Die evangelische Liturgie zeigt sich in ihrer formulierten Sprache im Vergleich zur katholischen Messe eher wortkarg – bis auf den Schlusssegen, der als „aaronitischer Segen“ (Numeri 6,24-26) mit erhobenen Händen und abschließendem Kreuzzeichen den Gläubigen zugesprochen wird:
„Der HERR segne dich
und behüte dich;
der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir
und sei dir gnädig;
der HERR hebe sein Angesicht über dich
und gebe dir Frieden.
Amen.“
Demgegenüber nimmt sich der einfache Schlusssegen in der katholischen Messe eher zurückhaltend aus: „Es segne euch der allmächtige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist.“ Über eine göttliche Gutheißung (Benediktion) hinaus lässt dieser trinitarische Segen den Gesegneten keine weitere Verheißung zukommen.
Dass in der evangelischen Liturgie der Segen lebensbezogene Verheißungen zuspricht, geht auf Martin Luther zurück. In seinem Messformular „Deutsche Messe“ von 1526 führt er den aaronitischen Priestersegen ein und erläutert ihn in seiner Schrift Der Segen, so man nach der Messe spricht über das Volk. Das göttliche Gutheißen wird in diesem biblischen Segen mittels der Redefigur der Anhäufung dynamisch entfaltet: Behütung, Erleuchtung, Gnade und Frieden sind dem Gesegneten göttlich zugesagt. Er findet sich damit in einem umfänglichen Gegenwartsraum des dreieinigen Gottes wieder, in dem sich das eigene Leben zukunftsträchtig bewegen darf.
Solch göttliche Lebenswirklichkeit wird nicht nur herbeigewünscht oder in einem Segensgebet erbeten, sondern zuversichtlich zugesagt. Dass dies so angebracht ist, hat Luther in seiner Auslegung des Erstgeburtssegens Isaaks in Genesis 27,28-29 herausgestellt:
„Dieser Segen aber ist nicht ein leerer Schall von Worten oder ein Glückwunsch, mit dem einer dem andern etwas Gutes zu wünschen pflegt. […] Es ist kein Wunsch, sondern er gibt ihm damit das Gut, und sagt damit also zu ihm: ‚Siehe, nimm die Gaben hin, die ich dir mit Worten verspreche.‘ […] In der Heiligen Schrift sind reale Segen nicht allein Segenswünsche, sondern wirkliche Segen, die das wirksam schenken und mit sich bringen, was die Worte besagen. Gleiches haben auch wir im Neuen Testament durch das Priestertum Christi, welches unser Segen ist, wenn ich sage: Empfange die Lossprechung deiner Sünden. […] Diese Dinge haben alle die Macht, dass sie dir gegenwärtig und wahrhaftig gegeben werden, wenn du glaubst. Denn es sind nicht unsere Werke, sondern sind Gottes Werke durch unseren Dienst.“
Unter der Bedingung des Glaubens versagt sich der Segen einer eigenmächtigen Wortmagie. Nur im Glauben an den dreieinigen Gott kann der zugesagte Segen wirklich wahr werden. Das Ja-Wort des Segens – wie es im Kreuzzeichen (signa crucis) sinnfällig wird – ist Jesus Christus, ist er doch „das Ja zu allem, was Gott verheißen hat“ (2Korinther 1,20). Im Zeichen des Kreuzes hat diese Ja-Wort auch dort Bestand, wo eigene Lebenserfahrung durch Leid, Schmerz oder Verlust sich nicht im Segen wiederfinden kann.
Über den aaronitischen Segen hinaus haben zwei trinitarische Segen in der evangelischen Liturgie eine besondere Bedeutung – der Konfirmationssegen und der Valetsegen. Im Konfirmationsgottesdienst werden die jugendlichen Konfirmanden durch die Pfarrerin bzw. den Pfarrer unter Handauflegung mit Kreuzzeichen wie folgt gesegnet:
„Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist
gebe dir seine Gnade:
Schutz und Schirm vor allem Argen,
Stärke und Hilfe zu allem Guten,
dass du bewahrt werdest zum ewigen Leben.
Friede sei mit dir.
Amen.“
In der Ausrichtung auf das ewige Leben weiß dieser trinitarische Segen das zukünftige Leben zu umfassen und dabei auch ausstehenden Verlusterfahrungen standzuhalten. Daran kann auch der Valetsegen anknüpfen. Dieser findet sich nunmehr auch im katholischen Gotteslob unter der Nummer 28.9 (Hausgebet für Verstorbene) wieder. Als Abschiedssegen wird er mit Handauflegung und Kreuzzeichen einer Sterbenden bzw. bei der Aussegnung einem Verstorbenen zugesprochen:
„Es segne dich Gott, der Vater,
der dich nach seinem Bild geschaffen hat.
Es segne dich Gott, der Sohn,
der dich durch sein Leiden und Sterben erlöst hat.
Es segne dich Gott, der Heilige Geist,
der dich zum Glauben gerufen und geheiligt hat.
Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist
geleite dich durch das Dunkel des Todes.
Er sei dir gnädig im Gericht
und gebe dir Frieden und ewiges Leben.
Amen.“
Seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat sich im deutschsprachigen Raum eine ganz eigene Segenspoesie entwickelt. Unter der Herkunftsbezeichnung „irisch“ und damit mit dem Anspruch eines vermeintlich authentischen keltischen Christentums versehen sind unzählige Segenssprüche und Segenswünsche publiziert worden. Sie alle bedienen das Bedürfnis nach einem glücklichen und gelingenden Leben. Wird dabei Gott angesprochen, fungiert er als Ursprung und Garant eigener Glückserwartungen.
Das ist eine Herausforderung für pastorales bzw. liturgisches Handeln in der Kirche, einen trinitarischen Segen zuzusprechen, der einerseits die Lebensbedürfnisse der zu Segnenden aufnimmt und andererseits die menschliche Selbstbezogenheit auf die göttliche Gegenwart aufbricht. Dann kann der Segen die Antwort im innigen Beten finden, wofür die Worte aus Psalm 73 stehen mögen:
„Ich bin doch beständig bei dir,
du hast meine Rechte ergriffen.
Du leitest mich nach deinem Ratschluss,
danach nimmst du mich auf in Herrlichkeit.
Wen habe ich im Himmel außer dir?
Neben dir erfreut mich nichts auf Erden.
Mag mein Fleisch und mein Herz vergehen,
Fels meines Herzens und mein Anteil ist Gott auf ewig.“
(Vv 23-26).
die Segensworte sind tröstlich,vielleicht gibt es auch Gebete gegen die Angst,–ich lebe in einem Neubauviertel mit verschiedenen Ethnien,bin alleinstehend ,68 Jahre alt und werde völlig grundlos unerträglich beschimpft.