Martin Luthers Auslegung von Genesis 27,28-29 (Isaaks Segen): „In der Heiligen Schrift sind Segen nicht allein Segenswünsche, son­dern wirkliche Segen, die das wirklich schenken und mit sich bringen, was die Worte besagen.“

Isaak segnet Jakob (Zeichnung nach Carel Fabritius, 1640)
Isaak segnet Jakob (Zeichnung nach Carel Fabritius, 1640)

In seiner Genesis-Auslegung zu 27,28f – Erstgeburtssegen, den Isaak (fälschlicherweise) Jakob erteilt – kommt Luther auf die Wirklichkeit des Segens zu sprechen. Segens­worte sind kein leerer Schwall von Worten, sie richten keinen Glückwünsch (exoptatio) aus, sondern sind tatsächliche Gabe (dona­tio), also „reale Segnungen“, die nicht imprekativ, sondern indikativisch zu verstehen sind:

Über die Wirklichkeit des Segens (Auslegung zu Genesis 27,28-29)

Von Martin Luther

Dieser Segen aber ist nicht ein leerer Schall von Worten oder ein Glückwunsch, damit Einer dem Andern etwas Gutes pflegt zu wünschen. Als, wenn ich sage: GOtt gebe dir feine und gehorsame Kinder; das sind nur solche Worte, damit man Einem etwas Gutes wünscht, damit ich einem Andern nichts gebe, sondern allein etwas wünsche; und ist ein solcher Segen, der ungewiß ist und noch vom Erfolg abhängt. Dieser Segen aber des Patriarchen Isaak zeigt auch ein gegenwärtiges Gut und ist für immer gewiß. Es ist kein Wunsch, sondern er gibt ihm damit das Gut, und sagt damit zu ihm also: Siehe, nimm die Gaben hin, die ich dir mit Worten verspreche. Denn das ist ein Anderes, wenn ich sage: Ich wollte dir wünschen, daß du einen starken und gesunden Leib möchtest haben, daß du einen guten Verstand hättest; da das Wort ,,haben“ eben nicht folgt. Es ist aber ein Anderes, wenn ich dir einen Sack mit Geld darbiete, und sage: Siehe, nimm hin, da hast du tausend Gulden, die will ich dir schenken; oder da Christus sagt zu dem Gichtbrüchigen Matth. 9, 6: „Stehe auf, heb dein Bette auf und gehe heim“. Nach gemeinem Segen, damit Einer dem Andern Gutes wünscht, hätte er gesagt: Ach wollte GOtt, daß du möchtest gesund und stark sein; damit würde aber die Krankheit nicht abgeschafft, und würde darauf nicht folgen, daß der Kranke wieder zu Kräften käme. Darum ist das nur ein Wortsegen.

In der heiligen Schrift aber sind thatsächliche Segen: nicht allein Segenswünsche, son­dern wirkliche Segen, die das wirklich schenken und mit sich bringen, was die Worte sagen. Wie wir denn im Neuen Testament auch solche Segen haben durch das Priesterthum Christi, welches unser Segen ist, wenn ich sage: Nimm hin die Absolution deiner Sünde. Wenn ich aber also sagte: Wollte GOtt, daß dir deine Sünden vergeben wären; ach, daß du fromm und in GOttes Gnade wärest; oder: Ich wünsche dir von GOtt Gnade und Barmherzig­keit, das ewige Reich und Erlösung von deinen Sünden: das möchte man einen Segen der Liebe heißen. Aber der Segen der Verheißung und des Glaubens und der gegenwärtigen Gaben lautet also: Ich absolvire dich von deinen Sünden im Namen des Vaters, und des Sohnes und des Heiligen Geistes, das ist: Ich versöhne deine Seele mit GOtt, nehme von dir den Zorn und Ungnade GOttes und setze dich in GOttes Gnade, ich gebe dir das Erbe des ewigen Lebens und das Himmelreich.

Diese Dinge alle haben die Kraft und Gewalt, daß sie dir gegenwärtig und wahrhaftig gegeben werden, wenn du glaubst. Denn es sind nicht unsere Werke, sondern sind GOttes Werke durch unser Amt und Dienst. Derhalben sind es nicht solche Segen, die nur etwas wün­schen, sondern die es auch mittheilen. Wenn ich dich taufe im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, ist es eben so viel, als wenn ich sagte: Ich reiße dich dem Teufel aus den Händen und bringe dich zu GOtt, und dasselbe wahrhaftig und mit der That.

Auf dieselbige Weise haben die Patriarchen auch in ihren Händen Macht und Gewalt gehabt zu segnen, das ist, daß sie in einer gewissen Verheißung haben geben können denen, welche sie gesegnet haben, daß die Nachkommen würden Nahrung, Regiment und Priester­thum haben. Nicht anders, denn als ob Isaak sagte: Ich gebe dir Korn, ich gebe dir das Reich und Priesterthum. Die Juden behandeln diese Segen allzu kalt; denn sie verstehen dieselben nur menschlicher Weise und daß dadurch nur Gutes gewünscht werde, und nicht daß denen, so gesegnet werden, die Güter gewißlich zuerkannt und gegenwärtig überreicht werden. Der Segen aber ist ein solcher endlicher Spruch oder Urtheil, der da gewißlich bestimmt und schließt, daß die Güter, so im Segen verheißen werden, auch mit der That folgen müssen. Und eine solche Gewalt ist wahrlich ein groß Ding; denn sie bringt und gibt wahrhaftig leibliche Güter für das Haus, zeitliche Güter zum Regiment, ewige Güter zum Priesterthum. Für solche Macht und Gewalt haben sie GOtt gelobt, der sie den Menschen gegeben hätte, durch welche er segnete, und allerlei Gaben und Wohlthaten gäbe und erzeigte.

Quelle: Johann Georg Walch, Dr. Martin Luthers Sämmtliche Schriften, Bd. 1: Auslegung des ersten Buches Mose, Erster Teil, St. Louis 1880, S. 298-300.

Hier die Text mit der lateinischen Originalfassung als pdf.

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