Von Blaise Pascal
Nur durch Jesus Christus kennen wir Gott. Ohne ihn als Mittler ist jede Gemeinschaft mit Gott ausgelöscht; durch Jesus Christus kennen wir Gott. Alle, die vorgaben, Gott ohne Jesus Christus kennen und ohne Jesus Christus beweisen zu können, hatten nur machtlose Beweise. Aber um Jesus Christus zu beweisen, haben wir die Prophezeiungen, die zuverlässige und handgreifliche Beweise sind. Da diese Prophezeiungen erfüllt und durch das Eintreffen wirklich bewiesen sind, sind sie Kennzeichen der Gewißheit dieser Wahrheiten und mithin Beweis für die Göttlichkeit Jesu Christi. In ihm und durch ihn kennen wir folglich Gott. Sonst und ohne die Schrift, ohne die Erbsünde, ohne den notwendig verheißenen und erschienenen Mittler kann man weder Gott wirklich beweisen, noch wahre Lehre, noch wahre Sittlichkeit lehren. Durch Jesus Christus und in Jesus Christus aber beweist man Gott und lehrt man die Sittlichkeit und die Lehre, folglich ist Jesus Christus der wirkliche Gott der Menschen.
Aber zugleich kennen wir unser Elend; denn dieser Gott ist nichts als Erlöser von unserem Elend. Also können wir Gott nur wahrhaft kennen, wenn wir unsere Verderbtheit kennen; und die, die Gott gekannt haben, ohne von ihrem Elend zu wissen, haben nicht seinem Ruhm gedient, wohl aber sich ihres Wissens gerühmt. Quia non cognovit per sapientiam, placuit Deo per stultitiam praedicationis salvos facere (Denn dieweil [die Welt] durch die Weisheit [Gott in seiner Weisheit] nicht erkannte, gefiel es Gott wohl durch törichte Predigt selig zu machen [die, so daran glauben] – 1. Kor. 1, 21).
Quelle: Blaise Pascal, Über die Religion und über einige andere Gegenstände (Pensées), übertragen und herausgegeben von Ewald Wasmuth, Tübinger Verlagshaus 1948, Fr. 547, S. 243f.