Zwiegespräch mit Gott (aus Gebet 41)
Von Gregor von Narek
Eine besondere Poesie zeigen die hymnischen Dichtungen aus der Armenischen Apostolischen Kirche, allen voran das Buch der Klagelieder (Narek) von Gregor von Narek (951-1003). Im 41. Gebet, das auch die Überschrift „Zwiegespräch mit Gott“ trägt, wird Christus, „Sohn des lebendigen Gottes, dem nichts unmöglich ist“, angerufen:
Wenn die Strahlen hervorbrechen,
die keinen Schatten sich abheben lassen,
deiner Güte und deiner Herrlichkeit,
dann schmelzen die Sünden dahin,
werden die Dämonen verjagt.
Ausgelöscht sind unsere Übertretungen,
zerbrochen die Fesseln, die uns banden,
aufgesprengt die Ketten.
Wiedergeboren zum Leben werden die, die tot waren.
Dann sind die Verletzungen geheilt,
vernarbt die Wunden,
zu nichts ist gemacht, was Fäulnis war.
Es verschwinden alle Traurigkeiten.
Es hört das Stöhnen auf.
Entflohen sind die Finsternisse,
zerteilt ist der Nebel,
weggeblasen ist der Dunst.
Es lichtet sich das Undurchdringliche.
Die mähliche Dämmerung kommt zu ihrer Vollendung.
Das Dunkel entweicht.
Davon eilt die Nacht.
Damit ist die Angst gebannt,
sind die Übel, an denen wir leiden, weggeschoben,
sind die Hoffnungslosigkeiten aus dem Horizont.
Denn erkennbar ist: Deine allmächtige Hand regiert,
o du, der du für alle gesühnt hast.
Quelle: Friedrich Heyer (Hrsg.), Kirche Armeniens. Eine Volkskirche zwischen Ost und West, Stuttgart: Evangelisches Verlagswerk, 1978, S. 100f.