Im Machtraum göttlicher Liebe. Noch einmal die Geschichte vom verlorenen (bzw. wiedergefundenen) Sohn: „Wer als Sohn durch eigenen Verdienst sich beim Vater in eine wohlgefällige Stellung bringen will, hat selbst versäumt, was ihm der Vater „alles aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit, ohn all mein Verdienst und Würdigkeit“ (Luther) schon längst gewährt hat.“

Rembrandt – Die Rückkehr des verlorenen Sohnes (1669)

Im Machtraum göttlicher Liebe. Noch einmal die Geschichte vom verlorenen (bzw. wiedergefundenen) Sohn

Jedes Mal wenn ich im seelsorgerlichen Gespräch die Geschichte vom verlorenen Sohn erzählend vorstelle, entdecke ich sie selbst neu.

Ist väterlich-göttliche Liebe für einen selbst wirklich? Am Anfang der Geschichte scheint sie für den jüngeren Sohn nicht erfahrbar zu sein. Er lässt sich ja das Erbe auszahlen, um sich aus dem väterlichen Lebensraum in die Eigenständigkeit zu verabschieden. Solche Selbständig­keit braucht ein eigenes Vermögen. Und Jesus erzählt uns, wie der junge Mann eigensinnig sein Vermögen verspielt, um schließlich in einem hungerleiderischen Dienst­verhältnis am unreinen Schweinetrog kläglich zu enden.

Wo er sich auf sein Unvermögen besinnt und aus dem eigenen Verloren-sein umkehrt, visiert er ja nur ein besseres Dienstverhältnis bei seinem Vater an. Was jedoch bei seiner reumütigen Rückkehr passiert, stellt alles bislang Dagewesene auf den Kopf: In seiner Ankunft wirft sich ihm die väterliche Liebe um den Hals. Dieser Vater hat seinen Sohn wahrlich nie verlorengegeben, auch wenn er ihm nicht nachgeeilt ist. Er wusste wohl selbst, dass der Sohn nur in dessen eigenen Umkehr für seine Liebe empfänglich werden konnte. Hätte er nämlich den Sohn in dessen Unvermögen gestellt, wäre diesem eine väterliche Bevormundung widerfahren. Wo nun aber der Sohn aus seinem Unvermögen selbst umgekehrt ist, überströmt ihn bei der Rückkehr die väterliche Barmherzigkeit. Die Wiedereinkleidung und das Wiedersehensfest stellen den Sohn in den Machtraum göttlicher Liebe, die sein Leben auf das Innerste durchdringt.

Und genau da zeigt sich für den älteren Sohn, dass auch für ihn die väterliche Liebe bislang unwirklich gewesen ist. Wer als Sohn durch eigenen Verdienst sich beim Vater in eine wohlgefällige Stellung bringen will, hat selbst versäumt, was ihm der Vater „alles aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit, ohn all mein Verdienst und Würdigkeit“ (Luther) schon längst gewährt hat. So muss nunmehr der ältere der beiden Söhne draußen vor der Tür bleiben und sich selbst der väterlichen Liebe verweigern. Wenn nun der Vater auf ihn mit den Worten „Alles, was mein ist, das ist dein“ zugeht, bleibt am Ende fraglich, ob dessen Liebe für ihn wirklich werden kann.  In der verdienstlichen Selbstgerechtigkeit kann jedenfalls das eigene Leben nicht zur Umkehr in den Machtraum der väterlichen Liebe kommen.

Hier mein Text als pdf.

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