In seiner Safenwiler Zeit hatte Karl Barth wiederholt Vorträge für die örtliche Gruppierung des Blauen Kreuzes gehalten. Am 5. August 1917 war das Thema „Vom rechten Bibellesen“. Sein Redemanuskript enthielt folgende Zeilen:
Von Karl Barth
Daß wir eine «stille» Zeit haben im Verhältnis zu Gott, zeigt sich in unserm matten Verhältnis zur Bibel. Die Bibel der Vergangenheit. Die Bibel des Pfarrers. Die geglaubte [?] Bibel. Die Zauberbibel [?]. Die ungebrauchte Bibel. Was haben wir daran.
«Schwer zu verstehen!» Ein guter Seufzer, wenn er ernst gemeint ist. Wenn er doch allgemein würde, die vielen zerstreuten Leser und Nicht-Leser sich sammeln würden zum Eindringen in eine große Sache.
Schwer ist nicht die Sprache, nicht das Alter, nicht das Historische, das hat man zu allen Zeiten leicht verstanden, aber die Hauptsache! Wir dürfen nicht mit falschen Voraussetzungen an die Bibel heran! Wir machen die Bibel schwer!
Das Buch von Gott. Also nicht von den Menschen. Such Menschliches darin, so entrinnt sie dir! (Moral, Persönliches) Suche Gott, was er denkt und tut, dann redet sie. Hast du den Sinn für Gott?
Die Bibel ein Ganzes. Alles hat einen Sinn, aber eben keine Einzelheiten. Sprüche. Lehren. Geschichten. Christus.
Der Inhalt eine Geschichte – Gottes mit den Menschen. Wie er Glauben sucht und seine Gerechtigkeit aufrichtet.
Wozu die Bibel lesen? Um in diese Geschichte Gottes hinein zu wachsen.
Wollen wir das? Wirklich?
Quelle: Karl Barth, Vorträge und kleinere Arbeiten 1914-1921, hrsg. von Hans-Anton Drewes, GA 48, Zürich: TVZ 2012, S. 408.
Lieber Jochen,
Das ist mal wieder ein Volltreffer – super, dass Du das gefunden hast. Ich habe das als Leitfaden für die Aufsatzsammlung von mir, die Brian herausgibt (Thema: Transfigured not conformed. Es geht darum, wie wir in Gottes Story hineingebildet werden.)
Herzlichen Gruß
Hans
Prof em Hans G Ulrich
Fachbereich Theologie
Universtität Erlangen