
Um Himmels Willen nicht „lutherisch“
Sieben verschiedene „lutherische“ Kirchen mit insgesamt ca. 50000 Mitgliedern gibt es in Hongkong. Der Grund für solch Vielfalt sind die unterschiedlichen Missionsgesellschaften, die in China bzw. Hongkong gewirkt haben. Genau genommen ist es jedoch nur eine Kirche, die das „Lutherische“ für sich umfassend beansprucht, die „Lutheran Church – Hong Kong Synod“, ein Abkömmling der amerikanischen Missouri Synod, die das „lutherisch“ auch in ihrem chinesischen Namen führt. Die Evangelical-Lutheran Church of Hong Kong, die mit der amerikanischen ELCA und der bayerischen Landeskirche verbunden ist, heißt im Chinesischen hingegen „xinyihui“ (Glaube-Gerechtigkeits-Gesellschaft).
Man kann diese Kirche bzw. die Missionare, die diese Namenswahl Anfang des 20. Jahrhunderts getroffen haben, nur beglückwünschen, haben sie doch beherzigt, was der „Nicht-Meister“ Martin Luther selbst gefordert hat:
„Zum ersten bitte ich, man wolle meines Namens schweigen und sich nicht »lutherisch«, sondern »Christ« nennen. Was ist Luther? Ist doch die Lehre nicht mein, ebenso bin ich auch für niemand gekreuzigt. Paulus (1. Kor. 3, 4 f.) wollte nicht leiden, daß die Christen sich paulisch oder petrisch, sondern Christen sollten (sie sich) nennen. Wie käme denn ich armer, stinkender Madensack dazu, daß man die Kinder Christi mit meinem heillosen Namen benennen sollte? Nicht so, liebe Freunde, laßt uns die Parteinamen tilgen und uns Christen nennen, (nach dem,) dessen Lehre wir haben. Die Papisten haben billig einen Parteinamen, dieweil sie (sich) nicht an Christi Lehre und Namen begnügen. Sie wollen auch päpstlich sein, so laß sie päpstlich sein, (dessen,) der ihr Meister ist. Ich bin und will keines Meister sein. Ich habe mit der Gemeinde die einzige, allgemeine Lehre Christi, der allein unser Meister ist, Matth. 23, 8.“ (Eine treue Vermahnung an alle Christen, sich zu hüten vor Aufruhr und Empörung, 1522)
Wer sich „lutherisch“ nennt, tut dem Nicht-Meister keinen Gefallen, sondern bezeichnet sich selbst als häretische Parteigänger. Wie man es ja aus der alten Kirche weiß, wurden die häretischen Gruppierungen, die sich im Widerspruch zur Lehre der einen heiligen allgemeinen und apostolischen Kirchen befanden, nach ihrem „Anstifter“ bezeichnet, wie z.B. Arianer oder Nestorianer. Demzufolge ist das Kognomen „lutherisch“ nichts anderes als eine kirchliche Selbstdisqualifizierung als Häresie.
Unverständlich ist, dass das sogenannte „Neuluthertum“ im 19. Jahrhundert nicht fähig war, zwischen Bekenntnistreue und Personenkult zu unterscheiden. Die bekenntnistreuen Kirchen in Osteuropa und im Elsass waren da mit ihrer Namenswahl „Evangelische Kirche Augsburger Bekenntnis“ zweifelslos auf der richtigen Seite. Und man darf neben der Hongkonger „Glaube-Gerechtigkeits-Gesellschaft“ auch den bekenntnistreuen Württembergern zur „Evangelischen Landeskirche in Württemberg“ gratulieren.