steht. Als ich ausgeredet hatte, sagte ich: „Liebe Freunde, bei meiner Lehre will ich (mit Gottes Hilfe) am Kreuz der Gehorsamkeit und Geduld gegenüber der Obrigkeit sterben und niemanden von euch zur Rechenschaft ziehen, der mit mir hält. Hebt einen Finger, wenn ihr mit mir haltet.“ Das ganze versammelte Volk hob die Finger und rief: „Wir auch, wir auch.“ Wer wäre froher als ich und meine Ratsherren?
Danach sagte ich: „Liebe Freunde, ich merke, dass eure Aufrührerei mehr eine teuflische List war als ein hässlicher Mutwille. Denn ihr werdet euch durch Gottes Wort und die Obrigkeit verderben und jemand wird euch etwas Besseres sagen können.“ Da hob D. Johann Lang, der Prediger, seine Hand auf (er war auch gekommen, während ich sprach) und sagte: „Liebe Freunde, so wahr Gott im Himmel lebt, so hat unser Herr und Bruder Johann Eberlein recht gelehrt. Folgt ihm.“ So herrschte Frieden in der Stadt. Bald ging ich mit den Herren und Predigern auf das Feld zu den Bauern und sprach mit ihnen eine Mahnung, wie oben beschrieben, sodass jeder vorher niederkniete. Als ich ein wenig gesprochen hatte, bekam ich als Antwort, man hätte auch etwas anderes zu tun als Predigten zu hören. Ich wollte wissen, woher der Pfeil kam, nicht von den Bauern. Wer aber die Bauern aufhetzte und sie in die Klöster führte, einige Pfaffen und Menschengruppen angriff, die Gerichte und Zollhäuser des Bischofs [Albrecht] von Mainz (der Erbherr von Erfurt ist), seine Wappen zerbrach, ließ ich die Bauern sagen.
Ich weiß wohl, dass solche Vorhaben in den Bauernartikeln nicht verzeichnet sind, wie wir alle gehört haben, als Magister [Johannes] May, der Ratsherr, den Brief vor der Gemeinde vorgelesen hat. Gott wird die Täter, die das einfältige Volk so verführt haben, nicht ungestraft lassen. Und obwohl kein Schaden für die Stadt entstand, wäre es nicht verwunderlich gewesen, wenn es zu einem grausamen Blutvergießen gekommen wäre. Die allgemeine Menge war bald wieder zu bringen, aber schwer zu beruhigen. In der Stadt waren die Bauern so friedlich, dass man sich darüber wundern konnte, kein Bürger hatte von ihnen gelitten.
Ich ging täglich von einer Versammlung zur anderen (auch andere Prediger mit großem Eifer) und mahnte das Volk zu Geduld und Gehorsam. In der Kartause lagen viele hundert Bauern, denen ich auch die oben genannte Lehre sagte, und der genannte D. Johann Lang gab ihnen öffentlich Zeugnis und weitere Lehre. Herr Hans Müller unter den ehrbaren Ratsherren, sah, wie viel Mühe und Sorge ich in der Kartause hatte, um die bösen Leute, die sich unter die einfältigen Bauern mischten und sie verführten, zu bekämpfen. Und welche liederlichen Leute das einfältige Volk aufhetzten, sollten sie mit Gewalt zum Rathaus ziehen. Die Herren waren unzufrieden. Und sie standen nach der Ordnung in den Straßen vor der Kartause. Ich stellte die Menge mit großer Gefahr für unser aller Leben ruhig, Gott sei gelobt.
Als ich einige Tage in der Frauenkirche vor allem Volk, Bürgern und Bauern gepredigt hatte, sagte ich ihnen in allen Ständen das Wort Gottes und erklärte, wie kein Glück bei Aufständen sei. Da ließ mir Herr Adolarius Hüttner, der oberste Ratsherr, aus einem Zettel im Namen und Beweis des Ausschusses des Rates, der Gemeinde und der Bauernschaft überbringen, ich solle der Frauenkirche mit vier erhängten Pfarrern versehen. Ich erklärte dem ganzen Volk zweimal die Gründe, warum ich das nicht tun wollte und konnte, und kam danach in Erfurt nicht mehr auf die Kanzel. Einige hundert Bauern lagen auf dem Petersberg und schickten nach mir. Ich nahm zwei ehrbare Bürger zu mir, ging zu ihnen, sie führten mich in einen Saal und baten um Rat nach der Bibel, wie sie ihre Artikel angeben sollten. Ich sagte vor jedermann, ihre Artikel seien falsch, das Evangelium helfe nicht dazu.
Als man einen neuen Rat wählen wollte, wurde ich vom Predigtstuhl (während ich in der Frauenkirche predigte) zum Rathaus berufen, auch andere Prediger. Als ich hörte, was ihre Pläne waren, wehrte ich mich mit aller Macht, wie D. Johann Lang, Herr Andreas zum Propheten, Magister Chon [Kune], Hermann Sachsen und andere es wohl wissen. Als man die Nonnen aus den Klöstern herausbringen wollte, machte ich mich so unwillig da gegen, vor allen Gewählten, dass N. und N. mir die Schuld gaben. Denn ich meinte, wir sollten den Papisten so freundlich begegnen, dass man merken sollte, wir suchten nicht den Sack, sondern die Seelen, wie M. Luther im Ratsschlag an die von Leisnig[6] gelehrt hat.
Deshalb ging ich in die Nonnenklöster und sagte ihnen, sie sollten sicher sein, dass niemand sie herausziehen würde. Was ich auch für Pfaffen und Mönche getan habe, wie ihr viel erfahren habt, erwarb ich Frieden und Sicherheit vor den Bauern, weshalb sie mir großen Dank sagten. Und hätte der Teufel nicht zwei Boten ins St. Andreas-Kloster geführt, um sie herauszuholen, wäre keine Nonne aus den Klöstern geflohen, obwohl auch Herr Adolarius Hüttner großen Missfallen äußerte, dass man die Nonnen nicht in den Klöstern lassen wollte.
So wären die Bauern ohne allen Schaden für die Stadt abgefertigt worden, niemand hätte Schaden angerichtet außer den Klöstern und dem Bischof. Wer dies befohlen hat, lasse ich sie sagen. Christus hat keinen Anteil daran, und Er wird auch die Verführer bald zu Schanden machen.
Ich wurde von Herrn Franz Langenstetter, Bürgermeister der Stadt Ilmenau, berufen, nachdem der erste Aufstand beruhigt war, dort ein oder zwei Mal zu predigen. Wie eifrig ich dort war, dass sie nicht wieder aufbegehren würden (wie einige im Land wieder aufbegehren wollten) und wie eifrig ich das Volk den zwei Grafen von Arnstadt anbefohlen habe, lasse ich hier stehen. Es hat noch niemand bereut, mir gefolgt zu sein.
So folgt mir auch, es wird euch nicht bereuen, und niemand kann diesen geschilderten Ereignissen mit Wahrheit widersprechen, weder im Winkel noch durch Briefe. Alles ist so offensichtlich, dass viele Tausende darüber berichten können.
So bitte ich alle frommen Christen, dass ihr niemandem Aufruhr gestattet, sondern vielmehr gegen Aufruhr mit Gottes Wort und Gebet kämpft, damit wir am Tag Christi in sicherem Frieden gefunden werden, unabhängig davon, was die Gottlosen über uns sagen. Betet für mich, dass die Gnade Christi mit euch allen sei. Amen.
Euer Bruder Johann Eberlein von Günzburg.
Quelle: Johann Eberlin von Günzburg, Sämtliche Schriften, Band 3, hrsg. v. Ludwig Enders, Halle a. S.: Max Niemeyer, 1902, S. 253-287.
[1] De coniugo episcoporum et diaconorum (Nürnberg 1525) bzw. Von dem ehelichen stande der Bischoffe (Wittenberg 1525). Vgl. Johannes Bugenhagen Werke, hrsg. v. Anneliese Bieber-Wallmann, Abt. I: Reformatorische Schriften, Bd. 2: 1525–1526, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2024, S. 167-374.
[2] Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben (1525), WA 18, 291-334.
[3] Gemeint ist Luthers Schrift Die sieben Bußpsalmen mit deutscher Auslegung, verbessert (Wittenberg: J. Klug, 1525, WA 18, S. 479–530).
[4] WA 6, S. 99–134.
[5] Die Nemeter waren vermutlich ein germanischer Stamm im Gebiet des Rheins zwischen Pfalz und Bodensee.
[6] Vorrede zu: Ordnung eines gemeinen Kastens. Ratschlag, wie die geistlichen Güter zu handeln sind (1523, WA 12, S. 11–15.