Das größere Ja
Von Heinrich Spaemann
Die zunehmende Unfähigkeit zu tiefer und durchgehender Freude, wie sie eigentlich im Christen wohnen sollte, hat einen Grund in der Neigung, in seiner Umwelt mehr das Ungute als das Gute festzustellen, eher die Schatten als das Licht ins Gespräch zu bringen, lieber zurückzublicken als vertrauend nach vorn zu blicken zu den neuen Horizonten, die Gottes Treue öffnet. Die Folge ist ein trostloses Dunkel.
Es entspräche christlicher Ausrichtung, wenn wir uns darüber klar wären: Wir sind dazu da, Gottes Ja zum Menschen mitzuvollziehen. Nur so können wir dieses Ja als auch zu uns selber gesagt immer ganz neu erfahren und darüber in Freude sein. Der Geist des Sohnes ist Ja-Geist. Sein bis zur Kreuzigung durchlebtes und erlittenes Ja hat dem Nein unseres Versagens standgehalten, hat in der Vergebung der Weltschuld und in der Mitteilung Heiligen Geistes Gottes Ur-Ja zu uns, das sich durch kein menschliches Nein aus den Angeln heben läßt, offenbar gemacht.
Wenn man das dunkle Nein menschlichen Irrens und Versagens immer nur kritisch feststellt und festhält und damit gleichfalls wieder nur nein sagt, ohne ein größeres auflichtendes Ja spürbar und erkennbar zu machen, so hat sich in der Welt nichts zum Guten verändert, es ist nur noch mehr Nein geworden, noch mehr Abbau von Hoffnung und Freude.
Freudlosigkeit, das ist der ganze Bereich des Nein, und zwar darum, weil jedes Nein ohne das größere Ja isoliert und trennt. Wo aber das aushaltende Ja ist, da wächst Verbundenheit, da wird österliche Wirklichkeit bewährt und bezeugt, aus der und auf die hin wir leben.
Quelle: Heinrich Spaemann, Er ist dein Licht. Meditationen für jeden Tag. Jahreslesebuch, S. 185.